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Vie „Dttendvrfer Zeitung« erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortscbaften Ottendorf-Okrilla mit Montzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsdlatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode. Annahme von Inserat« bi, »»rinittag Uhr, Inserat« werden mit w p. str di« Spalt,««« »««chn« Tabellarischer Satz nach b»s«nder«m Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühl« m Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühl« in Groß-Vkrilla No. 79. Mittwoch, den 3. Juli 1907. 6. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Dkrilla, den 2. Juli ^o?. O Wirkliche Sommertage sind ins Land gezogen. Seit einigen Tagen ist die Temperatur empfindlich umgescblogen und das Thermometer Linde mit Macht in die Höhe getrieben. Dabei herrschte am Sonntage eine verdächtige Windstille — richtige» Gewitterweiter. Am Abend entlud sich dann auch über unsern Ort ein Gewitter, dem später ein zweites folgte. Glücklicherweise richteten hier die Gewitter keinen Schaden an und waren von kurzer Dauer. Im nahen Großdittmannsdorf schlug kurz nach 9 Uhr der Blitz in dos dem Guts besitzer Bennewitz gehörige Wohnhaus und Ttaklgebäude. Der Strahl, welcher am Hinteren Giebel de« vollständig massiven Gebäudes niederging tötete 3 Kühe und einen Bullen und setzte das aus dem Boden untergebi achte diesjährige Heu in Flammen, so daß das Gebäude mit zahlreichen Futtervorräten, darunter co. 100 Zentner Hafer vollständig vernichtet wurde. Die auswärtigen Wehren waren sehr schwach vertreten und wurde die Radeburger Freiwillige Feuerwehr telephonisch um Hilfe leistung gebeten. Der Kalamitose welcher ver sichert Hal erleidet einen immerhin beträchtlichen Schaden. Auch in der vergangenen Nacht trat wiederum ein sehr heftiges von stark n Regen güssen begleitetes Gewitter aus, welches nach Mehrstündiger Dauer sich wieder verzog. H- Den vielseitigen Wünschen der Theater freunde nachkommend, hat Herr Stopp zu heute Dienstag das große romantische Schau spiel mit Gesang „Der Trompeter von Söcking,n" angesetzt, bei weläem auch das verstärkte Orchester Mitwirken soll. Genanntes Stück ist eine Spez al-Nummer des Theaters Und mußte, wie man uns mittcilt, an allen Orten mehrere Mal zur Ausführung gebracht «erden. Der Inhalt ist derselbe, wie derjenige der weltbekannten Neßler'schen Oper und sind auch die Lieder und Gesänge dieselben. Was aber die lustige Seite des Stückes betrifft, so sieht e» der Oper vo an, denn da» ganze Schauspiel ist mit Humor und Laune durch webt. Den Theaterbesuchern stehen demnach einige recht angenehme Stunden in Aussicht, Und wolle man in Anbetracht des in Aussicht stehenden regen Besuches sich zeitig im Theater nnfinden, um einen guten Platz zu erhalten. —* Bauernregeln für den Monat Juli. Wie der Juli war, ist der nächste Januar. — Regnete am Marientag (2.) so regnets vier zehn Tage nach. — Regnets am Magdalenen- Wg (22.) so folget stets mehr Regen nach. — Ist« Jakobi (25.) hell und warm, machlS im Winter leicht den Ofen warm. — Ist es hell aus den Iakobuslag (25.) bringt uns der Winter Kält und Plag. - Des Juli warmer Sonnenschein macht alle Früchte reif und sein, — Im Juli will der Bauer schwitzen, anstatt hinter dem Ofen sitzen. — WeS Wetter am Sirbenbrüdertag (10.) es sieben Wochen bleiben Mag. — An Jakobi (25) Regen, stö-l den Rrntesegen. — Merkt, vaß heran Gewitter sieh, schnappt aus der Weid nach Luft das Rieh, auch wennS die Rasen auswärts streckt UNd in die Höh die Schwänze reckt. — Dampft die Wiese nach Gewitterregen, kchits Gewitter Wieder auf anderen Wegen. — Dem Sommer sind Donnerwetter nicht Schande, sie nützen ber Luft und auch dem Lande. - - Sommers Höhenrauch in Menge, ist Vorbote von großer Winterstrenge. — Sind am Abend über Wies' und Fluß Nebel zu schauen, wird die Lust anhaltend schön Wetter brauen, — Wer nicht geht mit dem Rechen, wenn Bienen und Rremsen stechen, geht Winters mit dem Stroh stil und fraget: wer hat Stroh feil? — Wechselt Regen und Sonnenschein, wird im Nächstjahr die Ernte reichlich sein, — Werfen UM St. Anna (28.) die Ameisen auf, so folgt 'in arger Winter drauf. — Hundstage heiß und klar, zeigen an ein gutes Jahr- — Regnets an Margaretentag (13 ), keine Nuß gedeihen mag. — So golden die Sonne im Jali strahlt, so golden sich der Roggen mahlt — Am Margaretentag (13.) ist Regen eine Plag'. — Staubregen wird guter Bote sein schön trocken Wetter tritt dann ein. — Geht Marie (2.) übers Gebirge naß, dann regnets ohne Unterlaß — Vor Jakobi (25.) schön drei Sonntag, das Korn gvt geraten mag. - Ist der Juli kühl und naß, bleibt leer Scheune und Faß. — Nur in der Juliglut wird Obst und Wein dir gut. — Wenn gedeihen soll der Wein, muß der Juli trocken sein. Dresden. Der Silberdieb Hedermann, der hier eine längere Zuchthausstrafe abbüht, war jetzt nach Frankfurt a M. transportiert worden, um sich wegen der dort verübten Ein brüche zu verantworten. Am Sonnabend er folgte Hedermanns Rücktransport nach Dresden Beim Entsteigen aus der von dem Tranporteur vom Bahnhose aus benützten Droschke ergriff Hedermann die Flucht. Es war ihm gelungen, unterwegs das ihm angelegte Schließzeug ab- zustreifn und dadurch die Hände sreizubeksmmen Der Fiüchtliug kam aber nur bis über den Holkeinplatz, d-nn schon auf der Gerichtsstraße wurde er auf die Rufe des Transporteurs hin van Straßenpaffanten aufgehalten. — Als am Sonntag Nachmittag einhalb sechs Uhr ein vollbesetzter Wagen der Linie Tolkewitz -Cossebaude an der Haltestelle des Gasthoss zu Vrießnitz ankam, wurde derselbe von einem Blitzstrahl getroffen. Sämtliche Personen kamen glücklicherweise mit dem Schrecken davon. Der Wagen muhte ins Depot überführt werden. Weinböhla. Bei dem heftigen Gewitter, daß am Sonntag Abend, begleitet von starken Regen, über unseren Ort niederging, schlug der Blitz in das an der Köhlerstraße gelegene Weinrestaurant von H. Mohn ein. Die Weinböhlaer Veteranen-Vereinigung hatte sich daselbst gerade zu einem geselligen Beisammen sein eingefunden. Zwei Veteranen, die sich mit dem Wirt in der Veranda aufhieltcn, wurden vom Blitz betäubt, der Wirt selbst die steinernen Stufen der Veranda hinabgeschleudert, wobei er sich schwere Verletzungen am Kopfe zuzog. Der Blitz scheint in die Blitzableitung gefahren zu sein, denn an dem Gebäude hat sich keinerlei Schaden wahrnehmen lasten. Freitels darf. Bei dem schweren Gewitter, das am Sonnabend gegen Abend über unsere Gegend ging, schlug ein Blitzstrahl in die Scheune des Herrn Gutsbesitzer Mißbach, zündete und äscherte diese bis auf die Um fassungsmauern ein. Wülknitz. Ein sehr schweres Gewitter ging am Sonnabend Nachmittag gegen 5 Uhr über unseren Ort Fast Schlag auf Schlag folgten. Hier schlug der Blitz in der Nähe des Bahnhofes in das Haus des Bahnarbeiters Jahn ein und tötete die 24jährige Tochter, während eine Frau mit ihrem Kinde nur leicht betäubt wurde. Auch in Koselitz schlug der Blitz ein, ohne glücklicherweise jemand zu ver letzen. In Gröditz zerstörte der Blitz die elektrische Leitung der Cellulosenfabrik, während in Tiefenau eine Poppel an der Straße und in Lichtensce die Telephonleitung getroffen wurden. Das Gewitter brachte tüchtigen Regen. Grimma. Das am Sonnabend nachmittag gegen 4 Uhr hier und in der Umgegend auf getretene heftige Gewitter richtete mehrfach Schaden an. In Seelingstädt bei Trebsen schlug ein Blitzstrahl in Turm und Dach der Kirche und setzte das Gebälke in ^Brand. Der sofortigen Hilfeleistung von Ortsbewohnern gelang eS, den Brand im Keime zu ersticken. In der Mutzschener Pflege wurden in Canne- wist das Petzoldscke Wohnhaus, in Böhlitz die Schäferei und in Gostewitz eine Scheune durch Blitzschläge beschädigt. Lausigk. Ein schweres Gewitter entlud sich hier am Sonnabend, Der Blitz schlug vier- bis fünfmal ein, ohne ernstlichen Schaden anzurichten. Auch in der Umgegend sind vielfach Blitzschläge zu verzeichnen gewesen. — In Floßberg wurde ein zum Rittergut Oberteil gehöriger Feimen durch Blitzschlag eingeäschert. Rochlitz. Ein äußerst heftiges Gewitter, verbunden mit einem wolkenbruchartigen Regen entlud sich über Rochlitz. In der Umgegend, bei Noßwitz, ging ein Wolkenbruch nieder. In die Häuser drang das Master, große Mengen Ackerland und Schlamm mit sich iührend. Die niedrig gelegenen Stuben und Vie Kellerwohnungen wurden überschwemmt. Im Thalmannschen Pferdestall stand das Master über einhalb Meter hoch. Besonders großen Schaden erlitt der Handelsmann Büttner. In seiner Stube und der Niederlage sind Waren im Werte von mehren Hundert Mark vernichtet worden. Büttner selbst konnte nicht zur Tür hinaus, sondern mußte seinen Weg durchs Fenster nehmen. Auch sonst ist noch vielen Einwohnern durch das Unwetter bedeutender Schaden zugefügt wordrn. ^Nossen. Hier trauk das 2jährige Mädchen des Malers Möbius aus einem Vorgefundenen Fläschchen, welches Gist enthielt, und verstarb. Brand bei Freiberg. Auf Veranlassung der Königlichen Staatsanwaltschaft wurde die Tochier des hiesigen Bürgermeisters Beier ver haftet. Sie steht im Verdacht, sich ein Spar kasienbuch über 4000 Mk. widerrechtlich ange eignet zu haben, das aus dem Nachlasse des in Freiberg wohnhaften Armenhausverwalters a. D. Kröner stammte. Das Geld wurde auf einer Freiberger Bank erhoben. Die Familien K. und B. sind verwandt. Bürger meister B. selbst ist schon längere Zeit schwer krank- Die Angelegenheit erregt hier große« Aufsehen. Mülsen-St.-Micheln. Vor kurzen miß handelten zwei Buben einen Kameraden derart, daß er nach drei Tagen starb. Sie hatten ihm u. a. ausgebrütete Vogeleier in den Mund gestoppt und ihn mit Fußtritten gegen den Unterleib bearbeitet. Wie sich jetzt h-raus- gestellt hat, handelt es sich um einen Racheakt der jugendlichen Bösewichter, die über ihren Kameraden herfielen, weil er sich nicht am AuSnehmen von Vogelnestern beteiligen wollte. Aus der Woche. Gewöhnlich treibt in den Spalten der Tages zeitungen um diese Jahreszeit die „saure Gurke" ihr Unwesen, schlimmer noch: das Druckpapier muß täglich neue Nachrichten über die Seeschlange in die Welt tragen. In diesem Jahre ists nicht anders. Das politische Leben ist wie sonst zur Sommerszeit eingeschlasen: Krisis in Rußland, Friedenskonferenz im Haag, Entscheidungskampf der englischen Volksvertreter gegen das Oberhaus, Revolution in Prrtugal, Winzeraufstand in Südsrankreich, Alarmnach- richten über den neuen Mittelmeerbund zwischen Frankreich, England und Spanien. Eine Nachricht immer Aufsehen erregender wie die andre. Die letzte Juniwoche brachte noch die überraschende Meldung eines Besuches des deutschen Kaiserpaares in London. Wer die Entfremdung zwischen den Herrschern der beiden wetteifernden Länder miterlebt hat, konnte die Nachricht nur mit Freuden be grüßen, um so mehr, da Köuig Eduards Frühjahrsfahrt nach Cartagena und Gaeta nicht von besonderer Freundschaft für Deutsch land zeugte. Auch sonst schien man in Europa daran Interesse zu haben daß die englisch deutschen Beziehungen sich freundschaftlich ge stalteten und gerade in Frankreich wurde oft an amtlicher Stelle ausgesprochen, daß eine deutsch-englische Annäherung im Interesse des Weltfriedens läge. Jetzt aber, da eine englisch-deutsche Annäherung in dem Bereich der Möglichkeit gerückt ist. klingts anders über die Vogesen, und die Prestestimmen zu dem im November stattfindenden Besuch Kaiser Wilhelms in London zeigen mit unzweifelhafter Deutlichkeit, daß man es in Pari« nach wie vor mit dem Revanchegedanken hält; beweisen das man auf Englands Hilfe zur Wiederer werbung der „verlorenen Provinzen" gerechnet hat. — Im Haag hat sich im Friedenskongreß die erste Meinungsverschiedenheit gezeigt, die zugleich Zeugnis davon ablegt, daß die „Symphonie" nicht ohne Mißklang beendigt werden kann. Schon am ersten Sitzungstage hatten die deutschen Delegierten einen Antrag eingebracht betr. die Einrichtung eines Ober- prisengerichts. Di- Absicht war, künftighin den Handel der kriegführenden Mächte gegen Ueber- griffe des Gegners zu schützen. Flug» aber war England bei der Hand, einen neuen An trag einzubringen, der die Bestimmungen des deutschen wesentlich (und zugunsten Englands) einschränkt. Danach sollen nun die Handels schiffe der Neutralen dem Schutz d-S Ober prisengerichts unterstellt werden. Obwohl nun von vornherein klar ist, daß bei so grund verschiedener Stellung eine Einigung in dieser schwierigen Frage zustande kommt, härt man immer wieder die Versicherung aus dem Haag: Es wird ein großer Erfolg werden! Hoffen wir das beste, obwohl die ersten VerhandlungS- tage keineswegs zu rosiger Hoffnung be rechtigen. — Der allgemein erwartete Volks ausstand im Zarenreiche aus Anlaß der Auf lösung der zweiten Duma ist ausgeblieben, man hat sich mit Ruhe in da« Unabänderliche gefügt. Das Volk hat seine Hoffnung auf die Volksvertretung ohne dies schon ausgegeben, seitdem sich mehr und mehr gezeigt hat, daß die Forderung „Land und Freiheit" unerfüllbar ist Unter dem neuen Wahlgesetz wird Herr Stolypin ohne Zweifel eine Duma bekommen, mit der er „arbeiten" kann, ob aber da« dritte Parlament sich noch seiner Aufgabe, die Volksrechte wahrzunehmen, bewußt sein wird, muß schon jetzt bezweifelt werden. Die dritte Duma ist nichts anderes al» eine Station auf dem Rückwege zur Selbstherrschaft. So un gefähr hatS ja auch der Zar inzwischen mehr fach angedeutet. Wie lange freilich die Selbst herrschaft im Moskowiterreiche noch .bestehen wird, ist nur eine Frage der Zeit. Unter dem Ansturm deö modernen Völkergeistes wird die geschichtliche Ueberlieferung, auf die sich Zar Nikolaus beruft, später oder früher sich als unhaltbar erweisen. — Die Lage des Ministerium Clemenceau ist durch die Winzerunruhen und der damit in Verbindung stehenden Meutereien in südfranzösischen HeereSabteilungen arg er schüttert. Schon ward in der Kammer nur mit Mühe die Besprechung eines Antrages unterdrückt, der die Anklageerhebung gegen Clemenceau befürwortet- Gleichwohl ist es verfrüht, von einem nahe bevorstehenden Sturze des gewandten Kabinettsleiter» zu sprechen. Meister Clemenceau kennt da» politische Spiel genau und weiß, wie man das französische Volk behandeln muß. Oft schon lenkte er durch einen glücklichen Zwischen fall den Zorn der Kammer ab. Er Hal auch diesmal seine Aufsehen erregende „Affäre". Er wird der Kammer beweisen, daß er und seine Verwaltung oder seine Kollegen im Ministerium die Schuld an den Meutereien im Süden tragen, sondern zwei Au»läuder ein Oesterreicher und ein Rüste, die man unter dem Verdachte verhastete, die Meuterei angestistet zu haben. Es ist nicht unmöglich, daß man Clemenceau noch einmal in der Kammer als „Retter des Vaterlandes" preist. Herr Clemenceau ist eben der gelehrige Schüler des Mannes, den er bei jeder Gelegenheit ver leugnet: Napoleon HI Der hat in trüber Stunde (auf Helena) wenige Tage vor seinem Tode gesagt: Wer die Franzosen zu behandeln versteht/ ist ihr Liebbling, wenn sie ihm gleich zürnen. Einst aber wird auch den Minister- stürzer sein Schicksal erreichen, wie e» vor hundert Jahren den „Monarchenstürzer" er reichte.