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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Montag, den 23 Januar 1828 W Rr.is. — 87.Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff - Dresde« Postscheck: Dresden 2640 "Ml? "-5?" M«^I«»S»» L Uh,. »u «dd»I»»s i» »« ^chLst.S-ll- »d 2 «M. im W»»»!, dkt gaftell«, »»ich di« L„-n 2,30 RM., d-i Postbkftell»n, L NM. ßu-üsttch Abtrag- - - — . . . gebühr. Eintelnnnnneru Wochenblatt für Wilsdruff «. Umgegend P°ftd°i^»vd-n,m«u-. «S,»>»r><»eschLft«ft«ll« —— U U nehme« pr jeder Zeit Be. KrLurrgen entgegen. I» Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger BetriedostSrungen besteht kein Anspruch aus Lieferung d« Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — «ücksendung ringesaudter Schriftstücke erfolgt nur, »««Porto b-iliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter ^LU^rL^ Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 d«V'ÄN^ Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der AmtsbauvtmannschnU „richt- ««d de- S.Mrat- zu WU-d-uff, de- Tharandt und des HLz-m.- WirffchaMche Vernunft. Unsere wirtschaftliche Lage beginnt schon etwas kri tisch auszusehen; die Meldungen über Rückgang des Ab satzes auch im Inner» Deutschlands häufen sich. Der Ab satz nach außen hin ist ja leider schon seit langem ein Sorgenkind gewesen und es hat nicht den Anschein, als ob die Schwierigkeiten, die ihm entgegenstehen, in abseh barer Zeit beseitigt werden können. Wenn jetzt aus der Tagung der Internationalen Handels kammer, und zwar ihrer deutschen Gruppe, der Reichs wirtschaftsminister Dr. Curtius des längeren über diese Schwierigkeiten spricht, so muß er leider dabei sich begnügen, Wünsche und Hoffnungen und vieles nur zu berühren, was doch für eine günstigere Entwicklung unseres Außenhandels von allerwesentlichster Bedeutung ist- Der Präsident dieser Internationalen Handels kammer, Pirelli, der zugegen war, hat ja das Ver- menst, vor vier Jahren als Mitglied der Dawes-Kom- nnsnon vabei mitgcwirkt zu haben, daß eine wirtschaftlich- ^"^"^elle Frage — und nur eine solche sind die deutschen Zahlungen ari die alliierten Mächte — aus dem Bereich des Politischen herausgeholt worden ist und jetzt rein wirtschaftlich behandelt wird. Bedauerlicherweise gibt es aber solche politischen Tendenzen überall in der Welt, die die wirtschaftliche Entwicklung beeinflussen, in bestimmte Bahnen drängen wollen, um sic höher zu führen. Dr. Curtius stellt dem die Notwendigkeit gegenüber, in solchen Fällen doch recht genau zu prüfen, ob diese politische Be einflussung wirklich die Früchte zeitigt, die man zu er langen hosst. Oder — um ein praktisches Beispiel zu nehmen — ob es nicht letzten Endes doch zu allgemein wirtschaftlichen Nachteilen führt, wenn irgendein In dustriezweig durch Hochschutzzölle nur künstlich em por gepäppelt wird. Deutschland ist durch den Versailler Frieden eines großen Teiles seiner Rohstoffbasis beraubt worden und daher muß sich die deutsche Wirtschaft und die deutsche WtrtsttzastSpolMI immer mehr darauf einstellen, unter Zuhilfenahme ausländischer Rohstoffe zur Veredlungs wirtschaft zu werden, d. h. also, Höch st qualifizierte Erzeugnisse hcrvorzubringen. Wir sind auf diesem Wege zwar schon recht gut vorwärtsgekommen, aber noch längst nicht weit genug. Denn diese hochstehenden Fertig waren sollen ja mit ihrem Werte die Kosten des Roh stoffes, aber auch dis leider notwendige Einfuhr von Lebensmitteln bezahlen. Einer Verwirklichung dieses wirtschaftspolitischen Zieles stehen aber die L>chranken gegenüber, die die Länder ringsum sich errichtet haben und die durch Handelsverträge nur wenig erniedrigt werden können. Gerade die Notwendigkeit, die Deutsch land durch die Perrnapvung seiner Rohstoffe erlitten hat Zwingt uns dazu, stärkstes Gewicht aus eine weitgehend: Niederreißnng dieser Schranken ?u leaen. Genau so wie Der Italiener Pirelli, Vorsitzender ber Zntcrnationalen Handelskammer, der zu einer " Sitzung der Deutschen Gruppe in Berlin weilte. früher England ei» industrielles Durchgangs- laud war, müssen auch wir ein solches werden Wir haben die Männer, wir lmben die Köpfe dazu, es leisten zu können; durch die internationale Handelskammer hoffen wir aber auch, es mehr und mehr zu erreichen: „die Geister der Politik," wie der Reichswirtschaftsminister in einem hübschen Bilde sagte, „immer wieder freund schaftlichst ratend auf den Boden wirtschaftlicher Vernunft zurückzuleiten und einer freieren Entwicklung des Waren austausches und des -Verkehrs die Wege zu ebnen". Diese staatlichen Eingriffe in Form einer Hochschutz zollpolitik betrachtet der Minister mit Recht als ein sehr bequemes Mittel, so bequem, daß man sich bei seiner Ver wendung allzuoft und allzuleicht eine eingehende Prü fung der Auswirkung erspart. Wir haben ja als beson ders drastische Beispiele hierfür gewisse gesetzliche Be stimmungen in England, wonach schon die Bedrohung irgendeines Industriezweiges durch ausländische Konkur- rcu; genügt, um diesem Industriezweige das Recht cin-- zuraumen, Anträge auf Erhöhung des betreffenden Zolles DerAreblrl im HriebswebrminMerium - Zwei M i n i st e r e r l a s s e. Der Personenwechsel im Reichswehrministerirmi hat sich nunmehr auch formell vollzogen. Sonnabend ver abschiedete sich der bisherige Wehrminister Dr. Geßler von seinen bisherigen Mitarbeitern im Ministerium mit einer längeren Ansprache, in der er seinen Dank und seine Anerkennung aussprach. Der dienstälteste Offizier der Wehrmacht, Admiral Zenker, Kommandeur der Reichs marine, antwortete darauf mit herzlichen Worten des Bedauerns über den Abschied. Der neue Wehrminister General Gröner übernahm die Geschäfte ebenfalls mit einer Ansprache an die versammelten Beamten und Offiziere. Gröners Amtsübernahme gab der Minister der Wehrmacht durch folgenden Erlaß bekannt: Durch das Vertrauen des Herrn Reichspräsidenten an die Spitze des Reichswehr-Ministeriums berufen, habe ich heute die Amtsgefchäfte übernommen. In der festen Überzeugung, daß unsere gemeinsame Arbeit von rück- haltlosem gegenseitigen Vertrauen getragen wird, rufe ich allen alten und jungen Kameraden ein herzliches Glückauf zu. Der Reichswchrminister: Gröner. Geßier an die Wehrmacht. Bei seinem Abschied richtete der scheidende Minister an die Wehrmacht folgenden Erlaß: Der Herr Reichspräsident hat mir aus meinen Antrag den Abschied bewilligt und ich scheide mit dem heutigen Tage aus dem Amte Fast acht Jahre habe ich die Ehre gehabt, an der Spitzedes Reichswehrministeriums zu stehen; es waren schwere Jahre, denn in ihnen war die deutsche Entwaffnung nach dem Ver sailler Vertrag zu Vollstrecken. Wir konnten in diesen Jahren aber auch ausbauen und die gesetzlichen und organisatorischen Grundlagen für die junge deutsche Wehrmacht schaffen. Deutsch lands Heer und Flotte sind wieder verwendungssähig, im Jn- und Auslande geachtet Dieses Ziel wäre nicht erreicht worden, hätte ich nicht in der hingebenden Arbeit aller Angehörigen der Wehrmacht eine so treue und unermüdliche Unterstützung gesunden. Dafür in dieser Stunde Dank zn sagen, ist mir Pflicht. Die beste Kraft zogen wir alle aus der großen militärischen Überlieferung, die zu Pflegen ich mich berufen fühlte, und be sonders aus der Überzeugung, daß cs Aufgabe des Soldaten ist, über alle Parteien hinweg, niemand zuliebe und niemand zuleide, nur dem Vaterland zu dienen. Stolz bin ich darauf, so lange Jahre Reichswehrminister gewesen zu sein; aber am stolzesten daraus, daß sich in den ver gangenen Jahren ein festes Band des Vertrauens mit Ossi zieren und Soldaten, Beamten und Angestellten knüpfte, dos, so Hosse ich, unzerreißbar ist. Heer und Marine rufe ich zum Abschied zu: „Deutschland über alles!" Der Reichswehrminister: Dr. Geßler. Tragische Aufgaben. Geßlers-und Gröners Reden. Nunmehr wird der genaue Inhalt der Reden bekannt, die Ze, dem Amtswecksel im Reichswehrministerium gehalten wurden. Dr. Geßler gedachte des Tages, au dem er vor acyi Fahren in das Ministerium gekommen sei, allein und als ein Fremder. „Wo wir alle," fuhr Dr. Geßler fort, „bedrückt waren von der Sorge um den nächsten Tag, um die Erhaltung unseres Vaterlandes, dem heute wie damals doch von einem großen Teil unserer früheren Gegner höchstens soviel des Lebens gelassen werden will, daß wir die Lasten, die nns dei Vertrag von Versailles ausgezwungen Hai, leisten können Vor uns stand die ungeheure Ausgabe, die tragische Ausgabe, die Auflösung des alten Heeres. Tausende von pflichttreuen Soldaten, Offizieren und Be amten mußten ihren Abschied nehmen, die in der Inflation einem sehr unsicheren Schicksal entgegengingen, Männer, du das Gefühl und das Recht hatten, zu sagen, daß sie in der schwersten Zeit Deutschlands mehr als ihre Pslicht getan haben. Die Jahre gingen hin; jedes Jahr hat uns neu« Sorgen, neue Probleme gebracht. Ich bitte, es nicht unbeschei den zu nennen, daß ich das Gefühl habe, daß mich auch jedes Fahr mehr mit denen verbunden hat, die ich hier als meine Mitarbeiter in diesem Hause gehabt habe, daß uns das Gesühl geeinigt hat, an einer großen Ausgabe mitzuarbeiten, das Ge sühl, daß wir alles Persönliche zurückstellen und uns selbst los in den großen Dienst unseres deutschen Vaterlandes zu stellen haben. Und wenn ich heute aus Ihrem Kreise scheide, so scheide ich nicht als Fremder, sondern im Gefühl bei Waffenbrüderschaft, der Freundschaft und Kamerad schaft, die mich mit meinen Mitarbeitern verbindet. Das be ruht auf Gegenseitigkeit, und aus dieses Gefühl glaube ich stolz sein zu können. Kann es für einen Mann etwas Köstz licheres geben, als wenn er aus dem Amte scheidet mit dew Gefühl, seine besten Kräfte hingegeben zu haben, wenn er aber auch die Überzeugung hegen darf, daß sein Werk gefördert ist dessen Grundstein er gelegt hat." Dann übergab Dr. Geßler sein Amt an den Reichswehr minister Gröner. Dieser dankte Dr. Geßler, bat ihn, ihm die langjährige Freundschaft zu bewahren, und fuhr dann fort: „Vielen von Ihnen bin ich persönlich aus gemeinsame, Arbeit, anderen bin ich mindestens dnrch schlechtes oder durch besseres Renommee bekannt. Jedenfalls komme ich nicht i» diefes Haus als ein Fremder und als einer, der Ihnen fern- steht. Denn meine ganze Liebe galt immer unserer Wehrmacht bis zum heutigen Tage und von heute an erst recht. Es ifi keine Kleinigkeit für mich, aus dem beschaulichen Dasein des halben Gelehrten wieder in die Öffentlichkeit und in die Politik einzutretcn. Ich tue cs aber gern, weil ich berufen bin durch das Vertrauen unseres Reichspräsidenten, unseres allverehrten und geliebten Generalseldmarfchalls. Das ist de, Boden, aus dem ich stehe: das Vertrauen Hindenburgs! Herr Minister Geßler hat ja schon an das Vertrauen appelliert das Sie mir entgegenbringen werden. Wir werden uns kennenlernen, wir wollen gemeinsam unsere Schuldigkeit tun und Vertrauen zueinander haben, in voller Offenheit, und ich bin überzeugt, daß wir die gute Grundlage, die in der Zeil meines Anusvorgängers geschaffen worden ist, ausbauen, weiter Erfolge erzielen werden, wenn wir geradeaus den Weg der Pflicht gehen. Außerdem drängt es mich, Ihnen zv sagen, daß Sie mich als Kameraden betrachten sollen, und aus dem Gefühl der Kameradschaft heraus wird manche Schwie rigkeit, oie entstehen könnte, leicht überwunden werden." zu stellen und auch meistens zur Annahme zu bringen. Wir haben es erst vor kurzem wieder erlebt, wie Amerika die Einfuhr deutschen Stahles und Eisens mit besonders hohen Zöllen belegte, weil angeblich hier deutscher „Dumping" vorliege. Man behauptete, daß die deutsche Eisenindustrie staatliche Bevorzugungen erhalte. Die deutschen Proteste dagegen nutzten nichts. Aber gerade unsere Handelspolitik hat immer wieder bewiesen, wie weit wir den anderen Staaten beim Abbau unserer Ein fuhrzölle entgegengekommen sind. Manchmal wohl zum Schaden gewisser Teile unserer Erzeugung, aber trotzdem von dem Gedanken getragen, dieser Tendenz weitere Aus breitung in der Welt zu schaffen und damit „einem freieren Warenaustausch und -Verkehr die Wege zu ebnen". Aber der Geist, der aus der steigenden militärischen Rüstung der Völker spricht, ist leider auch in der vielfach schroffer werdenden wirtschaftlichen Aufrüstung nur zu deutlich sichtbar. Gerade die Anwesenheit des italienischen Wirtschaftsführers Pirelli erinnert an entsprechende An strengungen, die Italien in letzter Zeit machte, um die Selbständigkeit seiner Wirtschaft möglichst weit zu treiben. Dr. Curtius hat selbstverständlich nicht besonders darauf hingewiesen, aber mit Recht betont, daß solche Tendenzen der allgemeinen weltwirtschaftlichen Entwicklung zuwider laufen. Allzusehr sind durch den Geld- und Wirtschafts verkehr. den Austausch der Erzeugnisse die Länder der Erde miteinander verknüpft. Die Ver kehrsmittel greifen, in- und durcheinander, beständig wachsen die wirtschaftlichen Bedürfnifse des einzelnen und der Völker — daher muß und wird dies alles den Ab- schließungstendenzen politischer Art entgegenwirken, werden hierdurch „die Geister der Politik immer wieder auf den Boden wirtschaftlicher Vernunft zurückgelertet werden". Die Waffen von Gi. Gotthard. Der österreichisch-ungarische Zwischenfall. Der ungarische Bahnamtsvorstand in St. Gotthard ist an die dortigen Vertreter der österreichischen Bundes bahnen mit dem Ansinnen herangetreten, die fünf Wag gons mit italienischen Geschützteilen, die den Gegenstand eines Zwischenfalles zwischen Österreich und Ungarn ge bildet haben, nunmehr rückzuübernehmen. Die öster reichische Stelle in St. Gotthard ist angewiesen worden, die von ungarischer Seite angeregte Rückübernahme zu verweigern, weil die Möglichkeit, die Identität der Sendung festzu stellen, für die österreichischen Organe nicht mehr besteht. Die ungarischen Eisenbahnbehörden werden sich nun mehr an den Aufgeber der Sendung wenden, der in Italien seinen Sitz hat. Oie Verschuldung -er Landwirtschaft. M i n i st e r i e l l e Z u s a g e v o n H i l f e l e i st u n g e n. Am Montag spricht der Reichsfinanzminister im Aus schuß über das akute Problem der Pot der Landwirtschaft. Die Nachrichten, die aus dem schleswig-holsteinischcn Landwirtschastsgebiet und aus den Ostseeprovinzcn ciu- treffen, sind geradezu trostlos und haben die parlamen tarischen Kreise stark beeindruckt. Es heißt, daß jetzt un verzüglich alles geschehen müsse, um die um ihre Existenz kämpfende Landwirtschaft vor Verziveiflungsschritten zu bewahre» und Unruhen zu verhüten, wie sie im vorigen Jahre die rheinischen Winzer verübten. Die Landwirt schaft will vor allem vo» der Last der Rentenbankzuuen befreit werden, oie sie nicht Ausbringen kann. würde das Reich annähernd !)l) bis lOO Millionen ^ark bereitsteilen milsteu.