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Drittes Blatt. Marandt, Massen, Sieöentehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. ^orstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkzardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, HelbtgSdorf, Herzogswalde mit Landberg, Höhndorf, Kaufbach, Keffelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermssorf, Pohrsdorf, RöhrSdorf bei Wilsdruff, RsiAch, Notyfchönberg mst Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Keffelsdorf, Steinbach bei Mohorn Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, WeiStropp, Wildberg. Ar fch eint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1M. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens mittags 12 Uhr angenommen. — JnsertionspreiS 15 Pfg. pro diergespaltene KsrpuSzeile. -io. IS». Druck und Verlaci von Marlin Berger in Wilsdrun. — VercmvoorUtÄ sür die Redaktion Martin Berger dsietdk. Sonnabend, den 19. Dezember 1993. 62. ^Hahrtz Dvei Weihnaehtsfeste. Erzählung von I. Pia. (Nachdruck verboten.) (Schluß). m. „Ein frohes Weihnachten, Baier!" Wieder ist es Gretchen, die ihrem Vater so zuruft, aber wie anders sieht heute alles aus, als vor zehn Jahren! Wie hübsch ist das Wohnzimmer ausgestaltet mit be quemem Sopha, Stühlen, glänzend poliertem Schrank und Kommode. An den Wänden hängen hübsche Bilder, und den sauber gescheuerten Fußboden deckt sogar ein weicher Teppich. Wie kräftig und vergnügt sieht Vater Hartung aus, und haben wir auch seine Frau vor zehn Jahren nicht gesehen, so sind wir doch überzeugt, daß sie damals nicht den glücklichen, zufriedenen Eindruck machen konnte, den sie heule bietet. Aas dem kleinen Gretchen aber ist ein großes hübsches Mädchen geworden, das jedermann lieb haben muß, wenn man es sieht, wie es vergnügt vor sich hinträllernd in Stube und Küche sich zu tun macht. „Ja, wir wollen ein vergnügtes Weihnachten feiern," gibt der Vater Gretchen zur Antwort, „und dabei wieder unseres Wohltäters gedenken. Seit dem Tage, wo er, ein Fremder, mir das Goldstück gab, ist es mir mit jeder Woche besser gegangen. Wenn doch jede milde Gabe, die ich seitdem in seinem Namen an Hülfsbedürftige gab, auch so gute Früchte trüge! Doch kommt jetzt, es ist Zeit, zur Kirche zu gehen." Der Gottesdienst war zu Ende, und Frau Hartung und Gretchen kehrten heim, um das Mittagsessen zu be- reiten, während Friedrich Hartung bei dem schönen Winter wetter noch einen Spaziergang machte. Wie er so, frohen Gedanken nachhängend, dahinschritt, kam ihm ein junger Mann mit bleichem, traurigem Gesicht entgegen. Seine Wliefei waren zerrissen, seine Kleider abgetragen; doch sah man denselben an, daß sie einst bessere Tage gesehen hatten. Als der junge Mann an Hartung oorüberkam, zögerte er einen Augenblick, als wolle er denselben ansvrechen, doch ging er dann stumm weiter. „Gewiß einer, der am lieben Weihnachtsfest Kummer und Sorgen zn tragen hat, wie ich einst!"" dachte Har tung, indem er sich umwandte und den Fremden ansprach. Und richtig, er hatte sich nicht getäuscht. Der junge Mann war wie Hartung selbst vor Jahren, durch lange Krankheit stellenlos geworden. Und wie einst ein anderer an Hartung gehandelt hatte, so und noch teilnehmender handelte derselbe jetzt an dem fremdem jungen Manne. Er nahm ihn mit in sein Haus, gab ihm ganze Stiefel, einen warmen Imbiß und forderte ihn auf, das Weihnachts- mahl mit ihm und den Seinigen zu teilen. Anfangs zeigte der Fremde sich etwas schüchtern und ängstlich, bald nahm er regen Anteil an der Unterhaltung und ließ sich das Mittagessen trefflich munden. „Gretchen," sagte Hartung heiter, nachdem seine Frau Aepfel, Nüsse und Pfefferkuchen zum Nachtisch aufgesetzt hatte, geh' und hole die Flasche Wein, die ich gestern ge kauft habe, damit wir auf unseren Wohltäter anstoßen können." „Auf die Gesundheit und das Wohlergehen von Robert Fclseuer!" sprach er darauf, indem er sein gefülltes Glas in die Höhe hob, „der Himmel beschütze ihn, wo er auch sein mag." Im Begriff, auch mit anzustoßen, rief aber der Fremde in höchster Verwunderung: „Woher wissen Sie denn, wie ich heiße? Nannte ich Ihnen doch meinen Namen noch nicht!" „W^e? heißen Sie auch Robert Felfcner?" frag Hartung. Der junge Mann nickte. „O, dann ist mir alles klar!" rief Hartung aus, „nun weiß ich auch, warum Ihr Gesicht mich gleich so unwiderstehlich anzog. Ihr Vater hieß auch Robert Felse- ner und war Seemann." „Gewiß, gewiß!" erwiderte der junge Mann in froher Erregung. „Sie kannten ihn?" „Ich sah ihn nur ein einziges Mal, und doch gibt es keinen Menschen in der Welt, dem ich so zu Dank ver pflichtet bin, wie ihm! Und wie danke ich dem Himmel, daß er mir Gelegenheit gibt, seinem Sohne von Nutzen zu sein!" Darauf erzählte er schnell, wie Robert Felsener der Aeltere ihm aus der Not geholfen hatte. „Und wo ist Ihr Vater jetzt?" fragte er, nachdem er zu Ende erzählt hatte. „Im Himmel!" lautete die Antwort; „er verunglückte vor drei Jahren auf der See. Er hatte sich von seinen Ersparnissen ein eigenes Schiff gekauft, dasselbe erlitt Schiffbruch, und mein Vater ging mit ihm unter. Meine gute Mutter konnte den Kummer um ihn nicht ertragen und starb wenige Wochen nach ihm. So blieb ich ganz allein in der Welt." „Sie hatten aber dock eine Schwester?" fragte Hartung, als der junge Mann traurig schwieg. „Diese starb an einem heftigen Fieber, als sie kaum sieben Jahre zählte," versetzte Felsener. „Das ist hart für Sie," meinte Hartung. „Doch fassen Sie Mut, junger Mann," fuhr er fort, „hier bei uns sollen Sie Ersatz finden für alles, was Sie verloren haben. Sie bleiben bei uns, bis Sie eine passende Stel lung gefunden haben." Der junge Mann wollte etwas erwidern, aber Hartung ließ keine Gegenrede gelten. „Abgemacht," sagte er, „hier, meine Hund! Schlagen goldener Moden. Roman von M. Friedrichstein Haven bisher der Lärm und das Straßengewühl schon ver- winend auf die Fremdlinge gewirkt, so standen sie vor der Pracht und dem Glanz des Hotels wie geblendet. Er schien, als entiollte sich vor ihren Blicken ein Märchen aus Tausend und einer Nacht. Was ainubte die Amerikanerin wohl? Ueber welche Milte! mußte man zu verfügen haben, um in diesem Feenpalast zu wohnen! ,,^as ist nichts für uns, Poppel!" sagte Reinhard. „Dic e Prackt würden mir teuer bezahlen müsseu." „Das qlaube ich auch, Herr Reinhard." Nach vielem Bemühen gelang es Reinhard, ein Haus, welches in der Vorstadt gelegen war, ausfindig zu machen und darin sür sich und Poppes drei möblierte Zimmer zu mieten. - we davon bestimmte Reinhard für sich, als Wohn- und ^chlaizinnner, und eins erhielt Poppel. Das Han? lag abseits von der Straße, war von Wiesen umgeben und glich einem Schweizerhaus; denn es zog sich eine Gollcrie um sein hohes Erdgeschoß. Die Besitzerin des Hänschens, Frau Witwe Walker, war Wäscherin und Plätterin, lebte darin mit ihrer alten Mutter und einen: Kinde und eumbrle sich von ihrer Hände Arbeit. Von nun an war Poppel wieder in seinem Element! Es pab eine Menge Arbeit für ihn und er lief mit besonderem Peranrgcn auf der Gallerie des Hauses, auf welcher er sich eine Pntzecke unter freiem Himmel eingerichtet hatte, hin und her. Als ne in ihrer nächsten Umgebung einigermaßen Be scheid wußten und ihre beim Schiffbruch verlorenen Sachen wieder ersetzt batten, bewarb sich Reinhard um eine Vokon- rsirstelle in der größten Möbelfabrik von New-Jork. Dort wol!>e er die technische Leitung und besonders Lie weltbe- nchnue Lackierung der Fabrikate studieren. Dank seiner Emp 'ehlungen und seiner repräsentablen Erschein ung erhielt er den Platz und ging mit Feuereifer an die Arbeit. Wie staunte er über Lie Großartigkeit der Fabrikanlage, über die Waghalsigkeit der Unternehmungen, über die Gute der Hölzer, welche hier verarbeitet wurden, und über das Heer von Arbeitern, das man beschäftigte! Das Etablissement nahm fast den Raum einer kleinen Stadt ein. Reinhard gingen die Augen auf, über Amerikas kolossale Produktion, und kleinlich und krähwinkelig kam ihm dagegen das Geschäft seines Vaters vor, auf welches er bis her so stolz gewesen war; er faßte den Entschluß, nach seiner Heimkehr alles aufzubieten, um das Geschäft des Vaters zu erweitern und die fabrikmäßige Anlage desselben zu bewirken. Wenige Tage später hatte Reinhard die Frende, postlag ernde Briefe aus der Heimat vorzufinden, und eilte hochbeglückt damit nach Hause. Da war eine Adresse mit den großen charakteristischen Schriftzügen seines Vaters und ferner ein anderer Brief mit den kleinen, etwas kritzeligen seiner Spielgefährtin; er zögerte nicht, diesen Brief zuerst zu öffnen. Leider enthielt er außer der beglückenden Mitteilung, daß die Gedanken der Lieben sich stets mit seinem Wohlergehen beschäftigten, auch die Nachricht, daß Frau von Posewald kränkele. Es betrübte ihn dies sehr und zum ersten Mal ergriff ihn das Heimweh. Losgelöst von allem, was ihm teuer war, führerlos in diesem Labyrinth einer Riesenstadt, sehnte er sich nach dem idyllischen Heim der geliebten Tante. Er hätte ein Wesen, welches Anteil an seinem Ergehen nahm, wohl in Miß Astor gehabt; aber sie war so» so er kältender Pracht, so verblüffendem Luxus umgeben, daß er sich trotz ihrer bestrickenden Liebenswürdigkeit nicht behaglich in ihren Räumen fühlte. Außerdem wachte ein unfrenndlicher, griesgrämiger Onkel wie ein Cerberus in ihrer Nähe. Da blieb für Reinhard als Ersatz nur der briefliche Ver- kehr mit Ler Heimat, und Liesen betrieb er denn auch srh^ gewissenhaft. Eines Abends, als er eben im Schreiben be-^ griffen war, trat Poppel zu ihm und sagte in verlegen bitt-ii endem Tone: ; „Herr Reinhard, möchten Sie nicht gütigst an die Zu sendung des Bildes für mich erinnern?" Im ersten Augenblicke konnte sich der Schreibende nicht da», rauf besinnen, was Poppel meine, und sah ihn verständnislos «nl Da erklärte ihm Poppel: „Sie haben mir doch versprochen, daß ich mein Bild, welches mir bei dem verdammten Gepatsche im Wasser auf geweicht ist, wieder erhalten soll! Sie wissen doch, Herr Rein hard, daß Frau Klinger noch einige hat." „Ach, ja! Jetzt begreife ich! Ja, ja, soll geschehen, Poppel! Mit nächster Post kann es schon kommen." „Nun war die alte, treue Seele zufrieden. Der VerkM des Bildes seiner Hermine war ihm -das Schmerzlichste des' ganzen Schiffsunglückes, und wenn sein junger Herr ihm Er-i satz verschaffte, so ließ er freudig sein Leben sür ihn; ev hatte ihn in's Vertrauen gezogen und Reinhard durchschaute' mit Rührung die Anhänglichkeit dieses kindlichen, alten Dieners und hoffte ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Arbeitsam und lernbegierig verbrachte der junge Deutsche seine Tage in der neuen Welt, uno Vie Einladungen von Miß Astor boten ihn: fast die einzige Abwechselung. Jahr und Tag war verstrichen, als Miß Astor wieder einmal ein großes Ballfest veranstaltete, und ihr junger Freund' und Lebensretter war natürlich einer der ersten, welche ein geladen wurden. Am Ballabend, als Reinhard sich zn der Festlichkeit an kleidete, bediente Poppel seinen jungen Henn wie der beste Kammerdiener, und als ec ihn so schön uno in io stolzer Haltung vor sich sah, blieb er, mit gesa leien Händen im Anschaueu versunken, vor ihm stehen und sagte: