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v'« „Bttensirfer Zeitung' erscheint tor.istag, Vonner». tag und Sonnabend abend». Bezugrxrei» vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,2V Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode. Aanahm« von Insuat« bi, »»»mittag i« Uhr. Inserat« w«»d«n mit >o Pf fA» dl« Spaltzitl« b««chn«t Ladellarisch« Satz nach besonderem Laris Druck unö Verlag von Hermann Rübit m Groß-Mkrilla. Lür -ie Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla No. 152. Freitag, den 20. Dezember 1907. 6. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttrndorf-Dkrilla, den 19. Dezember 1907. —* Wie LirblingSkinder viele, lci Kosenamen haben, so nennt man auch da» eigentliche Wethnachtsgebäck mit vnfckiedcnrn Bezeich nungen. Do gibt e», wie die „Leipz. N. Nachr." schreiben, neben dem Pfefferkuchen Leb- oder Honigkuchen, ja in der Schweiz sogar Leckerli, wodurch der leckere Wohlgeschmack treffend an- gedeutet wird. Mit dem Pfeffer hat dagegen da« Backwerk nicht« zu tun. Wir würden keinen geringen Schreck bekommen, wenn statt de« Honig« und Zucker«, statt der süßen und bitteren Mänteln da« beißend« Gewürz al» Zutat genommen worden wäre. Das Wort kommt vielmehr au« dem Altdeutschen und ent« spricht einem um Weihnachten vielfach au«- geübten Brauche: dem Pfeffern. Eltern wurden von ihren Kindern, Mädchen von den Burschen av» den Betten getrieben, wozu man eine Rute verwandle. Durch dieses Schlagen oder Pfeffern glaubte man, Gesundheit und Glück an die Personen zu bannen, die man mit dem Pseffergertlein berührt hatte. Ja, -« gab sogar einen Tag im Jahre, der nach dieser Sitte den Namen führte: den 26. Dezember, den Pscfferleinbtog. Den so Ueberraschtni erwuchs zur Belohnung ihrer Erwecker die Pflicht, diesen ein Weihnachtsgebäck zu schenken, und da ein solches für das Pfeffern gegeben wurde, erhielt e» selbst den Namen, der ihm noch heute anhaftet. Heule ist die Sitte fast auS- gcstorben. Aber die Vorliebe für den übrig gebliebenen Rest vergangener Jahrhunderte ist UN« geblieben. In der Fabrikation des ge- nannten WeihnachtSgebäcks zeichnen sich die O>te Pulsnitz, Nürnberg, Thorn, Danzig und Basel besonder« aus, wo je eine andere Variation in der Zusammensetzung der Bestand teile gewählt wird. Delikat schmecken sie alle, einerlei, ob sie au« Nord oder Süd, Ost oder West kommen. Wer« nicht glaubt, dem raten wir, die Gelegenheit zu benutzen und olle Sorten durchzukosten. Schon im Mittelalter preßte »an den Teig in Holzformen, Mann und Frau darstellend, wa« noch mit der er wähnten Sitte de« gegenseitigen Beschenkens zusammenhängt. Di« Mädchen erhielten einen schmucken Reiter oder einen Hauptmann, die Burschen einen weiblichen Kopf oder ein Herz. Heutzutog« gibt es noch vielerlei andere Figuren die großes Entzücken Hervorrufen. Der eigentliche salonfähige Pfefferkuchen aber hat die Form eine» Rechtecks. Er nimmt sich in seiner schlichten Einfachheit sehr vornehm au«. Er fehlt am Heiligen Abend in keiner Familie und bildet neben dem Aepfeln und Nüssen «inen besonder« charakteristischen und durch die Tradition gerechtfertigten Teil der Geschenke, ohne den wir un« eine rechte Weihnachttstimmung nun einmal nicht denken können. —* Im Drucksachenverkehr hat das Reichs- Postamt «ine neu« Erleichterung zugelassen. In einer besonder«« Verfügung werden die Postanstalten verständigt, daß von jetzt an bei offenen Karten, die gegen di« Drucksachenloxe befördert werden, auf dem linken Teil der Vorderseite gedruckte Angaben jeder Art an- grbiacht werden dürfen. Diese Angaben können auch durch irgend ein anderes mechanisches VeroielfälttgungSoerfahrcn her- gestellt sein. Die Neuerung entspricht den Grundsätzen, wie sie jetzt für die Zulassung schriftlicher Mitteilungen ouf der Vorderseite von Postkarten besteht. Nach dem Weltpost- vertrag von Rom verfügt bekanntlich seit dem 1. Oktober d. I der Absender über den linken Teil der Vorderseite jeder Art von Postkarten. Ein Ankunstsstempel wird den Drucksachen bekanntlich nicht aufgedruckt, wie dies auch für Postkarten mit Rücksicht auf die Mitteilungen der Vorderseite neuerdings an geordnet worden ist. Dr«sden. Die 3. Strafkammer verurteilte den 21jährigen Markthelfer Kurt Emil Lorenz der in der Nacht zum 27. Oktober in der Dresdner Heide seine 15 jährige Geliebte mit' deren Einverständnis durch einen Revoiverschuß lötete und darauf einen Selbstmordversuch ver übte, zu vier Jahren Gefängnis und drei Jahren Ehrenrechtsverlust. — Daß in der Dresdner Heide Wild schweine sich aushalten und darin gehegt werden, dürste vielen Heidebesuchern noch nicht bekannt sein. Sie find aber so scheu, daß man sie nur ganz selten und dann auch nur auf einen Augenblick zu Gesicht bekommt. Var einigen Tagen trieb sich nun ein feister Keiler mit einer Herde in der Nähe der Hofe- wiese herum. Die große Dogge und ein kleinerer Hund de» Herrn Wiesenvoigt Schilling hatten sie sofort gewittert und waren ihr mit lebhaftem Bellen nachgeeilt. Während die Herde sofort Rnßaus nahm, stellte sich der Keiler den Hunden entgegen, verletzte die Dogge durch Bauchausschlitzen schwer und den kleineren Hund leichter. Nur durch das Hinzukommen des Herrn Schilling konnten die Hunde gerettet werden, während der Keiler dann auch das Weite suchte. Die Dogge ist bereits ihren Verletzungen erlegen. — Da es bisher nicht gelungen ist, die Kapitalien für das in großem Maßstabe ge plante Lichtspielhaus mit Zirkusgebäude auf zubringen, soll eine Verlängerung der Frist für die Inangriffnahme des Baues von der Stadt erbeten werden. Die Stadtverordneten w rd>n sich in ihrer nächsten Sitzung mit dieser An gelegenheit besoffen. — Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich am Mittwoch mittag aus der Leipziger Straße Dem Kutscher Sttphan des Krumbtschen Sägewerks gingen die Pferde durch und trotz fast übermenschlicher Anstrengung gelang es ihm nicht, sie zum Stehen zu bringen. Er verlor vielmehr den Halt und stürzte vom Wagen, und zwar so unglücklick, daß ihm die Räder über beide Beine gingen. Schwer verletzt wurde der Bedauernswerte aufgehoben. Der heih.igerufene Arzt stellte außer einer Gehirnerschütterung noch einen komplizierten Unterschenkelbruch fest. Königsbrück- Da sich in letzter Zeit unter den hiesigen schulpflintigen Kindern die Scharlach- und Diphterie-Erkrankungen sehr gehäuft haben, hat die Kgl. Bezirksschul- inspeklion Kamenz den sofortigen Schulschluß bi» aus weiteres angeordnet. Die hiesige Schule ist daher am Mittwoch früh geschloffen worden. Der Wiederbeginn des Schul unterrichts wird seinerzeit bekannt gegeben werden. Kamenz. Von einem tragischen ^Geschick wurde der im kräftigsten Manneöalter stehende noch unverheiratete praktische Arzt Dr. med. Noack hierselbsi ereilt. Von einem Au«gange heimkehrend, glitt der Genannte in seiner Be hausung aus und stürzte so unglücklich, daß er sich «ine Gehirnerfchütierung zuzog. Nach zweitägigem schweren Leiden trat Montag abend der Tod ein. Noack war Arzt am Barmherzigkeitsstift und Inhaber einer Klinik Er hatte den Ruf eines hervorragenden Operateurs und Augenarztes. — Zur Förderung des in neuerer Zeit immer mehr in Aufnahme kommenden und für die Gesundheit so zuträglichen Wintersports hat der hiesige Stadtrat in Aussicht genommen an geeigneten Stellen des HutbergS Rodel bahnen vorzurichtcn und solche ln Stand halten zu lasten. Neustadt. Als ein gutes Zeichen für die Lage Neustadts in gesundheitlicher Be ziehung dürste es zu betrachten sein, daß seit einem halben Jahre unter den über 5000 Ein wohnern ein einziger Fall von ansteckender Krankheit vorgekommen ist. Bautzen. Wie alljährlich, so werden auch diese» Jahr anläßlich des Weihnachtsfestes durch die Gnade des Königs eine Anzahl Strafgefangene in Freiheit gesetzt, und zwar am 24. d. M. Unter den Begnadigten wird sich der frühere Kommerzienrat Viktor Hahn befinden, nachdem er etwa 2^/, Jahr seiner vierjährigen Gefängnisstrafe in der hiesigen Landesstrafavstalt verbüßt hat' Niederlößnitz. Tödlich verunglückte am Montag nachmittag im Lößnitzgrunde in dem Steinbruche, der gegenüber der Meierei ge legen ist, der lange Jahre daselbst beschäftigte Steinbrecher Schlechte aus Boxdors. Wahr scheinlich infolge von WitterungSeinflüsten löste sich plötzlich eine Steinwand und begrub den Mann. Mit vollständig zerschmettert«» Kopse wurde der Verunglückte au» dem Steingcröll hervorgezogen. Er war verheiratet und Vater von acht Kindern. Radeburg. Montag nachmittag wurde hier auf dem Grundstück des Fleischermeisters A. Herrmann zwischen Radeburg und Ober- rödern am Ufer des RöderflusseS nahe der Großenhainer Straße ein Mann im Alter von ungefähr einigen 40 Jahren tot aus- gesuoden. Der Bedauernswerte, der dem Anschein nach reisender Handwerke, ist, hatte wahrscheinlich den Tod durch Echteren ge funden und wurde behördlich aufgehoben. Die Ursache des Todes oder Unfalles wird die weitere ärztliche Untersuchung ergeben. — Am Sonntag wurdr im benachbarten Berbisdorf beim Gutsbesitzer G- ein neu geborenes Kind ln einem Versteck tot auf gefunden. Die junge Mutter des Kindes, die heimlich geboren halte, wurde bald durch ver dächtige Spuren, die von der Geburt her rührten, in einem Dienstmädchen ermittelt. Ob das kleine Wesen (totgeboren oder ob ein Verbrechen vorliegt, dürfte die weitere Unter suchung klarlegen. Hohnstädt. Auf dem hiesigen Gottesacker sollte die Beerdigung des Tagelöhners Zilke vom Rittergut Böhlen stattfinden, allein sie mußte verschoben werden, da der Gendarm im Auftrage der Staatsanwaltschaft dagegen Einspruch erhoben hatte. Alke, ein 43jähriger Mann, war am Donnerstag vormittag aus freien Felde gestorben, nachdem er nur einige Tage unwohl gewesen und sich mehrmals er brochen hatte. Es tauchten sehr bald Zweifel an einem natürlichen Tode auf und die Gerüchte, daß Zilke das Opfer eines Gift mordes geworden sei, verdichteten sich mehr und mehr. Als Täter fwurde der 60 Jahre alte Wächter Lindner bezeichnet, der mit Zilkcs Frau intim verkehrt und sie öfters auf- gefordert haben soll, sich von ihrem Manne scheiden zu lassen. Er soll in den letzten Tagen auch unbedachtsam einige ihn schwer belastende Aeußerungen getan haben. Lindner wurde verhaftet und an da» Amtsgericht gericht Grimma abgeliefert. Oederan, Auf Hetzdorfer Flur wurde vor einigen Wochen während einer Jagd ein Schulknabe angeschossen, der jetzt stinen Ver letzungen erlegen ist. Leipzig. Die Fleischermeister Walter aus Wahren und Möbius aus Möckern, welche im Mat 1906 das verdorbene Fleisch einer notgeschlachteten Kuh zu Wurst verarbeitet hatten, nach deren Genuß mehr als 200 Per sonen erkrankten und zwei Knaben starben, wurden nach langen Verhandlungen verurteilt, und zwar Walter zu fünf Monaten, Möbius zu sechs Monaten Gefängnis und je 300 Mk. Geldstrafe: Wegen Beihilfe wurden der Landwirt Jahn zu einem Monat und der Fleischer Tannenberger zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt. Möbius und Walther wurden je drei Monate der Strafe als durch die Untersuchungshaft verbüßt gutgerechnet. Werdau. In einer Sandgrube in der Nähe einer hiesigen Brauerei ist ein 19 Jahre alter Arbeiter durch sine einstürzende Kieswand verschüttet worden. Er erlitt schwere Ver letzungen, an denen er verstarb. Plauen. Erschossen hat sich am Dienstag abend der frühere Wirt und Eigentümer von Hotel und Restaurant Bismarck, an der Kaiserstraße hier, Josef Moskopp, vordem langjähriger Besitzer von Bellevue und Kaiser hof in Ruhla in Th. Das Hotel Bismarck hatte er erst im letzten Frühjahr übernommen, vor einigen Tagen aber schon wieder ver äußert' Finanzielle Verluste sollen den Mann in den Tod getrieben haben. verlassen. Weihnachtserzählung von Christine Ritter. (Nachdruck verboten.) Ein geschäftiges Treiben herrschte, trotz heftigen Schneetreibens in den Straßen der Pcovinzstadt B. und die mit zahlreichen größeren und kleineren Paketen beladenen Passanten eilten hastig ihren Behausungen zu; es war am Tage vor Weihnachten. Im Hause einer Nebenstraße, in einem ein fach, aber sauber und behaglich eingerichteten Stübchen saß eine hübsche, junge Frau, eifrig mit einer kunstvollen Stickerei beschäftigt. Zu ihren Füßen spielte ein niedliches kleines Mädchen mit ihrer Puppe. „Du siehst schläfrig aus, Lotti, mein Mäuschen, möchtest du nicht lieber ins Bettchen gehen?" „Lotti ist schläfrig und Puppi auch," antwortete die Kleine, indem sie die zer brochene Puppe, mit der sie sich seit einigen Stunden beschäftigt hatte, in ihren Armen wiegte. „Mama, kannst du uns beide nicht auf den Schoß nehmen? „Jetzt nicht, Herzchen, Mama muß heute abend diese Arbeit fertig machen, sonst haben wir nichts zu Weihnachten." „Morgen ist Weihnachten, — nicht wahr, Mama?" „Ja, Kindl" Lotti warf ihre Puppe auf da« Sofa, setzte sich auf den Teppich und sah geduldig zu, wie die Mutter an dem schönen Kleide weiterstickte. „Mama, sind denn deine Finger nicht schrecklich müde? fragte sie endlich. „Manchmal sehr, Lotti, aber das macht nichts. Zieh dich aus, Herzchen, und gehe in» Bett." Das Kind begann, sich die Schuhe aus zuziehen, doch bald hielt es inne und seine blauen Augen öffneten sich weit, wie in ernstem Nachdenken. „Mama, sagte sie nach kurzer Pause, „ich habe ^mir etwas ausgedacht. Deine Finger find müde, darum lege die abscheuliche Arbeit beiseite, nimm mich und Puppi auf den Schoß, und ich will Gott bitten, daß er uns etwa« zu Weihnachten schickt. Der liebe Gott wird nicht „nein" sagen. Die Kleine war im Augenblick niedergekniet, hatte ihre kleinen dicken Händchen gefaitet und wandte ihr rosige» Gesichtchen dem Himmel zu. „O, guter Gott," betete sie mit dem er habenen Vertrauen eine» Kindes, „meine arme Mama ist so müde und ist noch nicht mit ihrer Arbeit fertig und Puppt und ich, wir sind so schläfrig und wollen gern auf Mama» Schoß einschlafen, bitte, lieber Gott schicke du uns etwas zu Weihnachten uud mir eine schöne neue Puppe mit Augen, die schlafen können. Lotti will -sich auch recht drav halten, daß dn auch eine Freude hast. Darum, lieber Gott weiß ich: du wirst nicht „nein" sagen, Amen I" „Jetzt, Mama", rief sie aufspringend und die Arbeit beiseite schiebend, „kannst du uns schon nehmen, der liebe Gott wird uns geben, was wir brauchen, auch wenn deine Arbeit nicht fertig ist." Die Mutter nahm sie gerührt in ihre Arme und wiegte sie in Schlaf und als sie Lotti mit ihrer Puppe, die das Kind fest ans Herz gedrückt hielt, in ihr Bettchen gelegt hatte, ging die junge Frau wieder an ihre Arbeit. (Fortsetzung folgt.)