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MlsdmfferÄMblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, ?°R^.A,l?P°st°?statt°n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend T I für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff 6 '"0°undPIatzr>orschriften annahmebisvorm.lüUhr. — — v berücksichtigt. Anzeigen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 25y — 90. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Montag, den 26. Oktober 1931 Der italienische Besuch Grandi in Berlin. ^er italienische Außenminister Grandi, der jetzt den römischen Besuch des Reichskanzlers in Berlin erwidert, findet in der Reichshauptstadt ein umfangreiches Pro gramm vor Seiner Gemahlin nimmt sich besonders die Gattin des Vizekanzlers Dietrich an, da Dr. Brüning ja unverheiratet ist. . , , Minister Grandi ist übrigens nnt seinen 36 Jahren der jüngste A u ß e n m i n i st e r in Europa. Er blickt auf eine glänzende Laufbahn zurück. Er wurde geboren am 4 Juni 1895 in Mordana bei Imola. Als Student begann er sich beim Ausbruch des Weltkrieges politisch zu betätigen und setzte sich für den Eintritt Italiens in den Weltkrieg ein. Er wurde Soldat, später Offizier in einem Alpiniregiment und zeichnete sich mehrfach besonders aus. Nach dem Kriege setzte Grandi seine rechtswissenschaft lichen Studien fort und betätigte sich gleichzeitig politisch und journalistisch. Im Faschismus errang er sich schnell eine führende Stellung, kam in die Kammer und wurde Sekretär der faschistischen Fraktion. Er wurde dann in schneller Reihenfolge Vizepräsident der Kammer, Unter staatssekretär im Innenministerium und 1925 Unterstaats sekretär im Ministerium des Auswärtigen. Grandi wurde von Mussolini zuzahlreichen be sonderen Missionen verwandt. Er vertrat Italien auf der Völkerbundtagung im Dezember 1928 in Lugano und ging im gleichen Monat in neuer Mission nach Angora und Athen, um in dem griechisch-türkischen Thrazienkonflikt zu vermitteln. Im April 1929 besuchte Grandi Albanien und führte die Besprechungen über eine große albanische Anleihe in Italien. Daran knüpften sich Besuche in Buda pest und Warschau. Im September 1929 wurde Grandi, der nun schon seit vielen Jahren als die rechte Hand des Duce gilt, bei der Umgestaltung des italienischen Kabinetts mit der Leitung des bis dahin von Mussolini selbst geführten Außenmini steriums beauftragt. Die Ankunst. Der italienische Außenminister Dino Grandi ist in Berlin eingetrofsen, um den Besuch der deutschen Minister in Ron. zu erwidern. Auf dem Bahnsteig hatten sich zum Empfang einge sunden: Reichskanzler Brüning in seiner Eigenschaft als Außenminister mit dem Staatssekretär von Bülow und Ministerialdirektor Köpke vom Auswärtigen Amt, dem Chef des Protokolls, Gras Tattenbach, dem deutschen Bol- fchaster in Rom, von Schubert und Gattin und Herren des Auswärtigen Amies, der italienische Botschafter, Orsini Baroni, mit dem gesamten Personal der italieni schen Botschaft, sowie der italienischen Handelskammer und Hervoragende Persönlichkeiten der italienischen Kolonie. Reichskanzler Brüning begrüßte den italienischen Außenminister und seine Gemahlin sowie die Herren seiner Begleitung aus das herzlichste. Beim Verlassen des Bahnhofs wurden die Gäste von der italienischen Kolonie begrüßt, die dort Aufstellung ge nommen hatten. Er ertönten laute Rufe: „Grandi evviva" Ein weiß aekleideis Mädchen überreichte Frau Grandi einen Blumenstrauß mit Schleife in den italienischen Farben als Gruß der in Berlin ansässigen Italiener Die Abfahrt zum Esplanade-Hotel, in dem Grandi und seine Begleitung Wohnung nehmen, vollzog sich in vollster Ruhe. Kurz vor zehn Uhr trafen die Wagen vor dem Hotel Esplanade ein, das außer mit den italienischen Farben auch mit der schwarzrotgoldenen Reichs- und der schwarz- weitzroien Handelsflagge geschmückt war. Mitglieder der italienischen Kolonie harrten längere Zeit vor dem Hotel aus und brachten verschiedentlich Hochrufe auf Grandt aus, worauf sich der italienische Außenminister noch im Reiseanzug einige Male am Fenster seines Hotelzimmers, über dem die italienische Flagge wehte, zeigte und seine Landsleute mit dem Faschistengruß und mit Winken begrüßte. Kurz vor elf Uhr begab sich Grandi zusammen mit dem italienischen Botschafter im Kraftwagen durch die Tiergartenstratze und durchs Brandenburger Tor zur Reichskanzlei in der Wilhelmstraße, um dem Reichskanzler und darauf dem Staatssekretär von Bülow seinen Besuch zu machen. Die erste Unterredung. Bei dem Besuch Grandis beim Reichskanzler fand eine erste, etwa Dreiviertelstunde dauernde Besprechung über politische Fragen statt. Um 12.30 Uhr begab sich der Reichskanzler zur italienischen Botschaft, um den Besuch Grandis zu er widern. Um 13.30 Uhr gab Staatssekretär von Bülow zu Ehren der italienischen Gäste im Hotel Adlon ein Früh stück mit Damen, an dem neben dem Reichskanzler u. a auch Vie Staatssekretäre Pünder und Köpke, Ministerial direktor Gauß, der italienische Botschafter und der deutsche Botschafter in Nom teilnahmen. «, Das Abendessen beim Reichskanzler. Trinksprüche Brünings und Grandis. Reichskanzler Dr. BrüniiH gab zu Ehren des italieni schen Außenministers Grandi und seiner Begleitung ein Abendessen, zu dem u. a. die Mitglieder des Reichskabi netts, der Doyen des Diplomatischen Korps, der ita lienische Botschafter, der Präsident des Reichstages, Ver treter des Neichsrates geladen waren. Während des Essens brachte Reichskanzler Dr. Brüning folgenden Trinkspruch aus: „Herr Minister! Im Namen der Reichsregierung heiße ich Ew. Exzellenz in der Reichs hauptstadt herzlich willkommen und bitte Sie, unseren Willkommensgruß auch Ihrer Exzellenz Frau Grandi übermitteln zu wollen. Ihr Besuch, Herr Minister, ist für uns alle eine um so größere Freude, als er die erwünschte Gelegenheit gibt, den vor kurzem bei unserem Besuch in Rom eingeleiteten politischen Gedankenaustausch fortzu setzen. Mit freudiger Genugtuung haben wir davon Kennt nis genommen, daß Se. Exzellenz der Ches der italienischen Regierung gleichfalls die Absicht hat, meiner Einladung nach Berlin zu folgen. Niemals ist ein solcher unmittel barer Gedankenaustausch zwischen verantwortlichen Trä gern der internationalen Politik notwendiger gewesen als letzt, wo wir vor den ernstesten und schwersten Problemen stehen, die nur durch die gemeinsamen Anstrengungen aller beteiligten Regierungen und Völker zu lösen sind. Wenn ich an die unvergeßlichen Tage denke, die ich m der Ewigen Stadt inmitten der wundervollen Denk mäler einer Geschichte von Jahrtausenden erleben durfte, muß ich fürchten, daß dem Gaste aus Nom unsere Reichs hauptstadt vielleicht nüchtern erscheinen wird. Doch wird die Größe und der Ernst des Arbeitswillens, der hinter dieser nüchternen Fassade Berlins steht, gerade bei dem Mitglied einer Regierung auf volle Würdigung rechnen dürfen, die unter der bewährten Leitung ihres Führers ihre Kraft in besonderem Maße der Modernisierung von Handel, Wirtschaft und Verkehr Italiens widmet und dabei so be wundernswerte Erfolge erzielt hat. So hoffe ich, wird der Aufenthalt in unserer Hauptstadt Ihnen, Herr Minister, weitere Beweise dafür liefern, daß wir Deutsche unser letztes daran setzen, die Not der Zeit durch zähe Arbeit zu überwinden, wobei wir uns Wohl bewußt sind, daß das Ziel nur durch vertrauensvolles Zusammenwirken aller Völker erreicht werden kann. Das deutsche Volk fühlt sich allen denen innerlich ver bunden, die gewillt sind, vergangenen Hader ruhen zu lassen und ihre ganze Kraft den Aufgaben der Gegenwart, den Forderungen der Zukunft zu widmen. Mit ehrlicher Bewunderung sehen wir das mit jugendlicher Energie l aufstrebende italienische Volk zur freien Entfaltung seiner I reichen Kräfte fortschreitcn, wir sehen, daß auch dort der selbe unbeugsame Lebenswille herrscht wie bei uns, und daß auch dort das Heil der Menschheit in der lebendigen Fortentwicklung gesucht wird. Das läßt uns Deutsche hoffen, jenseits der Alpen volles Verständnis zu finden für unseren Kampf gegen die wirtschaftliche Not und für unser Streben nach Freiheit und Gleichberechtigung. In dieser Hoffnung erhebe ich mein Glas auf das Wohl Se. Majestät des Königs von Italien, auf das Wohl S. Exzellenz, des Herrn Chefs der italienischen Re gierung, auf das Wohl Ew. Exzellenz und auf die Zukunft des italienischen Volkes." Der italienische Außenminister Grandi dankte für den überaus herzlichen Empfang. Die italieni sche Regierung und das italienische Volk haben eine leben dige Erinnerung an die Tage, an denen Sie unser will kommener Gast waren. Die Herzlichkeit jener Begegnung und das wechselseitige Verständnis, das bei ihr zutage trat, haben erneut den großen Nutzen erwiesen, den der un mittelbare Meinungsaustausch zwischen den Männern bietet, die für die Politik der verschiedenen Länder ver antwortlich sind. Als der Chef der italienischen Regierung mir den willkommenen Auftrag erteilte, Ew. Exzellenz und der Reichshauptstadt diesen Besuch abzustatten und die freundschaftlichen Unterredungen, die wir in Rom hatten, fortzusetzen, hat er dem besonderen Wunsche Ausdruck ge geben, daß ich Ihnen seinen herzlichsten Gruß überbringe und Ihnen bestätige, daß er hofft, es möge sich bald eine günstige Gelegenheit bieten, um der liebenswürdigen Ein ladung Ew. Exzellenz zu folgen und um persönlich die Unterredungen fortzusetzen. Die freundschaftlichen Worte der Anerkennung, mit denen Ew. Exzellenz soeben von den Fortschritten ge- Staatssekretär Dr. Pünder, Staatssekretär Weiß- >- - Reichskanzler Dr. Brüning, italienischer Außenminister orandi, italienischer Botschafter Orsini Baroni. Bilder rechts: Mitglieder der italienischen Kolonie in Berlin entbieten Grandi vor «dem Hotel Esplanade den faschistischen Gruß; (links): Grandi dankt vom Balkon aus. Die Ankunft des italienischen Außenministers in Berlin.