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Wochenblatt sm Wilsdruff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post ' bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne j Nummern 10 Pf. Tharandt, Men, Menlehn md die Umgegenden. — Imtsblall Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. JnsertionsvreiS 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 74. Freitag, de« 14. September 1894. Bekanntmachung, die Wegebefferungen im Jahre 1895 betreffend. Die zum Bezirke der unterzeichneten Königlichen Amtshauptmannschaft gehörigen Stadt- und Landgemeinden sowie Gutsbezirke werden hierdurch veranlaßt, bis spätestens den 1. Oktober dieses Jahres anher anzuzeigen, ob und welche Herstellungen an den Communikationswegen sie im nächsten Jahre vorzunehmen gedenken. rvegeban-Unterstützungsgesuche sind unter genauer Angabe der zu bessernden Wegestrecken, der Länge und Breite derselben sowie der voraussichtlichen Baukosten und der früher gewährten Unterstützungen bis zu"demselben Zeitpunkte anher einzureichen. ^svniulare zu den vorgedachten Wezebauanzeigen können von der Kanzlei der Königlichen Amtshauptmannschaft bezogen werden. Meißen, am 1. September 1894. Königliche Amtshauptmannschaft. von 8ol»vootvv. Tagesgerichte. Die Kaiser-Manöver zwischen dem 1.(ostpreußischen) und dem 17. (westpreußischen) Armeekorps haben nach drei tägiger Dauer am Mittwoch ihren Abschluß erreicht. Diese völlig kriegsgemäß durchzeführten großen Truppenübungen haben durch ihren glänzenden Verlauf die Waffentüchtigkeit und Leistungs fähigkeit der deioen betheiligt gewesenen Armeekorps ins hellste Licht gesetzt und auch die Zuverlässigkeit ihrer Führung zur Genüge erkennen lassen. Mit Zuversicht kann daher das deutsche Volk auf die zwei Armeekorps, welche in den nordöstlichen Grenz marken des Reiches Wacht halten, blicken, sie werden im Ernst fälle gewiß in vollstem Maße ihre Pflicht thun. Eine besondere Auszeichnung wurde dem ersten Armeekorps am zweiten Manövec- tage, am Dienstag, dadurch zu Theil, daß der Kaiser selbst den Oberbefehl über das Corps übernahm und dasselbe zum Siege in dem lehrreichen Scheinkampfe führte. Leider konnten die erlauchten Gäste des Kaisers, König Wilhelm von Württemberg und Prinz-Regent Albrecht von Braunschweig, infolge einer Erkältung, von welcher beide Fürstlichkeiten befallen worden waren, den Kaisermanövern nur zum kleinsten Theile beiwohnen. Mit dem Abschluß der Kaisermonöver ist auch der Aufenthalt des Kaiserpaares in Ostpreußen zu Ende gegangen. Die Kaiserin reiste am Mittwoch Abend von Königsberg nach dem Neuen Palais bei Potsdam zurück, während sich der Kaiser nach Swinemünde begab, um den großen Flottenübungen vor Swinemünde beizuwohnen. Noch am Mittwoch Nachmittag hatte der König von Württemberg, nach herzlichster Verab schiedung von den kaiserlichen Majestäten, von Braunsberg aus die Heimreise angetreten. Die Zeitungspol emik anläßlich der Rede des Kaisers in Königsberg geht noch in lebhaftem Tempo weiter. Namentlich wird in den Blättern jetzt die Frage erörtert, ob und inwieweit die Mahnworte des Kaisers an die altpreußischen Conservativen einen Umschwung in der bisherigen oppositionellen Haltung der extremen Rechten zur Folge haben würde. Es scheint nun, daß eine solche Schwenkung noch auf sich warten lassen werde, denn in den maßgebenden Preßorganen der Rechten wiegen zunächst die Stimmen vor, welche fordern, daß die Con servativen und die ihnen gesinnungsverwandten Elemente trotz aller schuldigen Loyalität gegenüber dem erlauchten Träger der Krone in ihrer bisherigen politischen Stellungnahme verharren müßten. Sollten die Befürworter des Festhaltens an einer sülchen oppositionellen Taktik der Rechten mit ihren Anschau ungen durchdringen, dann könnte der herannahende parlamen tarische Winter allerdings mancherlei interessante Ueberraschungen bringen. Das am 1. Mai dieses Jahres in Kraft getretene Gesetz über die Aufhebung des Identitätsnachweises im Getreidever- kchr hat sich bereits nach den Erfahrungen des ersten Viertel jahres wohl bewährt. Die früher sehr bedeutende Ausfuhr deutschen Getreides, die insbesondere nach England und den skandinavischen Ländern ging, war hauptsächlich infolge der hohen Zölle fast vollständig verschwunden. Im vorigen Jahre war die Ausfuhr an Weizen und Roggen auf 89 Doppelzentner s gesunken. Jetzt hat sich in dem ersten Vierteljahre (Mai bis Juli) die Ausfuhr an Weizen bereits wieder auf 256217 und^ die Ausfuhr an Roggen auf 196594 Doppelzentner gehoben. Dies stellt eine Ausfuhrmenge bar, wie sie seit langen Jahren von fern nicht mehr erreicht worden. Es zeigt sich daraus, daß jetzt hierin wieder ein Geschäft möglich ist und einer er freulichen Blüthe entgegengeht, welches vollständig erdrückt ge- wesen war, jetzt aber wieder bedeutende Vortheilc für dieLand- wwlhschaft, den Handel und die Rhederei, namentlich in unseren bei der Ausfuhr besonders betheiligten östlichen Provinzen verspricht. Die Gewährung von Freifahrtscheinen an unbemit-^ telte Urlauber ist eine Frage, welche die Militärverwaltung rhunlichst bald in den Kreis der Erwägung ziehen sollte. Diese Frage tritt durch die Verlegung vieler Regimenter aus dem Re krutirungsbezirke in die Grenzprovinzen, namentlich aber auch nach Elsaß-Lothringen, in den Vordergrund. Der Soldat, der aus weiter Ferne zum Dienst herangezogen wird, ist offenbar gegen seine Kameraden, die in der Nähe des häuslichen Herdes bleiben können, im Nachtheile, und es erfordert eigentlich schon die ausgleichende Gerechtigkeit eine Schonung der wirthschaftlichen Kräfte der durch die weite Entfernung aus dem Heimathsorte Betroffenen. Das Recht auf Urlaub ist ein dem Soldaten zustehendes natürliches Recht, gute Führung und genügende Leistung vorausgesetzt. Verbieten ihm die eigenen finanziellen Kräfte die Ausnutzung dieses Rechtes durch zu weite Entfernung von den Angehörigen und die damit erwachsenen erheblichen Kosten, so erwächst zweifelsohne für die Militärverwaltung, die aus strategischen Gründen den Dienstort bestimmt, eine mora lische Verpflichtung zur möglichsten Schadloshaltung der also betroffenen unbemittelten Heerespflichtigen. Für das Reich wür den die Kosten einer einmaligen jährlichen Urlaubsreife nicht erheblich sein, während sie für einen großen Theil der aus är meren Gegenden stammenden Leute geradezu unerschwinglich sind. Der unbemittelte Soldat, dem es bei Gewährung freier Fahrt möglich ist, gleich seinen bemittelten Landsleuten auch einmal zur heimathlichen Scholle zurückzukehren, wird dadurch auch er heblich an Becufsfreudigkeit gewinnen, während er andererseits gegen das Gefühl einer gewissen Bitterkeit schwerlich mit Erfolg ankämpfen wird. Vor mehreren Monaten hatte der Gouverneur von Deutsch- Ostafrika, Frhr. von Schele, mit Hülfe der ihm zur Verfügung stehenden Flottille die Kiongabucht von Sklavenhändlern ge säubert. Die Kiongabucht liegt nördlich vom Kap Delgado, das nach dem Kiepertschen Kolonialatlas der Südpunkt der Küste des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes ist. Portugal erhob Einspruch gegen das Vorgehen des deutschen Gouver neurs und machte Ansprüche auf die Kiongabai geltend. Man sprach damals von einer schiedsrichterlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden interessirten Staaten. Wie zu erwarten war, ist der „Zwischenfall" ohne die Hinzuziehung Dritter ge löst. Wie telegraphisch mitgetheilt, ist zwischen Deutschland und Portugal vereinbart worden, daß als Grenzlinie der Breiten grad 10" 40' von der Küste westlich bis zum Rovuma gilt; so daß die Rovumomündung und Kionga Deutschland zufällt, Kap Delgado dagegen den Portugiesen verbleibt. Der portu giesische Generalzouverneur ist angewiesen worden, Kionga zu räumen. Deutschland hat durch dieses Abkommen noch einen ungefähr 20 Irin langen Streifen an dem Südufer des sich in breiter Strömung ins Meer ergießenden Rovuma erhalten; im Uebrigen ist der beiderseitige Besitzstand unverändert geblieben. Aus Deutsch-Ostafrika meldete ferner ein Telegramm des stellvertretenden Gouverneurs aus Dar-es-Salaam, daß am 7. September aufrührerische Mawudji versucht haben, Kilwa zu überfallen, jedoch zurückzewiesen worden sind. Lazarethgehütfe Thelips und vier Askaris wurden verwundet. Um einer Wieder holung der Angriffe vorzubeugen, haben sich die in Deutsch-Ost afrika stationirten Kriegsschiffe „Seeadler" und „Möwe" an Ort und Stelle begeben. Nach englischen Meldungen soll auch Lmdi bedroht fein. Kilwa liegt ungefähr, in der Luftlinie ge messen, 210 Km südlich von Dar-es-Salaam, Lindi 140 km südlich von Kilwa. Es handelt sich um Kilwa-Kivindje auf dem Festland, das Militärstation und Bezirkshauptort ist und nicht verwechselt werden darf mit dem wenige Kilometer davon auf einer Insel gelegenen Kilwa-Kisiwami, wo sich nur die Poststation befindet. Der Gouverneur Freiherr v. Schele ist vor wenigen Wochen zu einer neuen Expedition gegen die Wahehe aufgebrochen; ein Theil der Besatzung von Kilwa ist dabei. Die englischen Nachrichten, die auf größere Unruhen an der Küste schließen lassen, sind wahrscheinlich übertrieben. Es dürfte sich um lokale Ausschreitungen der Eingeborenen bei Kilwa handeln, die sich durch die Verminderung der Schutz truppe in Kilwa ermuthigt fühlten. Der Name der Mawudji ist auf den Karten des Kolonialatlas nicht zu finden; es scheint sich nur um einen unbedeutenden Küstenstamm zu handeln. Die sich auch in Schlesien zeigende Choleragefahr nimmt einen etwas bedenklichen Charakter an. Der Regierungs präsident in Oppeln ordnete wegen der wachsenden Cholerage fahr die völlige Sperrung der russischen Grenze an. Kürzel, 10. September. Der Bezirksprästdent über reichte heute vor versammelter evangelischer Gemeinde eine Prachtbibel, welche I. Maj. der Kaiser und die Kaiserin zum heutigen Gedenktage des vorjährigen ersten deutschen Gottes dienstes in der alten Hugenottenkirche geschenkt hatten. An die Uebecgabe der Bibel schloß sich ein kurzer Gottesdienst an. Die Streiktaktik der britischen Sozialrevolutionäre fängt an, ihre beabsichtigten alarmirenden Wirkungen hervorzubringen. Infolge des Ausstandes der schottischen Kohlenbergleute steht in verschiedenen Fabriken des Landes der Schluß unmittelbar bevor. Andere dürften nachfolgen und dadurch massenhaft Arbeiter beschäftigungslos und erwerbslos werden. Fürsorge für das wahre Interesse der Arbeiter bekundet, wie man steht, die Sozialdemokratie jenseits des Kanals ebenso wenig, wie bei uns, wo dec „Vorwärts" mit schmunzelndem Behagen re- gistcirt, wenn dank dem Bierboykottunfug bald von der einen bald von der anderen Brauerei Arbeiter wegen Mangels an Beschäftigung entlassen werden müssen. Dazu kommen die provokanten Beschlüsse des nunmehr geschlossenen Norwicher Kongresses der britischen Gewerkvereine, welche eingestandener maßen England auf dem direktesten Wege in den Strudel der fofialen Revolution führen sollen. Von den Londoner Anarchisten hat man seit einigen Tagen weniger gehört. Sie scheinen ganz damit zufrieden, daß ihnen die offiziellen Führer der britischen Arbeiterbewegung so wirksam vorarbeiten. Paris, 10. September. Der Ministerrath unter dem Vorsitze Castmir-Perier beschloß, die Bewilligung von 20 Millionen zu beantragen, behufs eines neuen Feldzuges gegen Madagaskar. Der Herzog von Orleans sandte folgendes Telegramm an die Chefs der regierenden Häuser: „Ich habe den Schmerz, Eurer Majestät, den Tod meines Vaters Philipp Grafen von Paris, anzuzeigen. Gottergeben starb er in Stowehouse am 8. September. Philipp." Es sind bereits mehrere Antworten eingetroffen. Namens der Familie ist der junge Philipp durch den Herzog von Nemours als Chef des Hauses Frankreich an erkannt worden; es erfolgte ein förmlicher Huldigungsakt. — Das Begräbniß erfolgte am Mittwoch in der Meybridge Kapelle, wo auch Louis Philipp und die Königin ruhten, bis sie nach Dreux übergeführt wurden. — Der „Gaulois" meldet: Kurz vor dem Tode des Grafen von Paris beugte sich der Herzog von Orleans über das Bett mit den Worten: „Ich bin's, Vater, ich komme, Ihnen zu sagen, daß ich nichts vergessen werde, was Sie mir anvertrauten. Meine Gedanken folgen Ihnen, so lange ich lebe, ich kenne meine Pflichten gegen Gott und Frankreich und werde treu sein." Die Franzosen rüsten sich bereits zu dem neuen Kriege auf Madagaskar, der am Horizonte der französischen Colonialpolitik allerdings schon längst in Sicht gekommen ist. Zunächst sind vier Kriegsschiffe zur Verstärkung des französischen Geschwaders im Indischen Ozean in den Gewässern von Mada gaskar bestimmt worden. Doch ist in den leitenden Pariser Kreisen bereits auch eine förmliche Expedition nach Madagaskar beschlossen worden, für den Fall, daß der als Unterhändler der französischen Regierung nach Madagaskar entsandte Deputirte Le Myre de Vilers mit seiner Aufgabe, die dortige Howas- Regierung zur Anerkennung der von Frankreich erhobenen An sprüche zu veranlassen, scheitern sollte. Es würden alsdann unverzüglich zwei Brigaden unter dem Oberbefehle des Generals Borguis nach Madagaskar abgehen. Der in dem österreichischen Seebade Abbazia «eilende russische Finanzminister Witte hat in einer Unterredung mit einem von ihm empfangenen Mitarbeiter der „Neuen Fr.