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Zweites Blatt. Wochenblatt ßr Wbmff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne j Nummem 10 Pf. TharM Ma. Sikbtnlkhn mb die UaiMadea. -r- Imlsölnü —- Inserate werden MentagS und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltenr Corpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannfchaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, No. 14. sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Freitag, den 16. Februar 1894. Zur Erinnerung an Philipp Melanchthon, Luthers Freund und Mitarbeiter, auch Deutschlands Lehrer ge nannt, geb. 16. Februar 1497. Bor dreihundert sieben neunzig Jahren Trat Melanchthon einst in'« Leben ein. Da des Schülers Gaben ruhmvoll waren, Rieth Reuchlin, den Sprachen sie zu weihn. Siebzehnjährig fing er an zu lehren; Mündlich, schriftlich that sein Geist sich kund; Scharfsinn schloß mit Gründlichkeit den Bund; Wittenberg berief ihn früh mit Ehren. — Fand man ihn am Körper zart und schmächtig, Unansehnlich klein, fast knabenhaft: War doch die Gelehrtheit übermächtig, Und sein Vortrag wirkte flegelhaft. In der Forschung rang er ernst nach Klarheit; Sein gereiftes Urteil mied den Wahn, Brach durch Finsternis zum Licht sich Bahn, Und entschied sich für die Himmelswahrheit. Luther hieß als Helfer ihn willkommen, Wie als Hort der Universität; Ja, er hat den Jüngling selbst genommen Zum „Doccnt, der Griechisch ganz versteht/ Treulich blieben in der Freundschaft Frieden Beide lebenslang einander treu: Wort- und Thatbeweis ward täglich neu, War auch Stimmung und Gefühl verschieden. Eifrig strebten Beide, sich zu stützen, Beide lernten von einander viel. Durch „Reformen" Kirch' und Schul' zu nützen Nahm ihr Wettfleis sich zum festen Ziel. Ihre Tugenden und ihre Schriften, Ehren wir als doppeltes Vermächtnis, Und im Segen bleibt uns ihr Gedächtnis, Da sie fort und fort nur Gutes stiften. O schauet doch an diesem Doppelbild Glaube, Liebe, Hoffnung, Wahrheitssinn Als der Christusjünger Heilsgewinn! Das ist fürwahr der echten Christen Bild! Tante Hanna s Geheimnitz. Original-Roman von E. v. Linden. (Nachdruck verboten.) - (Fortsetzung.) Der Forstgehilfe schritt kräftig aus und so erreichten sie bald ihr Ziel und kehrten ebenso rasch mit dem Knechte und zwei Bahren an den Unglücksort zurück. Als die Verwundeten aufgehoben wurden, stöhnten sie plötzlich laut auf, was den Förster mit stiller Befriedigung erfüllte, und Schulze seine Schmerzen vergessen ließ. Da der brave Förster selber Hand mit anlegte, so ging der schwierige Transport sicher und glück licher von Statten, als man's gefürchtet, und die Verwundeten lagen so gut als möglich gebettet, als Doktor Peters erschien. Der Wagen, welcher von Rotenhof abgeschickt worden, war ihm zum Glück unterwegs begegnet, da er nach Edenheim fuhr. Er sagte kein Wort zu der grausamen Bescheerung, konnte aber ein Erschrecken nicht unterdrücken und schien das Resultat der Untersuchung sehr bedenklich zu finden. Marbach hatte eine schwere Wunde am Hinterkopf und eine Zerschmetterung des linken Armes davongetragen, während dem alten Reinhardt die rechte Gesichtshälfte verbrannt und die Schulter zerrissen worden war. „Das sind ja wahrhaft mörderische Wunden," begann der Doktor endlich, nachdem er mit dem Verbinden fertig war, „Reinhardt wird wohl nach Rotenhof transportirt werden können, mit Marbach wäre das aber ein Risiko —" „Dann bleibt er natürlich hier, Herr Doktor!" unterbrach ihn der Förster. „Wäre mir lieb, werde für die Krankenpflege sorgen und einen tüchtigen Heilgehilfen mitbringen. Muß heute noch ein mal herauskommen, weil der Arm mir schwere Sorge macht." „Wird er durchkommen, Herr Doktor?" Dieser zuckte die Achseln. „Er lebt ja noch, und so lange dürfen wir auch hoffen. Habe meine Vorschriften auf diesen Zettel notirt, werden sich genau darnach richten müssen. Mein armer alter Reinhardt wird auch tüchtig leiden, verdammte Geschichte, wenn wir ihm das Auge nur retten. Erzählen Sie mir doch jetzt, wie es eigentlich zugegangen ist, Herr Förster!" „Das wird der Mann mit dem blutigen Gesicht am besten berichten können, Herr Doktor?" erwiderte der Förster. „Es ist eine räthselhafte Geschichte, diese Gegend wird ja unheimlich verrufen." Sie traten vor die Thür, wo Schulze auf der Bank mit einer Waschschüssel saß und das Gesicht kühlte. „Na, Freund Schulze, lassen Sie erst mal den Riß be schauen und dann erzählen Sie mir die Geschichte," sprach der Doktor, zu ihm tretend. „Sieh', das ist gottlob nicht gefährlich, ein Stückchen Fleisch ist d'rauf gegangen und dann der kleine Aderlaß. Hier hängt der kleine Fetzen noch, nun passen Sie auf." Er zog Heilpflaster aus seiner Verbandtasche und klebte den abgerissenen Fetzen Fleisch damit fest. „So, Mann, nun wird's schon anheilen. Erzählen Sie mir recht von Anfang an, wie das Schreckliche denn eigentlich passiren konnte." Schulze erzählte so ausführlich als möglich und der Doktor hörte auzmerksam zu. „Da wird so ein Teufelsbraten von Junge zum Spaß irgend einen Geschoß mit einer Zündschnur gelegt und diese aus Spielerei angesteckt haben," rief er in Hellem Zorn, „könnte man dem Racker doch auf die Spur kommen. Sie können mit mir nach Hause fahren, Schulze? — Werde sofort bei der Polizei die Anzeige machen, Sie müssen natürlich als Haupt zeuge dabei sein. Man wird nachgerade ängstlich dabei, sich irgendwo noch hinauszuwagen, wenn man am Hellen Tage nicht mehr sicher ist, todgeschossen oder von einem sonstigen Spreng geschoß getroffen zu werden. Adieu, Herr Förster!" setzte der Doktor hinzu. „Es bleibt dabei, ich komme heute, mit den nöthigen Rüstzeug versehen, noch einmal wieder." * * Wochen waren seit diesem zweiten Ereigniß, das nicht allein die Stadt und Umgegend, sondern auch die Presse alle Welt in Aufregung und Verwunderung gesetzt hatte, vergangen und noch immer war es nicht gelungen, dieses sowohl als die Mordschüsse im Hohlwege aufzuklären oder irgend eine Spur der Thäter zu entdecken. Wenigstens verlautete nicht das Ge ringste darüber in der Oeffentlichkeit. Während Warneck und die kleine Lotta längst im Schooß der Erde ruhten, ersterer nach Marbach's Willen im Park von Rotenhof, letztere auf dem Friedhof der Stadt, lagen die beiden im Gebirge Verwundeten noch immer zwischen Tod und Leben, da auch Reinhardt's Zustand sich wider Erwarten sehr ernst und bedenklich gestaltet hatte. Marbach's linker Arm war abgenommen worden, während die Wunde am Hinterkopfe einen noch gefähr licheren Charakter angenommen hatte und seine Wiederherstellung geradezu in Frage stellte. Er lag noch immer in Fieberphan tasien und erging sich in wilden Drohungen und Anklagen gegen einen Feind, dessen Namen er niemals aussprach. „Ganz natürlich," sagte der Doktor, „die unheimlichen Ereignisse, welche sich ja förmlich auf einander gehäuft haben, mischen sich doch in seine Fieberträume und wälzen sich wirr und toll in seinem Gehirn umher. Wenn wir das Fieber nur erst gebannt hätten." „Ja. das bringt ihn ganz herab," erwiderte der Heilge hilfe. „Es ist merkwürdig, daß er fortwährend von einem blutigen Jndianerschnitt pl.antasirt, darum dreht sich alles Andere wie um ein Centrum." „Lieber Gott, das ist ja ganz erklärlich, wenn nur die vertrackte Wunde im Gesicht säße, so aber wälzt er den Kopf umher und vereitelt jede Heilung. Es wird doch nöthig sein, ihn auf irgend einen Weise festzuschnallen." „Habe auch darüber nachgedacht, Herr Doktor! — Wie wär's zum Exempel mit einem Verbandschutz?" „Sie meinen eine Vorrichtung, welche das Verschieben desselben verhindert?" 'Ganz recht —" „Ich will mit einem Bandagisten darüber reden," sagte der Doktor zustimmend. „Mil dem armen Herrn Reinhardt in Rotenhof habe ich immerhin leichtere Arbeit, da er fieberfrei ist, aber seltsam genug auch von einem blutigen Schnitt faselt. Reden kann er Gott sei Dank noch nicht, weil er den Mund nicht regen kann, das eine Auge geht wohl auch zum Teufel, aber Papier und Bleistift mußte ich ihm in die Haud geben und da krizelte er richtig tolles Zeug hin von einem blutigen Schnitt, worauf man den Mörder erkennen könne und dabei einen Namen — Gott steh' mir bei — ich sollte diesen Zettel dem Criminal-Commissar Frenzel geben." „Wollen Sie denn das nicht, Herr Doktor?" fragte der Heilgehilfe. „Ich thät's doch, da es nicht schaden kann." Dem alten Arzt schien die ein wenig zudringliche Klugheit dieses Handlangers der Mezidin nicht angenehm zu sein. Er zuckte lpöttisch die Achseln und ging, um nach Rotenhof zu fahren, wo Reinhardt auf dem Schmerzenslager sich befand und sich ohnmächtig gegen sein schreckliches Geschick, das eine bübische Hand ihm bereitete, aufzulehnen suchte. Doktor Peters fand ihn in heftiger Ungeduld seiner harrend. Die Schulterwunde verheilte gut, aber die Brandwunden schienen von einer giftigen Substanz herzurühren und deshalb der ärzt lichen Kunst noch immer zu spotten. Der Kranke reichte dem Arzt sogleich einen Zettel entgegen, den dieser annahm und überflog. „Haben Sie's dem Commissar gegeben, Doktor?" las er. „Ja, er wollte stch's überlegen," beantwortete dieser die Frage. Das rechte Auge des Malers, welches unter dem Verbände, der beinahe bas ganze Gesicht bedeckte, unheimlich hervorlugte, starrte er den Doktor an. Dann schrieb er wieder. „Ist Marbach todt?" „Nein, aber schwer verwundet," antwortete der Arzt. „Er fiebert noch immer und phantasirt stark." Reinhardt seufzte tief. Er ließ sich ruhig verbinden und stöhnte nicht einmal dabei. Auch hier war ein Heilgehilfe an wesend, welcher die Pflege ganz allein leitete und besorgte. Der Maler schrieb alsdann einen Zettel mit der Frage, ob Fräulein Holten noch krank und Steindorf dort anwesend wäre? „Sie ist wieder besser und ergeht sich bereits in freier Luft. Steindorf war während ihrer Krankheit dort anwesend, jetzt aber nicht mehr, ich und Mamsell Evers hielten Mn vom Krankenzimmer fern. Fräulein Armgard weiß von den neuen Attentat nach nichts, doch kann ich grüßen." Der Maler nickte mühsam und schrieb auf's Papiers: „Obwohl sie mich nicht recht leiden konnte, so möchte ich doch um ihren Besuch bitten." „Dazu ist sic noch nicht kräftig genug, mein alter Freund, will's aber bestellen. Halten Sie sich ganz ruhig, davon hängt einzig ihre Genesung ab. Ich fahre noch in Edenheim vor. Ueber Steindorf berunruhigen Sic sich nicht, der geht wahr scheinlich bald nach Amerika zurück." Dieser Trost schien indeß bei dem Kranken die beabsichtigte Wirkung nicht zu haben. Er rollte das eine Auge in wahrhaft erschreckender Weise und schrieb mit erregt zitternder Hand: „Schicken Sie um Gotteswillen den Commissar Frenzel her. Ich muß eine Aussage machen. War er denn überhaupt noch nicht hier?" „Freilich, alter Freund, aber Sie waren doch ganz un fähig zu einer Aussage, was der Polier Schulze auch hinreichend schon besorgt hat." Reinhardt ballte vor Ungeduld die Hand und schrieb dann mit großen Buchstaben: „Schulze soll dem Commissar von der rothen Schnittnarbe erzählen." „Gut, gut, ich will Alles ausrichten," beruhigte ihn der Doktor, den diese fixe Idee des Kranken sehr bedenklich stimmte. Er ging hinaus, dem Gehilfen einen Wink gebend, ihm zu folgen. „Die fixe Idee des alten Herrn wurzelt in einer Narbe," flüsterte er ihm draußen zu, „das Gehirn muß also doch ge litten haben." „Ja, der Sprengstoff muß unbedingt eine giftige Bei mischung gehabt haben — die Hülse ist ja gefunden worden." „Ich weiß, meine Herren Kollegen bezweifeln das Gist, und sie mögen recht haben, weil wir sonst sofort eine Blut vergiftung gehabt hätten. Mag aber sonst etwas dazwischen gewesen sein, was auf das Gehirn eingewirkt hat. Na, suchen Sie ihn nur zu beruhigen, das ist vorerst die Hauptsache." Auf dem Wege nach Edemheim wollte ihm die seltsame Uebereinstimmung der beiden Verwundeten in Betreff der rothen Schnittnarbe gar nicht aus dem Sinne. Sollte diese Idee wirklich einen ernsten Hintergrund haben nnd er verpflichtet sein, dem Criminal-Commissar darüber zu berichten? Ja, wenn der Name Steindorf nicht so widersinnig hineingeflochten wäre, — hiermit würde er sich ja unsterblich lächerlich machen. Was