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Die „Vttendorfer Zeitung« erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. 8 ezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Annahme von Inseraten bi, vormittag w Uh»,z Inserate werden mit zo Pf für die Spaltzetle berechn« Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". TabellarischrrjSatz nach drsonderem Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla Nr. 70. Sonnlag, den 10. Juni 1906. 5. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Vkrilla, den g. Juni lyos — Auch an dieser Stelle sei nochmals auf das morgen Sonntag, abends 8 Uhr im Tasthof zum schwarzen Roß stattfindende Blindenkonzert aufmerksam gemacht. Es ist zu wünschen, daß das Unternehmen wärmste Unterstützung findet, nicht allein um des guten Zweckes willen, sondern auch deshalb, weil die blinden Sänger und Sängerinnen wirklich künstlerische Leistungen bieten und allerorts den reichsten Beifall gefunden haben. — Der Turnverein „Eiche" Groß.Okrilla veranstaltet Sonntag, den 10. Juni gelegentlich seinrs Stiftungsfestes ein Waldfest im Stein bruch am Spieß, dortselbst sollen Stabübungen, Geräteturnen und Spiele alle Turnerherzen er freuen. Alle Freunde und Gönner der deutschen Turnerei werden hierdurch zu einem recht zahl reichem Besuche herzlichst eingeladen. (Siehe Inserat.) — Die Stellung der sächstchen Regierung zur Heimarbeitefrage lassen einige Artikel der „Leipz- Ztg." zu der Angelegenheit erkennen. DaS ministerielle Blatt bezeichnet die Ausdehnung des Arbnterschutzes auf die Heimarbeit im allgemeinen als undurchführbar. Nur für einzelne Industriezweige, wie die Konfektion und die Tabakheimarbeit wird die Unterstellung unter die Gewerbeordnung empfohlen. Von der Einbügerung von Kleinkraftmaschienen wird gleichfalls keine durchgreifende Besserung erwartet, weil die kapitalschwachen Arbeiter das Risiko, dos mit dem Besitz von leicht veraltenden Maschienen verbunden ist, nicht tragen können. Dagegen wird als Mittel zur Abhilfe die Aus dehnung der KrankenversicherungSpflicht auf die Hausindustriellen, die Registrierung der Heim arbeiter, die Ausübung einer gewissen Sanitäts polizei und WohnungSinspcktion, die Errichtung von Zentralwerkstätten mit Staatsbeihilfe und die Anregung zur Selbsthilfe durch Bildung von Genossenschaften befürwortet. — Die Aussperrung der organisierten Töpfer (Werkstättenarbeiter) wird sich auf insgesamt 35 Orte im Reiche mit etwa 3000 Töpfern erstrecken. Betroffen davon merken zunächst nur die in Kachelfabriken tätigen Arbeiter. Die Zentralen der Kachrltndustrie sind Velten und Meißen. Außerdem sind Kachrlfabriken in Pirna, Potschappel, Königsbrück. Kamenz, Großenhein und anderen Orten. Dresden. Die Diakonissin Minna Reichelt, die seit 1872 da» Seminar der Kleinkinder gärtnerinnen hier mit großer Treue und besten Erfolge leitet, ist am Pfingstdienstag gestorben. Gegen 700 Kindergärtnerinnen hat sie während ihrer Diensttätigkeit ausgebildet. — Ein schnurrig groteskes Bild von der Kunststadt Dresden entwirft ein Herr Jemand in der dänischen Zeitung „Kobenhavn." Er schreibt: „Dresden ist eine wunderschöne Stadt, die Stadt der Kunst, der verhätschelte Liebling der Fremden, die poetische Musikader Deutsch lands. — So sagt man. Ja gewiß! Es ist eine Wurststadt und eine Bierstadt, Kunst und Schönheit sind nur ein Schild, das man den Fremden zeigt und das sich die guten Sachsen auch bisweilen einmal ansehen, um nicht zu vergessen, daß sie die glücklichen Besitzer sind, und um doch Gelegenheit zu bekommen, ihren Bierbauch und ihre Wurstfinger, ihre Kartoffel nase und ihr setteö Kinn vorzustrecken und zu lagen: Sie nur, das haben wir gemacht. Wer hat das gemacht? Diese feisten, gutmütigen gemütlichen Biertonnen voll echten Bieren, Zacherle-Bräu und Kulmer, die die besten Stunden des AlltrgS in Kneipen, Cafes und Restaurationen wovon es zehn in jeder Straße gibt, zubringen Man braucht ja nur aus die Straße zu gehen, — diese dicken, klotzigen, „schwerfälligen" Gestalten, diese ausdruckslosen, gutmütigen, sinnlichen Gesichter, diese ungraziösen Bewegungen, dieser schleppende Gang und Stimme — man kann schon krank werden, wenn man sie nur ansteht " Aller- >ingS scheint der Mann krank zu sein — gallen- !rank; offenbar ist er im Lager der Temperenzler u suchen, denn weit mehr als der mangelnde kunstsinn von Elbflorenz erfüllen ihn die Bier bäuche der Dresdner mit Verachtung. Auch mag eine gute Dosis Deutschenhaß ihm in die Feder geflossen sein. — Im Monat Mai geplanten im Bezirke des Dresdner Amtsgerichts 92 Grundstücke zur Zwangsversteigerung und zwar in der Stadt nit Vororten 67 im Bezirke der Rest. Dabei relen insgesamt 1 149 492 Mk Hypotheken aus. — Abermals ist ein Kind und zwar ein 1 jähriger Knabe von der Straßenbahn über- ahren worden. Er erlitt schwere Verletzungen und mußte in ein Krankenhaus gebracht werden. — In eine fatale Situation wurde durch )en ungetreuen Bräutigam eine Familie in Niederpoyritz versetzt. Der Tag der Hochzeit war schon seit langem bestimmt, das Aufgebot erfolgt und alles zur Feier gerüstet. Die Braut zarrte am Festtage des Bräutigams, der aber eine solche Scheu vor dem Ehejoche hatte, daß er nicht erschien. Er war in die weite Welt gegangen. — Ein Automobilunsall ereignete sich am Freitag morgen auf der Dor sstraße 'im be nachbartem Niederpoyritz in der Nähe der Post. Der Kraftwagen fuhr gegen einen Telegraphenmast und schlug um. Mehrere Insassen, unter denen sich ein höherer Offizier aus Dresden befand, erlitten Verletzungen. Der Wagen wurde zertrümmert und mußte nach Dresden transportiert werden. Marsdorf. Am Mittuoch abend gegen 8 Uhr wurde das große Hiller-Meißnersche Gut bis auf das Auszugshaus durch Feuer zerstört. Die Spritze von Lausa war die erst auswärtige am Brandplatze, welcher auch die erste Prämie zufällt. Radeburg. Herr Bürgermeister Richter und Herr Stadtrat Berg-Radeburg besichtigten am Mittwoch unter Führung Herr Stadt- verordneten-VizevorstcherS Kirchner das Großen hainer Sommerbad, um eine ähnliche Ein richtung in Radeburg zu schaffen. Königsbrück. Auf dem Gefrchtsschießplatz bei Königsbrück wird vom 12. bis mit 20. Juni das König!. 12 Infanterie-Regiment Nr 177 und vom 16. Juni bis mit 4. Juli die Kgl. 1. Maschinengewehrabteilung täglich von sechs Uhr vormittags bis vier Uhr nachmittags Schießen in größeren Abteilungen abhalten. Pirna. In der Nacht zum zweiten Pfingst - feiertag wurde das 1850 neugebaute, 83 Meter lange Stallgebeude des Rittergutes Zehista in welchem etwa 150 Stück Vieh standen, durch Feuer zerstört. Das Vieh konnte rechtzeitic nach der sog. Schäferei in Sicherheit gebrach: werden. Unter dem Verdachte, durch Umwerfen einer Petroleumlampe in dem über dem Stal befindlichen Schlafraum den Brand vernach lässigt zu haben, wurde ein Unterschweizer in Haft genommen. Nach einer anderen Mitteilung soll sich der Unterschweizer mit brennender Zigarre ins B-tt g-legt und dadurch den Brand veranlaßt haben. Großenhain. Se. Majestät der König wird am Montag den 11. d. M. gleichzeiti! mit dem Herzog von Koburg und Gotha hier erwartet, wo er dem Rennen der Offiziere des König Albert-Husarenregiments auf dem Exerzierplätze bei Wildenhain beiwohnen und gegen 6 Uhr das neue Großenhainer Bezirks- siechenhaus König Friedrich August-Stift be sichtigen wird. Se. Majestät begibt sich von dort in das Heim der Großenhainer privil. Stahlbogenschützen-G-sellschaft am Bobersberge, wo er einen Schuß auf den Königsadler ab zugeben gedenkt, und hierauf in das Offiziers kasino an der Elsterwerdaer Straße, wo Diner und Gartenfest stattfindet. 147 Damen unk Herren werden an dem Diner teilnehmen. Strehla. Beim Spielen auf einer in der Elbe liegenden Holzprahm glitt eine Knabe aus und stürzte in den Elbstrom, noch im Follen einen zweiten Knaben mit sich reißend. Ride Kinder sind ertrunken. Leisnig. Da« elf Monate alte Kind der Familie Dorn in Polkcnberg versuchte am 1. Pfingstfeiertage, während die Mutter auf kurze Zeit die Stube verlassen hatte, aus dem Kinderstühlchen zu klettern. Hierbei kam es edoch ohne sich vollständig aus demselben befreit u haben, unglücklicherweise auf das Gesicht zu fegen, sodatz der Erstickungstod eintrat. Borna. Am Freitag nachmittag ist der bei der Gewerkschaft Viktoria in Lobstädt be- chäftigte Bergmann Wittek dadurch verunglückt laß hereinbrechende Kohle auf ihn fiel, wo- mrch er derartige Verletzungen am Rücken er- itt, daß er nach dem hiesigen Stadtkrankenhause gebracht werden mußte. Rochlitz. Die Teilnahme an der LandeS- Samariter-Versammlung am 16. und 17. Juni verspricht nach den Anmeldungen seitens der Behörden, der Aerzteschaft, Industriellen u. a. eine sehr rege zu werden. Da die aufgestellten Referate dieses Mal besonders das Rettungs wesen und die Krankenpflege auf dem Lande n Betracht ziehen, so macht sich das Interesse )er ländlichen Kreise in hervorragendem Maße geltend. Waldheim. Ein bei dem Lohnkampf in der Textilindustrie beteiligter ausgesperrter Tischler warf nachts bei einem Arbeitswilligen sie Wohnfenster ein. Die Steine flogen bis IN die Mitte des Zimmers. Verletzt wurde zum Glück niemand, Der Täter konnte er mittelt und verhaftet werden. Geringswalde. In einer hier abgehaltenen Versammlung der in der Stuhlbranche beschäftigten Arbeiter ist die bedingungslose Wiederaufnahme )er Arbeit beschlossen worden. Gerade vier zehn Wochen hat die Ausstandsbewegung, die von Geringswalde ausging und dann zur AuSsverrung aller organisierter Stuhlarbeiter in Waldheim, Hartha, Geringswalde, Döbeln, Leisnig, Schweikeröhein und Neuwallwitz führte, gedauert. Schwere wirtschaftliche Schäden hat der Kampf, an dem rund 1200 Arbeiter beteiligt waren, mit sich gebracht. Löbau. Aus dem Fenster gestürzt hat sich am Donnerstag die im 4. Stock des Hauses Zittauerstraße 19 wohnhaften Hutmachers- Ehefrau Hähne von hier. Sie erlitt einen Schädelbruch und schwere innere Verletzungen, Schwermut scheint das Motiv der Tat ge wesen zu sein. Thun. Ein abscheuliches Verbrechen ist im Walde an der zu Burkhardtsdorf gehörigen Besenschänke von einem etwa 25 jährigen Mann an einem 8 jährigen Mädchen versucht worden. Das Mädchen wurde von dem Manne in den Wald geschleppt, wo dieser ihm einen Lappen in den Mund steckte, um es am Schreien zu hindern. Er warf das Mädchen sodann zu Boden, ließ es aber sogleich wieder los, da er von der Straße her Geräusch hörte und eilte davon. Ein auf der Straße daherkommender Handelsmann aus Ehrenfriedersdorf hatte die immer schwächer werdenden Klagelaute des Mädchens gehört und war, nichts gutes ahnend, denselben nachgegangen. Schluchzend erzählte das Mädchen den Hergang. Es war aus der Schule von Burkhardtsdorf gekommen und von dem Unhold trotz Sträubens in den Wald ge schleppt worden. Hohenstein-Ernsttahl. Ein recht flotter Geschäfsgang, wie er seit mehreren Jahren nicht zu verzeichnen war, ist gegenwärtig in der Deckenindustrie zu beobachten. Auch die Wirk branche ist sehr gut beschäftigt, sodaß fast Arbeitermangel zu konstatieren ist. Auch ge winnt der mechanische Webstuhl immer mehr an Ausbreitung und ein beständiges Zurückgehen der ehemals viele Jahre blühenden Hausindustrie ist die Folge. — Ertränkt aufgefunden wurde am Mittwoch in einem bei Pleißa gelegenen Teiche die acht zehn Jahre alte einarmige Lina Jäger von hier. Dieselbe ist am 2- Feiertage abends noch auf dem hiesigem Meisterhause zum Tanz gewesen, Nach Beendigung desselben haben sich 4 auswärtige, junge Leute an das Mädchen gemacht und es mittelst Geschirrs mit nach Limbach genommen. Da die Leiche beim Auffinden verschiedene Spuren von Gewalt tätigkeiten zeigte, auch der Regenschirm zer brochen dalag, vermutet man, daß die Be dauernswerte erst vergewaltigt worben und dann ins Wasser geworfen worden ist. Am heutigen Tage war an Ort und Stelle die Staats anwaltschaft Chemnitz, sowie der Gerichtsarzt zur Besichtigung. Die behördlichen Ermittelungen werden hoffentlich bald Licht in diese dunkle Angelegenheit bringen., — In der Leichenhalle zu Pleißa fand die lehördliche Untersuchung der dort ertränkt auf gefundenen I8jährigeu Lina Jäger au» Hohen- tein-Ernstthal statt. Die Sektion hat ergeben, aß an der I. kein Verbrechen verübt worden t, vielmehr vermutet man Unglücksfall, da bei em jungen lebenslustigen Mädchen, das dort diente und von Jugend auf nur einen Arm lesaß, kein Grund zum Selbstmord vorlag. Die Bedauernswerte ist erst am zweiten Feier tage noch in Chemnitz gewesen, wo sie einen ünstlichen Arm erhalten sollte. Da dieser aber roch nicht fertig war, hatte sie einige Zeit auf dem Schützenfest in Altendorf verweilt. Abend« ging sie dann nach dem Meisterhaus in Hohen- tein-Ernstthal zum Tanz. Die vier Techniker au« Limbach haben sie mit ihrem Geschirr bis in die Nähe des bei Limbach gelegenen Mark steiges mitgenommen und dann in der regnerischen Nacht allein wieder nach Hause geschickt. Die Leiche wurde zur Beerdigung freigegeben. Man fand bü der Toten noch einen Geldbetrag von 17 Mark vor. Chemnitz. Ein hiesiger 21 jähriger Markt helfer stahl seiner Geliebten, als sich diese für kurze Zeit aus ihrem Zimmer entfernte, ein Sparkaffenbuch und machte es zu Geld. Mit dem Geld ging er alsbald auf Reisen um so dann, nachdem er es verjubelt, reumütig hier her zurückzukehren. Die Mutter der bestohlenen Geliebten ließ ihn jedoch sofort festnehmen. Leipzig. Der Pleite-Geier regt hier wieder mächtig seine Schwingen. Während im vergangenen Monat Mai die Zahl der gericht lichen Zwangsversteigerungen von Grundstücken schon die Höhe von 27 erreicht hatte, ist sie für den Juni auf 46 gestiegen. Dabei ist die Bautätigkeit noch wie vor eine sehr rege, die Wohnungen bleiben teuer und 4000 stehen leer. Wo soll das hinführen? Zwickau. Die Polizeibehörde hat da« Streikkomitee der Maurer aufgelöst. Darauf hin hat eine am Freitag abgehaltene Versammlung der Streikenden beschlossen, den Streik fortzu setzen, mit der Begründung, sie hätten den Streik selbst begonnen und wollten ihn auch selbst beendigen. Das Gewerkschaftskartell hat eine Protcstversammlung gegen das Vorgehen der Polizei einberufen. — Klempnermeister Ullmann stürzte am Freitag früh vom Dache eines dreistöckigen Hauses ab und trug einen Schädelbruch davon. An seinem Aufkommen wird gezweifelt. Plauen. Der Mordbrenner Maurer Thoß der seine Frau erschoß, mehrere Personen durch Revolverschüffe verletzte und dann seine Wohnung in Brand zu stecken versuchte, ist nunmehr in eine Irrenanstalt zur Beobachtung seines Geisteszustandes gebracht worden. — Seinen Verletzungen erlegen ist der 17 jährige Sohn des Stickrreifabrikanten Kraitzsch in der Schillerstraße, der wie gemeldet, beim Radfahren zu Falle kam und von einem gerade vorübersausenden Straßenbahnwagen erfaßt wurde, wobei ihm ein Fuß abgetrennt wurde, ist nach unsäglichen Schmerzen am Freitage gestorben.