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WMtt fiir Nlccklifs Wamndt, Kossen, Sieöentehn und die Amgegenden. Amtsblatt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Milsdruff, sowie für das Agl. Horstreniamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Huhndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Keffelsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. — Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1Mk.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro viergespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 131. Dienstag, den 5. November 1SV1. j 6V. Jahrg. Wochenschau. Es wird kritisch! Freilich nicht in dem Sinne, wie Viele es meinen. Wenn die Jagd in vollem Gange, dann beginnt auch das Treiben auf diejenigen Minister, welche es der einen oder der anderen Exceüenz nicht recht machten. Und dabei wird in der Regel vergessen, daß ein Minister wechsel nicht selten ebenso uncrguicklich ist, wie einWohnungs- wechsel. Es wird nicht besser, sondern nur minder ange nehm. . . . Wenigstens oft. Diese letzten Oktober-Tage brachten Frost und da mit die letzten Blätter zum Fallen. Auch dem Grafen Bülow, der doch wenig mehr als ein Jahr im Amt ist, hätte Dieser oder Jener gern einen Nachruf über seine Amtsthätigkeit geschrieben. Krisen-Gerüchte, die sich sogar schon zur Nennung des künftigen leitenden Staatsmannes zugespitzt halten, marschirten in den Spalten einzelner Zeitungen auf, freilich nur, um belächelt, nicht um ernst genommen zn werden. Dem „freundlichen Reichskanzler" wird seine Stunde hoffentlich nicht so bald schlagen. Aber kritisch wird es, wie immer, wenn es von der grauen Theorie zur ernsten Praxis gehen soll! Nun ist Monate lang über den neuen Zolltarif gesprochen und ge schrieben, wie das nothwendig und üblich ist, aber damit war noch kein Wechsel für die Zukunft verbunden. In naher Zukunft wird es sich aber darum handeln, von den Worten zu den Thaten überzugehen, welche für den deutschen Nährstand und Nationalwohlstand hochbedeutend sem werden. Darin, daß inan verkehrte Schritte vermeidet, und wie leicht sind die gethan, wenn dem Vorurtheil mehr Raum gewährt wird, als es vernünftigerweise beanspruchen darf, liegt das Kritische. Wir haben oft sagen hören, Deutschland bekomme keine neuen Handelsvec träge, wenn der Reichstag diese oder jene Beschlüsse fasse! Voraussetzung war also immer, daß die fremden Staaten im Begriffe ständen, uns um den Hals zu fallen. Gerade in der Beziehung muß aber gesagt werden: Wer falsch rechnet, rechnet zweimal! Der unter der Kanzlerschaft des Grafen Caprivi ab geschlossene Handelsvertrag hat unserer Industrie einen hohen Aufschwung gebracht. Aber der ist unter dem gleichen Zolltarif auch wieder verschwunden. Viel ist verdient, Viel ist verloren, woran man ungern denkt. Man muß aber daran denken, wenn man sich beeifern will, die erlittenen Einbußen wieder einzubringen. Und daran müßte man denken, sollten wir meinen. Unter eben diesem Zolltarif hat uns auch die eng lische Regierung den Handelsvertrag gekündigt, und bis zur heutigen Stunde ist keine Erneuerung erfolgt. Warum nicht? Wir haben doch nichts aufgestellt, was Alt-Eng land verdrießen könnte, wir haben im Gegentheil z. B. die böse Pille der Kaperung deutscher Postdampfer durch englische Kriegsschiffe hinuntergeschluckt. England denkt eben mit Bezug auf den Handelsvertrag: Zuerst komme ich, dann komme ich nochmals und dann kommt ^hr noch lange nicht! Es wird abzuwarten sein, ob andere Staaten mit anderen Gedanken Deutschland gegenüber erfüllt sind. Die Gefährlichkeit des deutschen Wettbewerbes auf dem internationalen Markt, die in der großen Leistungsfähig keit unserer Industrie beruht, wird nicht blos gewürdigt, sie wird auch gefürchtet. Und die Bestrebungen, uns möglichst fernzuhalten, können leicht über die uns freund lichen Neigungen obsiegen. Es ist das eine Ausführung, die mit der ausländischen Stimmung rechnet, wie sie uns gegenüber in Wahrheit ist. Der mit Posauuenklängen in alle vier Winde hinaus trompetete fremdländische Ebelmuth ist nur in der Theorie vorhanden, nicht in der Praxis, und der Reichstag soll und muß daher, wenn er wirklich deutschen Nährstand nnd Nationalwohlstand pflegen will, darauf halten, daß uns giebt, wer von uns fordert. Hinterher ausgelacht zu werde», ist nicht angenehm. Bei den Amerikanern passirt uns das bereits, denn die nehmen von uns in Scheffeln, während wir in Metzen erhalten. Auch angebliche Aeußerungen des Kaisers, von welchen doch Niemand behaupten kann, ob sie allen Ernstes ge sprochen worden sind, werden in die Debatte hineingezogen. Was nützen diese Zuspitzungen? Kaiser Wilhelm kann weder nach der einen, noch nach der anderen Seite hin bestimmen, der deutsche Zolltarif soll dies oder jenes Gesicht haben, die Handelsverträge sollen so oder so aussehen. Und das will Seine Majestät auch gar nicht! Dabei hat selbstver ständlich der betreffende fremde Staat, mit welchem wir kontrahiren, mitzusprechen, sodann verfassungsgemäß der Bundesrath, das heißt die Gesammtheit der verbündeten Regierungen, und der deutsche Reichstag. Verfassungsge mäß kann der Kaiser die preußischen Bevollmächtigten zum Bundesrathe anweisen, in diesem oder jenem Sinne zu stimmen, mehr nicht! Es sei nun daran erinnert, wie Kaiser Friedrich dem Gesetz auf Abänderung der Reichs tagswahlperioden, das er bei seinem Regierungsantritt vom Bundesrath und Reichstag genehmigt vorfand, wenig geneigt war. Aber der edle Herr hat es vollzogen in der Erkenntniß der verfassungsmäßigen Befugnisse des Reichs- Oberhauptes. Unsere nervöse Zeit läßt auch die Handelsvertrags- fragen leicht nervös beurtheilen. Regen wir uns nicht auf, sondern nehmen wir unseren Vortheil wahr. Das ist einfacher, praktischer, vortheilhafter, es bedeutet klingendes Geld. Um einen Ueberschuß zu haben, werden Verträge geschloffen, nicht, um sich mit einem Blinns zu begnügen! Die fremde Liebe zu Deutschland äußert sich zur Stunde auch mal wieder in den englischen Treibenreien gegen uns wegen des Baues der Bagdadbahn. Alt- England will allüberall in der ganzen Welt sein, aber dem deutschen Michel gäbe man am liebsten einen Fuß tritt wie einem Pudel. Und gerade bei diesem Bahn projekt müssen wir feststehen, da ist noch mehr herauszu holen vielleicht, wie aus China. Im fernsten astatischen Osten sind allerlei Techtelmechtel und Unterbietungen zu erwarten, die alte Kaiserin-Regentin von China tanzt bei Leibe nicht, wie die Staare aus aller Welt pfeifen, wohl aber wie der Czar pfeift. Und die Russen sagen das und Anderes ganz offen. Sie brauchen sich in Afghanistan gar nicht mehr einzumischen, der neue Emir ist bereits ihr Mann, augenscheinlich ist er das schon seit Jahr und Tag gewesen. Das englische militärische Prestige, das sonst wohl die Moskowiter etwas ein schüchterte? Daß Gott erbarm! Iwan grinst! Und er hat Recht damit, John Bull ward gewogen und zu leicht befunden. Die französischen und österreichischen Parlamentsver hältnisse geben der Welt noch keinen Anlaß zur großen Aufregung. Vielleicht sieht der österreichische Premier- Minister verschiedene seiner Kollegen lieber gehen, als bleiben, aber vorläufig ist es noch nicht so weit. Ist es so weit, wird man sehen! So viel hat der kluge und ge schickte Staatsmann aber doch schon erreicht, daß die ver schiedenen Parlaments-Parteien sich scheuen, auf's Trockene gesetzt zu werden. Sie halten also an sich! In Paris ist keine Aussicht auf Minister-Aeuderungen vor den all gemeinen Neuwahlen vorhanden, auch gerade kein über mäßiges Interesse für Politik überhaupt. Der moderne Gallier hat harmlosere Geschichten lieber. Präsident Mac Kinley's Mörder ist hingerichtet; das Drama von Buffalo ist somit zu Ende, aber aus dem Schauspiel haben die Amerikaner nicht viel gelernt. Sie haben gerade so schnell vergessen, wie die Italiener, und werden, wie diese, noch manche bittere Frucht ihrer Ver geßlichkeit erleben. Auch dem braven Englishman passirt das, der nicht einsehen will, daß gutes Recht doch schließ, lich oben bleibt. Auf alle Renonimistereien Lord Kitche ners aus Süd-Afrika folgt regelmäßig wieder ein gehöriger Hieb von Seiten eines bewährten Boerenführers. Nur so dabei bleiben, es wird schon zum guten Ende kommen für die Boeren! Bauer ist Trumpf und wird es bleiben! Politische Nirndschari. Die gewohnte alljährliche Uebersiedlung des kaiser lichen Hofl agers aus dem Neuen Palais bei Potsdam nach dem Berliner Residenzschlosse, die meist gegen Neujahr stattzufinden pflegt, soll diesmal unterbleiben. In erster Linie ist für das Verbleiben des kaiserlichen Hofhalts im Neuen Palais auch während des kommenden Winters der Gesundheitszustand der Kaiserin maßgebend, der es bedingt, daß sich die hohe Frau noch auf längere Zeit allem geräuschvollen Treiben thunlichst fern hält. In den Bundesrathsausschüssen ist die zweite Be- rathung des Entwurfs des neuen Zolltarifs in ver gangener Woche begonnen worden; wahrscheinlich wird aber der Entwurf dem Plenum zur definitiven Beschluß, fassung erst in nächster Woche zugehen. In der Frage der Neuwahl eines zweiten Bürger meisters von Berlin hat sich jetzt der Magistrat der Reichshauptstadt einmüthig auf den schon vom Stadtver- ordneten-Kollegium eingenommenen bekannten Nechtsstand- punkt gestellt. Nach mehrstündiger Verhandlung in Sachen der Wiederwahl Kauffmanns zum Bürgermeister beschloß das Magistratskollegium am Freitag, den Minister des Inneren zu ersuchen, dem Kaiser Jmmediatvortrag betreffs der abermaligen Wahl Kauffmanns zu halten und an allerhöchster Stelle eine Entscheidung über diese Wieder wahl herbeizuführen, dagegen lehnte es der Magistrat ab, Beschwerde beim Minister über den Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg wegen seines Erlasses iu der Kauffmann'schen Angelegenheit zu führen, wie dies die Stadtverordnetcn-Versammlung gewünscht hatte. Wien, 2. Nov. Kaiser Franz Joseph und die evan gelische Kirche in Oesterreich. Der Kaiser äußerte gestern beim Empfang einer Abordnung der evangelischen General synode, er sei von dem Patriotismus der Angehörigen der evangelischen Kirche voll und ganz überzeugt und wisse, daß er sich auch künftighin auf ihre Treue verlaffen könne und daß die evangelische Geistlichkeit es sich angelegen sein laste, in diesem Sinne zu Wicken. Die holländischen Hafen-Arbeiter haben mit ihrem Vorschläge, in allen europäischen Häfen die englischen Schiffe zu boykottiren, d. h. die Ausladung zu verweigern und somit einen praktisch sehr wirksamen Protest gegen den Boerenkrieg zu veranstalten, viel Beifall gefunden, es sind aber auch lebhafte Bedenken, selbst im eigenen Lande, laut geworden, ob sich der Gedanke verwirklichen lassen wird. Unter Umständen kann man sich ins eigene Fleisch schneiden. Wir hoffen nach dem jüngsten Boeren- siege erst recht, daß die tapferen Bauern es selbst fertig bringen, den Engländern den Krieg gründlich zu verleiden. Die nach den orientalischen Gewässern abge gangene französtscheFlotille unter Viceadmiral Caillard soll, wie aus Paris officiös gemeldet wird, bis aus Weiteres dort verbleiben. Trotz der von der Pforte sofort nach Bekanntwerden von der französischen Flottendemonstration dem Ministerium Waldeck-Rousseau gegebenen be stimmten telegraphischen Zusagen betreffs Regelung der Lorando-Angelegenheit traut man in Paris der Pforte nicht. Das Geschwader Caillards soll deshalb so lange in den türkischen Gewässern verbleiben, bis die türkischen Zusagen auch wirklich alle erfüllt worden sind. Ueberhaupt aber soll der Pforte durch die Entsendung des französischen Geschwaders eine Warnung für die Zukunft ertheilt werden. Das englische Thronfolgerpaar ist am Sonn- abend von seiner Reise nach Australien, Südafrika und Canada wieder in London eingetroffen, begleitet vom König und der Königin. Auf der Viktoria-Station fand großer Empfang statt. London, 2. Nov. In einem Theile von Wales verbreitete sich gestern das Gerücht, der englische Staat sei bankerott, das Geld in den Postsparkassen sei zu Kriegszwecken in Südafrika verwendet worden. Es wurde darauf aus den Postsparkassen über V, Million zurück gezogen und Niemand will mehr Einlagen machen. Die schwere Niederlage der Colonne Benson hat in London große Erregung hervorgerufen, da man auf eine solche Katastrophe nicht mehr gefaßt war. Amerika. Die Staatsfinanzen der nordameri kanischen Union weisen nach dem soeben veröffentlichten