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Nr. 390 — 97. Jahrgang Drahtanschrift: „Tageblatt' Wilsdruff-Dresden Postscheck' Dresden 2640 An,e,genpre«te lau« auNtegendk« Pr-tSUft- Nr. 8. — Ztsser-Sebühr: 2V Rpsg. — Dorgeschn» den- Erscheinung«,age und P aywünsch- werden nach Möglichlei, berücküchllgt — Anzeigen. Annabm, durch Hernru, übermt«. Fernsprecher: Amt Wilsdruff 206 retten Anzeigen'ü'berne» men wir lein« Gewähr — Bei Konlur« nr» Das „Wilsdruffer Tageblatt" ist das zur Veröffentlichung der und des wtadlrats zu Wilsdruff behördlicherseits bestimmte Blatt und enthalt Bekanntmachungen des Amtsgerichts Wilsdruff, des Finanzamts Nossen sowie des Forstrentamts Tharandt. Dienstag, den 13. Dezember 1939 Zwang«»ergle«ch erlisch« leder Anspruch «es Nachlaß. amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten DO „WilSdiniier Tageblatt' erschein« werklag« nachm «Uhr Bezugtpr monali LNM tre« Hau«, del Postdcslellung l.8v RM zuzügl Bestellgeld Einzelnummer Ii> Rn« Alle Postanftallen, Pestdaien, unsere Au«lräge7 u Geschäsliuelle 8all7^»erG«watt°d« Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend jonu"g«"B«rttd«NSiu" I«n destcln kein Anspruch — au! Lieserunq der Zett t»ug »der Kürzung de« Bezugspreise« Rücksendung -tngesandier Schrtllftücke erlo'.g« nur. wenn Rückporro dcttieg« Sirenenklänge aus USA. Zum panamerikanischen Kongreß in Lima Wer kennt Lima? Die, die sich auf der Weltkarte «urechtfinden, werden sagen, es sei die Hauptstadt von iPeru. Richtig! Wenn wir aber in diesen Tagen den Namen Lima hören, so müssen wir damit einen ganz ibesonderen Begriff verbinden. In Lima sind nämlich zur IZeit Vertreter sämtlicher amerikanischen Nationen ver sammelt, um am grünen Tisch zu beraten und zu be schließen. Die Tatsache ist nichts Außergewöhnliches. All jährlich wiederholt sich dieses Konferenzspiel, aber in diesem Jahre richtet Europa ganz besonders seine Augen «uf das Geschehen am Fuße der Anden. Diese achte pan amerikanische Konferenz in Lima hat sich viel vor- genommen, d. h. besser gesagt: Präsident Roosevelt hat feine besonderen Absichten mit der Lima-Konferenz. In feinem Kopfe spukt der Gedanke, daß das große nord amerikanische Reich eigentlich auch die mittel- und süd amerikanischen Staaten unter seine Fittiche nehmen müßte. So ungefähr wird sich Herr Roosevelt ausdrücken, aber er wird dabei denken, daß man diese Einflußnahme auf die Staaten mindestens so stark machen muß, daß sie auf das Wort Washington hören, um nichts zu sagen, parieren. Schon Roosevelts Vorgänger, Coolidge, hat mit diesem Gedanken gespielt und ihm in verschiedenster Art Ausdruck gegeben. Er hatte keine sehr glückliche Hand dabei, um das Vorhaben Washingtons durchzusetzen. So wollte es das Unglück, daß in demselben Moment, als Herr Coolidge 1928 auf der panamerikanischen Konferenz in Havanna große Worte von Frieden und dergleichen sprach, nord amerikanische Marinetruppen in Mittelamerika das Bajonett aufsteckten, um den Aufstandsversuch des Gene rals Sandino, der sein Land vom Einfluß Washingtons frei machen wollte, niederzuschlagen. Das war deutlich genug. Coolidge hatte damit die Katze aus dem Sack gelassen, und in Mittelamerika verstand man, was diese nordamerikanischen Marinetrnppcn zu besagen harten. Auch sonst hat Washington auf den panamerikanischen Kon gressen schon manches Fiasko erlebt. Seit dem vorigen panamerikanischen Kongreß hat Washington nun alle seine Künste angewandt, um die lateinamerikanischen Staaten bei der Stange zu halten. Herr Roosevelt hat in seinem Staatssekretär des Aeußeren, Hull, einen guten Mitarbeiter. Herr Hull ist wie sein Meister Roosevelt erfinderisch. So haben denn beide für die diesmalige Konferenz einen Kinderschreck er dacht, mit dem sie Lateinamerika die schlotternde Angst beibringen wollen. Dieser Kindcrschreck heißt: Die Gefahr der autoritären Staaten. Womit Deutschland, Italien und Japan gemeint sind. Mit Hilfe der nordamerikanischen jüdischen Hetzpresse hat man das Feld für die Lima- Konferenz vorbereitet. Man hat was von der „Invasion der faschistischen Staaten" gefaselt und hat sich nicht ent- blödet, die dümmsten Greuelmärchen zu verbreiten, um die Lateinamerikaner das Fürchten zu lehren. Man hat sogar gelegentlich Brasilien Kriegsschiffe zum Schutz gegen einen Angriff dieser Staaten angeboten. Zusammen mit einem nur in der Phantasie durchführbaren militärischen Angriff hat man dann von einer „wirtschaftlichen Eroberung" geredet. Und während man auf der einen Seite mit dem schwarzen Mann spielte, ließ man auf der anderen Seile den Dollar rollen. So ist es dann wirklich gelungen, einige lateinamerikanische Staaten einzufangen. Die Konferenz von Lima soll die restlichen Staaten in das Netz Washing tons jagen, und dann wird man die Schlinge zuzieheu. Das ist das Ziel. Dann Wird Washington die Märkte Lateinamerikas mit seinen Waren überschwemmen, wird notleidenden Staaten reiche Kredite geben und so einen nach dem anderen die Macht spüren lassen. Der Staatssekretär Roosevelts, Herr Hull, hat sogar schweres Geschütz aufzufahrcn versucht, um den deutlich merkbaren Widerstand lateinamerikanischer Staaten niederzuschlagen. Er hat es tatsächlich fertig gebracht — einen Witz müßte man es nennen, wenn es nicht so ernst wäre —, den Vertretern der 21 Staaten ein Bild von dem „Frieden und dem Glück" zu entwerfen, die in USA. herrschen, und er hat dem die „Knechtschaft der Völker in den autoritären Staaten" gegenübergestellt. Herr Hull muß seine Zuhörer für sehr dumm halten, wenn er annimmt, daß sie ihnen diese Märchen glauben sollen. Oder Meint er wirklich, daß man in Lima nicht weiß, welche Sklavenherrschaft die Geldsäcke in USA. aufgerichtet haben and unter welchen unwürdigen Verhältnissen der nord amerikanische Arbeiter frondet. Sollte es sich nicht in Lima auch schon herumgcsprochen haben, wie der Arbeiter in Deutschland, in Italien lebt? Daß in diesen beiden Staaten ein glückliches und zufriedenes Volk arbeitet, das keine Sorge kennt? Vielleicht war das Geschütz Washingtons zu grob, denn wie anders sollte man es sonst verstehen, daß sich eine starke Neigung unter den lateinamerikanischen Staaten bemerkbar macht, die Konferenz schleunigst zu beenden, weil man nicht länger Lust hat, den Büttel Washingtons zu spielen. Vergeßt die Liebesgaben-Pakete nicht! Vereidigung des wiedergewählten Staatspräsidenten Smetona In Kowno wurde im Rahmen eines feierlichen Aktes der am 14. November wiedergewählte litauische Staatspräsident Antanas Smetona durch den Kow- noer Erzbischof vereidigt. Nach der Vereidigung hielt Staatspräsident Smetona eine Rede, in der er zur innen- und außenpolitischen Lage Stellung nahm. Er wies auf die Ereignisse der letzten Jahre hin und betonte, daß Litauen bemüht sei, mit seinen Nachbarn gute Beziehun gen zu unterhalten. Mit Deutschland seien die Be ziehungen von Anfang an gut gewesen. In bezug auf Memel, so erklärte der Staatspräsident, sei die litauische Regierung gewillt, das Statut zu erfüllen. Mit Polen sei eine Reihe von Verträgen bereits abgeschlossen, und auch die weiteren Beziehungen dürften einen normalen Gang nehmen ^Memelgebiet keine Plattform für innerlttauische Machtkämpfe" Die Studenten der beiden litauischen Hoch schulen in Mce mel, des Pädagogischen Instituts und der Technischen Hochschule, die sich dem Streik der Kow- noer Studenten angeschlossen haben, wollten in Memel eine Kundgebung gegen die litauische Regierung veran stalten. Das memelländische Direktorium hat diese Kund gebung verboten, weil politische Versammlungen nach den geltenden Bestimmungen 24 Stunden vorher angemeldet werden müssen, was in diesem Fall nicht erfolgt war. Im übrigen besteht bei den verantwortlichen memelländischen Stellen keine Neigung, das autonome Memelgebiet als Plattform für innerlitauische Machtkämpfe zur Verfügung zu stellen Beseitigung eines statutwi-rigen Zustandes Das Direktorium des Memelgebiets hat an die memelländischeu Behörden eine interne Dienstan weisung erlassen, in der unter Hinweis aus den Artikel 20 des Memelstatuts folgendes festgestellt wird: „Angehörige der litauischen Staatssicherheitspolizei im Memelgebiet sind als Privatpersonen zu betrachten und gegebenenfalls entsprechend zu behandeln." Der angezogene Artikel 20 des Memelstatuts bestimmt ausdrücklich, daß die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Memelgebiet durch eine örtlichePolizei gesichert wird, die den Behörden des Memelgebiets unter steht. Es ist also eine krasse Verletzung des Statuts, wenn die litauische Staatssicherheitspolizei sich, gestützt auf den ebenfalls statutwidrigen Kriegszustand, viele Jahre lang amtliche Befugnisse im Memelland anmatzte Das Memel- direktorium hat nur eine selbstverständliche Pflicht erfüllt, wenn es jetzt nach Aufhebung des Kriegszustandes die ihm unterstellten Behörden auf die erwähnte Bestimmung des Statuts aufmerksam gemacht hat. Der Schwur au der Memel Die Wahl war ein großer deutscher Sieg Die Memeldeutschen haben bei der Landtagswahl am Scmntag die typisch deutsche Disziplin gezeigt. Und wenn wir auch nicht vor Ende der Woche das Ergebnis der Wahlen zu erfahren bekommen werden, so wissen wir doch schon heute und bekommen es durch die Auslandspresse bestätigt: Die Memelwahlen sind ein neuer großer, deut scher Sieg. Nach Beendigung der Wahlen am Sonntagabend wurden die verschlossenen Wahlumschläge in den Wahl lokalen gezählt, mit den Stimmlisten verglichen und aus allen Teilen des Landes nach Memel geschafft, wo am Montag die Zählung sämtlicher Stimmzetel begann. In folge des durch das litauische Wahlgesetz vorgeschriebencn umständlichen Verfahrens — jeder Wähler hatte 29 Stimmzettel abzugeben — ist mit der Beendigung der Zählung und der Bekanntgabe der Ergebnisse erst unge fähr in einer Woche zu rechnen. Die Wahlbeteiligung sowohl in der Stadt Memel wie in den Landkreisen hat fast überall rund 97 vom Hundert erreicht. In einer sehr großen Anzahl von Orten ist eine Wahlbeteiligung hundertprozentig ge wesen. Die Wahlbeteiligung, die bei der letzten Landtags wahl immerhin auch schon 91,3 v. H. betrug, dürfte also erheblich überschritten werden. Ltrieil der Wett: Bo-ksenifcheid Kein Wunder, wenn die Weltpresse sich mit diesem Stückchen deutschen Bodens in diesen Tagen sehr beschäf tigt. Man hat gerade in diesem Jahre gelernt, daß die Gemeinschaft aller Deutschen keine hohle Phrase ist. Das Memelland hat bei den Wahlen einen Treueschwur ge leistet^ der einem Vo lk s e n ts ch e i d^gleichkommü,. Die Londoner Blätter heben ebenfalls hervor, daß die Memeldeutschen einen klaren Sieg davongetragen hätten. „Times" stellt im übrigen darüber hinaus fest, daß es den Memeldeutschen zum ersten Male seit Ende des Weltkrieges möglich gewesen sei, ohne Freiheitseinschränkungen zu wählen. Die pol.nischen Blätter enthalten zahlreiche Berichte über die Wahl im Memelland. Besonders wird auf die starke Wahlbeteiligung hingewiesen und auf die Ruhe, die nicht gestört worden sei. Das Militärblatt „Polska Zbrojna" steht einen vollkommenen Sieg der deutschen Liste voraus. Gailius Gouverneur des MemettandeS Die Ernennung des Memellitauers Viktor Gai - lius zum neuen Gouverneur des Memellandes wurde am Montag durch einen Akt des Staatspräsi denten Smetona vollzogen. Der bisherige Gouverneur Kubilius ist zum Mitglied des Staatsrats ernannt wor den. Gailius ist der zwölfte Gouverneur des Memel landes. * Viktor Gailius, der 45 Jahre alt ist, gehört politisch zu den „gemäßigten Memellitauern". Er ist der Spitzen kandidat der vereinigten litauischen Listen und Vertreter der Litauer im Hauptwahlausschuß. Unter verschiedenen Gouverneuren war er lange Jahre hindurch Gouverne- mentsrat. Zur Zeit ist er Direktor des litauischen Ver lages Rytas. Amerikanische Alkoholphaniasie Das Greuelmärchen vom blauen Auge Der litauische Rundfunksender in Memel hat am j Abend der Mcmelwahl sich gründlich von einem amerika- ! nischcn Hetzer und Greüclmärchendichter auf den Leim führen lassen. Er hat sich in völlig irreführender ! Form mit einem Vorgang befaßt, der für den Betroffenen, einen amerikanischen Journalisten, ebenso beschämend wie für den Rundfunk peinlich ist, der auf die Märchen dieses seltsamen Pressevertreters hincingefallcn ist. Der Vorgang ist kurz folgender: Der zur Zeit in Memel weilende amerikanische Journalist Robert S e l l m e r hat in der Nacht zum Wahlsonntag in sinnlos betrunkenem Zustand die Straßen Memels unsicher ge macht, wobei er Vorübergehende gröblich belästigte und beschimpfte. Männer des memelländischen Ordnungs dienstes wurden von ihm gleichfalls beschimpft, so daß sie sich schließlich genötigt sahen, ihn zur Polizeiwache zu bringen. Bei seiner Vernehmung belegte er die Beamten mit den unglaublichsten Schimpfworten. So wurde ein englisch sprechender Polizeibeamter, der die Vernehmung durchführte, von Scllmer als „deutscher Bastard" und „Sohn einer deutschen Hündin" beschimpft. Trotzdem wurde er nach Beendigung der Vernehmung wieder frei- gelassen. Obwohl Sellmer allen Grund gehabt hätte, sich seines Benehmens zu schämen, hat er nachträglich versucht, die in Memel anwesenden Vertreter der Auslandspresse zur Verbreitung eines typischen Greuelmärchens zu veran lassen. Da er mit einem blaugeschlagenen Auge von seiner Alkoholreise in sein Hotel zurück gekehrt war, behauptete er, vom memelländischeu Ord nungsdienst oder von den Beamten auf der Polizeiwache blutiggeschlagen worden zu sein. Zur Aufklärung des Tatbestandes begaben sich zwei namhafte amerikanische Journalisten zur Polizeiwache, wo die beteiligten Beamten im Beisein der beiden Amerikaner sowie des Vertreters des Deutschen Nach richtenbüros vernommen wurden. Dabei ergab sich ein wandfrei, daß der betrunkene Sellmer vom memellän dischen Ordnungsdienst ohne die erwähnten Verletzungen auf der Polizeiwache eingeliefert wurde und selbstverständ lich die Wache auch unverletzt verlassen hat. Seine Enr- lassung erfolgte bereits um 2 Uhr nachts, während er erst gegen 3 Uhr nachts einen seiner amerikanischen Kollegen ans dem Hotelbett holte, um sich bei ihm über die angeblich auf der Polizeiwache erlittenen Mißhand lungen zu beschweren. Er scheint sich also nach seiner Ent lassung aus der Polizeiwache noch längere Zeit auf der Straße her um getrieben zn haben, wobei er sich infolge seines Zustandes in irgendwelche Raufhändel ver wickelt haben muß. Man hätte über die alkoholischen Ausschweifungen dieses nicht gerade vorbildlichen Vertreters der öffentlichen Meinung der USA. den Mantel christlicher Nächstenliebe breiten können, wenn er nicht die Frechheit besessen hätte, sich als Opfer des. memelländischen Ordnungsdienstes bzw. der memelländischen Landespolizei hinzustellen, nnd wenn der litauische Rundfunksender in Memel sich nicht dazu hergegeben hätte, die verleumderische Behauptung zn verbreiten, der memelländische Ordnungsdienst hätte den unschuldigen amerikanischen Journalisten blutiggeschlagen.