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Zweites Blatt. MMll »«ilÄW Warandt, Wessen, Sieömtehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burk-ardtswalde. Groitzsch, Grumbach, Gruns bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf. Kaufbach, Kefselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, RöhrSdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesielsdorf, Steinbach bei Mohorn, - Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Poft bezogen 1Mk.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens mittags 12 Uhr angenommen. — JnsertionspreiS 15 Pfg. pro viergespaltene KorpuSzeile. Ro 14«. Druck und Verlaq von Marktn Berger tu MSdrutt. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger »aietbst. Donne« stag, Sei» 1«. Dezember IMS. «L. Jahrg Ihr erster Ball. Humoreske von E. Les sch au. (Nachdruck verboten.) Ella Burk fieberte vor Erregung. Am fünfund- zwanzigsten November gab der Gesangverein Harmonie, der vornehmste Verein des Städtchens, zu Ehren seines fünfzwanzigjährigen Bestehens einen Ball und zu diesem Ball war sie etngeladen. Es war ihr erster. Die Aufregung im Hause war denn auch sehr groß. Papa hatte ein paar Extragroschen bewilligt. Mama hatte lange Beratungen mit Tante Marie und Tante Luise abgehalten, dann war die Schneiderin erschienen, um mit großer Umständlichkeit und Mühe das Ballkleid anzufertigen; bei dem ersten Schuster der Stadt hatte man ein Paar Lackschuhe bestellt und der aufmerk, same Onkel Hans hatte dem Nichtchcn einen Fächer und eine Garnitur künstlicher Rosen geschenkt. Ella schwebte im siebenten Himmel. Sie konnte nachts nicht schlafen und am Tage wußte sie nicht, wo ihr der Kopf stand; sie mußte anprobieren, Unterröcke plätten, Spitzenvolants einziehen und vor allen Dingen, sie mußte zur Probe! Das Komitee, das sich zu würdigen Vorbereitungen des seltenen Festes zusammengetan hatte, und seine Sache furchtbar wichtig nahm, hatte beschlossen, den Festabend mit einem großen Gesangsstück, »Chor der Engel", aus geführt von sämtlichen Damen des Vereins, zu eröffnen. Es war ein wahrhaft teuflischer Gedanke; denn das Stück war schwer, die Zeit kurz und die armen Engel schwitzten bei den endlos langen Proben vor Angst und Anstrengung. Endlich war der große Tag angebrochen. Er wurde morgens früh um sieben mit einem Ständchen, das die Mitglieder des Vereins dem Vorstände brachten, be- g oldener Woben. 36 Roman von M. Friedlichstem. „Lydia," begann er sogleich in mürrischem Tone, „Tu weiht, ich habe nie eine Gegenleistung von Dir verlangt sm las, was ich für Dich tat, seitdem Du Witwe geworden. Jetzt ober liegt es in Deiner Hand, mir dies Alles tausendfach zu vergelten." „Sprich, was soll ich tun? Wenn es in meiner Diacht mH,, wird es mich freuen, Dir gefällig zu sein!" „Es handelt sich um Reinhard Glöpelmann!" Betroffen sah Frau von Posewald ihren Vetter an und wiederholte: „Um Reinhard?" „Ja. Wanda hat mir mitgeteilt, daß Du ihn fast ganz Wzogen hnst, „ Dich abgöttisch liebt und Alles tut, was tr Dir an den Augen absehen kann!" „Es ist wahr, Reinhard hat große Zuneigung zu mir! Ich nahm mich seiner an, weil er so jung die Mutter verlor, welche uür einen großen Liebesdienst erwies." „Nun also: Reinhard ist mein Sohn!" Frau von Posewald bedeckte für einen kurzen Augenblick w? Antlitz mit den Händen und schwieg; dann schaute sie "Emmert in die bleichen Züge des Vetters. > , „Und Tu hohnlachst nicht und beginnst nicht zu keifen, es andere Weiber in solchen Fällen zu tun pflegen?" „Nein, ich bedanre Euch beide! Hat es Reinhard schon erfahren ? „Ich sagte es ihm joeben." „Und wie nahm er es auf?" „Er warf mir sozusagen den Bettel vor die Füße!" ^ein Charakter mgm; oberer ist stolz und aufbrausend." „Das hat er nur bewiesen! Das mir, Lydia! Mir! und wie er schön war in feinem Zorne! Ich hätte ihn an "«eine Brust reißen mögen! Mil allen Fasern meines Herzen rvg es mich hin zu ihm. Ich stand vor ihm wie ein Bettler, gönnen; daran schloß sich die drei Stunden währende , Generalprobe. i Tolmüde kam die arme Ella nach Hanse. Hier « wartete ihrer neue Unruhe. Der Schuster hatte die Schuhe i gebracht und die Mama auf den ersten Blick entdeckt, baß I sie viel zu klein sein mußten. Sie waren es denn auch, nur mit Mühe zwängte Ella ihre Füße hinein. Sie konnte I keinen Schritt damit machen; wie konnte sie also daran i denken, darin zu tanzen? f Nun war guter Rat teuer. Nachdem sie sämtliche i Schuhe der weiblichen Mitglieder des Hauses, sogar die - des Dienstmädchens und die der alten Tanten aus ihrer t Jugendzeit durchprobiert hatte und kein Paar sich als passend ober anständig genug erwies, mußte sie davonstürzen, r um zu versuchen, noch irgend wo Tanzschuhe aufzutreiben, z Bei dem allerletzten Schuster in der allerletzten Hintergasse fand sie endlich ein Paar, das ihr paßte. Sie waren k brandteuer und daneben etwas schwer und plump! - Atemlos, aber sehr erfreut kam sie zu Hause wieder l an, wo man mittlerweile bereits mit dem Mittagessen fertig war. Man hatte ihr ihren Anteil im Bratofen ) aufgehoben; aber es wollte ihr heute nicht recht schmecken. < Nach einigen vergeblichen Versuchen schob sie den Teller zurück. „Es gibt heute Abend ja warmes Esten", sagte sie, „da schadet es nichts, wenn ich jetzt nicht mag." . „Ich würde mich ein paar Stunden hinlegen und i schlafen", riet der Vater wohlmeinend. Aber die Mama, ' Tante Luise und Tante Marie erhoben ein Schreckensge- schrei. Jetzt sich hinlegen, wo die Uhr drei war und der ' Ball um sieben anfing. Solch einen Rat konnte auch nur j ein Mann geben. Die arme Ella fühlte etwas wie lähmende Müdigkeit, ' aber das wagte sie nicht einzugestehen. Ein junges Mäb- ' chen vor seinem ersten Ball und müde! So etwas durfte es ja garnicht geben. Sie hörte schon Tante Mane sagen: ! und er — wies mich stolz zurück. Was seit meiner Ehe die Sehnsucht unseres Hauses ist, da stand es lebensfrisch und kraftvoll vor mir, war mein, vom Wirbel bis zur Sohle, und ich streckte vergeblich die Hand danach aus. Ein ehrsamer Handwerker lief mir den Rang ab!" In deni Uebermaße feines Gekränktseins preßte er die geballten Hände vor die Augen und stöhnte auf. Frau von Posewald war unfähig, ihn zu trösten; sie konnte ihm nachempfinden, wie verletzt er sich fühlen müsse. Plötzlich hob Herr von Gattersheim das Haupt und rief: „Aber Du, Lydia, wirst ihn zwingen, meine dargereichte Hand anzunehmen; Du sollst ihm zureden, daß er Mittel von mir annimmt, um sich weiter auszubilden; er soll eine hervorragende Stellung im Leben erringen, er soll klüger sein, als Andere. Wenn Du es ihm sagst, wird er es tun!" Frau von Posewald hatte sich bei dieser Aufforderung ihres Vetters erhoben und stand vor ihremBesuche. „Das werde ich nicht tun!" sagte sie so fest und bestimmt wie man ihrem zarten Organe nie zugetraut hätte- „Du willst es nicht tun? Warum nicht?" fragte er heftig. „Weil ich Reinhard's Gefühle billige!" „So? Also Du willst mir entgegen handeln? Aber war um in aller Welt? Warum?" „Du wünschest, daß Reinhard hervorrage durch Kennt nisse!" entgegnete sie. „Und wäre dies möglich, jetzt so plötz lich zu erreichen, wenn er nicht eine so vortreffliche Vorbild ung genossen hätte, sondern gewissermaßen bloß als ge duldetes Etwas ausgewachsen wäre? „Desto besser für ihn!" „Aus eigenem Triebe und Fleiße hat er sich stets hervor getan, und die eigene Kraft, nicht Ueberfluß, muß ihn auch ferner leiten, sich hervorzutun." „Geld ist Macht!" „In diesem Falle würde es unbedingt schaden, wenn Reinhard plötzlich über ungewöhnliche Mittel zu verfügen hättej er ist auf der Arbeit goldenen Boden gestellt. Und „Ja, ja, die Judend von heute" und sah schon das Kopf- nicken von Tante Luise, das immer die Einleitung von einer endlosen: — „damals als ich noch jung war und meine selige Mutter noch lebte" fing sie stets an — bildete. Die Damen gingen nach Ellas Zimmer hinauf, wo der ganze Ballstaat auf dem Bett ausgebreitet lag. Es war ein schöner Tag heute, die Nachmittagssonne schien freundlich ins Zimmer upd bei deren Schein entdeckte man, daß die wunderschöne breite Schärpe, welche die Tanten geschenkt hatten und die reizende Garnitur Rosen von Onkel Hans zwei voneinander grundverschiedene rosa Farben-nuacen hatten. Wie man auch verglich und paßte, redete und beratschlagte, daß Schärpe und Blumen nicht zusammen getragen werden konnten. Welch ein Jammer! „Ach was," meinte Ella, des endlosen Redens müde, „wir schicken Auguste in die nächste Blumenhandlung, da holt sie mir ein paar frische Blumen, diese dumme Garnitur trage ich dann ei» andermal." „Dumme Garnitur," ächzte die Mutter. „Sie macht das Kleid erst hübsch und elegant, und was soll Onkel Hans davon denken. Nein, ohne solche Rosengarnierung geht es nicht." „Dann könnt Ihr ja eine andere Schärpe nehmen", sagte Tante Marie, aber sie sagte es in einem Tone, dem man wohl anmerkte, wie tötlich sie gekränkt sein würde, wenn man es täte und Tante Luise langte schon nach dem Taschentuche, um die Tränen abzuwischen. Ella, der es gerade eingefallen war, daß sie noch eine weiße Schärpe besäße, hielt nun wohlweislich ihren Mund, blickte aber ratlos die Mutter an. Da erschien wie ein rettender Engel die Schneiderin, die auch beim Ankleiden Helsen wollte. Sie sah auf die beiden verschiedenfarbigen Dinge, dann sagte sie resolut: „Na Fräulein, eine Schärpe müssen - aus diesem Grande weigere ich mich, Deinen Munsch zu erfüllen." > „Es ist Dir also recht, daß er nichts von nur wissen will?" ' „Nicht doch! Es tut mir sehr leid, daß er Dir schroff c gegenübersleht, und ich will gewiß versuchen, feine Abneigung gegen Dich zu mildern." r „Willst Du wirklich die Gnade haben?" sagte der Oberst so ironisch, daß Frau von Posewald ihn betroffen anfah und : dadurch erst bemerkte, in wie gereizter Stimmung er war. Mit zornigem Aufblitzen seiner immer noch schönen Angen : begehrte er von ihr: ; „Ich verlange unter allen Umständen von Dir, daß Du l Reinhard bestimmst, Geldmittel von mir anzunebmen. Er : soll nicht in so plebejischer Kleinkrämerei fortleben!" „Aber er ist doch bisher ohne Deine Beihilfe fertig geworden!" „Kann ich angeklagt werden, ihn vernachlässigt zu haben, ! wenn ich nichts von feiner Existenz wußte? Nochmals: Ich verlange durchaus von Dir, daß Du ihn umstimmst, oder, i bei Gott, ich wäre im stände, Dir Deine Abhängigkeit von mir fühlbar zu machen!" „Ich lasse mich aber nicht zwingen, so gegen meine Ueberzeugung zu handeln!" Heftig sprang der Freiherr auf und ries: „Ist das der Dank sür meine jahrelang erwiesenen Wohl taten? Wenn ich nun meine Hand von Dir zurückzöge?" Stolz richlete sich Frau von Posewald cm und erwiderte gelassen: „So müßte ich mich eben darein finden; aber ich hätte Dich nicht für so kleinlich denkend gehalten." „Zwinge mich nicht zum Aeußersten!" Mit großen Schritten durchmaß Herr von Gattersheim das etwas niedrige Zimmer; plötzlich blieb er niit jähem Nucke vor seiner Consine stehen und sagte: „Wenn ich einmal mein Wort in einer Sache gegeben habe, so bleibt es beüehen! — Entscheide Dich! Entweder Tu tust mir den Miicn und stimmst Reinhard zu meinen Gunsten, oder meine Hilfsquelle ist dauernd für Dich ver siegt. Willst Du?"