Volltext Seite (XML)
5-nüprecher Wilsdruff Nr. d NochenblO^ fÜs WllsdsUff UNd ilMgegtNd postscheckk.nto Dresden L«4« Dieses Blatt enthält die amtliche« Bekanntmachungen der Amtshaxptmarmschaft Meißen, des Amtsgerichts za Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstreutamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger <«d »rth«r Aschnnke i» Wtledrnff. Verauttvertlichcr Lchristleiter: Her«««« LSssk«, für de« I«sera1e«1eil: «rlh«, Zsch««»e, deld« 1« WNedrvfs. Nr. 6 Sonnabend den 7. Januar 1S22. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * Im Laufe des Monats wird beim Reichskanzler eine Kon ferenz sämtlicher deutschen Ministerpräsidenten stattfinden. * Die neuen Besprechungen mit -den Beamten haben im Reichsfinanzministerium -begonnen. Neben der allgemeinen Ge- haltsregelung wird auch die Beamtenvorbilduna erörtert werden. * Am 10. Januar will der Rcichsverkehrsministcr Groener einem Sachverständgenkreise Gelegenheit zur Stellungnahme zum Eisenbahnfinanzgesetz geben * Der Dollar stieg an der Berliner Donnerstagbörse bis auf 202 Mark. * Die französische Presse bereitet darauf vor, daß die Ver handlungen in Cannes sich sehr schwierig gestalten werden. * Der als Führer russischer Weißgardisten belanntgeworden« Fürst Awaloff-Bermondt ist mit Frist bis zum 17. Januar aus Deutschland ausgewiesen worden. Der Stratege. Während Briand in Augenblickserfolgen seinen Ehr geiz erschöpft — mit dem Erfolg, sich von Abschnitt zu Ab schnitt immer wieder vor neue Schwierigkeiten gestellt und in seiner Gesamtposition ständig bedroht zu sehen — muß man Lloyd George schon das Zeugnis ausstellen, daß sein Sinnen und Trachten bei allen Sorgen des Tages doch auf größere Ziele gerichtet bleibt. Jener ein schlauer, ein gewandter, auch ein kühner Taktiker, dieser Stratege von achtunggebietendem Zuschnitt. Ruhigen Herzens ver zichtete er auf seine Teilnahme an der Washingtoner Konferenz, trotzdem die Franzosen sich mit großem Tam tam dorthin auf den Weg gemacht hatten, und die Ereig nisse haben ihm recht gegeben. Denn im Endergebnis dieser monatelangen Verhandlungen ist schließlich doch Frankreich auf der Walstatt geblieben, weil es zwar gegen Abrüstung — der anderen gar nichts einzuwenden hat, seine eigene Land- und Seemacht dagegen eher noch stei gern als vermindern möchte. Lloyd George war klug genug, diesen Ausgang der Dinge vorauszusehen, den er ganz gewiß von langer Hand her in vertraulicher Fühlung nahme mit der amerikanischen Diplomatie nach Kräften mit vorbereitet hat. So konnte er ruhig zu Hause bleiben, sich erst einmal seine heimischen Sorgen vom Halse schaffen und nun mit einem nicht unerheblichen Vorsprung nach Cannes eilen, was gewiß eine ungleich schönere Gegend ist als die langweilige Bundeshauptstadt der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Aber auch diesmal hat er alle Fäden in der Hand be halten, um sich nach keiner Seite hin von den Ereignissen überraschen zu lassen. Während er an der Riviera sitzt und nun abermals in Gemeinschaft mit Briand an der Krankheit der Welt herumdoktern will, wird, auf seine freundliche Veranlassung selbstverständlich, in London immer lauter von der bevorstehenden Auflösung des Par laments und von Neuwahlen zum Unterhaus ge sprochen. Es sieht so aus, als wenn schon ein fester Plan mit genau bestimmten Terminen vorläge und als wenn auch schon die ganze strategische Anlage des Wahl- feldzuges fix und fertig ausgemacht wäre. Die Wahl parole, von der jetzt schon die Rede ist, ist ganz und gar auf die innere Politik eingestellt. Sie soll von der Arbeits- losenfrage beherrscht werden, die ja der britischen Regie rung allerdings schon seit Jahr und Tag arges Kopfzer brechen verursacht. Aber da man nachgerade eingesehen hat, daß ihre Lösung keine nationale, sondern eine inter nationale Aufgabe darstellt — genau so wie es mit den uns bewegenden Wirtschaftssorgen der Fall ist — wird mit der Arbcitslosenfrage zugleich auch der Gesamtumfang aller der großen, ganz Europa dauernd beschäftigenden Fragen umschloßen und dem Urteil der britischen Wähler schaft unterbreitet. Lloyd George und feine Mitarbeiter kennen dafür nur ein Heilmittel: Die Wiederherstel lung des Handels, will sagen des Außenhandels des britischen Reiches, was mit der Wiederherstellung Europas gleichbedeutend ist. Wiederherstellung Europas beißt aber nicht mehr und nicht weniger als Wiederher stellung Deutschlands und Rußlands — und wer dieser obersten aller Fragen ebenso blinden wie be harrlichen Widerstand entgegensetzt, das ist Frankreich und immer wieder Frankreich. Wenn also Lloyd George, wie er wohl ohne weiteres hoffen darf, aus den Neuwahlen abermals als Sieger hervorgehl, so wird damit seine Stel lung und sein Ansehen auch außerhalb Großbritanniens eine neue Befestigung erfahren, und Frankreich wird, so rechnet der britische Ministerpräsident, einsehen müssen, daß seine immer noch gegen Deutschland und gegen Ruß land gerichtete Politik auch der Befreiung Englands von seinen schweren Wirtschaftssorgen hindernd im Wege steht. Im Hintergründe der Konferenz von Cannes läßt also Lloyd George bereits jetzt Aktionen aufsteigen, die den französischen Unterhändlern doch einigen Stoff zum Nach denken geben sollen. Sie werden sich entscheiden müssen, ob das oft gebrauchte Wort von der internationalen Soli darität nun endlich wahr gemacht oder ob weiter ge wurstelt werden soll wie bisher. Herr Briand mag noch so sehr darum besorgt sein, daß seine intimen Feinde in der Kamm-r ibm nack Cannes den Todesstoß versetzen und an ferner Vleue ihren Liebling, Herrn Poincars, aus den Schild erheben möchten; das Mundspitzen zieht nicht mehr, jetzt wird er auch pfeifen müssen. Nur die Wabl zwischen britischer und französischer Melodie bleibt ihm noch Vorbehalten. Je nachdem, wie er sich entscheidet, wird sich der Weg zum Frieden, den wir alle gehen wollen, end lich auftun oder für absehbare Zeiten endgültig ver schließen. Lloyd Georges kühner plan. Das entscheidende Gefecht von Cannes. Ebenso wie seinerzeit der amerikanische Staatssekretär Hughes die Abrüstungskonferenz von Washington mit einem überraschend großzügigen Programm eröffnete, will jetzt Lloyd George dem Obersten Rat in Cannes Vor schläge so umfassender und tiefgreifender Art machen, daß man sie in unterrichteten Konferenzkreisen als einen großen kühnen Plan bezeichnet. Der -wesentliche Inhalt ist fol gender: Deutschland soll gestattet werden, für 1922 mit einer Gesamtzahlung von 50V Millionen.Goldmark wegzukom- mcn, die zwischen Januar und April verteilt werden solle. Dafür sollten Bürgschaften geschaffen werden, um die „Säuberung" der deutschen Finanzen nach den längst be kannten einzelnen Forderungen zu sichern, desgleichen solle auf größeren Zahlungen in Waren bestanden werden. Be stritten wird, daß Großbitannien daran denke, auf seine Ansprüche auf irgendwelche unmittelbare Zahlung zu ver zichten, obgleich cs bestrebt sei, seinen Alliierten soweit wie möglich entgegenzukommen. Mau weiß, daß dieser Plan Lei den französischen De legierten auf Widerstand stoßen wird, aber gerade des halb erklären jetzt die Engländer, sie seien fest entschlossen, in Cannes das entscheidende Gefechtin der Re parationsgeschichte zu schlagen. Aus der ersten Unter haltung, die zwischen Briand und Lloyd George bereits stattgefunden hat, scheint hervorzugehen, daß zunächst ein mal von dem Zahlungsplan für 1922 gesprochen werden soll. Die weiteren Projekte werden vorläufig zurückgc- stellt. Briand soll u. a. ein e n glis ch - fra n z ö si sche s Bündnis anstreben, womit er alle Schwier-akeiten aus der Welt schaffen will. politische Jilmdschau. Deutsches NeiL. Zwei Gesetzentwürfe zum Schutze der Republik? Von einer offiziös bedienten Korrespondenz wird daraus aufmerksam gemacht, daß der amtlich, mitgeteilte Paragraph aus dem Gesetzentwurf zum Schutze der Ver fassung aus einem Entwurf des Reichsjustizministeriums stammt. Er dürfe nicht mit dem im Reichsministerium des Innern bearbeiteten Gesetzentwurf „zum Schutze der Re publik" verwechselt werden, dessen Veröffentlichung eben falls in einiger Zeit zu erwarten fei. — Eine amtliche Be stätigung, ob tatfächkich zwei solcher Entwürfe vorliegen, bleibt abzuwarten. Aufschub der deutschen Antwort. Die deutsche Regierung hat bekanntlich auf die letzte stritten wird, daß Großbritannien daran denke, aus seine Rückfragen, betreffend unfer Gesuch um Zahlungsaufschub, stellte, noch keine Antwort erteilt, sondern in Paris münd liche Verhandlungen über diese Frage führen lassen. Nun mehr haben wir der Reparafionskommission in einer Note Note der Reparationskommission, worin diese mehrere die Konferenz in Cannes zunächst anfzuschieben und vor läufig nur weiteres Material zu diesen Fragen zur Ver fügung zu stellen. Der neue Eisenbohnctat. Der Haushalt der deutschen Reichsbahn für das Rech nungsjahr 1922 schließt im ordentlichen Haushalt bei den fortdauernden Ausgaben mit 65 998 628 000 M. und in den Einnahmen mit derselben Summe ab. Der Zuschuß beim ordentlichen Haushalt, der 1921 (samt den Nachtragsetats) noch 10 835 013 900 Mark betragen hat, ist also vollständig entfallen; der Etat balanciert. Im außerordentlichen Haushalt sind vorgesehen an Ausgaben 6 789259 000 Mark, an Einnahmen 6 500000 Mark, so daß also ein Zuschuß von 6 782 759 000 Mark (gegen 35 631900 Mark in 1921) erforderlich ist. Bayern für das Reich. Eine gerade angesichts der vielen beklagenwerten Miß verständnisse zwischen Nord und Süd besonders bemer kenswerte Stimme läßt sich in der Korrespondenz der baye rischen Volkspartei vernehmen, wo es heißt: Das Schick sal Bayerns ist aufewig verbunden mit dem Schick sal Deutschlands, dessen Zukunft die Zukunft aller ist, die sich Deutsche nennen. Wir können dieses Schicksal von hier aus nicht meistern; wir können aber daran mithelfen, es zum Guten zu wenden, wenn wir innerhalb der weitz- blauen Grenzpfähle eine gesunde, fortschrittliche und ziel- bewußte Politik treiben, die die Erfordernisse der Zeit richtig erkennt und danach handelt. 40 000 Gnadengesuche in Sachsen. Aus einem Bericht des sächsischen Justizministeriums ergibt sich, daß im letzten Jahre etwa 40 000 Gnadenge suche eingingen., In nahezu 13 000 Fällen wurden teils Strafaufschub, teils vorzeitige Haftentlassung und andere Gnadenerweise gewährt. Die Prüfung eines humaneren Strafvollzuges sei im Gange; auch hat man Hasterleichte- rungen in den kleineren Gefangenenanstalten ausgeprobt, die allgemein eingeführt werden sollen. Nußland. X Die Bedeutung des Umschwungs der russischen Poli tik, der sich durch die Beschlüsse des allrussischen Rätekon gresses zu erkennen gab, wird von einem Kenner der Ost politik, dem früheren sozialdemokratischen Oberprästdenten von Ostpreußen, August Winnig, dahin beurteilt, daß die Tagung des Nätekongresses und insbesondere sein Be schluß über Las Privateigentum weltpolitische Be deutung erhalten könne. Rußland öffne damit dem Kapi tal znr Erneuerung seiner Wirtschaft Lie Tür. Jetzt sei Lie Frage: wie wird das Eindringen des fremden Kapi tals auf Rußlands Stellung in der Weltpolitik wirken? Wird es bleiben, was es bisher trotz feiner Not und seines Verfalls war, ein aktives Element, — oder wird es ein willenloses Objekt der kspitalstarken Siegerstaaten wer den? In dieser Frage stecke das weltpolitische Problem der Zukunft. Litauen. X Polnische Wahlmanövcr. Wie seinerzeit bei der Ab stimmung in Oberschlesien, so betreibt die polnische Regie rung jetzt auch bei der Vorbereitung der Wilnaer Sejm wahl, die am 8. Januar stattfindcn soll, allerlei Wahl manöver. Aus Polen und namentlich aus Oberschlesien sind viele erprobte Agitatoren eingetroffen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen Lie Wahl. Da die Polen sich isoliert fühlen, ziehen sie Wähler aus Polen zur Verstär kung heran. Den Litauern ist die Wahlagitation jedoch unmöglich gemacht. Und die Polen bedrohen jeden mit Gefängnis, Ler andere ausfordert, an der Wahl nicht teil zunehmen. Ans In- und Ausland. Beuthen. Die deutsch - polnischen Wirtschaftsver« Handlungen sind in vollem Umfange wieder ausgenornmen worden. In deg einzelnen Unterkornmissionen wurden insbe sondere diejenigen Fragen erörtert, über die bisher noch keine Einigung erzielt werden korrnte. Oppeln. Vier polnische Oberfchlcster, die kürzlich bei einem Überfall einen italienischen Soldaten töteten, wurden von dem Sondergericht in Oppeln wegen fahrlässiger Tötung zu 22, 18, 12 und 5 Monaten Gefängnis verurteilt. Man kann die Frage auswerfen, wie Wohl das Urteil gelautet hätte, wenn sich Deutsche ein solches Verbrechen hätten zuschrckoen kommen lassen. Prag. Die deutsche Gesandtschaft teilte dem Ministerium des Äußern die Ernennung des Professors Dr. Hollmann zum deutschen Landwittschafsattach« für die östlichen und südöstlichen europäischen Staaten mit. Dr. Hollmann wird seine Tätigkeit auf die Städte Bukarest, Sofia, Belgrad, Achen, Prag, Buda pest und Warschau erstrecken. London. „Manchester Guardian" berichtet, daß Keynes ein neues Buch geschrieben hat, das Len Titel führt: „Eine Re vision der Verträge". Das Buch behandelt u. a. das Repara- tionsproblem in seiner augenblicklichen Gestalt. Belfast. In einer der letzten Nächte kam es wieder zu Straßeukämpfen um den irischen Friedens-Vertrag, die als die wildesten in der Geschichte dieser unruhigen Stadt bezeichnet werden. Das Militär griff mit Panzerwagen ein. An ver schiedenen Stellen der Stadt wurden Bomben geworfen. Paris. Der auf Anordnung des Nancyer Militärgerichts verhaftete frühere Unterstaatssekretär im Verpflegungs- Ministerium Vitgrain wird beschuldigt, sich im Jahre 1914 durch Selbstverstümmelung dem Heeresdienst entzogen zu haben. Washington. Nach Meldungen englischer Matter sei bei der amerikanischen Regierung die Enttäuschung darüber ofsen zum Ausdruck gebracht worden, daß die Washingtoner Konferenz nicht alles vollendet habe, was die amerika nische Negierung wünschte. Sieuerfrage und Aoaliüon. (Von unserm ständigen Mitarbeiter.) Berlin, 5. Januar. Während in Cannes die Würfel über unser weiteres wirtschaftliches und politisches Schicksal geworfen werden, schickt sich Lie deutsche Regierung an, im Innern diejenigen Vorbereitungen zu treffen, die für die weiteren finanziellen Maßnahmen unerläßlich sind, ganz gleich, ob eine Erleich terung unserer Lasten in Cannes beschlossen wird oder nicht. Nach ziemlich langer Pause der parlamentarifckcn Arbeit, die, was Las Plenum Les Reichstages betrifft, auch noch bis in die zweite Hälfte Januar währen wird, hat der Kanzler inzwischen mit einigen Parteiführern die Steuerfrage wieder in Beratung genommen. Be- kaimtlich besteht auch innerhalb der die Regierung stützen den drei- Parteien, Zentrum, Demokraten und Sozial demokraten, noch manch? große Meinungsverschiedenheit über die Lösung des Sreuerproblems. Vor allem wollen die Sozialdemokraten die Verbrauchssteuer nickt versb-