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WchtMM für MMch Thamdt. Uchkn. Mrnlkhn M die Umgegenden. —— Imtsölult für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Milsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich I Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen I Mk. 55 Pfg. — Einzelne Nummern 10 Pfg. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittag 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 94. Dienstag, de« 6. November 1894. Bekanntmachung. Die diesjährigen Mikitair« Einquartierung--Vergütungen sind, soweit dies noch nicht geschehen, spätestens bis den U« dieser Manats gegen Rück gabe der Quartier-Bescheinigungen in der Stadtkämmerei zu erheben. Wilsdruff, am 5. November 1894. Der Stadtrat h. Licker, Brgmstr. Der Thronwechsel in Rußland und die allgemeine Lage. Es ist nur zu begreiflich, wenn sich jetzt anläßlich des stattgefundenen Thronwechsels in Rußland allseitig die Frage erhebt, welche Wirkung dieses wichtige Ereigniß vor Allem auf die auswärtige Politik des Czarenreichcs und hiermit auf die weitere Gestaltung der internationalen Lage äußern werde. Czar Alexander III. galt mit Recht überall als ein Hort des Völkerfriedens und wenn sich gerade unter seiner Regierung die anfänglich so bedrohlich erscheinende Annäherung zwischen dem nordischen Riesenreiche und der französischen Republik vollzog, so hat sich der verstorbene Czar hierdurch doch niemals bestimmen lassen, die Bahn kriegerischer Abenteuer zu betreten. Immer wieder leistete er den auf dieses Ziel gerichteten Anforderungen deS Panslavismus und der russischen Kriegäpartei bestimmten und erfolgreichen Widerstand, so daß während der letzten Re gierungsjahre des dritten Alexander die Politik Rußlands in den verschiedenen schwebenden internationalen Problemen sogar eine deutlich ausgeprägte reservirte Haltung bekundete. Der unter so tragischen Verhältnissen aus dem Leben ab gerufene Herrscher war also politisch eine bekannte Größe, man duifte ihn als eine der Säulen des europäischen Friedens bezeichnen. Wie aber wird sich sein ältester Sohn und Nach folger, der jetzt als Czar Nicolaus II. den Thron der Romanow bestiegen hat, zu denjenigen Fragen der Wcltpolit'k stellen, von Innen mehr oder weniger die Erhaltung der Harmonie zwischen den maßgebenden Staaten und Völkern Europas abhängt? Noch ist er politisch ein fast gänzlich unbeschriebenes Blatt, denn was man bis jetzt über die politischen Neigungen des jugendlichen Selbstherrschers der Russen vernommen hatte, das klang theils zu unbestimmt, theils zu widerspruchsvoll, um schon hieraus einigermaßen zutreffende Schlüsse auf seine künf tige Politik nach außen ziehen zu können. Inzwischen hat Czar Nicolaus II. sein Manifest an die russische Nation ver öffentlicht und die frtedeathmenden Versicherungen dieser ersten Kundgebung des jugendlichen Czaren lassen allerdings erkennen, daß er gewillt ist den Welthändeln gegenüber an den fried lichen Traditionen seines Vaters festzuhaltcn, und gleich ihm ein Friedensschirmer zu sein. Aber, wird der kaum 26jährige Herrscher, in dessen Hände die ungeheuere Machtfülle des russischen Reiches gelegt worden ist, von derselben auch wirklich den verheißenen Gebrauch machen, wird er in der That die ruhigen zielbewußten Wege in der auswärtigen Politik wandeln, die bereits sein unglücklicher Va ter ging? Niemand vermag schon hierauf eine bestimmte Ant wort zu ertheilen, noch gleicht Nicolaus II. als Regent und Weltpolitiker dem Buch mit sieben Siegeln, vielleicht, daß erst die Wahl seiner politischen Berather einen erstmaligen zuver lässigen Aufschluß hierüber bringen. Jedenfalls wird sich aber an verschiedenen Stellen des gegenwärtigen Bildes der inter nationalen Lage wohl bald zeigen, ob nunmehr eine kräftigere Betonung der Weltstellung Rußlands zu erwarten steht. Auf der Lalkanhalbinsel sind es hauptsächlich Bulgarien und Ser bien, die in dieser Beziehung Prüfsteine für die weitere Halt ung der russischen Politik abgeben dürften, während daneben die kriegerischen Wirren in Ostasien und ferner die sich leise wieder bemerklich machenden afghanischen Angelegenheiten gewiß reichliche Gelegenheit geben werden, den Charakter der auswär tigen Politik Rußlands unter Nicolaus II. kennen zu lernen. Zunächst bleibt jedoch vor Allem abzuwarten, wie sich dieselbe einerseits zu dm Mächten des Dreibundes, anderseits zu Frank reich stellen wird und hierbei ist wiederum für Deutschland speziell die Frage nach der weiteren Entwickelung seines Ver hältnisses zu Rußland natürlich von besonderem Interesse. Nun, voiläufig wenigstens kann da wohl der bestimmten Hoff nung auf die Fortdauer der noch unter Alexander III. einge- tretcnen freundlicheren Wendung in den deutsch-russischen Be ziehungen Ausdruck verliehen werden. Hat sich doch Czar NckolauS II. seine künftige Lebensgefährtin aus der Reihe der deutschen Fürstentöchter auserwählt und gilt er doch im All gemeinen als zu Deutschland hinneigend, obwohl sich letztere Annahme einstweilen eigentlich nur als eine Muthmaßung charakterisirt. Deutscherseits aber wird gewiß nichts unterlassen werden, um das eingeleitete bessere Verhältniß zu dem mäch tigen Nachbarreiche im Osten zu erhalten, worauf schon die warmen Aeußerungen Kaiser Wilhelms in Stettin über die alte deutsch-russische Waffenbrüderschaft und über Czar Nico laus II. hindeuten. Tagesgeschichte. Berl in, 3. November. Der „Reichsanzeiger veröffentlicht die Verordnung, wonach unter Aufhebung des für den Zu sammentritt des Reichstages durch eine Verordnung vom 23. Oktober bestimmten Termins der Reichstag am 5. Dezember einberufen wird. Die neue Ta bakfabrikatst c» er-V orlage ist, wie die „Nat.-lib. Korr." aus zuverlässigster Quelle hört, den Ein- zelstraten zugegangen und wird nächstens an den Bundesrath gelangen. Sie enthält gegenüber dem vorjährigen Entwürfe wesentliche Aente.ungen. Zunächst ist der Mehrertrag gegen die bisherige Tabakbesteuerung auf 30 bis 35 Millionen Mark berechnet (anstatt 45 Millionen) und dementsprechend sind die Steuersätze ermäßigt. Diese betragen in dem neuen Entwürfe für Cigarren und Cigaretten 25 Prozent (statt 33 V3 Prozent) für Kau- und Schnupftabak 33^ (statt 50), für Rauchtabak 50 (statt 66'^3) Prozent. Auch die Nachsteuer ist von 9 auf 6 Millionen herabgesetzt. Die Jnlandsteuer fällt, wie auch im früheren Entwürfe, weg, der Zoll für ausländischen Rohtabak wird in der Höhe des vorigen Entwurfes, 40 M. für tOO lc^, beibehalte». Bei den Kontrol-Vorschriften treten wesentliche Erleichterungen bei Pflanzern und Händlern ein. In diesen Tagen hat sich eine Verhandlung vor einem Berliner Gerichte abgespielt, die ein eigentümliches Licht auf gewisse Rcchtszustände wirft. In einem Vergnügungs lokale ist es bei einem Feste zu einem Zusammenstoß zwischen Soldaten und Civilisten gekommen. Deshalb wird ein Straf verfahren sowohl vor dem Militärgerichte als vor dem bürgerlichen Strafgerichte eingeleitct. Die Soldaten werden, weil Noth wehr vorgelegen habe, sämmtlich freigesprochen, weil das Mi litärgericht den militärischen Zeugen glaubt, den bürgerlichen nicht. Am Mittwoch stehen die betheiligten Civilisten unter der Anklage gemeinschaftlicher Körperverletzung vor dem bürger lichen Gerichte. Die Soldaten werden als Zeugen vernommen, denn ihrer einer hatte die Strafanzeige erstattet, und jetzt ver nimmt dieses bürgerliche Gericht wiederum sämmtliche Zeugen und spricht die Civilisten frei, weil sich nicht irgend eine Mi litärperson, sondern vielmehr der erste der angeklagten Civilisten in der Nothwehr befunden habe und sämmtliche bürgeriichen Angeklagten nicht das geringste Verschulden treffe. Die Ur theile beider Gerichte sind miteinander nicht vereinbar. Ent weder das eine oder das andere muß sich geirrt haben. Wien, 3. November. Sämmtliche Blätter besprechen das Manifest des Kaisers Nikolaus II. mit großer Genugthuung und heben besonders den auf die friedliche Entwickelung be züglichen Passus hervor. Das „Fremdenblatt" schreibt: „Nikolaus II. leitet seine Regierung mit einem Worte des Friedens ein, welches in Rußland und ganz Europa mit Be friedigung und festem Vertrauen ausgenommen werden wird." Die „Neue Freie Presse" sagt: „Durch das Manifest geht ein Ton wohlthuender Pietät und Mäßigung." Das „Wiener Journal bemerkt: „Europa begrüßt in dem jungen Herrscher einen Friedensfürsten." London, 3. November. Ein heute ausgegebenes Hof- cirkular besagt: Ihre Majestät bat mit tiefstem Schmerze die betrübende Nachncht von dem Tode des Kaisers von Rußland empfangen. Die Königin, die mit der russischen Kaiserfamilie durch so viele Bande verknüpft ist, ist von der innigsten Theil- nahme für die Kaiserin, ihre ganze Familie und für den jungen Kaiser erfüllt, der in naher Zeit durch seine Vermählung Enkel der Königin werden wird und für den Ihre Majestät auf richtige Liebe und Hochachtung hegt. Die Hoftrauer wird aus einer vierzehntägigen tiefen Trauer und einer ebenso langen Halb- irauer bestehen. Petersburg, 2. November. Der „Regterungsbote" veröffentlicht ein Manifest des Kaisers Nikolaus II., worin es nach der Mitiheilung von dem Ableben seines Vater heißt: „Möge das Bewußtsein Uns trösten, daß Unser Leid das Leid Unseres ganzen geliebten Volkes sei, und möge das Volk nicht vergessen, daß die Kraft und Festigkeit des heiligen Rußlands in seiner Einigkeit mit Uns und in unbegrenzter Ergebenheit für Uns liegen. Wir aber erinnern Uns in dieser traurigen, aber feierlichen Stunde der Besteigung des urväter lichen Thrones des russischen Reiches und des mit ihm unzer trennlich verbundenen Zarenthums Polens und des Großfirsten thums Finnlands des Vermächtnisses Unseres entschlafenen Vaters, und von ihm erfüllt thun Wir vor dem Angesicht des Allerhöchsten das Gelübde, stets als einziges Ziel die friedliche Entwickelung, die Macht und den Ruhm des theuren Rußlands, sowie die Beglückung aller Unserer theuren Unterthanen zu haben." Das Manifest schließt mit dem Befehle, den Treueid zu leisten ihm, dem Kaiser Nikolaus II., und seinem Nach folger, dem Großfürsten Georg Alexandrowitsch, der auch solange als Thronfolger zu tituliren sei, bis Gott die mit der Prin zessin Alix von Hessen einzngehende Ehe des Kaisers mit einem Sohne segne. Der älteste Sohn des verstorbenen Zaren Alexander lll. hat am 1. November unter dem Herrschernamen Nikolaus II. den Thron Rußlands bestiegen und es ist dies heute in einem durch den Petersburger „Regierungsboten" veröffentlichten Manifeste dem russischen Volke verkündet worden. In der Kundgebung ist betont, das einzige Ziel des Zaren sei die friedliche Entwickelung, die Macht und der Ruhm Rußlands. Diese Worte erscheinen von besonderer Bedeutung für da- Ausland; allseitig wird es gut ausgenommen werden, daß die friedliche Entwickelung in den Vordergrund gestellt ist. Es verwirklicht sich hoffentlich die von der Presse schon früher allgemein ausgesprochene Ansicht, daß mit dem Thronwechsel weder eine Aenderung in der auswärtigen Politik, noch in der Finanzpolitik des nordischen Reiches eintreten werde. Von dem jetzigen Zaren wurde gesagt: er sei entschieden deutschfreundlich, die revanchelustigen Franzosen hätten noch weniger von ihm zu erwarten als von seinem Vater, der Dreibund habe nichts zu fürchten. Nur die innere Politik Rußlands gehe möglicher weise einem Umschwünge entgegen, der, wenn der neue Zar die Kraft habe, ihn durchzuführen, zum Wohle des großen Reiches gereichen werde. Hierüber enthält oas Manifest Niko laus II. keinerlei Andeutung, erst die kommenden Regierungs handlungen des Zaren können einen sicheren Anhalt dafür geben, inwieweit die Annahme der Blätter zutreffend ist. Was Deutschlands Verhältniß zu Rußland anbelangt, so betont man heute von offiziöser Seite aus Berlin, Deutschlands Schuld würde es nicht sein, wenn die Hoffnung, Rußland möge den schweren Schicksalsschlag, von dem es heimgesucht worden, ohne ernstere Nachwehen überstehen, unerfüllt bliebe. Die herzliche Theilnahme, welche Kaiser Wilhelm, die deutschen Fürsten und das deutsche Volk den leidensvollen Vorgängen in der russischen Kaiserfamilie widmeten und zu widmen fortfahren, die Ver mählung einer deutschen Prinzessin mit dem jetzt regierenden russischen Herrscher, endlich, um auch das politische Moment nicht zu vergessen, die noch in den letzten Lebenslagen deS dahingeschiedenen Monarchen bewirkte Aufhebung dis Verbots der Lombardirung russischer Werthc, seien ebensovielc und gewichtige Bürgschaften des überall in Deutschland genährten Wunsches, die kommende Gestaltung der russischen Dinge möge zur vollen Wiederherstellung der guten freundnachbarlichen Beziehungen der beiden Reiche führen, welche sich in kritischen Tagen schon so manches Mal zu beiderseitigem Nutzen und Frommen bewährt haben. Das „Journal de St. Petersbourg" schreibt: Das russische Volk verlor einen gerechten, guten und gnädigen Monarchen, den es mit grenzenloser Liebe, Verehrung und Dankbarkeit umgab. Der Monarch erhob Rußland zur Stufe nationaler Entwicklung, zu Ansehen und Macht. Alexanders Regierung sei mit goldenen Lettern in der Geschichte verzeichnet. Der Schmerz Rußlands werde Wiederhall finden im Ausland, «0 Alexander allgemein geachtet sei als allmächtiger Schützer deS Friedens. — „Rußky Invalid" schreibt: DaS Gedächtniß des Herrschers, dessen ganze Seele dem Wohle deS Volkes, dem