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NV Zweites Blatt. -Mff MWUMMU WM, Wi, Mkckhi Md die WMcki. AmLsbLclLt Mr die Kgl. Kmlshauptmannschaft zu Meißen, das Kgl. Amtsgericht und den Stadkath zu Mtsdruif. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 8« Freitag, den 26. October 1888. Auf sicherer Fährte. Criminal-Roman von Emilie Heinrichs. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Ziemlich niedergedrückt durch diese Vorstellung, griff und tastete er mechanisch umher, zog die Schubladen heraus und prüfte das Innere, überzeugt, daß Alles doch vergebliche Mühe sei. Jetzt stieß er einen lauten Seufzer aus und riß mit verhaltener Wuth an einer treppenartig gekehlten Leiste, welche die Tischplatte von den Schubladen trennte. „Halten oder brechen!" murmelte er, doch es rührte sich nicht, cs war jedenfalls eine Verzierung. Kam da nicht Jemand? Er schreckte zusammen und sah sick scheu wie ein Verbrecher um. Wenn Sanna erwacht war, sich aufgerasit und ihr Schlüsselbund vermißt hatte: Das Haar sträubte sich ihm bei dieser Idee, da er die Tante in diesem Falle zu fürchten hatte. Doch nein, es war nichts, oder — bewegten sich dort die Vorhänge des Strebebettes? — Konnten die Abgeschiedenen wirklich zurückkchren, um Lebende zur Verantwortung zu ziehen? — Aber er handelte ja doch nur im Geiste des Verstorbenen, da er ein an ihm begangenes Verbrechen zu entdecken be müht war. Stier haftete sein Blick auf dem unheimlichen Vorhang, — Unsinn, wie konnte ihn nur so plötzlich die Gespensterfurcht packen? Es war der Wind und seine eigne aufgeregte Phantasie, welche ihm solche Spuk gebilde vorgaukelten, die Todten kehrten nicht zurück, er hatte sie auch nicht zu fürchten, da sein Gewissen rein, sein Vorhaben gut war. Ja, wenn er noch irgend ein Resultat dieser schrecklichen Nacht auf- znweisen hätte! Tief aufathmend, kehrte er sich wieder dem Schreibtische zu, unwillkürlich richtete sich auf's Neue sein Auge auf die Kehlleiste. Aufmerksam betrachtete er dieselbe von allen Seiten, suchte sie aufzuheben, herauszuziehen, hin und her zu rücken, umsonst, sie mußte festgeleimt, also nichts mehr dahinter sein. „Die Alte faselt oder es ist von Andern schon entdeckt und vernichtet worden," grollte er niedergeschlagen, „hier braucht Niemand mehr zu suchen." Er wollte noch einmal seinen Grimm an der Leiste kühlen; um doch etwas Genugthuung zu haben, ließ er die Finger krampfhaft daran ent lang gleiten und packte das eine Ende derselben, um sie gewaltsam abzu reißen. Da traf sein Zeigefinger auf einen beweglichen Gegenstand, welcher sich eindrücken ließ, cs war ein kleiner runder Knopf. Sein Athem stockte, er drückte fest darauf und preßte einen Schrei zurück, als er bemerkte, daß die vermeintliche Kehlleiste sich langsam vorschob und sich als eine flache Schublade darstellte. In derselben aber zeigte sich seinem Blick ein breites Couvert, daß er mit bebender Hand hervorzog; es war unversiegelt und trug die Aufschrift: „An die verwittwete Frau Christiane Brunner, geb. Lampert. — Nach meinem Tode ihr, oder dem Gerichte einzuhän digen. Bernhard Lampert." Rudolf starrte darauf nieder, das war die feste große Handschrift seines ehemaligen Herrn, welcher in diesem Augenblick leibhaftig vor ihn hinzu- tretcn schien. „Also doch wahr", murmelte er tieferschüttert, „Tante Sanna hatte recht, — nein, ick brauch mich nicht vor Deinem Schatten zu fürchten, lieber, guter Herr! — ich will Deinen letzten Willen treu erfüllen und dem Erbschleicher einen Strich durch die Rechnung machen. Gott sei ge lobt, der jenen Mann aus weiter Ferne mir gesandt und mich zum Werkzeug—" Cr konnte seinen Satz nicht vollenden, da er im selben Moment sich hinterrücks zu Boden gerissen fühlte und in ein hohnlächelndes Gesicht, das sich über ihn beugte, erschreckt blickte. „Ah, Du bist also der Sitzbube, der Räuberhauptmann, welcher unter dem Schutz seiner lieben Tante mein Haus plündert. Wart', dich will ich dingfest machen." Mit diesen Worten hatte ein Mann dem vor Entsetzen halb besinn ungslosen Schwarz das Knie auf die Brust gesetzt und suchte ihm jetzt das Document aus der Hand zu nehmen. Diese Berührung gab dem jungen Manne das volle Bewußtsein seiner Lage zurück, da sein Ueber- winder, der so überraschend wie vom Himmel herab geschneit, in die Scene getreten, kein Anderer war, als der Erbe und Besitzer dieses Hauses, Herr Balduin von Santen! Der unglückliche Rudolf sah sich als ein Einbrecher in der Hand eines Mannes, der die Macht und den Willen hatte, ihn als solchen zu verderben. Er war kräftiger als Santen, noch unverdorben im vollen Besitz seiner Jugendkrast, welche die Verzweislung jetzt verdoppel». Es galt, das wußte er, ein Ringen auf Leben und Tod. Bevor Santen ihn mit einem Strick, den er scltsammer Weise bei sich hatte, zusammen schnüren und damit unschädlich machen konnte, hatte cr mit einem Ruck seine Hände befreit und das Document fortgeschleudert. Dann umschlang er den geschmeidigen Gegner mit seinen starken Armen und suchte ihn von sich abzudrängen, um die Oberhand zu gewinnen, als Santen plötzlich mit gellender Stimme um Hülfe rief. Dieser Ruf durchdrang die Nacht und erreichte das Ohr eines Wächters, welcher langsam am Hause vorbeischreiten wollte. Das Gewitter war mittlerweile mit verstärkter Heftigkeit auf's Neue losgebrochen, ohne daß k» beiden Kämpfer sich darum bekümmert hätten. Als der Wächter den Hülferuf vernahm und ob des unerhörten Ereignisses entsetzt sich fragte, ob er vielleicht geträumt oder eine Katze in dem Unwetter irgendwo jammerte, zuckte ein blendender Blitzstrahl vor ihm nieder, dem ein furchtbarer Schlag folgte. „Alle guten Geister!" stöhnte der Wächter, „das hat Ungeschlagen" und „Feuer! — Feuer!" tönte es gellend von seinen Lippen, als die Flamme an dem Lampert'schen Hause herniederzüngelte. Ringsum in der Straße wurden Hausthüren und Fenster aufgerissen, angstbleiche Gesichter schauten heraus und stimmten in den Feuerruf des Wächter's mit ein. „Das Lampert'sche Haus brennt! Der Blitz hat dort Ungeschlagen!" so ging es durch die Straßen. Vom Kirchthurm riefen die Glocken um Hülfe, und bald war die Feuerwehr zur Stelle, um der rasch um sich greifenden Flamme Einhalt zu gebieten. — Wenn es doch nur regnen möchte, aber der Himmel hatte seine Schleußen wieder verstopft, als wolle er den Menschen die Rettung erschweren. „Hergott, die alte Sanna verbrennt, rettet sie, Leute!" schrie der kleine Notar Sauer. „Sie ist die einzige im ganzen Hause!" „Die alte Hexe muß ja wie ein Murmelthier schlafen, meinte ein Feuerwehrmann, die Axt gegen die massive Thür schwingend, „der Höllen lärm müßte sie jetzt doch wecken." „Sie wird wohl einen guten Schlaftrunk zu sich genommen haben", bemerkte ein Anderer, wir müssen die Thür in Stücke schlagen, da die Fenster alle von innen mit Läden verrammelt sind." Plötzlich wurde die Thür wie von Geisterhand geöffnet. „Na, da ist die Alte wohl schon, — nur geschwind heraus, Jungfer Sanna! Habt wohl noch keine Lust zu schwören, he?" Doch keine Sanna erschien in der geöffneten Thür, wie überhaupt keine lebende Seele zu entdecken war. Die Feuerwehrleute kannten keine Gespensterfurcht, obwohl die Ge schichte ihnen sonderbar vorkommen mochte. Sie drangenZmnthig in'S brennende Haus, um die Alte zu retten, während die Mehrzahl bei den Spritzen blieb und das Feuer zu löschen suchte. Indem einige der in'S Haus Eingedrungenen die Parterre-Räume durchsuchten, stiegen andere in den ersten Stock hinauf, wo sie sich von Rauch und Hitze gehindert, mühsam orientirten. Das alte weitläufige Gebäude besaß einen Seiten flügel und in diesem hatte, wie sich jetzt herausstelltc, der Blitz eingeschlagen, weshalb die Tante hier im Vorderhause nicht direkt von den Flammen beeinträchtigt wurde. Unten, sowohl als oben fanden sie in der That einen bewußtlosen Menschen, den sie ohne Weiteres aufhoben und aus dem Hause trugen. Die alte Sanna kam zuerst an's Tageslicht. „Sonderbar, daß sie ohnmächtig geworden ist", meinte einer der Retter, „da in ihrer Kammer weder Flamme noch Rauch zu sehen war." „Tragt sie hinüber in mein Haus, Leute!" rief Dr. Sauer, „wird dort wohl wieder zu sich kommen." Sie hoben sie vom Boden auf, wobei der Fackel- und Feuerschein auf ihr Gefickt fiel. „Beim Deuksel, die hat der Blitz getroffen!" schrie der eine Mann, „sie ist todt!" „Aus dem Wege, Leute!" rief der Commandeur der Feuerwehr, „tragt die Alte fort, hier kommen sie mit noch einem aus dem Hause!" Der kleine Notar dirigirte sie hinüber nach seinem Hause, wo er seine Frau, die vor der Thür stand, instruirte. „Na ja, da« fehlt uns noch", brummte sie verdrießlich, ließ die Alte aber doch in'S Haus tragen und in der Wohnstube auf's Sopha niederlegen. „Hilf Himmel!" schrie Aennchen, welche ebenfalls herbeigeeilt war, entsetzt auf, „sic ist ja ganz blutig." Die Feuerwehrleute, welche die alte Sanna bewußtlos, aber angekleidet in ihrem Bette aufgefunden, hatten sie rasch angcpackt und hinausgetragen, ohne ihr Aeußeres weiter zu beachten. Jetzt sahen auch sie, daß ihre blaue Küchmschürze ganz blutig war, und starrten voll Grauen auf eine klaffende Halswunde, welche fast von einem Ohr zum andern lief und den augen blicklichen Tod hcrbeigeführt haben mußte. „Das ist schauderhaft", sprach endlich der eine Mann, „die alte Person ist, so wahr ich lebe, umgebracht." Ein entsetzter Schrei tönte von der Thür her. Alle blickten sich wie auf Commando um. Dort stand Albertine, mit weitgeöffneten Augen auf die Todte starrend, eine so grauenvolle Angst in diesem Blick, daß die Mutter rasch zu ihr trat um sie herauszuführen. Sie ließ es ruhig geschehen. „Das Fräulein muß aber schwache Nerven haben", meinte ein Feuer wehrmann, „der Schrei ging mir ordentlich durch Mark und Bein. Na, komm jetzt nur, Heider, wir haben draußen zu thun." Sie verließen das Haus, um die schauerliche Geschichte von dem Morde in alle vier Winde zu schreien und den kleinen Notar Sauer dadurch in eine nicht geringe Aufregung zu versetzen, da die neugierige Menge jetzt Miene machte, in sein Haus einzudringen. Mit einem der anwesenden Polizcibeamten eilte er deshalb rasch hin über, trat mit diesem in den Flur und schlug die Hausthür zu, dieselbe vorsichtig verriegelnd. „Hilf Himmel, Frau!" stöhnte er, als diese ihm schreckensbleich ent gegentrat, „ist oas eine Nacht! — Drüben liegt Herr von Santen eben-