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Ottendorfer Zeitung. y s Erscheint Dienstags, Donnerstags und Sonnabends abends. Bezugspreis: monatlich -o Pfg., zweimonatlich 80 pfg., vierteljährlich 1,20 Mark. O Einzelne Nummer w Pfg. o N Unterhaltungs- und Auzeigeblatt Mochenblatt und Anzeiger Neueste Nachrichten Bezirks- und General-Anzeiger Annahme von Anzeigen bis spätestens Mittags 42 Uhr des Lrscheinungstage». Preis für die Spaltzeile so pfg. Zeitraubender und tabellarischer Satz nach besonderem Tarif. Bei Wiederholungen Preisermäßigung. W Alit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel" „Leid und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Mr die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Na. 140. Freitag den 20. November 1908. 7. Jahrgang» Sertliches und Sächsisches. Bttendorf-Vkrilla, den zg. November igos. — Am Dienstag abend wurde bei dem 7 Uhr 3d Min. von hier nach Dresden ver kehrenden Zuge durch die Entschlossenheit des auf dm hiesigen Peisonendahnboie engest,llten Derrn Böhme ein schwerer Unglückssall, welcher sicherlich ein Menschenleben vernichtet hätte, ver- hütet Ter im hiesigen Orte gut bekannte Geometer Dembel aus Dresden stürzte beim Einsteigen von dem schon in Bewegung befind lichen Zuge so unglücklich vom Trittbrett daß er zwischen zwei Wagen zu liegen kam nnd ein Ueberfahrevwerden unvermeidlich erschien Der sich zufälligerweise in aller nächster Nähe befindlicher Bahnhofsvorsteher Herr Böhme ergriff schnell H-rrn Dembel und es gelang demselben kurz vor dem Wagen den Gestürzten aus dem Gleis zu ziehen. —* Die Vereinigung der Gastwirts- und Saalinhaber Vereine Dresdens und Umgebung hat für Freilag den LO d M. nachmittags 4 Uhr ins Eiadlistement Zeatralhalle, Flschhof- platz, eine Protestversammlung einberuien, in der gegen die 1910 geplanten neuen Steuern Stellung genommen werd n soll Der wichtigen Tagesordnung wegen dürfte auf einen sebr zahlreichen Besuch zu rechnen sein. —* Eine Protestbewegung gegen die neuen Steuern macht sich NM so stärker bemerkbar, le mehr wir uns den Tagen der parlament arischen Beratung der Retchsfinanzreform nähern. Der deutsche Tabakverein wendet sich Mit einer umfangrcichen Petition an den Reichsillg, in der er diesen bittet, dem Ent wurf eines Tabakverbrauchsteuergesetzes seine verfassungsmäßige Zustimmung zu versagen. Ebenso sind die Beamten der Spiritus-Zentrale beim Reichstag um eine Aenderung der Be stimmungen vorstellig geworden, die in dem Entwurf über das Spiritus-Mor opol die Ueber- nahme und Entschädigung der Angestellien regeln. Die der Spiritus-Zentrale nicht on- geschlossenen süddeutschen Sprittabriken haben in einer Versammlung in Berlin das Spiritus- Monopol als unannehmbar bezeichnet, da -S nur auf die Verhältbiste einzelner Gruppen zugeschnitten sei. In Wiesbaden hat eine vom Deutsche» Weinbauvtrem einberufene Prot st- versammlung eine Resolution angenommen, in der ausgedrückt wurde, daß di- Besteuerung des Weine» in irgendwelcher Form die schlimmste Schädigung de« Weinbaues be deute. Ebenso hat der LandeSvor stand des Bundes der Landwirt, in der Pfalz unter Hin zuziehung von Vertretern des Pfälzer Weinbaus au» allen Landesteilen einstimmia gegen den von der Regierung vorgelegt-n Entwurf einer Flafchcnweinsteuer Stellung genommen. —* Die Klagen über die nun schon seit Wochen andauernde Trockenheit mehren sich. Tie in den letzten Tagen stattgesuodenen Nieder schläge erweisen sich für die auSgck>ockmte Erde als vollständig ungenügend Die Landwirte be trachten e» nicht ohne Ban;en um ihre Felder. Der Saatenstand ist unerfreulich Doran trägt die Wochenlonge Trockenheit einen g oßen Teil der Schuld Seit dem ersten Septemberdriltel haben wir keinen richtigen ausgiebigen Regen Mehr gehabt. Die ausgestreute Saat konnte in dem trockenen Erdreich nur schlecht ke men und Nur langsam aufgehen, blieb infolgedessen auch in ihrer Entwickelung zuiück. Die schwächliche Saat wurde nun ohne Uebe, gang und ohne daß sie vorh r cine schützende Schwe- decke erhalten hatte, von strenger Kälte heim gesucht. Das Thermometer sank Nachts bis zu 10 Grad Reaumur unter Null. Die Wirkungen konnten nicht ausbleiben und sind Nicht ausgeblieden. Wer auf E senbahnsohrten die Getreidefelder beobachtet, dcm entgeht cS nicht, daß der Frost unter der jungen Saat in diesem Herbste besonders großen Schaden angerichtet hat und daß im Frühjahr Um- pflügungen in größerem Umfange werden vor- genomm n werd» müssen, als eS in Durchschnitts- jahren notwendig ist. Die lohnenden Gewinn aussichten sind dahin. Aber nicht nur das, es schwindet auch die Hoffnung, daß die Brot preise die etwas herabg'gangen waren, ihren niedrigeren Stand auf längere Dauer werden behaupten können. Die Kalamität in der Industrie dauert aber fort, die Zahl der Arbeitslos-n mehrt sich von Tag zu Tag?, namentlich aber in den Großstädten und Industriezentren, werden Klagen laut. Und zu alledem erscheint die Befürchtung nicht un begründet daß wir einen ausnahmsweise langen und strengen Winter bekommen werden. —* Das Turnen in Sachsen zum II. deutschen Turnfest in Frankfurt a M. ist von offiziellen Kampfrichtern in folgender Weise gewertet worden: Anmarsch 9 Punkte, Verhalten 10 Punkte (überhaupt ereichbare Höchstzahl), Pflichtübungen 6 und für die selbst- gewählten Uebung 8«/« Punkte Der Lauf schritt beim Abmarsch hat ein tad-lloses Bild gegeben. Im allremeinen Riegentrnnen erhielt der Kreis 9 Punkte. Wohltuend berührte nach dem Urteile der Kampfrichter die ein heitliche weiße Kleidung. Dresden. Am Gerüstbau des Neubaues der AugustuSbrücke war in der Nacht zum Montag Feuer auSgekomnun. und zwar brannten starke Balk-n und andere Holzteile am Gerüst des neuen Caissons mitten im Elbstromc. Die Feuerwehr mußte eine 200 Meter lange Schlauch- bitung legen, um an den Brandherd herzu kommen Sie brauchte eine Stunde zum Ab löschen des Feuers. — Auf der Nossener Brücke scheuten zwei vor einem mit Milchkannen beladenen Wagen gespannte Pferde vor unten vorüberfahrenden Eckenbahnzügen und rasten nach der Siebenlehrer Straß- zu. D>r Kuckcher hielt mit äußerster Kraftanstrengung die Tiere. Plötzlich stieß der dahingigende Wagen mit voller Gewalt an die Brückenbordkante der Fußbadn, was den Erfolg hack?, daß die Pferde zwar zum Stehen kamen, dafür aber der Wagen zum Teil demoliert wurde und di« Milchkrüge ans die Straße stützten, wodurch ihr ganzer Inhalt auf die Straße floß. Schandau Montag mußte der Schiffahrts verkehr von Böhmen nach Deutschland bis aus weiteres infolge des niederen Wasserstandes und -es abermals elugetret-nen Eisganges eingestellt w-rden. Am Sonntag verkehrten noch von Schandau aus einige Schiffszüge, welche durch Kettendampfer stromaufwärts befördert wurden bis nach T-tschen—Bodenbach. Sämtliche vor Schmilka und Herrnskretschen b-findlichen Flöße, die weckt schon aus dem Trockemn lagen, sind nun eingeeist. Vom 1. Januar bis mit Ik November d I. sind insgesamt 1778 be- srach'.ete Schiffe und I5K1 Flöße von Böhmen nach Demschland eingefahren, die vor Hirsch- mühle, Krippen oder Schandau zur zollamtlichen Abfertigung gelangten. Meißen. Der Besitzer des Grundstücks Hirschbergstraße 15 ist durch einen Felssturz auf seinem Grundstücke schwer geschädigt worden. Durch einen herabkommenden Felsen wurden die nach d?m Felsen zu stehenden Giebeiccken der beiden Gebäude teilweise weggerifseu und die hinter d-m Hause tefindlichen Aborte voll ständig verschüttet. Um weitere Beschädigungen der Gebäude, besonders der Dächer, durch die zeitweilig erfolgenden Abbröck lungen zu ver hindern, sind Planken errichtet worden. Da noch G.fahc ist, so ist behördlicherseits die Räumung der zwei am Giebel des Hauptgebäude S gelegen-n Wohnungen angeordi.et worden. Döbeln. Ein hiesiger Fabriktischler halt vor kurzem beim Niesen sein schadhaftes Gebi verschluckt. Nach 6 Tagen wurde der Fremd körper auf natürlichem W ge aus dem Körper entfernt. Leipzig. Ueber die Bluttat im Reichsgeric wird von ver Sächsischen Korrespondenz, deren Gerichtsberichterstatter Augenzeuge der blutigen Vorgänge war, bericht-t: Das Reichsgericht war, wie schon kurz gemeldet am Monlag nach mittag der Schauplatz einer blutigen Szene, wie e sich noch nie zuvor vor einem deutschen G richtShose abgespielt hat. Ms um 3 Uhr m Verhandlungssaale des 4. Zivilsenates des eichsgeckchtes das Urleck in einem wegen eines ErdschaftSanspruäes anhängigen Prozeß, das ür den Kaufmann Oswald Bernhard G-oßer auS Steglitz bei Berlin ungünstig lautete, ver- ündct wurde, stürzte Großer, ein 51 jähriger llann, plötzlich aus dcm Zuschauerraum heraus )is in die Mitte des Saales vor. In seinen Händen sah man zwei Revolver, aus denen er chnell hintereinander blindling zehn Schüsse auf das aus acht Reichsgerichtsräten und dem Präsidenten zusammengesetzte Richterkolleginm bfeuerte. Zwei der abgeschostenen Kugeln rasen leider. Der Protokollführer Obersekretär Reckmungs^at Rudolf Straßburg brach gerade in dem Augenbl'ck. als er sich zur Flucht wandte, tödlich getroffen zusammen, während Reichs- genchttzrat Männ r Streifschüsse an Arm und Brust erhalten halte. In dem Saale entstand eine ungeheure Aufregung und Panik. Die in rote Talare gehüllten Reichsgerichtsräle flüchtet » ans dem Saale, einige kehrten jedoch sofort zurück und drangen gemeinsam mit den anwesenden und aus anderen Räumen durch die Schüsse herbeigerufene» Beamten, Anwälten und Zuhörern auf den Attentäter ein, der, noch immer schießend, auf den Korridor flüchtete. Dort wurde er nach heftiger Gegenwehr über wältigt und dann gefesselt nach der naheliegenden Polizeihauplwache gebracht. Unterwegs rief er fortwährend: „Es gibt keine Gerechtigkeit mehr! Was nützt mir noch mein Leben, nachdem ich meinen Prozeß verloren habe!" Die aufs höchste empörten Gerichtsdiener, die mit Fäusten auf ihn einschlugen, nannte er Schufte und Lumpen. Der Verhandlungssaol bot ein wüstes Bild Anfänglich umhüllte ein undurchdringlicher Pulverdampf die Stätte des Verbrechens. Dann sah man das furchtbare Chaos, das durch die Tat hervorgerufe» war. Umgeworfene Stühle und Tische lagen umher, das gesamt« Aktimmatenal war zerstreut und in einem an stoßenden Zimmer, das BeratungSzwccken dient, wand sich der in den vierziger Jahren stehende Obersekretär Straßburg sterbend auf dem Fuß boden. Aus Arm- und Brustwunden star blutend lehnte an einem Tische halbolmmächtig der verwundete Reichsgerichtsrat Männer. Die herbeigeholten Aerzte stellten bei dem Rechnungs ¬ rat Straßburg fest, das die Kugel in den Unterleib auf der rechten Seite von rechts nach links eingedrungen war. Die Verletzung war eine so schwere, daß der unglückliche Man» nach ungefähr halbstündigem Todeskampfe bei vollem Bewußtsein verschied. Rechnungsrat Straßburg stammt aus Lüneburg und ist verheiratet. Die Verwundungen des Reichszerichtsrats Männer erwiesen sich als nicht so schwer, wie man an fänglich angenommen halte. Er erholte sich bald und nach Anlegung eines Notverbandes in seine Wohnung gefahren. Die noch nicht erledigten Prozesse, unter ihnen auch der Landes verratsprozeß gegen den Agenten Möhring und Genossen, wurden infolge des Vor kommnisses sofort auf den nächsten Tag vertagt. Erwähnt sei noch, daß der Erbschaflsstreit, über besten ungünstigen Ausgang Großer in eine so furchtbare Wut und Aufregung geriet, von ihm in der er ersten Instanz vor dem Landgericht Berlin gewonnen, in der zweiten Instanz vor dem Kammergericht jedoch verloren worden war. — Der Mordprozeß gegen dis Wirtschafterin Minna Döll und den Buchdrucker Walther Schmidt wird noch das Reichsgericht zu b schästigen haben, da der Angeklagte Schmi der bekanntlich wegen Beihilfe zum Gift- oerbrcchen zu zehn Jahren Zuchthans verurteil worden ist Revision gegen das Urteil eingeleg hat. D editz- Der Gutsbesitzer G. schickte seinen 22 jährigen Knecht mit dem Geschirr nach Rage witz, Briketts zu holen. Er gab ihm 20 Mk. mit. Diese, in den Augen des Knecht« jeden- alls bedeutende Summe benutzte derselbe, um >as Weite zu suchen. Das Geschirr sich selbst -erlassend, wanderte er nach Leisnig, wo er estgenommen wurde. Crimmitschau. Das Stadtverordneten kollegium beschloß, vom 1. Januar 1909 ab den Preis für Leuchtgas von 20 Pfg. auf 17 Pfg he> abzusetzen und den Preis für Kochgas von 12 Pfg. auf 13 Pfg. zu erhöhen. Außer- )em soll beim Leuchtgas eine bis zu 12*/, Proz. reichende Rabattstaffel elngesührt werden. — Während des letzten Jahrmarktes drängen ich mehrere Frankenhausener und hiesige Schul mädchen an Frauen heran, wobei die eine in le Taschen griff und die Portemonnaies ent wendete. Diese wurden alsdann weggeworfen und das Geld vernascht. Die Mädchen wurden ertappt und gestanden ein, bereits verschiedene derartige Diebstähle schon während des vorher- gcgangen Jahrmarktes ausgeführt zu haben. Plauen i. V. Wie der Vogtländige Anz. berichtet, hat am Montag abend nacht in der Spitzenweberei von Kant die Explosion des Betriebsmotors großen Schaden angerichtet. Ein Feuermann wurde sofort getötet und zur zur unkenntlichen Masse verbrannt. Der Maschinist wurde erheblich verletzt. Durch den Luftdruck erhielt das Mauerwerk des Maschincn- hauses Risse. In dec Weberei find gegen 70 Fenster zertrümmert worden. — Eine Explosion erfolgte am Sonntag mittag in der Gasanstalt in Reichenbach bei der Reparatur einer Retorte. Es büßten dabei drei Mann ihr Lebe» ein. Die Leiche eines GoSschlosterS wurde erst nach zwei Stunden unter den Trümmern hervorgezogen. An dem Aufkomn en von vier schwerverletzten Arbeitern die im Krankenhause nntergebracht sind, wird gezweifelt Der Direktor der Gasanstalt Selling leitete trotz erheblicher Verletzungen an Kopf und Arm die Bergungsarbeiten. Der durch die Explosion entstandene Brand hat keine große Ausdehnung genommen, da Gasdirektor Selling den Haupthahn sofort abdrehte. Auch Gas direktor Fritsche ist schwer verletzt. — Einbrecher entfernten in der Nacht das Gazefenster über der Eingangstür eines Fleischer ladens an der Reusaer Straße, stiegen ein und stahlen Fleisch- und Wurstwaren im Werte von mehreren Hundert Mark- Von den Spitzbuben ehlt bisher jede Spur. Erlbach. Drei Frauen von hier wurden von Grenzbeamten ertappt, wie sie Tabak, in Körbe gepackt und oben darauf Sammelholz und Reisig gelegt, über die Grenze schmuggeln wollten. Die Grenzbeamten durchsuchten aber die Körbe der Frauen und fanden 750 Päckchen Rauchtabak, 10 Pfund Schnupftabak und 20 Schachteln Zigaretten. Auf dem Zollamt in Wernitzgrün wurde festgestellt, das Strafe und Zoll das hübsche Sümmchen von 2000 Mk. erreichten. Da die Frauen nicht bezahlen konnten, wurden sie dem Amtsgericht Mark neukirchen zugeführt. Erwischt wurden die Schmugglerinnen im Walde zwischen Erlbach und dem Hohen Stein. Klingenthal i. V. Bei einem Wirtshaus streit, der sich im nahen böhmischen Grenz gebiet auf der Eibenbcrger Straße entspannen hatte, wurde in der Nacht zum Sonntag dem 72 jährigen Gelegenheitsarbeiter Lorenz, einem bekannten Pilsesucher und Vogelsteller, mit einer Holzart der Schädel gespalten, sodaß der Tod sofort eintrat. Der Mörder, ein Maurer namens Bauernfeind aus Silberbach, wurde festgenommen. Adorf. Aus hiesigen Bahnhofe ist am Sonntag nachmittag gegen 6 Uhr der Strecken arbeiter Lorenz von einer ablausenden Wagen gruppe erfaßt und überfahren worden, wobei ihm das linke Bein zermalmt wurde.