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Zweites Blatt. Mtcknlt fiii WilsSnifs Tharandt, Aossen, Sieöentehn und die Htmgegenden. Amtsblatt für die Agl. Amtshcmptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Milsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, ÄManneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Huhndorf, Kaufbach, Kessclsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mil Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kessclsdorf, Steinbach bei Mohorn, —— Seeligstadl, Spechtsüausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro viergespaltene Corpuszeile. Dmrl 'md Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die RedEnn Martin Berqer daselbst. No. 124. Sonnabend, de« 1S. Oktober 1Wi. ««. Jahr-. Briefe von der See. Von Schiffsarzt Or. mea. L. dl. (Nachdruck verboten.) Montevideo, 28. Februar 1901. DaS cigenthümliche V^rhäugniß, das uns immer am Abend erst die Häfen cri eichen ließ, schwebte über unsrer Fahrt, auch als wir Madeira erreichten: erst in der Dunkelheit liefen wir in oen Hafen Madeiras ein, das zu besuchen wir Alle uns Tage lang schon gefreut hatten. Da wollten wir bei einem guten Trünke der Heimath ge denken, wollten im Tchlitten sitzend auf den glatten Pflastersteinen den Berg hinabsausen und an Ort und Stelle die kunstvollen Spitzen und Stickereien einkaufen. Das war nun durch das Zuspätkommen vereitelt, von der paradiesischen Schönheit der Insel war nichts mehr ZU sehen und die in Madeira schon ohnehin schwierige Landung mit dem Boote in der Dunkelheit lebensgefährlich. Wie glänzende Sternbilder hoben sich gruppenweise die Lichter Fumhals von dein dunklen Hintergründe ab, neue afrikanische Früchte und frische Veilchensträußchen schmückten andern Tags unseren Tisch, als einziger Gruß der Herr- Uchen Insel, die wir gegen Mitternacht nach Uebernahme der Kohlen wieder verlassen hatten. Es folgten nun drei Tage Seefahrt, mährend deren wir nur ein nor wegisches Segelschiff antrafen, das durch Flaggensignale nach dem Kurse fragte und seinen Namen nannte, um von dem nächsten Hafen aus gemeldet werden zu können. Der nächste Hafen war St. Vincent, auf den Kap Vertuschen Inseln, ein trostlos öde aussehendes Städtchen, das nur als Kohlenstation Bedeutung gewonnen hat. Es lagen denn auch eine größere Anzahl Fahrzeuge dort, die alle derselbe Zweck hingeführt hatte. Als wir kaum festgemacht hatten, ging der große englische Passagier dampfer „Nile" wieder in See, die Heimreise nach Europa fortzusetzen. Wir sahen ihm traurig nach, traurig, daß er nicht noch kurze Zeit gewartet hatte, um unsre Euro papost mitzunehmen: so blieben nun die Briefe liegen, und unsere Lieben daheim mußten warten, bis der nächste Dampfer sie mitnahm. Die Stadt selbst ist also öde und armselig anzuschauen; auf dem rostbraunen Felsen grunde sind die Häuschen aufgebaut, ohne Baum und Strauch, wie ein Kinderspielzeug, das man auf den bloßen Tilch gesetzt hat. Einige Negerjungen kamen an Bord gerudert und boten m ihrem Ncgerdeutsch werthlose Korallen und Muscheln an. Das war Alles, was man bekommen konnte, alles Andere mußte den Bewohnern ja selbst erst zugeschafft werden. So verzichteten wir darauf, die Stadt zu besehen, blieben an Bord und freuten uns über die Eigenart des Hafens. Der ist ganz kreisförmig; sobald das Schiff durch die schmale Einfahrt passirt ist, sieht man sich rings von den braunen Bergeszügen um geben, sodaß mau nicht mehr die Stelle der Einfahrt an- geben könnte, lind mitten in diesem weiten Kessel erhebt sich ein einsamer hoher Felsen, von einem Leuchtthurme gekrönt, der sein Licht nach dem Ozean hinauswirft. Ich ließ gedankenlos meine Augen über die Höhen dahinschweifen, als ich plötzlich durch einen Höhenzug über- rascht wurde, der mit unverkennbarer Deutlichkeit die Um risse eines männlichen Profils wiedergab, in liegender Stellung gedacht. Das war so überraschend ähnlich, so ausgesprochen deutlich, daß selbst das phantasieärmste Auge die Aehnlichkeit herausfinden mußte. Ob es nun freilich Napoleon I. ist oder Washington oder Nelson, dem die Natur hier durch Wiedergabe seines Profils ein ewiges Denkmal setzte, ein Streit, der bekanntlich noch immer nicht geschlichtet ist, wenn auch Nelson die meisten Anhänger hat, — das vermochte ich doch nicht herauszuerkennen Mangels genauer Kenntniß der Profile der drei weltge- schichtlichen Größen. Nach vierstündigemAufenthalteverließenwir St. Vincent, um drei ungebetene Gäste, reicher, wie der nächste Morgen zeigte. Es kamen da plötzlich aus den unteren Schiffs räumen drei dunkelfarbige Gestalten herausgekrochen, die sich am Abend eingeschlichen hatten und nun ans Tages licht kamen, wo sie doch nicht mehr hinausgeworfen werden konnten. Der Eine von ihnen behielt seine dunkle Farbe auch nach dem ihm verabreichten Bade, war also ein echter Neger, die anderen Beiden aber färbten ab und waren wohl nur durch den Aufenthalt auf der Kohlcninsel zu Schwarzen geworden. Sie standen nun einträchtig auf dem Vorderdeck und warteten der Dinge, die da kommen sollten, bez. der Arbeit, die ihnen zur Belohnung zudiktirt wurde. Jedenfalls erreichten sic aber billig ihr Mutter land Südamerika. Mit dem Auslaufen von St. Vincent war die Fahrt über den Atlantik angetreten, die am 28. d. Mts. mit dem Einlaufen in Montevideo ihr Ende haben sollte. Es wurde wärmer, je südlicher wir kamen und je mehr wir uns dem Acquator näherten, den wir am 19. nach der Berechnung überschreiten mußten. Mit Spannung sahen die Neulinge dem Ereigniß entgegen, von dem ihnen so viel erzählt worden war. Die Maschinisten klagten, daß die Maschine jetzt angestrengter arbeiten müßte, weil die Fahrt hinaufwärts schwierig sei, daß sie dann aber nach Passiven der Linie abwärts um so leichter gehen würde; früh um 9 Uhr war ein Anschlag zu lesen, der den Schluß der Aequatorpost auf 11 Uhr festsetzte und den Verkauf von Postkarten mit der Ansicht des Acquators anzeigte. So sah man denn manchen fleißigen Schreiber seine Briefschaften erledigen, damit sie der Aequatorpost über liefert werden könnten. Um 2 Uhr sollten wir ja den Postdampfer tnffen, der immer auf dem Aequator auf und ab fuhr, von den nach Süden fahrenden Dampfern die Post erhielt und sie den heimwärts fahrenden zur Beförderung weitergab. Nach dem Frühstück um 10 Uhr fing man an, nach der Linie auszuschauen, und gegen 2 Uhr erschien der Kapitän von der Brücke mit der Meldung, daß die Linie in Sicht sei. Das große Fernrohr wurde herbeige, olt für zweifelhafte Gemüther und wirklich sahen sie deutlich eine dicke schwarze Linie, ähnlich einem Schiffs tau längs des Horizontes ausgespannt. Das war der Zeitpunkt, da mit dem Taufen der Neulinge begonnen werden konnte — ohne besondere Feierlichkeit, aber nichts destoweniger gründlich. Damit ging dann der Nachmittag so ziemlich hin und der würdevolle Tag fand in einem „Herrenabend" seinen Abschluß. Pilsener und Märzenbier wurde vom Faß verzapft. Vorträge wurden gehalten und Lieder gesungen nach der bekannten Methode, daß der erste Vers vollständig gelang, vom zweiten vielleicht noch die Hälfte und vom dritten, wenns gut ging, noch der Anfang bekannt war. Einen guten Zweck erfüllte aber doch der Abend dadurch, daß für die Kasse der Seefahrer- armen bei Versteigerung eines Vortrages 100 Mark ein kamen. Es war ^3 Uhr früh geworden, als die Fässer leer waren und die letzten der Seßhaftesten „nach Hause" gingen. Die Frühstückskarte vom anderen Morgen wies saueren Hering auf, und das war gut so! Auf Julianenhöh. Roman von Emilie Heinrichs. (9) (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Das von Haralds Freunden Befürchtete war That- sacke geworden; das Gerücht hatte triumphirt und den Mörder entdeckt. Ein unanfechtbarer Zeuge war aufge treten, um die Tragödie von Julianenhöh grell zu be leuchten und sie zu einem sensationellen Kriminalfall erster Klasse zu gestalten. Dieser Zeuge, der sich aus freien Stücken, wie er hervorhob, nur von seinem Gewissen und von seiner Pflicht getrieben, zu der Anzeige veranlaßt gefühlt hatte, war ein ehrsamer Bürger der Stadt, der Schuhmachermeister Hen ning, an dem kein öffentlicher Makel haftete. Die Anzeige, die er dem Untersuchungsrichter machte, lautete: „Es war just an dem Tage vor dem Tode des sel igen Fräuleins auf Julianenhöh, so um die zweite Nach mittagsstunde herum, als ich dem Herrn Rektor ein paar Stiefel gebracht und er gleich bezahlte, un auch noch eine andere Rechnung für Frau Rektorin, denn was wahr is, muß man sagen, er is —" „Meister, bei der Sache bleiben, sonst verlieren Sie den Faoen," mahnte der Richter. „Ganz reckt, Herr Assessor! — Nu also, wie ich nach HauS will, fällt mir ein, nach Julianenhöh zu gehn, wo ich die Köchin ein Paar Schuh anmessen soll. Sie wissen, daß da unten, wo es hiuaufgeht, bei's Gebüsch, eine Bank steht, an der andern Seite aber liegt ein Stein, wo's sich gut sitzen läßt, ohne daß ein Mensch einen sehen kann, dieweil das Buschwerk einen verdeckt. Un nu kam's mir doch vor, als wenn Herr Rektor sich verzählt hatte, was ja einem Menschen passiren kann, absonders so ein ge lehrter Herr, was unser Herr Rektor is, es is die asch graue Möglichkeit, was so'n studirter Herr —" „Aber, Meister —" unterbrach ihn der Richter aufs Neue. „Is schon recht, Herr Assessor! Ich setz' mich also auf den Stein, um mein Geld nachzuzählen, es könnt;a auch zuviel sein, dieweil ein studirter Herr ja mehr als unsereins im Kopfe hat, un denn hält' ich's ihm doch gleich wiedergebracht. Un wie ich so sitz' und zähl', da hör' ich Einen von Julianenhöh heruntcrkommen, das is, denk' ich, der junge Herr Dähn, un richtig, er war's, ich kenn' ihn am Schritt, un dann kommt noch Einer von der Straße her, un das war der Justizrath Kersten. Die beiden setzen sich also aus die Bank, un ich hör' erst gar- nich hin, was sie sprechen, denn warum? — weil ich nich neugierig bin, Herr Assessor, un es nich meine Bohnen sind, was die Herrens mit einander verhandeln. Na, mein Geld war richtig, kein Pfennig zu viel un zu wenig, aber weggehn mocht' ich nich, daß die Herrens nich glaubten, ich hätt' gehorcht. Un da hört' ich denn, daß der junge Herr den feinen Posten von seinem seligen Vater nich haben wollt', der ihm doch von unserem hochlöblichen Ma gistrat sogar angeboten war, un daß er sich mit seiner Tanle, die doch sozusagen wie 'ne Mutter für ihn gesorgt hatte, ganz schrecklich veruneinigt hatte, un daß er am andern Morgen wegreisen wollt. Der Herr Justizrath setzte ihn höllisch zurecht, un sagte, daß sic ihr Testament all' gemacht hätt' un daß sie das nu umfloßen un ihn enterben würde, was ganz gewiß wär un dann erbten es die Stiftungen. — Der junge Herr war abers wie von Sinnen, er wollt' hier nick wie ein Fisch an 'ner Angel zappeln un das Geld wär' ihm egal, die Tante könnt' ihn seinetwegen enterben, was der Herr Justizrath ihm recht übel nahm; un ihm gehörig die Wahrheit sagte. Ich freute mich darüber, obschon ich den Herrn Dähn immer so gern leiden mocht', un ihm auch nie nix Schlechtes zugetraut hätt'. Abers als er nu am andern Morgen abreiste un seine Tante, mit der er nu ganz uneins war, un die ihn bestimmt enterbt hätt', w:e Herr Justizrath Kersten behauptete, in derselbigen Nacht vergiftet worden war, da kam mir die Geschichte gleich nich gut vor, Herr Assessor!" - „Weshalb sind Sie denn nicht gleich zu mir ge kommen, Meister Henning?" fragte der Richter in strafen dem Tone. „Ja, das war doch so 'ne Sache, Herr Assessor! Ich halt' ja gleich ein Haar darin gefunden, abers so mit Dampf hinzulaufen un zu sagen, das un das hab' ich gehört un saß da wie ein Horcher an der Wand, ohn' mich zu rühren un zu zeigen. Nee, Herr Assessor, das ging mir gegen die Reputatschon. Nu abers in der Stadt so was gemunkelt wird, un man's allerwärts auch in Zeitungen behauptet, das von wegen der Entzweiung un Enterbung, da fühlte ich mich von wegen Pflicht un