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Ottendolstr Zeitung. Di« „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abend». Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm« von Ins«at«n bt, vormittag » Uhr-i Jns«rate werdrn mit io Pf fiir di« Spaltzrtl« b«r«chn« Tabellarisch,r^Satz nach, desonderim Tarif Druck und Verlag von Hermann Rühl« in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla Nr. 59. Mittwoch, den 16. Mai 1906. 5. Jahrgang. Seitliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, den zs. Mai MS Dresden. In einer Erklärung über den Streit in der Metallindustrie teilt der Metall- industriellenverband mit, daß definitive Be schlüsse nicht gefaßt sind. Der Gesamtvorstand fordere, daß die Parität bei etwaigen Ver handlungen gewahrt bleibe und daß dabei das ursprüngliche Verhältnis des direkten Ver handelns zwischen Arbeitgeber und Arbeiter ge wählt werden muß, wenn auch nur eine Partei solches fordert, und er verlangt weiter, daß die Forderung de» Minimallohnes durch ganz Deutschland von den Metallarbeitern fallen ge lassen werde. In diesen beiden Prtnzipien- fragen »erde der Gesamtoerband seine ange. griffenen Bezirksverbände unterstützen, im übrigen mischt er sich nicht in die sonstigen örtlichen Differenzen, weil er seinerseits nicht schablonisieren will. — Eine für das sächsische Feuerlöschwesen, insbesondere für die freiwilligen Feuerwehren des Landes wichtige Versammlung fand am Moniag im Hotel Hoeritzsch statt. Daran nahmen teil die Mitglieder HeS LandesouS- schusseS und die Vorsitzenden der Bezirks- und Kreisverbände des unter dem Protektorate des Königs Friedrich August stehenden Landesver band«» sächsischer Feuer-Wehren, dem fast sämtliche freiwillige Feuerwehren Sachsens zu- gehören. — Auf dem hiesigen Hauptbahnhofe machte sich am Montag zur Bewältigung de» Verkehrs die Einstellung von 28 Sonderzügen notwendig. Döhlen. Am Sonnabend abend 7 Uhr schlug der Blitz in einen Baum im Gehöft «ine» hiesigen Gutes. Der Gutspachter H., der an dem Baume lehnte, sowie dessen dicht danebenstehende Frau, die das kleine Geflügel in da« Kückenheim treiben wollten, wurden wunderbarerweise nicht von dem Blitze ge- troffen. Auch keine» der Hühnchen, die aus einer Wurzel de» Baume» standen, wurde be- schädigt, wohl aber der Baum. Meißen. Auf dem hiesigen Elbauslade- platze sollte ein elektrischer Kran der Jacobi werke zum Verladen verwendet werdrn. Da» ober» Ende de» Hebekranes, woran sich die Roll« mit der Kette befindet, berührte beim Drehen die eiserne Haltestange der elektrischen Leitung, wodurch Kurzschluß entstand. Sofort stand ein in der Nähe befindlicher, mit Jute beladener Waggon der Güterbahn in Hellen Flammen. Glücklicherweise konnte der Brand lokalisiert und alsdann gelöscht werden. Riesa. Am Freitag früh blieb zur unan genehmen Ueberraschuug der Bewohner da« Wasser in der städtischen Wasserleitung au». Die Störung war auf einen Blitzschlag zurück zuführen, der die Leitung für den elektrischen Wasserstandsanzeiger außer Betrieb gesetzt hatte sodaß im Wasserwerke der Stand des Wassers im Hochreservoir nicht mehr kontrolliert werden konnte. Roßwein. Am Montag brannte in Ober marbach infolge Blitzschlages die Scheune und da» Seitengebäude des Gutsbesitzers Kretzschmar nieder, in Hokenlaust zerstörte ein Schadenfeuer das ganze Grundstück des Fuhrwerksbesitzers Heiße. Chemnitz. Bei den Bahnhossbauten des Hauptbahnhaseü rutschte, als die Mauer ein?« über dem Tunnel an der Mauerstraße be findlichen Lichlschachtcs abgetragen wurde, daß Erdreich nach und verschüttete am Sonnabend mittag zwei dort arbeitende böhmische Maurer. Dem einen wurden beide Beine gebrochen, außerdem erlitt er eine schwere Verletzung am Kopf, der andere wurde am sinken Fuß leicht verletzt. — Schwert Gewitter gingen am Sonnabend und Sonntag über unserer Stadt und deren Umgebung nieder. In der Stadt «selbst schlug der Blitz am Sonnabend und Sonntag etwa 3V Mal in die Leitung der elektrischen Straßenbahn, ohne jedoch weiteren Schaden an« zurichten. In dem nahen Reichenbrand schlug >er Blitz in das Wohnhaus de» Fleischer meister» Richter» und äscherte da» Gebäude in urzer Zeit bis auf die Umfassungsmauern ein Nur wenig Mobiliar konnte gerettet werden; der Brandschaden ist durch Versicherung gedeckt Streckenweise trat in der Stadt und der Um gebung starker Hagelschlag auf, infolgedessen wurden in Hohenstein-Ernstthal Mehrere Häuser unter Wasser gesetzt. In Hohenstein-Ernstthal richteten die wiederholten Gewitter am Sonn abend und Sonntag besonders großes Unheil an. Der Hagelschlag vernichtete die Baum blüte, schwer hatten darunter auch die Korn- und Kartoffelfelder zu leiden. Unweit des Allstädter Friedhofs zu Hohenstein-Ernstthal ctzte der Blitz die Rothirsche Scheune in Brand. Die Scheune wurde völlig eingeäschert. Im nahegelegenen Ursprung schlug der Blitz n das erst vor einigen Jahren neuerbaute Restaurant zur Kupfermühle und äscherte es ein. — Wegen umfangreicher Unterschlagungen in der Krcishauptmannschaftskaffe zu Chemnitz wurde der Bureauassistent Nestler verhaftet. Bei einer Kossenrevision ergaben sich Fehl beträge von 11000 Mk. Jrbersdorf. Hier traf ein Blitzstrahl die mit Feldarbeit beschäftigte, Ende der 30er Jahre stehende Gutsbesitzersehefrau Rost. Die Getroffene wurde gelähmt. Eine mit auf dem Felde beschäftigte, 18 jährige Dienstmagd kam im wesentlichen mit dem Schrecken davon, klagt aber über Schmerzen im Kopf. Herrnsdorf. Im hiesigen Forst wurden drei Waldarbeiter vom Blitz getroffen. Der Blitzstrahl schlug in einen Baum, unter welchem die Männer Schutz suchten. Der Baum wurde zerschmettert, der Waldarbeiter Meusel getötet und die beiden anderen Arbeiter betäubt. Grimma. Am Donnerstag nachts 12 Uhr brannte die reich mit Stroh, Holz und Ge räten gefüllte Scheune des Herrn Breithut in Trebsen nieder. Die Entstehungsursache ist nicht bekannt. Leipzig. Auf dem Pleißcnfluß in der Näh« der Hakenbrücke kippte gegen 7 Uhr eine Gondel um, wobei die Insassen ein Handlungs gehilfe und eine Lageristin, beide in der Koch- straße wohnhaft, in das Wasser fielen. Beide konnten sich durch den Rettungsring, den man ihnen von genannter Brücke au» zuwarf, aus dem nassen Element herausarbeiten. Die Gondel war beim Wechseln der Plätze ge kentert. — Die Zahl der hier ausgesperrten Buch- bindertiarbnter belief sich am Sonnabend auf nahezu 2400. Das Ende dieser Sache ist leider noch nicht abzusehen. — Der vielgenannte Schwindler Walther Wenge, welcher wegen der von ihm unter den Namen Dr. Wenk, Dr. Wenger rc. verübte Heiratsschwindeleien eine Zuchthausstrafe von 3*/, Jahren zu verbüßen hatte, hat abermals sein Feld kultiviert und ist mit einer 18 jährigen Modistin aus Chemnitz, welche im Besitz reich licher Geldmittel war, vermutlich als „Doktor Lachsen" nach Paris durchgegangen. Am 1. April war Wenge, ein tüchtiger Chemiker und glänzender Schriftsteller, erst aus dem Zuchthause in Waldheim entlassen worden. — Am Montag nachmittag hat sich eine 47 Jahre alte Restaurateurs-Ehefrau in ihrer Wohnung in der Lindenstraße durch Erhängen entleibt. Der Grund zu dem unseligen Schritt ist nicht bekannt. Beiersdorf. Schwer gefährdet wurde eine Hochzeitsgesellschaft bei Passieren eines offenen Bahnübergänge». Ein Geschirr war glücklich über da» Glei», daß zweite Geschirr wurde von einer daher sausenden Maschine gestreift und arg beschädigt. Die Insassen kamen mit dem Schrecken davon. Zittau. Einer Anregung der Krei»haupt- mannschaft in Bautzen entsprechend wurde be- chloffen. die hiesigen Ziehkinder jährlich zwei mal ärztlich auf Kosten der Stadt untersuchen zu lassen. Es kommen hierbei gegen 150 Zieh- inder in Betracht. Werdau. Auf dem neuen Friedhöfe, der Donnerstag vormittag, in feierlicher Weise ge weiht wurde, sind auch der Kirchenbehörde einige Rechte eingeräumt worden. So ist ihr sie Kapell« der Parentationshalle gegen Er kaltung der Bausumme von 37 000 Mk. über assen worden. Um auch in Zukunft etwaige Streitigkeiten bei Begräbnissen katholischer Gemeindemitglieder zu vermeiden, wurde die Bestimmung getroffen, daß eine nochmalige Weihe der Gräber und de» Friedhofs nicht mehr vorgenommen werden darf. Der bis herige Friedhof, der am Donnerstag geschlossen wurde, ist am 9. November 1865, gerade zu der herrschenden Cholerazeit, durch den da maligen Superintendenten Schmalz geweiht und dann in Gebrauch genommen worden. Aue. An Vergiftungserscheinungen er- rankten plötzlich zwei Kinder der von ihrem Ehemann getrennt lebenden Fabrikarbeiterin Keller. Das älteste Kind, ein achtjähriger Knabe ist gestorben, während sich das Mädchen auf dem Wege der Besserung befindet. Die gerichtliche Untersuchung ist eingeleitet, Zwickau. Das Landgericht hat auf Grund des Gutachtens der Anstaltsdirektion Unter- göltzsch den Webermeister Nagler au» Schwarzen- >erg, der seine Ehefrau ermordet hat, außer Strafverfolgung gesetzt und aus der Unter- uchungshaft entlassen. Er wird nunmehr einer Irrenanstalt zugeführt. Adorf. Im Dorfe FriederSreuth ist eine Frau vom Blitz erschlagen worden. Die Frau befand sich zur kritischen Zeit mit einer Kuh auf dem Felde. Da» Tier erlitt keinen Schaden. Aus der Woche. Die abgelaufene Woche war reich an Er eignissen und der Zeitbeobachter hat nicht notig erst lange nachzusinnen, wenn er zusammensassend die sieben Tage überblicken will. In Rußland hat mit dem Zusammentreten der Reichrduma am 10. d. die neue Zett begonnen. Man darf zum Zaren das Vertrauen haben, daß es ihm heiliger Ernst ist mit der Einführung der in Aussicht gestellten R-formen und mit der Durchführung der neuen freiheitlichen Gedanken Seine an die Volksvertreter gerichteten Be- grüßungsworte sind in gleicher Weise geeignet, alle Zweifel zu zerstreuen, wie die im Namen des Zaren abgegebene Versicherung des Senators Frisch, das im Taurischen Palast jeder Abgeordnete uneingeschränkt seine Meinung äußern darf, und das die Presse das Recht haben soll, alle Reden der Abgeordneten un verändert und straffrei abzudrucken. Inzwischen wühlen die Anarchisten im moSkowitischen Reiche fort, fast täglich hört man von gelungenen oder mißlungenen Attentaten auf hochgestellte Persönlichkeiten. — In Frankreich ist nach den Aufregungen der letzten Wochen wieder einigermaßen die Ruhe eingekehrt. Die Regierung hat bei den Wahlen am 6. Mai einen entscheidenden Sieg errungen. Allerdings scheinen die Mittel, zu denen sie griff, um im Parlament eine republikanische Mehrheit zu be halten, nicht ganz einwandfrei zu sein. Aber die Mittel, die zum Erfolg führen, sind be kanntlich immer tauglich, während das beste Mittel wertlos ist, Wenns nicht hilft. So ists mit den Medizinen und mit der Politik. — In Italien bereitet sich immer ein allgemeiner Ausstand vor. In Rom, Meiland, Florenz und Turin kam es bereits zu blutigen Zu sammenstößen zwischen Streikenden und Polizei- truppen. Es ist aber anzunehmen, daß e» der italienischen Regierung, die aus eigenem An triebe sich erboten hat, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu vermitteln, bald ge lingen wird, die Streitigkeiten beizulegen. Die Regierung hat übrigens auch andere Sorgen. Die Kammer hat sich nämlich mit der Be antwortung der Anfrage, den Dreibund be treffend, nicht einverstanden erklärt. Der Leiter der auswärtigen Politik hat zwar viel von der Stellung Italiens zu Oesterreich ge« prochen, doch der Kernpunkt der liberalen An rage, nämlich das Verhältnis zu Deutschland unberührt gelassen. Seit mehreren Tagen ver- ucht nun der aalglatte Diplomat den drängenden Fragen sich zu entwinden und eS ist bei feinem geschickten Versteckspiel nicht abzustehen, ob und wann er in der Kammer der Deputierten seine Ausführungen ergänzen, bezw. dem Wunsche der Liberalen entsprechen wird. — Der neue österreichische Ministerpräsident Prinz Konrad zu Hohenlohe hält seit seinem Amtsantritt lang- lauernde Besprechungen mit allen Parteiführern wer aber von dem neuen Manne eine endgültige Lösung der österreichisch-ungarischen Frage er wartet hat, sieht sich schon jetzt gründlich ent täuscht Dem ehemaligen Statthalter von Triest ging nach Wien der Ruf voraus, ein Mann „der friedlichen Vermittelung" zu sein. Es scheint aber, daß er durchaus nicht so gut ist im Vermitteln, wie sein Ruf. Die Tschechen bestehen auf ihren Kopf und wollen nicht einsehen, daß die Sachlage sich durch die Abdankung des Herrn v. Gautsch verändert hat. Die Regierung sieht sich unter solchen Umständen genötigt, an ihrer längstbekannten, zum Staatsgrundsatz gewordenen Devise festzu halten: ES wird fortgewurstelt I — England hat sich plötzlich überzeugt, daß es Deutschland seit Jahren ohne Grund gefürchtet und gehaßt hat. Nach dem letzten Tintenattentat der „Timea" die in einem Artikel die kühne Be hauptung aufzustellen wagten, die unversöhnliche Haltung de» Großsultans in der türkisch ägyptischen Streitfrage werde erklärt durch die Unterstützung, die dem „kranken Manne" von Deutschland in Aussicht gestellt worden sei, hat sich die Regierung doch besonnen. Zunächst hatte sie gelegentlich der französischen Wahlen erfahren, daß die Zeiten Delcasses endgültig vorüber sind, und da auch Italien inzwischen seine „Extratour in Algeciras" öffentlich wenigsten» bereut hat, so sagte man sich, e» ist notwendig, mit dem deutschen Kaiserreich in bessere Beziehungen zu treten. König Eduard gab also seine Absicht, den König von Italien zu besuchen, auf, und reiste schleunigst heim wärts, um mit seinen Mannen die Sachlage zu beraten! Und siehe dal Die Beratung zeitigte ein sehr erfreuliches Ergebnis. Man ist zu dem Entschluß gekommen, in Europa mit der Abrüstung den Anfang zu machen. Im Unterhause erklärte Staatssekretär Grey, da alle anderen Mächte nicht bereit wären, mit gutem Beispiel voranzugehen, so sei es an England, als der „ersten Kulturnation" und des „Beherrschers der Meere," den Abrüstung»- gedanken in der Tat umzusetzen. Es wird nun wohl nicht mehr lange dauern und die ge waltigen Kreuzer der englischen Kriegsmarine werden als harmlose Fischerkutter herings fangend die Nordsee befahren. - - Mit Mühe und Not hat die norwegische Regierung im Parlament die Bewilligung von außerordentlichen Mitteln zur Verschönerung der Krönung König Haakons durchsetzen können. Man hielt den Bittstellern entgegen, daß zwar die Krönung die Person des Königs unantastbar machen soll daß aber Norwegen gleichwohl seinen König im vorigen Jahre kurzerhand abgesetzt habe. Be merkenswert ist, daß bei Erörterung der Frage etwaigen ausländischen Fürstenbesuches aus Anlaß der Krönungsseierlichkeiten, von mehreren Abgeordneten eine feierliche Erklärung zu Protokoll gegeben wurde: „Das norwegische Volk erhebt flammenden Protest dagegen, daß irgend ein Mitglied de» russischen Kaiserhauses norwegischen Boden betritt." Da» ist aber deutlich I