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Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode." Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrtlla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla Vie ,<VNe»dorfer Zeitung» erscheint Dienstag, Venners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich z Mark. Durch die Post bezogen ,,20 Mark. Annahme von Inserat» bi, vormittag z« Uhr.^ Inserate werden mit < o p fSr di« Spaltzetle berechn » Tabellarischeres«- nach besonderem Tarif No. 13. Mittwoch, den 30. Januar 1907. 6. Jahrgang. Orrtlichrs und Sächsisches. Dttcndorf-Gkrilla, den 2). Januar M7. Die Bevölkerungszahl der Gemeinde Ottendorf - Moritzdorf betrug nach den vor handenen amtlichen Unterlagen am 31. De zember 1906 2520 und zwar 1292 männliche und 1228 weibliche Personen. Es bedeutet dies gegenüber der Volkszählung vom 1. De zember 1905 eine Bevölkerungszunahme von 50 Seelen. —. Tanzvergnügen an öffentlichen Orten und Privatbälle, auch wenn diese in Privat häusern oder in Lokalen geschloffener Gesell schaften abgehalten werden, dürfen in der Zeit vor Ostern nur bi» zum Sonntag Lätare, in diesem Jahre also bi» 10. März abgehalten werden, während Masken- und Kostümbälle nur bi» zur Fastnacht, Dienstag, den 12. Februar, stattfinden dürfen. Theatralische Vorstellungen und Konzerte dürfen dagegen noch bis zum Mittwoch in der Karwoche veranstaltet werden. —* DaS nächste Gausängerfest des sächsischen Elbgausängerbundrs wird im Jahre 1908 stattfinden. Als Festort wurde Kötzschenbroda bestimmt. Radeberg. Von einem bedeutenden Schadenfeuer wurde die bereits im vergangenen Jahre durch Blitzschlag und dadurch veranlaßten Effeneinsturz schwer geschädigte Maschinen, schiffchenfabrtk Karl Barth in Radeberg heim gesucht. Da» Feuer vernichtete den Drehbank raum mit seinem zum Teil wertvollen, für die Schiffchenfabrikation besonder» hergestellten Spezialmaschinen, Transmission und Maschinen wurden vollständig ausgeglüht. Das Feuer vernichtete ferner den Dachstuhl vollständig und teilte sich durch die Decke Hen unteren Räumen mit. Auch hier wurde durch nieder- stürzend« Gebäudeteile und durch Wasser viel Schaden an den Maschinen angerichtet. Diesen beziffert man auf 70000 M. — In der hiesigen Herberge zur Heimat kam e» Sonnabend abend zwischen zwei Durch reisenden zu einem Streit. Der Arbeiter Heber au« Limbach stach mit einem Messer auf seinen Gegner, den Arbeiter Hilbig aus Oberpfannenstiel, "lob. Hilbig wurde schwer verletzt und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Heber wurde verhaftet. Kamenz. In der Nähe der hiesigen Brauerei, auf dem sogenannten Tennhübel, geriet am Sonnabend vormittag 9 Uhr ein Bierwagen der Braukommun in Brand. Wegen der großen Kälte war auf demselben ein Spiritusosen in Gebrauch, dessen Flamme der herrschende Wind derartig anfachte, daß zunächst da» auf dem Wagen befindliche Stroh, sodann aber mehrere Fässer und die Seiten- bretter des Wagen« Feuer fingen und lichter loh brannten. Es gelang schließlich durch schnelle Hilfeleistung, die von dem Wagen »mporlodernde große Flamme zu ersticken, so daß der Schaden nur ein geringer ist. Riesa. Nachdem der Wasserstand der Elbe abermals um mehr als einen halben Meter gefallen ist, sodaß der hiesige Strompegel bereits heute früh 68 Zentimeter unter Normalnull an zeigte, tritt für die beladenen Kähne im Hafen die Gefahr ein, auf das infolge der strengen Kälte entstandene Grundeis zu geraten und Havarie zu erleiden. Ein mit 11000 Zentner böhmischen Rohzuckers beladener Kahn, welcher im Gröbaer Hasen liegt traf gestern nachmittag schon teilweise auf das Grundeis auf, so daß Gefahr vorhanden war, daß das Fahrzeug einen Bruch erlitt- Es mußte daher zu schleuniger Ableichterung der Ladung geschritten werden. Diese Arbeit, die von etwa 30 Mann der im Hasen liegenden Mannschaften während des Abends und der Nacht ausgeführt wurde, nahm allein fast acht Stunden in Anspruch, so daß die Ueberladung des Zuckers erst in den frühen Morgenstunden beginnen konnte. Ein Teil der Ladung war inzwischen provisorisch in einen anderen Kahn abgeleichtert worden. Wermsdorf. Gestern abend in der siebenten Stunde ist jder Oberpfleger Putz beim Schlitt schuhfahren auf dem Horstsee eingebrochen. Vom Ufer hatte man den Verunglückten Neste zu geworfen, doch das Eis war in weitem Umkreise )er Unglücksstätte nachgebrochen, und als Leute lerbeikamen, war der Verunglückte im See verschwunden. Heute früh ist der Leichnam aufgefunden und geborgen worden. Leipzig. In der belebten Markgrafenstraße ührte Sonnabend nachmittag ein 26 Jahre alter Bursche einen Raubanfall auf eine Dame aus. Er versuchte ihr die Handtasche zu entreißen; Leute, die es beobachteten verfolgten den Menschen, der hierbei in der Promenade zu Fall kam. Er wurde verhaftet. — Zur Bluttat in der Moltkestraße wird jetzt geschrieben: Der aus Bulgarien stammende Konservatorist Christo Miancoff, der wie erinner- ich im Dezember die 19 Jahre alte BarbierS- tochter Frieda Ullrich in der Moltkestraße zu Leipzig ermordete, soll geistesgestört sein. Der chwindsüchlige Verbrecher wird seit einigen Wochen von Gerichtsärzten und Psychiatern aufmerksam beobachtet. Die Aerzte neigen zu der Ansicht, daß Miancoff geistesgestört ist und daher für sein schauderhaftes Verbrechen nicht verantwortlich gemacht werden kann. Nur ein geisteskranker Mörder konnte die Tat in der cheußtichen Weise ausüben. Die Sektion der Leiche des Mädchens ergab seinerzeit, daß Miancoff mit dem Plättstahl den Kopf der Armen geradezu zerhackt haben mußte, denn das ganze Schädeldach war in Hunderte von Splitterchen zermalmt. — Es ist fraglich, ob gegen Miancoff das Hauptverfahren eingeleitet werden wird. Der Bulgare würde dann eventuell als gemeingefährlicher Irre auf Lebenszeit einer Irrenanstalt überwiesen werden. Hohenstein-Ernstthal- Vollständig nieder gebrannt ist gestern abend 6 Uhr da» auf dem Badegäßchen gelegene, zur sogenannten Lohmühle gehörige Wohnhaus. Dasselbe war bewshnt von dem Fabrikanten Herrn Reinhardt Thate doch war bei Ausbruch de» Feuers von der Familie Thate gerade niemand anwesend. Sämtliches Mobilar und die zur Fabrikation gehörigen Maschinen find verbrannt. Der Kalamitose hat versichert. Da» Feuer ist durch den Ofen ent standen. Mosel. Von wunderbarer Rettung kann hier der Schuhmachergehilfe Heinrich Alt sagen. Beim Betreten seiner als Dunkelzimmer benutzten Schlaskammer stolperte er und fiel mit der Dunkelzimmerlampe, sodaß diese zerbrach und das Petroleum sofort explodierte.. Die Kleider gerieten sofort in Flammen, sodaß Alt wie eine Feuersäule dastand. Mit seltener Geistesgegen wart umwickelte er sich selbst mit einer Bettdecke und erstickte so die Flammen. Geyer. Im Schnee stecken geblieben ist am Montag der vormittags 9 Uhr 23 Min. von Wilischtal hier fällige Personcnzug zwischen Ehrenfriedersdorf und hier. Als die Lokomotive allein den Versuch unternahm, die Wehe zu durchbrechen, kamen leider die Wagen durch den starken Schneesturm in Bewegung und emliefen in Richtung Ehrenfriedersdorf. Sie konnten aber glücklicherweise bald wieder durch das Zugspersonal zum Stehen gebracht werden Einige Reisende sind von den ablausenden Wagen abgesprungen, wobei sich einer leichtere Verletzungen an der Nase und ein anderer solche am rechten Bein zuzog. Beide wurden nach ihrem Wohnorte Ehrenfriedersdorf zurückbefördert. Zwickau. 100000 Mark hat das hiesige Steinlohlenwerk Zwickauer Bürgergewerkschaft für Auffüllung der Bodensenkungen aufzubringen, die erneut durch den Kohlenabbau in der Nähe des Schwanenteiches entstanden sind. Mylau i. V. Zum Fabrikbrand der Firma Gebr. Chevalier wird berichtet: Mit den Ausräumungsarbeiten ist nunmehr be gonnen worden, jedoch konnten die Ueberreste der beiden unglücklichen verbrannten Mädchen bisher nicht geborgen werden. Der bei dem Brande aus dem 3. Stockwerke abgestürzte Arbeiter Hommel befindet sich auf dem Wege der Besserung. kin furchtbares grubenunglück. St. Johann. Im Wildsteinschacht der Grube „Reden" fand gestern früh Hi 8 Uhr m der fünften Tiefbausohle eine Explosion chlagender Welter statt. Durch die Gewalt )er Explosion wurde der Stock verschüttet. Es ind bis jetzt 200 bis 300 Bergleute einge- chlossen, über deren Schicksal noch nichts be gannt ist. In der nichtverschütteten Strecke wurden etwa 10 gräßlich verstümmelte Leichen und viele Schwer- und Leichtverletzte gefunden. Die Rettungsmannschaften entfalten eine fieber hafte Tätigkeit, es ist ihnen noch nicht ge- ungen, an die Verschütteten zu gelangen. Von 500 im Schacht befindlichen Bergleuten 'ind 50 lebend gerettet. Die Zahl der ge- aorgenen Toten beträgt bis jetzt 180. Die Leichen sind zum Teil verstümmelt, da sie durch die Explosion an die Wände geschleudert wurden, zum Teil verbrannt. Die durch die Explosion verschüttete Strecke der Grube liegt etwa 2000 Meter weit von dem Förderschacht entfernt in einer Tiefe von 700 Metern. Um 2 Uhr war es gelungen, noch 4 Mann lebend ans Tageslicht zu bringen, unter ihnen einen der beiden Steiger, deren Abteilungen durch das Unglück betroffen worden sind. Von den zu Tage geförderten Leichen konnten nur 24 erkannt werden. Die Saargruben, owie die Grube Frankenhausen mußten gegen 3 Uhr die eifrigen Arbeiten einstellen, da Neue Explosionen befürchtet werden. Die Grube brennt noch, Nus der Woche. Nachdem im österreichischen Parlament die Wahlreformvorlage, die so viel Staub aus- gewirbelt halte, glücklich unter Dach und Fach gebracht war, schien es eine Weile, als ob in unserm Nachbarlande nach langer, sturmvoller Zeit eine gewisse Ruhe einkehren sollte. Auch Leute, die von politischen Ereignissen, wenn sie noch so viel versprechen, nicht allzu Großes erwarten, gaben sich der Hoffnung hin, es werde in der österreichisch-ungarischen Monarchie nun doch endlich einmal zu einer gedeihlichen Entwickelung kommen, aber alle Hoffnungen sind jäh dahingeschwunden und zwar brach diesmal der Sturm in Ungarn los. Der un garische Justizminister Polonyi, seines Zeichens früher ein Advokat, soll sich nach den Be hauptungen mancher seiner Gegner vor seiner Ministerzeit mit nicht ganz einwandfreien Geschäften befaßt haben. Die heftigen An griffe, die urplötzlich gegen den strebsamen Politiker erhoben wurden, waren nun Gegen stand einer Besprechung im Ministerrat. Dort wurde zuungunsten des Justizministers ent schieden und da der seßhafte Herr sich weigerte seinem einträglichen Posten ade zu sagen, faßten die Ministerkollegen den Beschluß, ihrerseits abzudanken, mit dem heimlichen Vorbehalt, das Kabinett ohne Polonyi neu zu bilden. In wieweit die nicht unüble Berechnung stimmt, ist abhängig von der Entscheidung Kaiser Franz Josephs. — Der Ministerpräsident Clemenceau der mit bisher in der Weltgeschichte seltener Schneidigkeit die Gefetzgebungsmaschine hand habt, hat sich einer immer wachsenden Feindes- zahl zu erwehren. Bei der radikaleu Linken ist er nachgerade unbeliebt geworden durch seine Art, Gegensätze in der Kammer sowohl wie im Ministerium sorgsam zu versöhnen oder wenn nölig, auch zu vertuschen. Bei andern Parteien erregt die fast nervöse Eile Anstoß, mit der hochwichtigen Gesetzesvorlagen auf Belreiben des ehrgeizigen Ministerchess erledigt werden. In eingeweihten Kreisen heißt es so gar, daß Herr Clemenceau beim Präsidenten der Republik in Ungnade gefallen sei. Trotz alledem muß ausdrücklich festgestellt werden daß der Ministerpräsident vorläufig noch Herr der Lage ist und daß man ihn wohl oder übel so lange auf seinem Posten lassen wird, bis er seine Resormgesetzgebung durchgeführt hat. — Die zweite Haager Friedenskonferenz steht nach wie vor im Brennpunkt allgemeinen Interesses. Der Zar hat den Rechtslehrer Professor Martens mit jder ehrenvollen Auf gabe betraut, die Höse von Wien, Berlin, London und Paris zu besuchen, um dort di« Grundlagen für das Programm der neuen Friedenskonferenz, die in den ersten Sommer tagen im Haag zusammentreten soll, zu chaffen. Wie verlautet, werden diesmal 36 Staaten im Haag vertreten sein, von denen die Mehrzahl ihre besondere Aufmerksamkeit der Frage der allgemeinen Abrüstung schenken wird. Zu den letzteren gehört auch Italien. Obwohl dort an amtlicher Stelle erklärt wurde, daß Italien jedem Vorschläge zur osortigen Abrüstung zuzustimmen bereit sei, -at man sich im Ministerium und auch in der Kammer eifrig mit Marinerüstungen beschäftigt. Nach den getroffenen Abmachungen sollen neue Kreutzer bestellt werden, die sowohl an Größe wie auch an Geschütztüchtigkeit das größte Kri-gsschiff der Welt (den englischen „Fürchte nichts") übertreffen sollen. Man hält eben überall die Schlagbereitschaft für die günstigste Vorbedingung zur Verwirklichung des Ab rüstungsgedankens. — Der Zar scheint im Dienste der von ihm in die Welt geworfenen FricdenSidee keine Zeit zu finden, sich ein gehend mit dem Verhältnissen seines Landes zu befassen; denn daheim bei Väterchen sieht's trotz aller amtlichen Ableugnungsversuche übel aus. Hunderttausenve sind in den weiten Distrikten Rußlands ohne Nahrung und infolge zer dort wie in ganz Europa herrschenden Kälte entsetzlichen Qualen preisgegeben. Dazu kommt, daß die mühsam unterdrückte Revolution allenthalben wieder drohend ihr Haupt erhebt. Die Bombenattentate, politischen Morde, Räubereien und Brandstiftungen sind wieder tägliche Ereignisse geworden. Ministerpräsident Stolypin sieht sich in seiner Hoffnung auf di« abschreckende Wirksamkeit der Feldgerichte ent täuscht. Auch in andrer Beziehung sind die Hoffnungen der „rechten Hand des Zaren" nicht in Erfüllung gegangen. Denn trotz aller Beschränkungen der Wahlsreiheit und des Versammlungsrechtes, trotz aller drohenden Manifeste und beruhigenden Versprechungen jaden die stattgehabten Vorwahlen schon gezeigt, daß der Geist der Opposition auch die neue Duma beherrschen wird. — Ein gewaltiges Erdbeben hat die Hauptstadt der englischen Kolonie Jamaika, Kingston, heimgesucht. Es ist das zweitgrößte Erdbeben (von 30000, die von 37 Beobachtungsstationen innerhalb der letzten 13 Monate gemeldet wurden). Es ist ein betrübendes Zeichen ^der Zeit, sich gerade bei solchem Unglück erst auf die vornehme Pflicht der Hilfsbereitschaft zu besinnen, noch betrübender aber ist, daß in einem solchen Falle kleinliche Fragen der Diplomatie in den Vordergrund gerückt werden. Weil gelegentlich des Erdbebens in San Francisco Amerika die Hilfe des Auslandes abgelehnt hatte, sah sich der englische Gouverneur veranlaßt, die ihm sofort angebotene Hilfe Amerikas abzu lehnen. Leider aber lag die Sache im Falle von Kingston anders als damals in San Francisco. Während nämlich Amerika sofort in San Francisco Hilse leistete, war englische Hilse in Kingston erst am dritten Tage zur Stelle. Die Eitelkeit des englischen Gouverneur und die peinliche Sorge um Wahrung diplomatischen Brauchs (ein paar bewaffnete Amerikaner hatten Kingston betreten) ließ ihn die angebotene, dringend nötige Hilse ablehnen. Den Geängstigten, Hungernden, ihres Eigentum- Beraubten wird wahrscheinlich ebenso, wie dem unbefangenen Beurteiler das Verständnis für diplomatische Empfindlichkeit abgehrn.