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Wochenblatt sm Wilsdruff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne j Nummem 10 Pf. Tharandt, Men, Siebenlehn und die UmMnden. Imlsblull Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannschast Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den ^tadtrath zu Wilsdruff, Ni. 2. sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Freitag, den 3. Januar 1894. Sparkasse zu LVilsdVuff. Im Monat Ianuar^1894 ist dieHiesige Sparkassen-Expedition ) jeden Wochentag außer Mittwoch und Hohem Neujahr geöffnet. Wilsdruff, am 18. Dezember 1893. Der Stadtrat h. Acker, Brgmstr. Hslzverftesgerung. Auf dem Naundsrfer Forstrevier aufbereitete Durchforstungs- und Einzelhölzer und zwar 276 w. Stämme, 28 w. Klötzer, 15 w. Schleifhölzer, 1670 w. Reis- und 80 w. Derbstangen, 28'/s Rm. w. Nutzknüppel, 264 Rm. h. ü. 654 Rm. w. Brennhölzer sollen Donnerstag, den 11. Januar d. Ihrs., von Vormittag Vr 10 Uhr an in Klstzsche'r Gasthof zu Naundorf meistbietend versteigert werden. Näheres enthalten die in Schankstätten und bei den Ortsbehörden der um liegenden Orte auöhängenden Plakate. Königl. Forstreviervcrwaltung Naundorf und Königs. Forstrentamt Tharandt, am 3. Januar 1894. Tagesgeschichte. Die neuesten Zeitungen sind ungefüllt mit Rückblicken auf das vergangene Jahr. Das Jahr 1893 hat in der That eine ungewöhnliche Anzahl bedeutsamer Ereignisse aufzu weisen, bedeutsamer, nicht gerade großer, keines einzigen, das ihm einen Rang neben seinem Vorgänger im vorige» Jahr hundert, dem schrecklichen 1793, einräumte, aber doch mehrerer, die es aus der Reihe der Mehrzahl hervorheben. Fast in allen Ländern der civilisirten Welt wird man auf die Frage, was hat das Jahr BemerkenswertheS gebracht, sofort eine Antwort, auch wohl zwei oder drei erhalten, natürlich je nach dem Lande verschieden, aber überall mit sicherer Schnelligkeit, die ein Zeichen ist, daß die Dinge sich dem Gedächtnisse tiefer, als eö m der Regel geschieht, eingeprägt haben. An manchem Sylvestertage muß man sich besinnen, ehe man auf eine solche Frage Aus kunft geben kann; heute wird jeder deutsche Zeitungsleser sofort dem Fragenden mit den Worten aufwarten: Auflösung des Reichstages, Annahme der Militärvorlage, Kampf um dichdeuer- projekte, Friktionen zwischen dem Reichskanzler und kon servativen Partei wegen der Handelsverträge. Und v^stch ist es bei anderen Nationen. In Oesterreich-Ungarn hatten sie den Belagerungszustand in Prag, den Sturz des Grafen Taaffc, die Koalition der drei Hauptparteim zu einem ge meinsamen Rcgierungsversuche, den Erfolg des magyarischen Liberalismus gegen die römische Hierarchie und auch wohl gegen gewisse habsburgische Bedenklichkeiten. In Italien stand der Sturz der Banca Romana im Mittelpunkte des Interesses; er riß eine Menge von Existenzen, finanziellen und politischen, mit sich in den Abgrund, zuletzt das Ministerium Giolitti selbst, und es führte zu allgemeinem Erstaunen, zum Verdrusse der Franzosen, den alten Crispi wieder an der Spitze der Geschäfte, die infolge der Finanzzerrüttung einen recht trostlosen Anblick gewähren. In Frankreich begann das Jahr mit der Liquidation des Panamaschwindels, mit heftigen parlamentarischen Zuckungen, die im Frübjahr zur Ministerkrisis und zum letzten Versuche einer sogenannten republikanischen Konzentration, d. h einer gemeinschaftlichen Regierung der Radikalen und der Gemäßigten, führten. Dann kamen die Wahle», die den Radikalen eine Niederlage bereiteten und zum ersten Male die Bildung eines nur aus Gemäßigten bestehenden KabinctS möglich gemacht haben; dann den Besuch des russischen Geschwaders in Toulon mit dem sich daran knüpfenden ungeheuren Verbrüderungsjubel; schließlich das Zusammenbrechen des „konzcntrirten" Ministeriums Dupuy, der Eintritt einer gemäßigten Regierung unter Casimir Perier, unter nicht sehr ermuthigendcn Zögerungen, denen sehr bach aber das Attentat Vaillants ein Ende gemacht hat. Großbritannien nennt unter allen Jahresereignissen zuerst den Kampf um die Home-Rule-Bill, der nach beispiellosen An strengungen doch schließlich zu keinem Resultate geführt hat, da weder Gladstone seinen Plan, die Reichseinheit zu sprengen, durchzusctzen vermocht hat, noch auch die Freunde der Union sagen können, daß sie die Einheit des Reichs gerettet hätten. Gleichwohl war der Kampf eine Aktion ersten Ranges, sowohl wegen der ins Treffen geführten Streitkräfte, als auch wegen der unermeßlichen Wichtigkeit des Streitobjektes. In beiden Beziehungen ähnelt ihm, wenn schon in einigem Abstande, der große wirthschaftliche Kampf, der viele bange Monate hindurch zwischen den Kohlenwerkbesttzern und ihren Arbeitern gewüthet bar, der umfangreichste und verderblichste Streik, der jemals vorgekommen ist und bei dem zum ersten Male eine, unseres Erachtens unerfüllbare Forderung der Arbeiter, daß die Preise den Löhnen folgen sollen, nicht die Löhne den Preisen, mithart- »äckigem Einste verfochten worden ist. Auch dieser Kampf hat beide Theile unbesiegt gelassen; nur ein Waffenstillstand, nicht ein Frwde, gehört zu den Früchten des Jahres. — Den Ver- ieinigten Staaten v on Nordamerika hinterläßt das ! Jahr 1893 eine für das nationale Selbstgefühl schmeichelhafte ! Erinnerung, die an den zugleich großartigen und völlig eigen artigen Erfolg der Weltausstellung in Chicago, die zwar nicht i die Hoffnungen auf eine allgemeine Pilgerfahrt der Nationen erfüllt, aber als Probe amerikanischer Leistungsfähigkeit alle Erwartungen, sowie alle früheren europäischen „Weltmessen" übertroffen hat. Neben diesem festlichen hoben die Amerikaner einen ausnehmend praktischen Erfolg zu verzeichnen, der indeß, bei Lichte besehen, nur dadurch Werth erhält, daß ihm einige Jahre zuvor eine kolossale, man darf wohl sagen Dummheit voraufgegangen war. Wir sprechen natürlich von der Auf hebung der berüchtigten Sherman-Akte, die durch künstliche Steigerung des Silderpreises die Geldverhältnisse deS Landes in unheilbare Verwirrung zu stürzen drohte. — Unter den sieben Großmächte» der Welt hat Rußland allein in, abge laufenen Jahre nichts besonders Hervorragendes erlebt, wenn man absieht von seiner Rolle bei oem französischen AllianMte. Jndetz trifft für das Reich des Zaren der Satz nicht zu, daß es ein gutes Zeichen für den Staat sei, wenn von ihm nichts Interessantes zu erzählen sei. Die uninteressanten Uebel, an denen auch während der letzten zwölf Monate Rußland krankte, sind darum nicht minder Uebel gewesen, weil sie einen schleichenden Charakter angenommen haben. Diesen schleichenden Charakter hat zur Zeit Alles in Rußland, auch seine Machtentwicklung und seine diplomatische Minirarbeit im Süden und im Osten. Von den Staaten geringeren Ranges wollen wir nicht reden; im Grunde fragt niemand nach ihnen, wenn sie nicht den größeren Anlaß zum Streit oder zu nachbarlicher Sorge geben, wie z. B. Spanien durch seine Händel mit den Kabylen und seine anarchistischen Explosionen. Belgien durch jene fast aufrührerischen Bewegungen, die schließlich durch eine Ver fassungsreform beschwichtigt werden mußten, Brasilien durch seinen, selbst für südamerckanische Verhältnisse tollen Bürger krieg. Auch Griechenland verdient in diesem Zusammen hang? einer Erwähnung, allerdings keiner ehrenvollen, wegen des solennen StaatsbankerottS, mit dem es eine lange Periode gewissenloser und unvernünftiger Wirthschaft abschließt. Das Wort Staatsbankerott bildet einen ominös-passenden Pauken schlag in der Partitur eines Jahres, dessen eigentliche Signatur mehr auf finanziell-wirthschafttichem als auf politischen Gebiete liegt. Fast alle civilisirten Staaten befinden sich in der Noth wendigkeit, große Anstrengungen zu machen, um das Gleich gewicht ihrer Budgets herzustellen oder aufrecht zu erhalten; fast alle sind erfüllt von Klagen über schlechte Zeiten, Noth der Landwirthe, Darniederliegen der Gewerbsthätigkeit, Han delsstockungen; hier und da wirkliche Krisen und Paniks. Die Militärlasten allein sind nicht daran schuld, nicht einmal vor- zugöweife; die Vereinigten Staate», die kaum eine Armee haben, sind ganz rapide von einem Ueberschußbudget auf ein Defizit herabgesunken und von einer Verkehrskrists heimgesucht worden, die einen »linder robusten Körper getödtet hätten. Alles in Allem betrachtet, ist dec Eindruck, den das Jahr hin terläßt, mehr dunkel als heiter: die Bewölkung überwiegt. Glücklicherweise sind Wolken flüchtiger und vergänglicher Art, und die Frist eines Jahres bedeutet wenig im Leben der Völker. Der Rückblick wird minder trübe, wenn er sich auf weitere Zeiträume erstreckt; man sieht dann, wie Schatten und Licht wechseln und man erkennt, daß trotzdem die Welt sich' bewegt, vorwärts, empor. Man vergleiche nicht den Dezember mit dem letzten Januar, sondern die Gegenwart mit der Zeit vor hundert, vor fünfzig Jahren und man wird wieder Muth fassen zur Zukunft. Die Meldungen über den Empfang Caprivis, Miquels und anderer Minister beim Kaiser in Potsdam und über eine hierbei erzielte Ausgleichung angeblich vorhandener Meinungs verschiedenheiten sind bereits von zweifellos gut unterrichteter Seite als falsch bezeichnet worden. Miquel als Gegner des russischen Handelsvertrags hinzustellen oder Caprivi als Gegner der lange Zeit hindurch im Gesammtministerium reiflich er wogenen und von ihm unterzeichneten Steuervorlagen, ist ein haltloses Beginnen. Ist der Abschluß des russischen Handels vertrags erfolgt — wie man hört, ist das nahe bevorstehend—, so gelangt der Vertragsentwurf auch alsbald an den Reichstag und wird hier vom Bundesrathstisch aus nachdrücklich vertreten werden. Daran dürfte sich nicht zuletzt auch Herr Miquel be theiligen. Ebenso steht es mit den Steuervorlagen, die noch nicht zur ersten Lesung im Plenum des Reichstags gelangt sind. Von einem „Verzicht" auf das Finanzreformgcsetz, die Wein- und die Tabakssteuer in dem Sinne, daß die Regierung diese Gesetzentwürfe vor ihrer Durchberathung zurückziehen könnte, ist nicht die Rede. Anders steht es um das schließliche Schick sal dieser Gesetze im Reichstage. Schon die Budgetdebatten, aber auch die außerparlamentarischen Reden und Erklärungen einzelner einflußreicher Abgeordneter haben ergeben, daß die Weinsteuer und die Bewilligung von 40 Millionen über den Kostenbedarf der Militärreform hinaus wenig Aussicht haben. Auch der Tabakssteuerentwurf wird in seiner jetzigen Gestalt kaum auf Annahme rechnen dürfen. So schmerzlich aber auch die Mehrheit der Einzelstaaten durch das Scheitern des Reichs finanzplans betroffen würde, so wird die Regierung doch keine Krisis daraus entstehen lassen und sich mit dem Sprichworts „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben' zu trösten suchen. Anders liegt die Sache mit dem russischen Handelsverträge. Welche Folgen eine Ablehnung dieses Vertrages haben würde, ist nicht vorauszusehen. Graf Caprivi wäre ohne Zweifel dem Auslande gegenüber arg bloßgestellt und es ist daher begreiflich, wenn sein eventueller Rücktrit in den Kreis der Preßerörter- ungen gezogen wird. Andererseits wird aber auch die Auf lösung des Reichstages als nicht unmöglich hingestellt. Es ist müssig, sich schon jetzt mit der Frage abzuquälen, welchen Aus gang die Sache nehmen wird. Noch vor den entscheidenden Verbandlungen im Reichstage wird die Angelegenheit des russi schen Handelsvertrages voraussichtlich im preußischen Landtage besprochen werden und hierbei wird sich jedenfalls Gelegenheit finden, die wünschenswerthe Klarheit zu schaffen. Ueber ein Bombenattentat in der griechischen Kammer wird der „Köln. Ztg." von ihrem Athener Korrespon denten gemeldet: Während der Nachtsitzung, welche die griechische Kammer am 30. Dezember hielt, ward ein mit Sprengstoffen gefüllter Behälter in die Vorhalle des Hauses gelegt. Es er folgte eine geräuschvolle Explosion, die indeß, da sich keine Leute in dem Raume befanden, nur wenigen und nur sachlichen Scha den anrichtete. Das Haus ließ sich nicht aus der Fassung bringen und setzte seine Sitzung fort. Die später vorgenom mene Untersuchung ergab, daß der Inhalt des Sprenggeschosses wenig gefährlich war, und man nimmt an, daß sich Dynamit darin befand, jedoch in sehr geringer Menge. Wir haben es mit einem Verbrechen durch Ansteckung zu thun, wie die mo dernen Kriminalisten sich ausdrücken würden. Wie geringfügig auch der Athener Vorfall an sich sein mag, er zeugt dafür, daß der anarchistische Greuel sich weithin verbreitet hat, und weist alle Regierungen ohne Ausnahme darauf an, Maßregeln zur Abwehr der Gefahren zu treffen, die ihr von hirnverbrannten Uebelthätern drohen. Schiffszusammenstoß. Am Sonnabend Morgen um 4 Uhr stieß der Dampfer „Hero" von Middlesbrough mit dem Londoner Dampfer „Beamish" in der Meerenge von Dover i zusammen. Die See war ruhig und das Wetter klar. Der „Beamish" wurde so stark beschäoigt, daß der Kapitän beschloß