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Donnerstag, den S. Juli LW8 No. 77. «7. Jahrg S88« politische Ran-scha«. Wilsdruff, den 8. Juli. Deutsches Reich. Eulenburgprozetz. Der Andrang des Publikums nach demimAlt-Moabiter- gerichtsgebäude gelegenen großen Schwurgerichtssaale, in dem der Prozeß gegen den Fürsten Eulenburg stattfindet, war gestern trotz des schlechten Wetters ein ungemein starker, sodaß di« Polizeimannschaft verstärkt werden mußte. Der Fürst sah auffallend schlecht aus. Er hat den Sonntag schlecht verbracht und keine Minute Schlaf gesunden. Die Aerzte glauben nicht, daß in dieser Woche wieder 6 Tage verhandelt werden kann und wollen den Antrag stellen, daß ein Ruhetag eiogeschoben werde. Heute vormittag indes schien die Schwäche deS Angeklagten gewichen zu sein. Der Fürst zeigte eine gewisse Frische und Beweglichkeit. Bei der Eröffnung der Verhandlung beantragten die Verteidiger, weitere Entlastungszeugen zu laden. Zunächst wurde der Oberhofmarschall Graf August Eulenburg vernommen. Generalleutnant z. D. Graf Kuno von Moltke ist bis Mittwoch beurlaubt. Nachdem die Zeugen den Saal verlassen haben, tritt Justizrat Bernstein vor, um seine Aussagen noch durch einige Bemerkungen zu ergänzen. Dann wird um 12'/, Uhr der Oberhofmarschall Graf Eulenburg vor gerufen. — Nach '/»stündiger Vernehmung wird Oberhof- Marschall Eulenburg entlassen, worauf der Aufruf deS Milchbändlers Riedel erfolgt. Kurze Zeit, nachdem Riedel den Saal betreten hat, öffnet sich wieder die Tür, und Justizrat Bernstein verläßt auf Aufforderung des Vor- sitzenden den Saal, damit, wie bereits berichtet, der Zeuge nach Beschluß des Gerichtes in Abwesenheit des Münchener Rechtsanwaltes aussagen kann. An die Vernehmung des Zeugen Riedel werden sich die Vernehmungen mehrer unbekannter Leute aus München anschließen, die angeblich über die Glaubwürdigkeit und den Charakter des Zeugen Riedel und wohl auch über den feiner Zett stattgefundenen Verkehr des Riedel mit dem Fürsten Eulenburg Be kundungen machen sollen. — Mittags tritt eine bald- stündige Pause ein, woraus die Vernehmung des Milch- Händler« Riedel fortgesetzt wird. Riedel hält die Be kundungen seiner den Fürsten belastenden Aussage, die er in.de« Beletdigungsprozeß Harden wider den Redakteur wiLdele vor dem Münchener Schöffengericht am 21. April 1908 machte, mit aller Bestimmtheit aufrecht. — Der Angeklagte Furst Eulenburg bestreitet mit aller Bestimmt heit, daß er mit dem Zeugen irgendwelche strafbare Hand lungen vorgenommen habe; der Zeuge müsse von einer ihm feindlich gesinnten Partei bestochen worden sein. Der Zeuge Riedel wies dies mit Entrüstung zurück und hielt mtt großer Entschiedenheit seine Aussagen aufrecht. Mit Rücksicht auf die Krankheit des Fürsten wurde die Vernehmung des Zeugen Riedel und auch die Berhand- Die Verbesserung der Verkehrsverhältniffe steigert den Wert Marokkos wie der Türkei. Es kommt jetzt die Zeit, wo Deutschland die Initiative zu einer Aufteilung Marokkos zwischen Deutschland und Frankreich, sowie der Türkei zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn auf der einen und England auf der andern Seite unter Ausschluß Rußlands ergreifen muß. Die von Martin vorgeschlagene Teilung, bei der Tripolis an Italien fallen soll, liegt in dem gemeinschaftlichen Interesse aller Staaten. Die Schwäche Rußlands durch die Japaner und die Revolutionäre, sowie das Aufkommen der Motor luftschiffahrt erleichtern diese friedliche Lösung der orien talischen und marokkanischen Frage. Sollte Frankreich und England sich diesen Vorschlägen Deutschlands auf die Dauer widersetzen, so soll Deutschland durch eine gewaltige Luftflotte den Engländern zum Bewußtsein bringen, daß England immer mehr auf hört, eine Insel zu sein. Ohne übereilt einen Krieg zu beginnen, sollDeutschland sich für mindestens eine Milliarde Mark Motorluftschiffe anschaffen und Verkehrslustlinien über das ganze Reich einrichteu, um dieses große Kapital wirtschaftlich zu verwenden. In wenig Jahren wird Deutschland fich stark genug fühlen, um daS deutsche Protektorat über die größere westliche Hälfte Marokkos einzurichten. Sollte irgend eine Macht es wagen, Deutschland gewaltsam daran zu hindern, so bedeutet dies den Ausbruch deS Krieges. Niemand in Deutschland wünscht den Krieg, am aller wenigsten mit England oder Frankreich. Die Aufrecht erhaltung des Friedens liegt im gemeinsamen Interesse dieser großen Kulturvölker. Daher ist es die Aufgabe Deutschlands, den Franzosen und Engländern positive Vorschläge zu machen, wie die Kultur und Zivilisation in der Türket zum Nutzen Europas auf eine höhere Kultur stufe gehoben werden kann. Die bisherige Politik der Ziellosigkeit und der ver paßten Gelegenheiten hat Deutschland aber nicht zu einem sorglosen Frieden verhelfen, sondern in die Gefahr eines Weltkrieges gegen die größte Koalition der Weltgeschichte gebracht. Durch den Verzicht auf eine zielvewußte, nationale Politik haben wir keinerlei Vorteile, sondern nur Nachteile erreicht. Es ist hohe Zeit, daß wir zu einer nationalen und zielbewußten Politik übergehen! Das Protektorat über Marokko wird Deutschland so beschäftigen, daß es kein wesentliches Interesse daran hat, auf eine Beschleunigung der Teilung der Türkei zu dringen. Wenn Deutschland den Engländern die Errichtung des Protektorats über Arabien, Südpersten und Afghanistan schon jetzt durch Vertrag zusichert, so wird England gern die Einwilligung zu dem deutschen Protektorate in Marokko und zu dem gemeinsamen Protektorat Deutschlands und Oesterreich. Ungarns über die europäische und asiatische Türket erteilen. In jedem Falle wird der Widerspruch Englands gegen die deutschen Teilungspläne in dem Maße schwinden, als England aufhört, eine Insel zu sein. Das Aufkommen der Motorluftschiffahrt ermöglicht eine schnelle und friedliche Lösung der marokkanischen wie der orientalischen Frage. Ohne das Aufkommen der Motorluftschiffahrt würde die Einkesselung Deutschlands durch König Eduard sicherzu einem Weltkriege führen, der auch für Deutschland nur von sehr zweifelhaftem Werte sein würbe. Nachdem die Motor ballons und Flugmaschinen aber erfunden sind, muß das Deutsche Reich in einem Weltkriege zur Errichtung einer ungeheueren Luftflotte schreiten und wird nicht eher Frieden schließen, bevor eine deutsche Armee von 30^000 Mann in England gelandet ist. Stehen wir vsr einem Weltkrieg? Unter dem Titel „Stehen wir vor einem Weltkrieg" hat soeben Regierungsrat Rudolf Martin ein kleines Buch in dem Verlage von Frteorich Engelmann, Leipzig, er- scheinen lassen, welches angesichts der Erfolge des Grafen Zeppelin ein besonderes Interesse gewinnt. Nach Martins Ansicht läßt sich der Weltkrieg nur abwenden, wenn Deutschland seine Kciegsrüstungcn zu einem Weltkriege auf das allerenergischste betreibt. König Eduard hat das Deutsche Reich durch eine Reihe von Verträgen eingekesselt, um die Aufteilung Marokkos und der Türkei, unter Aus- schließung des Deutschen Reichs, durch England, Frank reich, Rußland, Italien und Oesterreich zu ermöglichen. Leider sagt Martin nicht, ob er für diese Absicht König Eduards irgend welche besonderen Informationen besitzt. Allerdings betreibt König Eduard die Politik der Ein kesselung gegen daS Deutsche Reich bereits seit dem Jahre 1903. Seine Reise nach Reval im Jahre 1908, zur Begegnung mit dem Zaren, bedeutet ohne Zweifel einen wichtigen Abschnitt in der Bildung der großen Entente cordiale über die ganze Welt hinweg mit der Spitze gegen Deutschland. Nach Martins Ansicht muß Deutschland selbst nach dem Protektorat über Marokko und über die Türkei streben — (worin wir dem Verfasser durchaus nicht bei- Pflichten möchten. Red.) und entschlossen sein, eventuell später um dieser Ziele willen Krieg zu führen. Man kann das Martinsche Buch weder als antievgltsch noch als antifranzöstsch oder antitürkisch bezeichnen. Martin befürwortet eine gewaltige Vergrößerung des Britischen Reiches, wie sie den Wünschen König Eduards entsprechen. Deutschland soll dem Britischen Reiche das von König Eduard erstrebte Protektorat über Arabien, Südpersten und Afghanistan genehmigen. Die Franzosen sollen den östlichen Teil Marrokos erhalten, sodaß sich ihr Lieblings wunsch der Begründung eine« großen afrikanischen Kolonial reichs, erfüllt. Die Kultivierung und Ziviliiierung deS Türkischen Reiches ist nach Martins Ansicht nur möglich, wenn Deutschland, Oesterreich-Ungaru und neben ihnen England das Protektorat über die Türkei übernehme«. Auch Fürst Bismarck glaubte nicht an die Dauer einer selbständigen Türkei. Er war der Ansicht, daß Oesterreich und Rußland sich in die türkische Erbschaft teilen würde«. Das russische Protektorat über Konstan- tinopel erschien ihm als die wahrscheinlichste Lösung der orientalischen Frage. In seinem Testamente, welches in seinen Gedanken und Erinnerungen besteht, hat Fürst Bismarck der deutschen Nation keinerlei positive Ziele hinterlassen. Er hat der deutschen Politik nur den Rat gegeben, sich wegen des Besitzes von Konstantinopel in keinen Krieg einzulassen und den Einsatz seiner militärischen ! und wirtschaftlichen Kraft während des Kampfes der Andere»! Großmächte um die türkische Herrschaft unversehrt Anders als die deutsche Nation ist die englische, russische und französische Nation von großen nationalen Zielen erfüllt. Das Protektorat über Aegypten und die Eroberung der Burenrepubltken waren eine Folge des zielbewußten Vorwärtsstrebens der Britischen Nation. Heber national gesinnte Franzose wünscht die Erwerbungen Marokkos und jeder national gesinnte Russe wünscht die Eroberung Konstantinopels. Das französische Protektorat über Marokko und die Aufteilung deS türkischen Reiches zwischen England, Rußland, Frankreich, Italien und Oesterreich unter Aus- Weßling Deutschlands gehen gegen das Lebensinteresse der deutschen Nation. Das industrielle und kinderreiche Deutschland bedarf in erster Linie eines erheblichen An- Teiles an der marokkanischen und türkischen Erbschaft. Die in Gemäßheit von § 9 Absatz 1 Ziffer 3 des Reichsgesetzes über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden in der Fassung vom 24. Mai 1898 (Reichsgesetzblatt Seite 361 flg.) nach dem Durchschnitte der höchsten Tagespreise des Hauptmarktortes Meißen im Monat Juni I. festgesetzte und um fünf vom Hundert erhöhte Vergütung für das von den Gemeinden resp. Quartierwirten innerhalb der Amtshauptmannschaft im Monate Juli b. I. an Militärpferde zur Verabreichung gelangende Pferdefutter beträgt 17 Mk. 16 Pfg. für 100 Kilo Hafer, 9 Mk. 45 Pfg. für 100 Kilo Heu, 7 Mk. 08 Pfg. für 100 Kilo Stroh. Meißen, am 6. Juli 1908. Die Asnigliche Amtshauptmannschaft In dem Amkommen der Motorluftschiffahrt liegt die einzige Möglichkeit einer friedlichen Lösung oer marok kanischen und orientalischen Frage, die ebenso im Interesse Deutschlands, wie der gesamten Menschheit liegt. Der schnelle Motor in der Luft bedeutet eine schnelle Lösung der ältesten und gefährlichsten Fragen der zivilisierten Menschheit. Wir werden dem Weltkriege nur auS dem Wege gehen, wenn wir ihn durch ungeheure Rüstungen, besonders auf dem Gebiete der Motorluftschiffahrt, derartig vor bereiten und unsere nationalen Ziele so klarlegen, daß keine Großmacht an dem Ernst unseres Willens zum Weltkriege zweifelt. — Der Wille zum Weltkriege allein sichert den Weltfrieden! Mittwoch, den Zs. bss. Mtr., vormittags '/-,12 Uhr findet im Sitzungszimmer der amtshauptmannschaftlichen Kanzlei öffentliche Sitzung des Vezirkrausschufses statt. Die Tagesordnung ist aus dem Anschläge im Hausflur deS amtshauptmann schaftlichen Dienstgebäudes zu ersehen. Meißen, am 6. Juli 1908. Die Königliche Amtshauptmannschaft. und Amgegend Amtsblatt Mr die Kgl. Amtshauptmannschaft Weihen- für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat m WilsdruS. sowie für das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, BurkhardtSwalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, HerzogSwaiir um »cm»v»g, Hvynvors, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Ob »Hermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmtedewalde, Sora, Steinbach bei Seffelsdorf, Steinbach bet Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wtldberg. Druck uns Verlag von Arthur Zschunke, Wilsdruff. Für die Redaktion und den amtlichen Teil verantwortlich: Hugo Friedrich, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in. Wilsdruff. Erscheint wöchentlich dreimal und z«ar Dienstag«, Donnerstags und Sonnabends. Bezugspreis vierteljShrlich I Mk. 30 Pfg., durch die Post biogen 1 Ml. 54 Psg. Fernsprecher Nr. ü, — Telegramm-Adresse: Amtsblatt Wilsdruff. Inserate werden Montags, Mitwochs und Freitags bis spätestens 12 Uhr angenommen. JusertiouSPreis 15 Psg. pro vtergespalteue Korpuszeile. Außerhalb d«S Amtsgerichtsbezirks Wilsdruff 20 Psg. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 Ausschlag.