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Zweites Blatt. Tharandt, Aossen, Sieöenteßn und die Amgegenden. Amtsblatt für die Agl. Amtshauptmanilschast Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.54 PF. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro viergespaltene Corpuszeile. Ro ISK. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. SsnuabenD, ö§U 16. November 1W1. 66. Jahrg. Zum 24. Sonntage nach Trinitatis. Ephes. 2, 19: So seid ihr nun nicht mehr Gaste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen. „Ich lebe und weiß nicht, warum; Ich sterbe und weiß nicht, wann; Ich fahre und weiß nicht, wohin; Kein Wunder, daß ich so traurig bin." Das ist die Philosophie, ach, so vieler Menschenkinder. Es ist eine tranrige Weltanschauung. Ja, wenn das Alles ist: geboren werden — wachsen — andere sterben sehen — endlich selbst sterben, dann freilich wäre es besser, nicht geboren zu sein. Da wäre ja das vernunftlose Thier besser daran, als der Mensch. Das Thier weiß doch wenigstens nicht, daß cs stirbt. Aber der Mensch weiß es. Und wenn er auch dem Gedanken an den Tod aus dem Wege geht, er begegnet ihm doch immer wieder. Der durch die Lande wankende Herbst, das dem Ende zueilende Kirchenjahr, sie wollen uns auch wieder daran erinnern, daß wir hier keine bleibende Siadt haben, daß wir Gäste und Fremdlinge sind. Aber es giebt nicht nur ein vergängliches Erdenleben, es giebt auch noch ein anderes, ein ewiges Leben. Und die Ewigkeit ragt doch in diese Zeit herein, um ihr Werth und Inhalt zu geben. Paulus schreibt: Ihr seid nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen. Also wir sind nun nicht mehr bloß Fremdlinge. Was ist das für ein Nun? Wann können wir dies Wort auf uns anweuden, daß wir Mitbürger der Heiligen sind? So wie auf Erden Standesamtsregister und Personenstandslisten geführt werden, in die alle Geburten eingetragen werden, so wird im Himmel „das Buch des Lebens" geführt und darein schreibt der Herr alle Wiedergeborenen. Wer diese Wieder geburt (Joh. 3, 3) erlebt, der wird eingeschrieben in die himmlischen Listen als ein Mitbürger der Heiligen und als ein Hausgenosse Gottes. Ein köstliches Nun! Nun nicht mehr Gäste, sondern Mitbürger der Heiligen. Nun nicht mehr Fremdlinge, sondern Hausgenossen Gottes. Wenn wir an Jesum glauben, als an unsern Heiland, dann sind wir Hausge nossen Gottes, schon jetzt, in der Gegenwart, in diesem Leben. Ob uns die Welt verspottet, wir sind Gottes Hausgenossen. Und wenn wir's in der Zeit schon sind, wie vielmehr in der Ewigkeit! Da hört alle Todesfurcht auf, wenn man weiß: ich bin ein Mitbürger der Heiligen. Da spricht man: „Ich lebe und weiß wohl, warum; Ich sterbe und weiß wohl, wann; Ich sahre und weiß wohl, wohin; Kein Wunder, daß ich so fröhlich bin." Sächsisch -thüringische Eisenbahnverbindungen. Bor einiger Zeit machte eine Zuschrift die Runde durch die sächsischen Blätter, die dem „Leipziger Tageblatt" aus Thüringen Zugegangen war. Sie lautete: „Die Hauptbahnen Thüringens hat seiner Zeit Preußen erworben. Damals war in Thüringen überall eitel Lust und Freude. An verkehrspolitischer Beziehung wurde der Uebergang an Preußen als ein Fortschritt betrachtet, der ohne Anlehnen an ein größeres Staatsbahnensystem, nicht zu erreichen war. Leider aber wurden die guten Thüringer in ihren berechtigten Erwartungen von einem unter dem preußischen Regime sich entwickelnden Fortschritte im Ver kehrswesen bitter enttäuscht. Abgesehen davon, daß oft genug Wünsche betreffs nothwendiger Anschlüsse und Ein legung von Zügen, die aus dem Verkehrsbedürfniß her vorgegangen waren, aus rein fiskalischen Gründen versagt blieben zum Nachtheil der Geschäftswelt, in der Haupt sache: Ausbau des thüringischen Eisenbahnnetzes, Ver bindung der noch als Sackbahnen existirenden zahlreichen Linien zum Zweck der Beschaffung von Durchgaugslinieu, kein Vorwärtskommen zu bezeichnen, daß nur einigermaßen zu befriedigen vermöchte. Preußen benutzt aber seine Macht stellung dazu, um bei jedem Projekt, das ihm zur Aus führung vorgelcgt wird, wiederum aus fiskalischen Gründen, Unmögliches zu verlangen. Staat und Gemeinden find eben mit dem besten Willen nicht in der Lage, solchen Ansprüchen zu genügen, obwohl z. B. Meiningen gewohnt ist, so tief wie möglich in den Staatssäckel zu greifen, um die Ausführung der nothwendigen Verkehrslinien zu er möglichen. Wenn unter den gegenwärtig herrschenden Verhältnissen ein völliger Umschwung in der früher allzeit günstigen Stimmung gegen Preußen eingetreten ist, so darf das wohl nicht Wunder nehmen. Man sagt sich, daß auch Sachsen ein großartig entwickeltes Staatsbahnsystem besitzt und daß wir bestrebt sein sollten, so weit es noch möglich ist, uns an Sachsen anzuschließen, zumal ein auf fallender Mangel an direkten Linien zwischen Sachsen und Thüringen herrscht. Wäre Sachsen nicht allzu Parti- kularistisch verfahren und hätte zur rechten Zeit seine Eisen bahnlinien in das Herz von Thüringen hineingeschoben, so hätten nicht wir allein, sondern auch Sachsen viel dabei gewonnen — denn letzteres würde nicht so erfolgreich von Preußen umklammert und durch Konkurrenzmaßregeln ge schädigt. Noch jetzt dürfte Sachsen in der Lage sein, sich durch Ausbreitung seiner Linien nach Westen Vortheile zu schaffen." Leider hat sich ja Mitte der 90er Jahre der sächsische Staat, als er die Linie Weimar-Gera gekauft hatte, durch Preußen in die Enge treiben lassen. Wenn damals der Kauf der Bahnlinie Weimar-Gera zu Stande gekommen wäre, würden wir vielleicht Heutigentages schon den direkten Anschluß nach Thüringen haben. Aber auch ohne dies dürfte die Frage der Erwägung werth sein, ob sich empfiehlt, eine direkte Verbindung zwischen Dresden und den thüringischen Staaten herzu stellen. Die Linie würde um deswillen von ziemlicher Bedeutung sein, weil sie eine direkte Verbindung Sachsens nicht nur mit Thüringen, sondern mit dem übrigen Mittel deutschland und insbesondere mit Frankfurt Herstellen würde. Ich denke mir, der Lauf der Bahnlinie würde folgende Orte zu berühren haben: Wilsdruff—Hainichen-Mitt weida—Burgstädt, und würde von da die passendste und kürzeste Verbindung nach Gößnitz zu suchen haben. Die Bahnlinie, wie ich sie Vorschläge, stellt einen direkten Verkehr zwischen Thüringen und dem Herzen von Sachsen her. Gleichzeitig würde die Linie dazu dienen, eine bessere Verbindung zwischen dem westlichen und öst lichen Sachsen zu ermöglichen, denn die Eisenbahnstrecke „Dresden-Chemnitz" ist derart gebaut, daß sie zum Be fahren mit Schnellzügen ziemlich ungeeignet ist. Wer ein mal im letzten Wagen eines O-Zuges auf dieser Strecke gefahren und sich an das Ende dieses Wagens gestellt und von da hinausschauend beobachtet hat, welche Strecke der Zug zurücklegt, der wird sich gewundert haben, welche große Kurven die Eisenbahnlinie zurücklegt, Kurven, die nicht allmählich beginnen und verlaufen, sondern die ziemlich plötzlich kommen, sodaß in der Regel dem Lokomotivführer die Uebersicht auf die Strecke nur für ziemlich kurze Räume gegeben ist. Schon dieser Uebelstand verbietet es, die Strecke mit der höchsten zulässigen Geschwindigkeit zu be fahren. Dazu kommt, daß die Eisenbahnlinie an vielen, vielen Punkten von Straßen im Niveau gekreuzt wird, daß diese Kreuzungspunkte auch an Stellen liegen, die nicht aus weite Strecken sichtbar sind. Weiter ist nicht zu vergessen, daß die Bahn durch das schmale Weißeritzthal mit einer ganz auffällig starken Steigung gebaut ist. Der Bahnkörper senkt sich dort an einzelnen Strecken im Verhältniß von 1:40. Es ist das natürlich ein Neigungsgrad, der es unmöglich erscheinen läßt, im höchsten Schnellzugstempo zu fahren. Die Folge all dieser Uebelstände ist, daß die Zugsgeschwindigkeit nur auf ein ziemlich geringes Maß gebracht werden kann, Die Entfernung von Dresden nach Freiberg beträgt 40 Kilometer. Zur Zurücklegung dieser 40 Kilometer ge braucht der Schnellzug eine volle Stunde. Man muß sich freilich vergegenwärtigen, wie die ganze Bahnlinie „Dresden-Chemnitz" gebaut worden ist. Wenn ich mich recht entsinne, bekam damals zunächst eine Privat gesellschaft die Genehmigung zum Bau der Strecke „Dresden- Tharandt". Die Linie wurde gebaut, rentirte aber nicht und nun baute der Staat selbst auf eigene Kosten die Anschlußstrecke „Tharandt-Freiberg" und dann erst wieder die weitere Theilstrecke „Freiberg-Chemnitz". Die Linie ist also aus einzelnen TheUlinien entstanden, und das hat natürlich zur Folge gehabt, daß der Lauf der Bahnstrecke, wie es an sich nach der natürlichen Lage der Verhältnisse anzunehmen wäre, über Tharandt geht und nicht über Wilsdruff. Der von mir vorgeschlagenen Linie würde aber auch noch eine ganz besondere Bedeutung um deswillen zu kommen, weil auf dem ersten Theile dieser Strecke, also auf dem Theile „Dresden-Wilsdruff" sich voraussichtlich ein gewaltiger Vorortsvcrkehr ergeben würde. Die Bahn würde auf der Strecke „Dresden-Wilsdruff" einen großen Theil des Kammergutes Gorbitz durchschneideu. Der Zeit punkt dürfte nicht mehr fern sein, wo es sich empfiehlt, an eine Auftheilung des Kammergutes Gorbitz zum Zwecke der Schaffung von billigen Bauplätzen heranzutreten. Der von mir vorgefchlagenen Linie würde also auf dem ersten Theile eine geheuer große wirthschaftliche Bedeutung zu kommen, weil so natürlich die Aufschließung in außer ordentlicher Weise begünstigt werden wird. Kl. Vaterländisches. Wilsdruff, 15. November 1901. — Am Dienstag, den 12. Nov., hielt der hiesige Ge werbe-Verein einen gut besuchten Familien-Abend ab, der durch einen mit reichem Beifall ausgenommenen Licht- bilder-Vortrag des Herrn Lehrer Richter und unter Mit wirkung der hiesigen Stadtkapelle zu einem recht interessanten wurde. Das Thema des Vortrages lautete: „Die Gott- hardbahn." Eine Tour durch die Schweiz ist heute das schnlichst erstrebte Ziel jedes gebildeten Naturfreundes. Und wer einmal die malerische Anmuth dieser Thalgelände, den Silberglanz der Seen sah oder die erhabene Einsam keit der Gcbirgswclt fühlte, giebt die Erinnerung um Alles nicht hin. Die abwechselnd milde und wilde Pracht der Szenerien, der Odem der Freiheit erzeugt den eigenthüm- lichen Reiz und zieht die widerstandslose Menschheit immer von Neuem zu den strahlenden Eisfirsten, braunen Senn hütten und üppiggrünen Matten hin, als wenn in ihnen die Glückseligkeit der Welt vergraben wäre. Gleich die ersten Bilder zeigten uns die Herrlichkeit der wunderbaren Welt, Luzern am Vierwaldstädtersee und am Abfluß der smaragd grünen Reuß, als verlockende Eingangspforte zur geheimntß- vollen Welt der Urkantone, Rendezvousplatz tausender von Fremden allerNationen. Die Natur scheint hier in glücklichster Laune gearbeitet zu haben; der Hochgebirgscharakter zeigt sich in wahrhaft poetischen Formen, und man darf be haupten, daß um Luzern Alles, — der klassische See, die Wolkenstürmer Rigi und Pilatus, wie die blinkenden Schnee berge — eifrigst rivalisirt, um den Touristen in Extase zu versetzen. Voll anmuthigen Stolzes ruht die Stadt mit ihren alten Ringmauern und Warten, ihren Kirchen, palast- ähnlichen Hotels und einladenden Landhäusern inmitten sanft abgerundeter, von üppigster Vegetation bedeckter Hügel am Gestade ihres glänzenden, hier nur Liebliches ent hüllenden Sees. Bei Brunnen verlassen wir das Dampf roß und vertauschen es mit dem Dampfboot. Jede Schiffs- Wendung ruft ein anderes Wandelbild vor unser Auge, und hinter jeder Ecke lauert eine neue willkommene Ueber- raschung, mag sie nun im Blick auf finstere und wild auf steigende Berggestalten feierlichen Ernst, oder beim Heran- treten lieblicher, in den durchsichtigen Fluthen sich spiegeln-