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Ottendorfer Zeitung. Die „(Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abend». Bezugspreis vierteljährlich f Mar». Durch di« Post bezogen 1,20 Mar». Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm« »»n Jns«rat«n di, »«mittag i« Uh»,s> ^Inserat« w«rd«n mit w Pf fLr di« Spaltztilr berechn« TabellarischirZSaß nach d«sonder«m Laris Druck und Verlag vor. Hermann Rühle in Groß-GkriUa. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla Vr. 87. Frrilag, den 20. Juli 1906. 5. Jahrgang. Orrtlichrs und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, den z-. Juli izos. — Endlich scheint da« so dringend nötig gewordene warme und regenlose Erntewetter eingesetzt zu haben. Die Landleute arbeiten deshalb sitzt draußen auf den Feldern mit Volldampf. Ueber sehr viele Felder weht daher bereit« der Wind „über Vie Stoppel." Daß namentlich nicht sobald mehr Regen komme, ist der Wunsch der Landwirte, da man bereit« da« Auswachsen de« in Puppen stehenden Getreide» befürchtete. Bleibt günstige» Erntewetter, so dürfte die diesjährige Ernte eine der allerbesten und reichsten werden, die e» seit Jahrzehnten gegeben hat. — Ein für Handwerker wichtiges Verbot hat soeben die Generaldirektion der Sächsischen Staatsbahn erlassen. Die Verordnung bestimmt daß diejenigen Beamten, die aus dem Hand werkerstand« hervorgegangen sind, ihre Fertig keiten, die sie sich vor ihrer Beamtenzeit in einem Handwerke erworben haben, ohne aus drückliche Genehmigung d-r Anstellungsbehörde gegen Entgelt nicht betätigen dürfen. Es ist diesen Beamten auch verboten worden, ein von ihnen früher erlerntes Handwerk gegen Entgelt zugunsten von Verwandten und Bekannten zu betreiben- — Das Stehen aus der Plattform der Eisenbahnzüge ist jetzt erneut verboten worden. Da« Zugsbegleitpersonal hat Anweisung erhalten streng darüber zu wachen, daß dem Verbote auch entsprochen wird. Namentlich bei Sonder- zügen und von Pasiagieren 4. K.asse wird gegen dar selbe stark gesündigt. Wer künftig dagegen verstößt, soll von dem Zugöpersonal auf der nächsten Station oder auf der End station dem diensttuenden Beamten zugesührt merdrn — Tharakteristisch für den Bildungsgang und Bildungsstand mancher Kurpfuscher, die bekanntlich in Sachsen ihr Docado haben, ist «in im letzten Jahresberichte des Königlichen Landesmedizinalkollegiums veröffentlichter Bries. Darin bittet, selbstbewußt beginnend: „Ich, Gustav Adolf Haupt, Militärganz - Invalid" ein früherer Maurer den kgl. Kreisarzt in Großenhain auf Grund einer Jnsertions- Erlaubni» für einen anderen Kreis um „die Bewilligung mit den niedrichsten Gesetzlich er laubten Potenz (siol) der Homöopathie in die Oeffentlichkeit tretten zu dürfen. Ich Anociere. heißt e» weiter, in dem Elsterwerdaer rc. Kreisblatte, wie beiliegende Anoce beweist, au» diesem Grunde wage ich einen Wohllöblichen König« Kreißarzt, mit der untertänigen Bitte zu machen, um mir gütigst die schriestliche erlaubniß zu geben, damit ich in den welchen Tageblatt zu Großenhain dießelbe Anoce ver öffentlichen kann. Anoce wie folgt: Sämtliche Krankheiten Innerlich und äußerlich werden nach den Grundsätzen der Homöopathie ohne Operation gut geheilt durch rc. rc." Andere dieser Aesculape sind früher Handarbeiter, Weber, Dienstknecht«, Dienstmädchen, Fabrik arbeiter rc. gkwesen. Ihre Patienten aber sinken sic. Kotzsche-KönigSwald. Der Verfasser des Buches Mein System Leutnant I. P Müller aus Klampenborg in Dänemark wird sich von 20. bis 25. Juli hier anfhalten, um im König Friedrich August-Bade Vorträge und Vor führungen über sein System zu veranstalten. Königsbrück. Auf dem Gefechtöschießplatz bei Königsbrück wird vom 21. Juli bis mit 4. August d. I. das Königliche Schützen regiment „Prinz Georg" Nr. 108 täglich von 6 Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags Schießen in größeren Abteilungen abhalten. Dresden. Herr Rockefeller, der amerikanische Krösus, ist aus Amerika nach hier geflohen, und zwar vor den Folgen der von der Bundes regierung gegen die Trusttyrannen angewendeten Maßregeln. Die Politik der Regierung ist es seit Ende 1S0S, in Mn Gerichtsverfahren, wenn irgend möglich, Verschwörung nachzuweisen da diese mit Gefängnis bestraft werden kann, während bloße Gesetzübetretung nur Geldstrafe nach sich zieht. Natürlich kommt es der Regierung darauf an, daß, wie beim Fleischtrust, die eigentlichen Trusthäupter zur Verantwortung gezogen werden, und da ihr dies im Falle des Fleischtrustes infolge einer richterlichen Ent scheidung mißlang, so hat sie sich seither durch ein neues Gesetz die Hände stärken lassen, odaß schädigende Aussagen den Aussager in Zukunft nicht mehr vor Verfolgung schützen. John D. Rockefeller hat es daher vorgezogen, am 31. Mai, als bereits der Donnerkeil gegen ihn bereit lag, zum ersten Male in seinem Leben eine europäische Reise anzutreten, und es ist anzunehmen, daß er nicht heimkehren wird, ehe er sich über den Gang des Gerichts verfahrens hinreichend orientiert hat. Sein gruder William befindet sich in Frankreich. Kamenz. Ein lehaster Bierkrieg hat hier eit Anfang d. M. eingesetzt und zwar wenden ich eine Anzahl Wirte gegen die hiesige Brau- vmmun, welche sich ebenfalls dem Preisringe m Brauereien angeschloffen. obwohl sie in der Hauptsache am Platze ihren Umsatz hat. Die Wirte bringen daraufhin fremde Biere um Verschank, sie werden nun aber von Braurreimitgliedern boykottiert. Niederplanitz. Einen herben Schicksals- 'chlag erlitt die Familie des Fleischers Pilz. Ihr einziges, 4^ Jahre altes Töchterchen satte zu Mittag Gurkensalat gegessen und stillte zernach, ohne daß die Eltern es sahen, seinen Durst mit Wasser. Kurze Zeit drauf stellten ich dann die unseligen Folgen des Gurken- und Wasiergenusies ein, an denen das Kind bereits am Abend gestorben ist. Pirna. Der 3. Sächliche Grenadiertag, der hier vom 21, bis 23. Juli stattfindet, wird Tausende der alten Grenadiere nach der Elbe stadt führen. Am Sonnabend vormittag findet Kriegergräber- und Denkmälerschmückung, sowie Empfang der auswärtigen Kameraden, abends großer Zapfenstreich und daraus Festkommers in der Festhalte an der Elbe statt. Für Sonntag vormittag ist Frühkonzert, allgemeiner Kirchgang und Platzmusik und für nachmittag etn Festzug geplant. Später sinken in Carolabad Monster konzert und in sechs verschiedenen Sälen Fest bälle statt. Am Montag früh werden Dampf schiffe mit Musik die Festteilnehmer nach König stein zum Besuch der Festung bringen. Auf dem Rückwege wird nachmittags auf der Bastei eingekehrt, Wehlen bietet ein originelles Markt- fest. und zum Schluß ist für die Heimfahrenden eine großartige Beleuchtung der Elbufcr bis Pirna und dort ein großes Brillantfeuerwerk in Aussicht genommen. Eine AbschiedSkneiv? und Ball in zwei Sälen sind die letzten Darbietungen des Festausschlusses. Aber auch noch am Dienstag sollen Ausflüge in die Sächsiche Schweiz unter kundiger Führung unternommen werden. Zeitkarten unk Festzeichen sind in Dresden beim Vorstand des Grenadier- vcreins. Schneidermeister P. Schulße, Pirnaische Straße 17, 2. Etage, zu haben. Dohma. Durch einen gräßlichen Unglücks fall ist über eine Familie tiefes Leid gekommen. Die Mutter hatte zum Mangeln ihr vierjähriges Töchterchen mitgenommen, welches sich unbemerkt zwischen Mangel und Wand begab. Als dann der Mangelschlitten vorrückte, kam das Kind mit dem Kopse zwischen Kasten und Wand, und es wurde so schwer gequetscht, daß es am andern Tag starb. Der traurige Vorgang ist eine ernste Mahnung an alle Eltern, kleine Kinder nicht mit zum Wäschemangeln zu nehmen. Freiberg. In dm Bierpreisen herrscht jetzt hier die größte Verschiedenheit. Trotzdem von einer von 70 Wirten besuchten Versammlunc die Preise auf 11 Pf. für a/io-Liler und 17Ps. für 5/io-Liler festgesetzt wurden, verkaufen viele noch zu alten Preisen, andere 2,»^o-Liter un t/10'Liter zu 10 bez. 15 Pf. andere wieder kleinere Gläser zu erhöhten Preisen. Der Ein- berufer der Wirte Versammlung bat sein Amt als Vorsitzender das Gastwirtsverein nieder gelegt und ist selbst zu den alten Preisen urügekehrt. — Am 26. April 1906 ist, wie berichtet n Zöblitz die Gasmeistersehefrau Alma Groß ermordet im Walde unweit der Gasanstalt auf gesunden worden. Als Täter kommt in Zetracht ihr Ehemann Karl Wilhelm Gustav Groß, zuletzt in Zöblitz. Der Verdacht hat ich auf ihn gelenkt, weil die Ermordete bei Lebzeiten die Vermutung ausgesprochen hat, sc Mann trachte ihr nach dem Leben, ihm komme es auf ihre Lebensversicherung an, sie müsse jetzt wieder 500 Mark schaffen, werde cs aber nicht tun, da könnte es kommen, wie es wolle. Der Verdacht hat sich dadurch ver- tärkt, daß Groß tatsächlich am 31. März. 8. und 15. April 1906 in der Zeitung „Auf der Warte" ein Darlehn von 500 Mark gesucht ;at, und daß er am 24. April 1906, also 2 Tage vor der Ermordung der Groß, die Nachricht erhalten hat, daß sein Gesuch ohne Erfolg ge ilieben sei. Hainichen. An dem Neubau des Fleischer meisters Becker in der Brüderstraße ereignete ich ein bedauerlicher Unfall. Der Zimmer mann Kunze aus den benachbarten Cunnersdorf benutzte beim Balkenrücken, entgegen besonderer Anweisung, einen Hebebaum. Infolge über mäßiger Belastung brach aber die Spitze des Hebebaumes, und Kunze, der infolgedessen das Gleichgewicht verloren hatte, stürzte aus der Höhe von drei Stockwerken ab. Er erlitt verschiedene schwere Verletzungen und wurde on der freiwilligen Sanitätskolonne in seiner Behausung geschafft. Mittweida. Am Sonnabend abend, Sonntag und Montag fand das diesjährige Bundessänger- est der größten sächfichen Sängervereinigung >es Erzgebirgischen Sängerbundes, statt, Die Teilnehmerzahl betrug über 6000. Leisnig. In Brösen hat sich ein recht bedauerlicher Unglücksfall zugetragen. Zwei Knaben der dortigen Schule waren damit be- chästigt, in einem Garten Ordnung zu machen. Da fand der 13 jährige R. Schellhorn eine Flasche, die er bei Seite warf, ohne zu bedenken daß 15 Schritt von ihm der 11jährige K. Richter stand. Die Flasche traf diesen an den Kopf. Während anfangs der Wurf ohne bedenkliche Folgen zu sein schien, stellten sich doch im Laufe des Tags Kopschmerzen ein, von einer Gehirnblutung herrührend, die denn auch den Tod des Knaben Richter herbeiführte. Chemnitz. Im hiesigen Stadtverordneten- Kollegium hat der Reichstagsabgeordnete Noske gewaltigen Lärm darüber geschlagen, daß den sozialdemokratischen Turnvereinen städtische Plätze nicht wieder zur Verfügung gestellt wurden, weil diese bestimmte politische Be strebungen förderten. Der Haupttrumpf, den Noske ausspielte, war der, daß auch andere Vereine in ihrem Singbuche — es waren unter Pfui-Rufen einige der krassesten antinationalen Stücke des sozialdemokratischen Turn-SingbucheS verlesen worden — eine ganze Anzahl Lieder hätten, aus denen eben falls politische Tendenzen konstruiert werden könnten. Bürgermeister Dr. Sturm erwiderte, hier sei ein erheblicher Unterschied: in der sozialdemokratischen Turnerzeitung und dem sozialdemokratischen Liederbuche würde» bei den Turnern die ersten Keime gepflanzt, um sie zu zielbewußten Sozialdemokraten mit. inter nationaler Gesinnung heranzuziehen, während in den anderen Vereinen gerade das Gegenteil, Vaterlandsliebe, gepflegt werde. Noske ris erregt, der Rat sei „Angestellter der Bürger schäft" und müsse deshalb ihren Wünschen ge recht werden. Es wurde ihm entgegnet, das sei wohl recht, aber der Rat habe auch den allgemeinen Interessen des Staates zu dienen. Glauchau. Ein schwerer Unglücksfall er eignete sich am Dienstag nachmittag auf der Straße nach Niederlungwitz, die vom Restaurant ,Bellevue" nach diesem Orte bergab führt, lls nämlich der Gutsbesitzer Müller aus Lobs- >orf mit seinem Gefährt die Straße passiierte cheute das Pferd vor einem vorüberfahrenden Motorrade und jagte mit dem Wagen im rasenden Tempo den Weg hinab. Hierbei vurde nicht nur das Vordergestell des Wagens tark beschädigt, sondern Müller auch von ihm zerabgeschleudert und etwa 100 Meter weit geschleift. Er erlitt dadurch nicht nur Haut abschürfungen am ganzen Körper, sondern auch eine bis auf den Knochen gehende schwere Knieverletzung, die sofort ärztliche Hilfe not wendig machte. Großrückerswalde. Hier ereignete sich infolge schon oft gerügter Fahrlässigkeit ein gräßlicher Unglücksfall. Die 28 Jahre alte Zhefrau Anna Schlegel wollte ihrem Kindchen Milch wärmen. Beim Nachgießen von SpirittuS explodierte die Flasche, und die arme Frau glich sofort einer Feuersäule. Nur mit aller Mühe konnten die Flammen erstickt werden. Noch an demselben Abende wurde die un glückliche Frau, die fünf Kinder hinterläßt, mrch den Tod von ihrem qualvollen Leiden erlöst. Adorf. Di« hier beim Bahnhosaerweiterungs- )au beschäftigten Tschechen wollten in vergangener Nacht aus reinen Uebermut alles Erreichbare kurz und klein schlagen, fo das der Wirt des .Feldschlößchen" polizeiliche Hilfe herbeiholen affen mußte. Als der Rädelsführer Namens Hrbek verhaftet werden sollte, leistete er nicht nur Widerstand, sondern die anderen Tschechen versuchten auch, den Festgenommenen zu befreien Der Schutzmann wurde schließlich mit Steinen bombardiert. Ein Stein verletzte diesen an der rechten Schläfe. Die Täter sind ins Amts- gerichtsgefängniS eingeliefert worden. - Im Kontor eines größeren Fabrtk- etabliffements der Gegend von Adorf ver- chwanden ab und zu Geldbeträge, ohne daß )er Täter ermittelt werden konnte. Aber man wußte sich zu helfen und ein listig angelegter Plan führte zu dem gewünschtem Ziele, Es wurde eine verborgene elektrische Leitungsanlage )erart hergestellt, daß durch Oeffnen des in Frage kommenden Pultdeckels der elektrische Strom geschloffen wurde. In Verbindung mit der Stromleitung war ein zur Aufnahme fertig eingestellter photographischer Apparat auf einem erhöhten Platze unauffällig angebracht. Als das Kontor in der Mittagsstunde von dem Personal ^verlassen worden war, schlich sich die bisher unbekannte Person in das Zimmer und öffnete das Pult — schloß aber damit zugleich unbewußt den elektrischen Strom. Der photographische Apparat trat nun in Tätigkeit und die schönste photographische Momentaufnahme vor dem Pult und der vor demselben stehenden Person erfolgte. Am Nachmittag nahm man die Kassette mit der belichteten Platte und entwickelte sie. Nach kurzer Zeit hatte man das scharfe, deutliche Bild des Diebes, der aus diese originelle Art der Tat überführt werden tonnte. Geyer. Die alten Schächte und Stollen am Geyersberge, aus denen ehemals reiche Zinnerze gefördert wurden, sollen wieder in Betrieb gesetzt werden. Die bisher erneut ge förderte Ausbeute erbringt sehr befriedigende Resultate. Reitzenhain. Bei einer Luftschifffahrt verunglückte am Sonnabend der Oberleutnant Herwarth v. Bittenfeld vom Luftschiffer-Bataillon in Berlin. Er hatte den Vereinstag der Luft schiffer in Bitterfeld besucht und war von dort in Begleitung eines Dragoner- und eines Artillerieoffiziers in einem Ballon des Vereins für Luftschifffahrt aufgestiegen. Der Ballon ging nachmittags nieder. Die Landung ging nicht ganz glatt von statten; der Oberleutnant v. Bittenfeld begab sich sofort mit der Eisen bahn nach Berlin, wo er im Krankenhause Aufnahme fand.