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MsdmfferTageblaN Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. s Nr, 38 — 87. Jahrgang Telegr.-Sldr.: .Amtsblatt- Wilsdruff»-Dresden Postscheck: Dresden 2646 Dienstag den 14 Februar 1V28 g-schrtebkneikrsch-iE««. rcrtnqen T-Ue I Rrich,«»rk. Nach«ei!ung»okbühr 20 «ktchrp,en»i,e. iS»» F-rnsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtsbauptmannschaft Melken des Am^- genchts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits besii'mmte Blatt. „ch»!«««, SU»«. <«pi,,prrl,: «ei i» *—»»»«*»>«» r«M. im«»>u>l, bei ZsfteL«-, »»rchK««»tru r,3vRM., beiPoftdeftell»», Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegeud 3«FaüehSher« Gemalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung s - »der KSr-uug des Bezugspreises. — Slückseuduug eingesaudter SchriftMcke «fslgt nur, »rnn Porto driliegt. PmWMeMsPMU m «aoooo Meiterii Alte Kamellen. Poincarv hat die alte, fröhliche Gewohnheit felnei Sonntagsreden doch noch nicht ganz äufgegeben; sucht er doch immer wieder nach einer Gelegenheit, das tausendmal ausgesprochene Märchen der deutschen Kriegsschuld immer wieder zu erzählen. Er ist überhaupt für das Märchen erzählen; eigenartig ist es, wie sich in diesem Kopfe die Vergangenheit malt. In Elsaß-Lothringen rumort es unter der Oberfläche; dort will man sich doch nicht so un bedingt von Paris aus regieren lassen, wie es die fran zösische Regierung wünscht. Man will die eigene Sprache bewahren, ist stolz auf seine alte Kultur und denkt an die vielen Versprechungen, die einst von Paris aus den „un erlösten Provinzen" im Augenblick ihrer „Befreiung" ge macht worden sind. Es kam aber alles ganz anders und so ist die elsässische Autonomiebewegung gerade im Hin blick auf den Charakter dieses Volksstammes durchaus ver ständlich. Sie ist keineswegs das Werk eines „kleinen Häufleins", wie es Poincarö in seiner diesmaligen Sonn- tagsrede aus einem Bankett in Straßburg hinstellte, das ihm von elsässischen Bürgermeistern gegeben wurde. Ei hat Wunderdinge erzählt, was alles der bevorstehende Prozeß gegen die Autonomisten ans Tageslicht bringen werde. Er hat gefabelt von intimen Beziehungen, die diese Autonomisten mit fremden — lies: deutschen — po litischen Kreisen hätten, und verbat sich mit geschwollenem Pathos jede Einmischung Fremder in die innenfranzö sischen Angelegenheiten. Se'lr Hohn über jene Auto- nomisten, die es vorzogen, rasch über die Grenze zu gehen, als sich verhaften zu lassen, ist mehr als billig, denn gegen den Generalstaatsanwalt in Mülhausen, der die Unter suchung zu leiten hat, werden derartig schwere Vorwürfl wie Mtenfälschung und Aktenbeseitigung erhoben, daß das ganze Verfahren von vornherein sehr stark nach Kabi nettsjustiz riecht. Poincarö wird also erst einmal abwarten müssen, ob jene Wunderdinge, von denen e> sprach, nun auch wirklich bewiesen werden können. Das Absonderlichste seiner Ausführungen aber is wohl die Behauptung, Frankreich habe nach 1871 sich ängst lich davor gehütet, nach dem verlorenen Elsaß-Lothringer zu blickeir. Als ob es in Paris nicht Statuen der ver lorenen Städte Straßburg und Metz gegeben hätte, dir alljährlich am 10. Mai, dem Tage des Friedensschlusses in Trauergewänder gehüllt wurden! Zu ihren Fützer wurden Kränze niedergelegt, vor ihnen wurde di« französische Jugend gemahnt, niemals diesen Verlus zu vergessen. Höchstens ein Poincarö kann bestreiten, das die Revancheidee, der Wunsch und der Versuch, die ver lorenen Provinzen wiederzuerobern, Zielpunkt und Leit stern der gesamten sranzösischen Politik seit 1871 gewesen ist, obwohl Deutschland es wirklich nicht au Versuchen ha! fehlen lassen, in ein besseres Verhältnis zu Frankreich zu kommen. Jedesmal erfolgte aber von Paris aus die Ab lehnunq unseres Entgegenkommens. Dies ist die hists rische Wahrheit, die die Welt kennt. Poincarö hat dann im Anschluß an diese histo rischen Donquichoterien schnell auch noch den Deutschen die Schuld an der Bewegung im Elsaß zugeschrieben, aber das war auch nur der Übergang zu dem, was die Absicht seiner Rede war. Eine Wahlrede war sie, denn am 22. April wird in Frankreich gewählt. Gewählt also auch in Elsaß-Lothringen. Da gili es infolgedessen, die Gemüter einzuheizen. So ganz ohne Bedenken ist man in Paris denn doch nicht, daß sich bei dieser Gelegenheit herausstellen würde, die autonomistische Bewegung im Elsaß sei doch nicht ganz so unbedeutend, wie man in Paris das immer behauptet und wie das auch Poinearä erklärt. Gerade deswegen Hai man ja jetzt die Führer gesangengesetzt oder zum Verlassen des Landes gezwungen. Der bevorstehende Prozeß soll ein übriges tun und man wird ihn schon so aufziehen, wie die politischen Absichten es verlangen. Aber alles das kann nicht verhindern, daß es im Elsaß unter der Ober fläche weiter gärt. Und daran ändert selbst die schönst« Rede Poincarös nicht das geringste, s» „Nieder mit poincare?" Wie Havas aus Straßburg berichtet, kam es bei der Abfahrt Poincares zu einem Zwischenfall. Als Poincare den Zug bestieg, rief der kommunistische Abgeordnete Hüber auf dem Bahnhofsplatz: „Rieder mit Poincarö!, und einige seiner Freunde stimmten ein Pfeifkonzeri an. Die Menge stürzte sich, so heißt es in der Havas- meldung weiter, auf sie und die Polizei hatte große Mühe, sie zu schützen. Sie mußte sie. von der Menge stark be lästigt, bis in das Gebäude der kommunistischen Gewerk schaften begleiten Ein Schmied und ein Eisenbahner wurden wegen Widersetzlichkeit verhaftet. Gegen Hüber uno einen aus Metz stammenden Kommunisten wurde wegen Beleidigung des Ministerpräsidenten Strafantrag gestellt. Begnadigung von Schulz u. Gen. Berlin. Durch einen Beschluß des preußischen Staats Ministeriums sind die im Femcprozeß zum Tode Verurteilten Schulz, Fuhrmann und Klapproth zu lebenslänglichen, Zucht- yaus an Stelle der Todesstrafe begnadigt worden. Für den « m^ftten Nmhaser ist die lebenslängliche Znchthaus- prnfe in eine 15jährige verwandelt worden. Alle Räder stehen still. Generalausspcrrung in der Metallindustrie. Wie von Arbeitgeberseite mitgeteilt wird, hat der Ge samtverband deutscher Metallindustrieller beschlossen zur Unterstützung der bereits seit vier Wochen im Aüwehr- kampse befindlichen mitteldeutschen Metallindustrie die Gesamtaussperrung in der deutschen Metallindustrie ab 22. Februar vorzunehmen. Von dieser Maßnahme werden insgesamt 750000 Arbeiter betroffen, so daß von diesem Zeitpunkt ab einschließlich der in Mitteldeutschland aus gesperrten Metallarbeiter 800 000 Arbeiter nusacsverrt sein würden. Hierzu wird von Arbeitgeberseite erklärt, daß die mitteldeutsche Metallindustrie die Unterstützung der ge jaulten deutschen Metallindustrie in dem ihr aufgezwunge nen Abwchrkampf gefunden habe, weil die bisher rasch aufeinanderfolgenden Lohnerhöhungen unter keinen Um standen fortgesetzt werden könnten, wenn der gegenwärtig" deutsche Preisstand gehalten werden solle. Dies sei die unumgängliche Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des jetzigen Beschäftigungsgrades. Von Arbeitgeberseite wird weiter erklärt, es sei zu fordern, daß das Schlichtungsverfahren nach einheitlichen wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolge. Es sei nicht an gängig, daß, wenn einmal für einen großen Bezirk ein Lohnsatz von 78 Pfennig für angemessen und dann für verbindlich erklärt wird, kurz darauf, wem, es sich um -inen kleinen Bezirk handelt, die Vcrbindlichkeitserklärung des gleichen Lohnsatzes abgelehnt werde. Da die gesamte deutsche Metallindustrie der Ansicht sei, das; der gegen wärtig noch befriedigende Beschäftigungsgrad durch Preiserhöhungen nur verschlechtert werde und insbesondere die mühsam erworbene Stellung auf dem Weltmarkt gefährdet sei, habe sie den von d-^ mitteldeutschen Metallindustrie geführten Abwehrkampf gegen ungerechtfertigte Lohnforderungen seiner grundsätz lichen Bede-Utung wegen zu ihrem eigenen gemacht. AM die Reichskagsneuwchl? io Berltn, 13. Februar. Die Ruhepause des Sonntags, die verschiedenen Partei- und Fraktionsberalungen der letzten Tage, selbst der Hinden- butg-Bries an Marx — alle diese Momente haben keine Er leichterung bei der schweren Krisenstimmung im innenpoliti schen Leben gebracht Im Gegenteil, ganz unverhohlen wurde heute von dem unmittelbar bevorstehenden und formellen Auseinandersallen der Regierungskoalitton und der damit verbundenen Auslösung des Reichstages gesprochen Die Stellungnahme zum Hindenburg-Bries, der an die Wichtigen, dem Reichstag noch obliegenden Arbeiten erinnerte, hat die Parteien wohl in Bewegung gebracht, aber keinerlei Klärung über das Grundproblem — die abweichenden An schauungen in der Schulsrage — angebahnt Die Deuischnatio- nale Volkspartei betonte, daß nach ihrer Auffassung die Mahnung des Reichspräsidenten au die Parteien in erster Linie dahin gehe, sich über das Schulgesetz zu einigen. Nur dadurch würde auch eine wirkliche Voraussetzung für die Erledigung der anderen Aufgaben geschaffen werden. Sie sähe es als erste Aufgabe an, alles zu tun, was in ihren Kräften steht, um die Schwierigkeiten zu beseitigen, die einer Einigung über das Schulgesetz entgegenstehen Also von einer Vertagung dieses Kernpunktes wollen die Deutschnationalen wenig wissen Dagegen berührte die Reichstagssraktion der Deutschen Volkspartei diese Materie in ihrer Ent schließung kaum, ist anscheinend mit einem Zurückstellen einver standen und sagt nur, eine vorzeitige Auslösung des Reichs tages sei untunlich wegen der anderen dringend nach Erledi gung schreienden Aufgaben Die erste Sitzung des Inter fraktionellen Ausschusses der Regierungsparteien führte auch nicht weiter Das Zentrum soll vielmehr der Deutschen Volkspariet nahegelegt haben, ihre Minister aus der Regierung zurückzuztehen. Beim Zentrum wie bet der Bayerischen Volkspartei vertrete man die Auftastung, daß sich die Deutsche Volkspartet durch ihre Haltung zum Schulgesetz außerhalb der Richtlinien der Regierungserklärung vom 3 Februar d. I. und damit außerhalb der Regierungsmehrheit gestellt habe Dazu erklärt die Deutsche Volksparlci wieder, die Be hauptung. die Haltung der Deutschen Volkspartei in der Frage des Schulgesetzes bedeute einen Bruch der vereinbarten Richt linien. sei völlig willkürlich und finde weder in dem Wort laut noch im Sinne der vereinbarten Richtlinien die geringste Stütze Wer etwas anderes sage, zeige damit nur. daß er den Bruch der Koalition wolle Im übrizen hätten die volksparietlichen Vertreter im Interfraktionellen Ausschuß bereits erwidert, saß sie übe- die Zurückziehung ihrer Minister selbst zu befinden haben Inzwischen hat der Reichsscbul- ausschutz der Deutschen Volkspartet es am Sonntag ür richtig erklärt, wenn die Partei sie V e r k i r ch l i ch u n g der Volksschule zu verhindern suche, und die Haltung der -7^* Zustand, daß feder Larifablauf die Gewerk- -Aaeiner-.Lohnforderung veranlasse, sei volkswirt- untragbar, da er zu dauernder Beunruhigung der Wirftchaft und, falls den Forderungen immer wieder nach gegeben werde, durch die aufeinanderfolgenden Lohn- und Preiserhöhungen auf die Dauer zu einer Schraube ohne Ende and damit zu einer vollkommenen Unterbindung der Wett bewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auf dem Welt markt fuhren müsse. Daraus ergebe sich, daß die Auscin- rndersetzung in Mitteldeutschland richtunggebend für die Lohnpolitik der deutschen Industrie werden müsse. Generaldirektor Hillmann von den Krupp-Gruson- Werken in Magdeburg begründete in einer Presse- oesprechung die Stellungnahme der Metallindustrie auch samit, daß die Gewerkschaften in Mitteldeutschland die Verhandlungen plötzlich abgebrochen haben, obwohl eine Verständigung noch hätte erzielt werden können. Zur Be- zrundung der ablehnenden Haltung der Arbeitgeber ver wies Generaldirektor Hillmann ferner auf die stark qe- chnkene Rentabilität der Metallindustrie. Bei 110 Maschinenfabriken z. B. sei der Reingewinn von 12 Prs- ;ent vor dem Kriege auf 1, 4 Prozent im Jahre 1925/1926 mrückgegangen. Etwa drei Viertel aller Ma - chinenfabriken zahlen keine Dividende mehr, und viele weltbekannte Werke arbeiten seit Jahren nit großem Verlust. * Abwartende Haltung des Reichsarbeits ministeriums. Das R e i ch s a r b e i t s m i n i st e r i u m will zu- «ächst abwarten. Bis zu dem entscheidenden Termin sind es «och zehn Tage, und es ist zu hoffen, daß das Ministerium .echtzeltig energisch auf eine Einigung zwischen den Par- elen drängt, damit nicht ein für die ganze deutsche Wirt- chaft unheilvoller Arbeitskampf heraufbeschworen Wira. Ss wurde sich hier um den größten Lohnkampf in der wutschen Geschichte handeln. Reichstagsfraktion ausdrücklich gebilligi und ihr seinen smu: ausgesprochen Vom Zenirum Höri man, der Veranlasser des Vorstoßes gegen die Volkspariet. Herr von Guürard, beharre irotzdem bei seiner Meinung and werd? dabei von seiner Fraktion gedeckt Inzwischen bemerkt d>e Kölnische Volkszeitung zu dem Schlußcrgebnis der Tagung des volks parteilichen Schulausschustes, man könne die dort gemachten Ausführungen ruhig als Grabgesang für das Rcichs- schulgesetz betrachten Es dürste wenig Wert baden, noch Weiter zu verhandeln Also ausgesprochener Kampfwiüe auf der ganzen oder vielmehr t n der ganzen Linie der bisherigen Regierungs parteien Ob da wohl viel Hoffnung vorhanden ist, aus der für heute abend anberaumlen zweiten Sitzung ocs Inter fraktionellen Ausschusses, der über die Vcr - mtttlungsvorfchläge des Retchsinnenmimsters von Keudeü beraten soll, könne eine Einigung hervorgchen, er scheint recht fraglich Kommt sie nicht zustande, dann dürften die Parteien kaum noch länger zögern können, die so ost angedrohten Folgerungen zu ziehen Im Zentrum soll die Meinung dahin gehen, daß der Verabschiedung des Etats kein Hindernis in den Weg gelsgi werden soll, wenn die anderen Koalinousparteien sich vorher darauf ver pflichten, dem Reichspräsidenten die Auslösung des Reichs tages unmittelbar nach der Verabschiedung des Etats zu empfehlen. In der Rechtspresse werden Pläne erörtert nber Einsetzung einer vorläufigen Geschästsregierung, einer Bs- amtenregierung. Aber beides würde wohl nur eine kurze Schousrist be deuten, der in einiger Zeit fast mit Naturnom'.'ndigkeit die Auflösung folgen müßte Dann hätten wir Neuwahlen im Spälsrühling oder im Frühsommer. * Sie itterfrMioMeil MreGWn. Berlin, 13. Februar. Die inlerstaktiorMe Besprechung der Regierungsparteien des Reichstages am Montag nachmittag hat sich fast ausschließlich um die Schulfrage gedreht. Eine Ver- ständiaung wurde nicht erzielt. Eine solche ist nach Ansicht in Zenlrumslreisen auch nicht für die Dienstogverhandlungen der Regierungsparteien zu erwarten^ in denen unter allen Umständen eine Einigung herheigesührt werden sollte. Die Regierungsloali- tion ist damit als erledigt z-u betrachten. Der Reichstag soll aber unter allen Umständen versuchen, de« Hauptetaj und den Nach tragsetat, der die sozialen Hilfsmaßnahmen für die Kleinrentner und für die Landwirtschaft umfaßt, noch zu verabschieden. Sine Erledigung der Strafrechtsreform erscheint von vornherein un möglich. Ob das Liquidationsschädengesetz noch zur Verabschie dung gelangen kann, wird davon abhängen, ob sich die Nrg«e- rungsparteien in kürzester Zeit darüber verständigen tonnen ob r nicht. An parlamentarischen Kreisen des Zentrums glaubt m.m,