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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint täglich nachm. L Uhr sür den folgende» Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2MK. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,20 Mb., bei Postbestellung 2 Mk. zuzüglich Abtrag- .. , gebühr. Einzelnummern rsPfg. AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff «. Umgegend Postdot-nundunfe-eAus- »Lger und Geschäftsstellen — ! nehmen zu ;eder Zeit Be- fteüftngen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto bernegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20 Goldpfennig, die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gollx- pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 100 Goldpfennig. 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Von einem parlamentarischen Mitarbeiter wird »ns geschrieben: Als die Obstruktionspolitik der radikalen Linken gegen die Zollvorlage im Reichstag immer schärfere Formen an nahm, als auch die Sozialdemokraten diese Obstruktions politik mehr oder weniger mitmachten, selbst die Kosten des Diätenentzuges dabei nicht scheuten, um die Beschluß unfähigkeit des Hauses herbeizuführen, schritt die Mehrheit zum Gegenangriff. Der gewaltsamen Entfernung mehrerer Kommunisten aus der Montagsitzung folgten die Anträge der Mehrheit auf Übergang zur Tagesordnung über alle Abänderungsanträge, Gesamtannahme der Paragraphen der Vorlage. Darauf folgte die Erklärung der Sozial demokraten, aus dem Sitzungssaal hinauszugehen und sich an der weiteren Behandlung der Zolltarifgesetze nicht mehr zu beteiligen. Die Mehrheitsparteien beschlossen wie beantragt: Übergang zur Tagesordnung. Aber noch ehe dieser Beschluß formell gefaßt war, gingen die Sozialdemo kraten aus dem Sitzungssaal und ihnen folgten die Kom munisten. Bei den Demokraten herrschte nicht übel Lust, diesem Beispiel zu folgen, doch blieben sie schließlich im Saal mit der Erklärung, sich an den Abstimmungen nicht zu beteiligen. Bezeichnend ist, daß die beiden Redner der Sozial demokratischen Partei der Fraktionsvorsitzende Müller- Franken und der Parteivorsitzende Otto Wels waren; Wels war es, der die Erklärung abgab, daß die Sozial demokratie nicht mehr mitmache. Das ist wichtig, weil dieser Entschluß, von dem Vorsitzenden der Partei verkündet, weit mehr ist als eine nur parlamentarische taktische Maßnahme; in besonders erregten Zwischenrufen wandte sich die Linke am Montag gegen das Zentrum. Waren es doch ein Redner der Bayerischen Volkspartei und einer des Zentrums, die das Vorgehen der Mehrheits parteien begründeten. Man konnte in den Wandelgängen des Reichstages alsbald davon hören, daß das Tischtuch zwischen Zentrum und Sozialdemokratie jetzt gänzlich zer schnitten sei. Das Verhältnis zwischen den beiden Parteien, die in Preußen gemeinsam in der Regierung sitzen, ist schon seit längerer Zeit recht gespannt; man hat es dem Zen trum auf der Linken nicht vergessen, daß es in die Negie rung Luther eingetreten ist. Freilich erklärte das Zen trum immer wieder, es rechne sich nicht zu den Koalitions parteien, sondern unterstütze das Kabinett Luther nur so lange, als dieses eine Politik treibe, die den Beifall des Zentrums finden könne. Diese rein theoretische Auslegung ist aber dadurch fast wesenlos geworden, daß das Zen trum den so überaus wichtigen und folgenschweren Ge setzen über die Aufwertung, dann über die Steu er n und jetzt schließlich noch über den Zolltarif seine Zustimmung gegeben hat. Damit hat diese Partei die Verantwortung für die Innenpolitik des Kabinetts Luther ebenso übernommen wie sür die deutsche Außenpolitik durch das Vertrauensvotum für Luther und Stresemann. In gleichem Maße wie das Zentrum sich immer enger den Rechtsparteien anschlotz wurde die Tonart der sozialdemo kratischen Redner und Zeitungen immer schärfer. Sozial demokratische Propaganda unter der katholischen Arbeiter schaft des Westens rief scharfe Gegenerklärungen aus der Zentrumsseite hervor. Und es war nur ein, wenn auch etwas voreiliger Ausdruck der gegenseitigen politischen Konstellation, wenn man davon sprach, daß ein bekannter Zentrumsführer aus dem Rheinlande das zurzeit nicht be setzte Ministerium für die besetzten Gebiete erhalten soll. Das Zentrum scheute die darin zum Ausdruck kommende stärkere Bindung an das Kabinett Luther; vielleicht haben die Ereignisse in der Montagsitzung des Reichstages diese Scheu nun als überflüssig erscheinen lassen, weil durch die Übereinstimmung mit den Rechtsparteien diese Bindung doch zu einer starken geworden ist. Man sprach am Montag im Reichstag von einem ^„Augenblick schwerwiegender innerpolitischer Bedeutung". Rein äußerlich genommen bot der Sitzungssaal den An blick des Gegensatzes zwischen bürgerlichen Parteien und Sozialdemokratie. Und zwar beiden sozialdemokratischen Parteien; denn in ihrem Hinausgehen aus dein Sitzungs saal liegt die Bindung der Kommunisten an die Politik des größeren Bruders zur Rechten. Vielleicht bedeutet das sozialdemokratische Vorgehen den Beginn eines hef tigen agitatorischen Kampfes mit dem Ruf: Hie Arbeiter, hie Bürgertum! Schon erschallen die Signale vom Brot wucher und dergleichen. Die ansteigende Teuerung, die drohende Arbeitslosigkeit infolge der Wirtschaftskrise liefern günstigen Boden. Vielleicht also war die Montagssitzung des Reichs tages der Ausgangspunkt heftiger innerpolitischer Kämpfe und damit möglicherweise auch einer Umbildung der Re gierungskonstellation in Preußen Einladung Stresemanns uachGenf? Verhandlungen mitDeutschland. Der Londoner „Westminster Gazette" zufolge wird er wartet, daß eines der Ergebnisse der Besprechung zwischen Briand und Chamberlain eine Einladuna Derfassungsfeier im Reichstag. M. Luther über Voll und Vaterland n. Berlin, 11. April. Der Reichstag bot heute ein ungewohntes Bild. Auf den Plätzen, von denen aus sich noch gestern die Abgeord neten erbittert um die Zollvorlage stritten, saß eine festlich gekleidete Menge, die durch den Damenflor einen besonders anziehenden Anblick erhielt. Es wurde die sechste Wieder kehr des Tages der Einführung der Deutschen Verfassung gefeiert. Zu diesem Zwecke hatte der Reichstag über Nacht sich, ebenfalls ein festliches Gewand zugelegt, das zwar, entsprechend der Not der Zeit, einfach war, aber sehr ein drucksvoll wirkte. Die Vorderfront, dem Bismarckdenkmal gegenüber, war mit Girlanden und Blattpflanzen umzogen. Im Sitzungssaale hatte man im allgemeinen Tannenreis bevorzugt, das zu Kränzen geflochten die Tribünen umzoa, von denen die Wappen der einzelnen deutschen Länder herabhingen. Das Rednerpult hatte einen Blumenschmuck erhalten, während der Präsidentensitz und die Eingangs türen dahinter wieder einfachen Tannenschmuck trugen. Darüber war über einer großen Reichsflagge in den Far ben der Deutschen Republik der große Reichsadler ange bracht. Pünktlich um 12 Uhr erschien der Reichspräsident v. Hindenburg in der Ehrenloge, begleitet vom Reichstagspräsidenten Löbe und den beiden Vizepräsidenten Bell und Graes. Die Versammlung hatte sich zu seiner Be grüßung erhoben. Der Reichspräsident trat an die Brüstung und verneigte sich zum Danke dreimal. Neben dem Reichspräsidenten hatte der Reichsminister Schiele Platz genommen. Die eigentliche Feier wurde eingelcitst durch einen Vortrag des Berliner Philharmonischen Or chesters, das den ersten Satz aus der ersten Sinfonie von Brahms spielte. D^e Festrede war dem Bonner Honorarprofessor Hermann Platz zu gefallen, der in fast dreiviertelstündiger Rede sich über den Kern und den Sinn der Deutschen Verfassung auslietz. Er betonte dabei, daß das deutsche Volk zwei Quellen habe, aus denen es seine Kraft schöpfe, die deutsche Jugend und den deutschen Rhein. Er erinnerte dabei an das jetzt hun dert Jahre alte Wort, daß der Rhein Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze sei und führte u. a. aus: „Der Glaube an die Möglichkeit des Besseren, der Glaube an die gesunden Kräfte unseres Volkes und seine Politische Erziehbarkeit, der Glaube an die Einfügbarkeii eines so ge reiftem Staatsvolkes in eine Gesamtordnung, die dem Höhe punkt des deutschen Denkens im Mittelalter ebenso gegen wärtig war wie den Männern der klassischen Zeit des preußi schen Staates, das ist zunächst notwendig, wenn die Verfassung Wirklichkeit werden soll. Allen Deutschen, die im Geiste der Verfassung dieser staatspolitischen Einswerdung aus freier Selbstbestimmung dienen, gilt in dieser Stunde unser Gruß und unser ausmunterndes Wort. Der deutsche Volksstaat ist, was diese Verantwortungsbewußten aus ihm zu machen ver stehen: ein von innen her lebendig und stark gewordener Orga nismus, dessen Kräfte nicht einseitig vorherrschaftslüstern und sindungzstolz sich überheben, noch klassenkämpferisch sich zer- slcischen dürfen; denn alle soll ja nach den einleitenden Worten der Verfassung der Wille beseelen, das Reich in Freiheit und Gerechtigkeit zu erneuern, dem inneren und äußeren Frieden und den gesellschaftlichen Fortschritt zu fördern. Möge dieser Wille, dem Ganzen zu dienen, im Rahmen unserer Verfassung neu geweckt und einsichtig verwirklicht, uns das freie machtvolle Morgen im Sinne des Friedens und deS Rechts schaffen! Wenn wir dann der Welt nicht vorenthalten haben, was sie von uns erwarten darf, dann dürfen wir fordern, dan uns die Welt gibt, was unser ewiges, uuverjähr- bares Recht rst." " Oer Reichskanzler spricht. Nachdem das Philharmonische Orchester noch den vicr- z ten Satz der ersten Brahmfchen Sinfonie zu Gehör ge bracht hatte, erhob sich der Reichskanzler zu solgendcr - Ansprache: Herr Reichspräsident, meine Damen und Herren! All unser t Arbeiten gilt und muß gelten dem deutschen Volk und Vater- ß land. In der jetzt zu Ende gehenden Reichstagstaguug, Lie Gefetzgebungswerke von höchster Bedeutung geschaffen hat. an den deutschen AUßenmMMer Stresemann sein weroe, mit den Außenministern Großbritanniens, Frankreichs und Belgiens im September in Genf zusammenzutreffen. Das britische Kabinett soll sich am Donnerstag mit der Antwort aus die deutsche Note vom 2V. Juli befassen. * Nach Berichten der französischen Agentur Havas ist schon zu Beginn des Meinungsaustausches über die deutsche Rote zur Sicherheitsfrage vom 20. Juli sehr leb haft der Wunsch ausgedrückt worden, daß baldmöglichst direkte Verhandlungen mit Deutschland angeknüpft würden. Nach dieser Richtung ist Einstimmigkeit vor handen. und dis alliierten Reaierunaen alauben. daß der yaoen mercys ragsmeyr psir uno parlamentari sche Opposition ihr größtes Können und ihre ernstestk Überzeugung dem Wohl des deutschen Volkes gewidmet. Um des deutschen Volkes Willen, das in vielleicht naher Zukunft noch sehr große Aufgaben, zumal in der Außenpolitik, zu lösen und vielleicht wirtschaftliche und soziale Nöte zu be stehen haben mag, muß auch in Zukunft jeder einzelne seine beste Kraft dem Vaterlande zur Verfügung stellen. Lebendig bleiben muß in uns der Geist des Z u s a m m e n h a lt e n s und der Einigkeit, für dessen Unerschütterlichkeit auch nach härtester Kriegsnot uns die R e i ch s v e r f a s s u n g v o m 11. August 1919 ein starkes Wahrzeichen ist. Wir begehen festlich den Tag dieser Verfassung, die die tragende Grundlage für das jetzt so schwierige und so besonders verantwortungs volle Wirken aller öffentlichen Kräfte bildet. Lassen Sie uns am henligcn Versasfungstagc geloben, geloben voll kräftigen Glaubens an die deutsche Zukunft, daß wir nie nachlassen werden im Dienst an unserem Volk und Vaterland. Als Reichskanzler habe ich die Ehre, Sie, Herr Reichspräsident, und Sie, meine Damen und Herren, zu bitten, mit mir einzu stimmen in ein Hoch aus das in der Republik ge einte deutsche Volk: das in der Republik ge- «inte deutsche Voll lebe doch! Mit dem Absingen der ersten und dritten Strophe der Deutschlandliedes fand die Feier ihren Abschluß. In zwischen hatte vor dem Haupteingange des Reichstages eine Ehrenkompagnie Aufstellung genommen, deren Front nach Beendigung der Feier der Reichspräsi dent unter den Klängen der Militärkapelle abschritt. Da sich das am Morgen regnerische Wetter gegen Mittag auf geklärt hatte, war der weite Platz vor dem Reichstagsge- bäude von einer tausendfachen Menschenmenge angefüllt, die den Reichspräsidenten bei seiner Ankunft und Abfahrt begrüßte. Festmahl beim Reichspräsidenten. Im Anschluß an die Verfassungsfeier im Reichstag fand beim Re i ch s p r ä s i d e n t e n ein Frühstück statt, an dem der Reichskanzler und die Reichsminister, der Präsi dent und die Vizepräsidenten des Reichstages, Vertreter des Neichsrats und der preußischen Regierung, die Vor sitzenden der Fraktionen des Reichstages (mit Ausnahme der kommunistischen und völkischen), der Führer nnd die unmittelbaren Vorgesetzten der Ehrenkompagnie, der Fest redner Professor Platz und der Dirigent Professor Prüwer teilnahmen. Die preußische Regierung veranstaltete eine Abendseier zum Verfassungstage. Phil harmonisches Orchester und Berliner Volkschor wirkten mit. Zum Vortrag gelangten das Meistersingervorspiel und die Neunte Sinfonie von Beethoven. Die Ansprache hielt Staatsminister nnd preußischer Innenminister Severing. Die Feier wurde mit dem Deutschlandlied beschlossen. * Feiern im Reich und ün Ausland. Ans vielen größeren Städten Deutschlands liegen Nachrichten über Verfass ungsfeiern vor. In M ü n ch e n hatten die Reichsgebäude in schwarz-rot-gol denen, die bayerischen Staatsgebäude in den bayerischen Farben geflaggt. Der Feier, die im Festsaal des Reichs- postministeriums stattfand, wohnten Vertreter von Reichs und Staatsbehörden bei. In Leipzig fand die Feier, in der Aula der Universität statt. In Dresden nahmen an der vom Staatsministerium veranstalteten Feier dis Beamten und Angestellten der Regierung fast vollzählig teil. Die Festrede hielt Finanzminister Dr. Reinhold. Bei der Hamburger Feier, die im Prachtsaal des Rat hauses stattfand, hielt der derzeitige Rektor der Hamburger Universität, Pros. Dr. Laun, die Festrede. Auch im Aus land wurden Verfassungsseiern veranstaltet. In Wien fand in der d e u ts ch e n G e s a n d t s ch a st ein Empfang statt, zu dem die österreichische Regierung einen Vertreter entsandt hatte. Der Gesandte Dr. Pfeifer hielt eine Ansprache. In Genf feierte die deutsche Kolonie unter zahlreicher Teilnahme der an den Ferienkursen der Genser Universität teilnehmenden veutMen Studenten. Augenoncr gerommen ist, zwischen allen interessierten Staaten eine gemeinsame Prüfung des Problems einzu leiten, um dessen Lösung in relativ kürzester Zeit zu er möglichen. Es handelt sich nicht schon darum, eine neue Konferenz zu vereinbaren, um offiziell zum Abschluß zu gelangen. Man wird Deutschland ausfordern, Vertreter zu einer kurzen Zusammenkunft mit den Alliierten, wahr scheinlich vor dem Zusammentritt des Völkerbundes in Gens, also Anfang September, zu entsenden. Die end gültige Konferenz, die dieser ersten Zusammenkunft folgen wird, wird wahrscheinlich Ende September, d. h. nach der Völkerbundversammlung, stattfinden. Jedoch stehen die Pläne noch nicht fest.