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Wochenblatt für Wito braß Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar Dienst tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. I Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen l Mk. 55 Pf. Einzelne Nummern l0 Pf. Tharandt, Mn, Mealtha and die Umgegenden. — Imtsßlull Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags f2 Uhr angenommen. Insertionspreis sO pf. pro dreige spaltene Eorpuszeile. für die Ugl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für di« Redaktion H. A. Berger daselbst. No. SS. Sonnabend, den 17. November 1894. Die ostasiatische Frage. Mit der Einnahme von Port Arthur ist den Japanern ein neuer Schlag gegen China gelungen, denn im Besitze dieses militärisch sehr starken und strategisch ungemein wichtigen Haupl- kriegshafcn Chinas können die Japaner ihre Operationen auf feindlichem Gebiete mit verstärktem Nachdrucke betreiben. Ob überhaupt die japanischen Streitkräfte bei ihrem weiteren Vor dringen gegen Peking noch auf nennenswerthen Widerstand stoßen werden, ist zweifelhaft. Die Unzuverlässigkeit und Dis ziplinlosigkeit der chinesischen Truppen, die erstaunliche Unfähig keit der höheren Führer, die Kopflosigkeit in der obersten Heeres leitung und die übrigen im Verlaufe des Krieges so grell hcr- vorgctretenen Schwächen im chinesischen Heereswesen machen es immer unwahrscheinlicher, daß der Siegesmarsch der Japaner auf Peking ernstlich gehemmt werden wird. Hat doch gerade der Fall von Port Arthur selber die ganze Kläglichkeit der chinesischen Zustände auf diesem Gebiete so charakteristisch her- oorgethan. Port Arthur war nach allen Regeln der europäischen Jnzenieurkunst befestigt, zahlreiche Forts umzogen die eigentliche Festung, und sämmtliche Forts Bastionen und sonstige Ver schanzungen waren mit Geschützen schwersten Kalibers und neuester Construktion stark armirt. Dennoch gelang der ja panischen Belagerungsarmee unt e General Oyama die Er oberung dieses chinesischen Cherbourg oder Portsmouth fast ohne Schwertstreich, denn nachdem der chinesische Oberbefehls haber mit seinem gesammten Generalstabe und den sonstigen höheren Offizieren in der Nacht vor dem angesetzten Srurme feig entflohen war, ergab sich die führerlose Besatzung den an rückenden Japanern nach kaum nennenswerthen Widerstande. Diese schmähliche Aufgabe Port Arthurs haftet der chi nesischen Kriegsführung einen besonders schlimmen Makel an, wenn selche Dinge möglich sind, dann ist allerdings für die Chinesen gar nichts mehr im Kampfe mit Japan zu erwarten. Das fühlt man in den Peckinger Regierungskreisen endlich selber, daher ist denn jetzt auch seitens der chinesischen Regierung die dringende Bitte an die auswärtigen Mächte ergangen, sie möchten zur Vermittelung des Friedens zwischen China und Japan einschreiten. Bislang hat sich aber »ur Nordamerika zu einer solchen Vermittelung bereit erklärt, während die übrigen Mächte offenbar noch zu keinem endgiltigen Entschlusse gelangt sind, welche Haltung sie dem Begehren der chinesischen Re gierung gegenüber eigentlich beobachten sollen. Ob es nun der Diplomatie der AankeeS schon allein gelingen wird, wenigstens runächst einen Waffenstillstand zwischen den beiden kriegführenden Theilen herbeizuführen, dies bleibt freilich abzuwarlen; denn die Chinesen sind im Unterhandeln bekanntlich äußerst zäh und suchen mit echt orientalischer Schlauheit bei solchen Gelegen heiten alles möglichst zu ihren Gunsten zu wenden. Jedenfalls aber ist es immerhin schon ein Gewinn für die etwaigen Friedens unterhandlungen, daß Japan seine Bedingungen für den Frie densschluß bereits formulirt hat. Es sind dies die Festsetzung der vollkommenen Unabhängigkeit Koreas; Zahlung einer Kriegs entschädigung seitens Chinas, Schaffung eines „Pufferstaates" rauschen Korea und China und Abtretung der chinestichen Insel Formosa an Japan. Zur Erfüllung der beiden ersteren Be dingungen ist China schon jetzt geneigt, es würden also die eventuellen Verbandlungen hauptsächlich nur die zwei letzteren Punkte betreffen, doch muß anerkannt werden, daß das sieg reiche Japan auch hierin nicht übertrieben viel fordert. Sollte aber wirklich noch der Friede zwischen China und Japan unter amerikanischer Vermittelung zu Stande kommen, so würde er doch sicherlich noch des „Plaset", der Genehmigung der europäischen Mächte bedürfen. Denn in der Regelung des Streithandels zwischen den beiden ostastatischen Kaiserreichen haben schließlich doch auch die europäischen Mächte, soweit sie eben wichtigere Interessen in Ostasien besitzen, ein Wort mit hineinzmeden und gewiße Rivalitäten würden sich alsdann von selbst aufdrängen. Indessen kann trotzdem eine schließliche fried liche Lösung der verwickelten ostasiatischen Frage nichl bezweifelt werden, welche Hoffnung namentlich in den letzten Tagen durch verschiedene Vorgänge ihre entschiedene Verstärkung erfahren hat. Denn wie schon in der bekannten Rede des englischen Premierministers Lord Rosebery friedliche Töne bei Erörterung der ostasiatischcn Angelegenheiten angeschlagen wurden, so ist dies soeben auch in der bedeutsamen Kundgebung des Ministers Hanotaux in der französischen Depmirlenkammer geschehen, wäbrens daneben die Circulardepesche des russischen Ministers v. Giers erneut die Versicherung einer friedlichen Politik unter Nikolaus II. enthält. Tagesgeschichte. König Christian von Dänemark und Prinz Walde mar von Dänemark trafen auf ihrer Reise zu den Peters burger Beisctzungsfeierlichkeiten am Dienstag Abend 11 Uhr 10 Minuten in Berlin ein. Der betreffende Zug hätte eiaent- lich schon um 8 Uhr 46 Min. auf dem Stettiner Bahnhof ankommen müssen, aber der herrschende orkanartige Sturm be wirkte die^weieinhalbstündige Verspätigung. KaiserWilhelm war schon um '/r8 Uhr mittels Ssnderzuges von Potsdam auf dem Stettiner Bahnhof angelangt, in dessen Fürstenzimmern er dann bis zur endlichen Ankunft der erwarteten dänischen Herr schaften verweilte. Der Kaiser begrüßte dieselben aufs herzlichste und geleitete sie hierauf in das Residenzschloß, da inzwischen der Petersburger Courierzug abgefahren war. Während der Kaiser 12V§ Uhr nach Potsdam zurückkehrte, übernachteten König Christian und Prinz Waldemar im königlichen Schlosse, um dann am Mittwoch Vormittag die Reise nach Petersburg fortzusetzen. Der Kaiser hat unter Verleihung der Brillanten zum Großkreuz des Rothen Adlerordens den Justizminister Or. von Schelling die erbetene Entlassung aus dem Amte ertheiltund dem Oberlandesgerichisprästdentenin Celle, Schönstedt, zum Justizminister ernannt. Die Gerüchte über weiter bevorstehende Veränderungen im Staatsministerium sind unbegründet. Der niedrige Stand der Getreidepreise wird in dem neuen Militäretat zum Ausdruck kommen. Wie nämlich dem „Hamburgischen Korrespondenten" nach verlautet, ist für das Etatsjahr 1895/96 die Ausgabe für die Naturalverflegung der Truppen in Preußen um 10 Millionen Mark niedriger ange setzt, als im Etat 1894/95, und im Reiche um volle 16 Millionen Mark niedriger. Die Gesammtausgabi. für dieses Kapitel des Etats beläuft sich nur auf 56 Millionen Mark. Die Ansätze werden bekanntlich nach den Oktoberpreisen des laufenden Jahres berechnet. Das Kriegsgericht zur Aburtheilung der in Magde burg in Untersuchungshaft gehaltenen Zöglinge der Ober feuerwerkerschule tritt am 16. d. M. zusammen. Fulda, 15. November. In dem Dorfe Wickers ist die neugebaute Kirche eingestürzt. Drei Maurer sind verschüttet. Petersburg. Der Minister des Auswärtigen hat am 9. d. M. an die diplomatischen Vertretungen Rußlands im Auslande folgenden Runderlaß gerichtet: „Unser erhabener Herrscher hat bei der Uebernahme der obersten Gewalt, welche die unerforjchlichen Rathschlüsse der Vorsehung ihm übertragen haben, den festen Entschluß gefaßt, die hohe Aufgabe, die sein geliebter, unvergeßlicher Vater sich gestellt hatte, in ihrem ganzen Umfange zu übernehmen. Se. Majestät wird alle seine Kraft der Entwickelung des inneren Wohlstandes Rußlands weihen und in nichts von der durchaus friedlichen, loyalen und festen Politik abweichen, die so mächtig zur allgemeinen Beruhigung deigetragen hat. Rußland wird seinen Traditionen treu bleiben, mit allen Mächten freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten und fortzusetzen und in der Achtung vor dem Rechte und der gesetzlichen Ordnung die beste Gewähr für die Sicherheit des Staates zu erblicken. Bei Beginn der glorreichen Regierung die jetzt der Geschichte angchöct, bestanden die erstrebten Ziele nur in dem Ideale eines zu seinem eigenen Besten und zu Niemandes Schaden starken und glücklichen Rußlands. Heute beim Beginn einer neuen Regierung bekennen wir uns ^it gleicher Aufrichtigkeit zu denselben Grundsätzen und entstehen den Segen des Herrn, daß diese Grundsätze lange Jahre hin durch Segen bringen und unveränderlich zur Anwendung ge langen. — Sie wollen diese Kundgebungen des Kaisers zur Kenntniß der Regierung bringen, bei dei der sie beglaubigt sind und den gegenwärtigen Erlaß dem Minister der auswätigen Angelegenheit vorlegen. Wie der „Köln. Ztg." aus Petersburg gemeldet wird, ist nunmehr bestimmt, daß der Zar Nikolaus seine Trauung mit der Prinzessin Alix gleich nach der Trauerfeierlichkeit, spätestens aber am 26. d. M. vollziehen wird. Die Beisetzung ist jetzt auf den 20. d. M. festgesetzt. Petersburg, 14. November. Heute trafen hier der König und Prinz Georg von Griechenland mit Gefolge ein. Dieselben wurden vom Kaiser, den Großfürsten Michael Niko- lajewitch, Sergius Alexandrowitsch, Alexis Michailowitsch, Wladimir Alexandrowitsch, Konstantin Konstantinowitsch, von der Königin von Griechenland, dem Prinzen Peter von Olden burg und den Ministern empfangen. Die Ehrenwache bildete eine Rotte des Jsmailowschen Garde-Regiments. Heute traf auch die belgische Deputation unter Führung des Barons Wikees- so hier ein. — Anläßlich der Ausstellung der Leiche des Kaisers Alexander ist die Peter-Pauls-Festung und die Umgebung der selben äußerst belebt. An vielen Stellen innerhalb der Festung steht das Publikum dicht gedrängt. In die Peter-Pauls- Kathedrale wird das Publikum nur in kleinen Abtheilungen hineingelasscn; es herrscht dort feierliche Stille; Alles ist dunkel, ausgenommen der Platz um die Leiche, wo Kerzen auf hohen Leuchtern brennen. Unter den Würdenträgern, welche an dem Sarge die Ehrenwacht hielten, befand sich auch der Botschafter in Berlin, Generaladjutant Gras Schuwalow. Auf den Stufen des Katafalkes liegen unzählige Kränze. Ein Geistlicher verliest Stellen aus dem Evangelium, zwei Diakone halten die Leuchter neben ihm. Das Publikum tritt von beiden Seiten des Sarges an die Leiche heran; man bekreuzigt sich, küßt das Heiligen bild auf der Brust des Verstorbenen und die Hand des Ver ewigten, um dann Anderen Platz zu machen. Bei dem An blick der Leiche beginnen viele zu weinen. Alles dies stimmt tief andächtig und hinterläßt einen wchmüthigen, unvergeßlichen Eindruck. Warschau. General-Gouverneur Gurko reist, obwohl er stark leidend ist, zum Leichenbegängniß des Zaren nach Peters burg. Gurko erstattete dem Zaren Nikolaus Bericht über die politische Situation in Polen, und bezeichnete darin das Ver halten der Polen als politisch höchst gefährlich, und die Ver hängung eines Ausnahmezustandes als unumgänglich. Durch plötzlichen Schneesturm sind in Rußland in der Oreler Gegend mehrere Dörfer verweht. Ueber hundert Leute werden bisher vermißt, manche sind wahrscheinlich erfroren. Auf der Newa ist starker Eisgang, die Schiffbrücken bei Peters burg, auch die nach der Peter Paulkirche führende Brücke sind ausgehoben; im finnischen Meerbusen sind reichliche Eismengen. Der Schneesturm trat völlig unerwartet ein, nachdem bis dahin warmes, regnerisches Wetter geherrscht hatte. Im Lause des Tages schlug plötzlich der Regen in Schnee um, der mit zu nehmendem Winde in solchen Massen herniederwirbelte, daß bald nicht nur Felder, Wege und Stege fußhoch bedeckt waren, sondern auch ganze Dorffchaften im Schnee verweht lagen. Der Frost erreichte dabei gegen Abend 8" und hielt unter immer währendem Schneetreiben bis zum Morgen an. Viele Bewohner waren bei noch warmer Witterung in leichter Bekleidung ausge fahren gewesen, bei der Rückkehr wurden sie von Frost und Schneewehen überrascht und kamen um, da ein Vorwärtsdringen in den Schneemassenunmöglich war. Der Bahndamm mehrerer Eisenbahnen ist an vielen Stellen gänzlich verweht; die Personen züge treffen mit 10 bis 12 Stunden Verspätung ein. Die neue belgische DeputirtenkammeristamDiens- tag ohne Thronrede eröffnet worden. Es gelangte lediglich die Erklärung zur Verlesung, welche die belgische Regierung anläß lich des Todes des Kaisers Alexander von Rußland nach Peters burg gesandt hat. Besondere Zwischenfälle aus dieser ersten Kammersitzung werden nicht gemeldet, die neuen sozialistischen Volksvertreter scheinen sich demnach nicht die vielfach erwartete Demonstration „geleistet" zu haben. Nur im Senate kam es zu einer kleinen Demonstration seitens der Rothen, der sozialistische Senator Desessarts weigerte sich, der hier ebenfalls verlesenen Regierungserklärung anläßlich des Ablebens Alexanders III. zuzustimmen. Die Japaner können mit der fast ohne jedes Blutver gießen gelungenen Eroberung von Port Arthur einen neuen bedeutsamen Erfolg im Kriege gegen China verzeichnen. Der Besitz dieses starken Kricgshafens Chinas ist für die Japaner nicht nur militärisch, sondern auch politisch und diplomatisch höchst nützlich, das letztere dürfte sich bei den eventuellen Friedens verhandlungen Herausstellen. Vaterländisches. Wilsdruff, 15. Novvmber. Vergangenen Dienstag Abend hielt der „Gemeinnützige Verein" zu Wilsdruff in seinem VeremSlokale dem „Hotel zum goldnen Löwen" einen gutbesuchtcn Familienabend ab, bei welchem eine 14 Num mern lange Vortragsordnung zum Gehör der Anwesenden kam. Eingeleitct wurden die Vorführungen durch die von der Stadt kopelle gespielte Ouvertüre zur Oper: Joseph in Egypten von Mehul. Alsdann wechselten Chorgesänge mit Sologesang, Thierstimmcnimmitationen, Couplets, Bauchrednerci und Dekla mationen ab. Das Programm, welches 2 Stunden zur Vor führung in Anspruch nahm, gefiel ausgezeichnet und hielt die Vereinsmitglieder noch über Mitternacht zusammen. Der Verein aber selbst kann sich freuen, einen derartig gelungenen Abend zur Durchführung gebracht zu haben. — Nach '/yjähriger Pause hielt der unter Vorsitz des Herrn Rittergutsbesitzers G. Andrä stehende „Landwirthschaft-