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WibdmUÄMM Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Dar „Wilsdruffer Tageblatt' erscheint werktags nachm. 4 Uhr. Bezugspr. monatl 2 RM. frei Hau-, bet Poftbcstellung 1,80 RM. zuzügl. Bestellgeld. Einzelnummer lll Rps. Alle Postanstalten, Postboten, unsere Austräger u. Geschäftsstelle nehmen zu jeder Zeit Be- ,, ... .. . ftcllungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt oder Wochenblatt svl Wilsdruff U. UMgegeNd sonstiger Betricbsftörun. gen besteht kein Anshriud auf Lieferung der Zei ¬ tung oder Kürzung des Bezugspreise- Rücksendung eingcsandtcr Schriftstücke ersolgt nur, wenn Rückporto bciliegt. alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut aufliegcnder Preisliste Nr. 5. —Zifser-Gebühr! 20 Rpfg. — Dorgeschrie- benc Erscheinungstagc und Platzwünschc werden nach Möglichkeit berücksichtigt. — Anzeigen-Annahme bis vormittags ,0 Uhr Für die Nichtigkeit der Lurch Fcrnrus Lbermit- Fernsprecher; Anil ^Wilsdruff 206 telten Anzeigen überneh men wir keine Gewähr. —————————————— — Bei Konkurs und Zwangsvcrgleich erlischt jeder Anspruch aus Nachlaß. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Stadt rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 295 — 94. Jahrgang. Drahtanschrift: „Tageblatt 2 Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 19. Dezember 1935 Von Masarhk zu Benesch. Mit dem bisherigen tschechoslowakischen Außen minister Benesch hat in der uns benachbarten Tschecho slowakei kein Unbekannter die Nachfolge des kürzlich vom Amt des Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik zurückgetretenen Masarhk angetrcten. Bis zum letzten Ailgenblick war es noch ungewiß, ob Benesch tatsächlich ge wählt werden würde, da sich in den tschechoslowakischen Parteien starker Widerstand gegen seine Wahl geltend gemacht hatte. Aber, wie so Überraschungen in parlamen tarisch regierten Staaten möglich sind, gelang es in letzter Minute, die bestehenden parlamentarischen Schwierigkeiten zu beseitigen, der Gegenkandidat Nemec trat von seiner Kandidatur zurück, und Dr. Benesch wurde bereits im ersten Wahlgang mit der erforderlichen Mehrheit zum Präsi denten der Tschechoslowakischen Republik gewählt. Es sah vor der Wahl wirklich so aus, daß ihr Aus gang zweifelhaft war. Der tschechoslowakische Staats präsident wird in drei Wahlgängen von beiden Häusern der Nationalversammlung erkoren. Es wählen ihn also 450 Abgeordnete und Senatoren. Der erste und der zweite Wahlgang sehen Dreifünftelmehrheit vor, der letzte Wahl gang gewöhnliche Mehrheit. Nach dem Stand der Wahl vor der Abstimmung glaubte man nicht daran, daß eine Entscheidung im ersten Wahlgang möglich sein werde. Es war so gut wie sicher, daß im ersten Wahlgang für Benesch die tschechischen Sozialdemokraten 58, die tschechi schen Nationalsozialisten 42, die deutschen Sozialdemo kraten 17, die Kommunisten 46, die dentschen Demokraten 1, die tschechischen Klerikalen 33, die deutschen Christlichsozi alen 9, insgesamt also 206 Abgeordnete stimmen würden. Diefrr Gruppe standen zunächst folgende Stimmen gegen über: tschechische Agrarier 68, tschechische Gewerbepartei 25, Natioualdemokraten 26, Faschisten 6, Deutscher Bund der Kandsvirte 5, Ruthenen 2. Bei einer Stichwahl hätten demgemäß die 67 Stimmen der Sudetendeutschen Partei, die 31 slowakischen Autonomisten und die 14 Ungarn den Ausschlag geben können. Als sich aber die Lage vor der Wahl hochdramatisch zugespitzt hatte, trat die sensationelle Wendung ein, daß auf Grund von vatikanischen Ein flüssen die Wahl Benesch' gesichert wurde. Es war von vornherein ausgefallen, daß die von Monsignore Schrame! geführten tschechischen Klerikalen offensichtlich sich hinter Benesch gestellt hatten. Schrame! drängte darauf, daß auch die von Pater Hlinka geführten slowakischen Antonomisten sich auf die Seite Beneschs schlügen, da Benesch seit dem großen Prager Katholikentag und dem Abschluß des Mockus vivoucki beim Vatikan großes Ansehen genießt. Dieser Gesichtspunkt muß auch bei verschiedenen anderen Parteien der Opposition ausschlaggebend gewesen sein. Der jetzige tschechoslowakische Staatspräsident Edu - ard Benesch wurde am 28. Mai 1884 geboren. Als der Weltkrieg ausbrach, flüchtete er nach Paris und vertrat die Tschechoslowakei auf der Pariser Friedenskonferenz. Man kann ihn als französisch orientiert bezeichnen. Aus dieser politischen Anschauung heraus wurde er der Schöpfer der Kleinen Entente. Seit 1918 war er Außenminister der Tschechoslowakei. Die von ihm geschaffene Kleine Entente verlor an Bedeutung, als er sich den von Jugoslawien geführten Bestrebungen zur Bil dung eines antibolschewistischen Staatenringes um Sowjetrußland nicht anschloß und seit Jugoslawien durch das Abkommen mit Italien die Kleine Entente gelockert hatte. Ja, Benesch vollzog als Lenker der tschechoslowa kischen Außenpolitik sogar eine deutliche Schwenkung zu den Sowjets hin und unterstützte z. B. auf dem diplo matischen Parkett des Genfer Völkerbundes die scharfe Sanktionspolitik der Sowjets gegen Italien. Gerade in Genf war Benesch politisch sehr rege, und er nahm an der Entwicklung der europäischen Politik lebhaften Anteil. Ob Benesch seinen Vorgänger, den ehrwürdigen Masarhk, wird voll und ganz ersetzen können, muß man dahingestellt sein lassen. Es ist sehr schwierig, in der Tschechoslowakei zwischen den verschiedenen Nationalitäten den erforderlichen Ausgleich zu schaffen. Masarhk war immerhin der Gründer des jungen Staates. Er war die große, repräsentative Gestalt des Staates, der von sechs Rationen bewohnt und mit ungelösten Fragen bis zum Rand gefüllt ist. Da ist z. B. die Frage der Unter drückung der Sudetendeutschen. Die Sudetendeutschen haben, sowenig ihnen Masarhk praktisch helfen konnte, doch allmählich gefühlt, daß dieser Mann das Unrecht, das ihnen der nationale Haß seiner Volksgenossen zufügte, innerlich nicht billigte. Sie hatten Vertrauen zu ihm ge faßt und es ihm durch die Stimmabgabe für seine letzte Wiederwahl und durch manche andere Kundgebungen bewiesen. Sein Nachfolger Benesch ist aber nicht gerade als Deutschenfreund anzusprcchen. Vielleicht ändert sich seine Einstellung gegenüber den Sudetendcutschen, nach dem er nun Präsident geworden ist. Die Sudetendeutsche Partei in der Tschechoslowakei wünscht jedenfalls, wie aus Verlautbarungen führender Männer der Sudetendcutschen zu entnehmen ist, daß mit dem neuen Präsidenten die mit dem verstorbenen Ministerpräsidenten Svehla zu Grabe getragenen Idee von den „Gleichen unter Gleichen" aus erstehe. WgM WemMer WMMeten Der englische Außenminister Sir Samuel Hoare ist, wie das englische Reuter-Büro meldet, am Mittwochabend zurückgctreten. Ueber den Rücktritt des Außenministers werden noch folgende Einzelheiten bekannt: Hoare faßte den Entschluß zu seinem Rückritt erst am Mittwochabend; sein Rüütrittsgcsuch ist angenommen wor den. Wer sein Nachfolger werden wird, war Mitt wochnacht noch völlig ungewiß. Man hält es für möglich, daß Baldwin vorläufig das Außenministerium mit- verwaltct; andererseits glaubt man, daß Neville Cham berlain Außenminister werden wird. Nm Mitternacht wurde mitgeteilt, daß trotz dem Rück tritt des Außenministers die Aussprache im Unterhaus am heutigen Donnerstag stattfindcn wird. Hoare wird, wie das üblich ist, voraussichtlich von einer der Bänke der Abgeordneten aus eine Erklärung über seinen Rück tritt abgcben. Hierauf bringt der Führer der Arbeiter partei, Attlee, den Mißtrauensantrag ein, daraus spricht Baldwin. Der Friedensplan erledigt Die Sitzung des englischen Kabinetts am Mittwoch dauerte etwa zwei Stunden. Ueber ihr Ergebnis verlautet nichts, was sichere Schlüsse auf die Absichten der Regie rung bei der Unterhansaussprachc am Donnerstag zu lassen könnte. Neben der Rede Mussolinis findet in der Abcndpresse in erster Linie eine Genfer Reutermeldung Beachtung, in der es heißt, das; das Ergebnis der Besprechungen zwischen den verschiedenen Abgeordneten der englisch-französische Friedensplan als tot an gesehen werden könne; es handelt sich nur noch um die Frage, wie man sich des Leichnams entlediae. Der Pariser Plan vor dem Völkerbundsrat. Abessiniens Antwort in der geheimen Sitzung erörtert. Am Mittwochnachmittag trat der Völker bund s r a t zu entscheidenden Beratungen zusammen. Es geht jetzt in Genf nm die höchst bedeutsame Frage, ob cs gelingt, den Abcssinienlricg durch einen wirklichen Frieden zu beenden. Andererseits würde der Krieg seinen Fortgang nehmen und würden die Völkerbunds mächte gezwungen sein, die Sanktionen gegen Italien fortzusetzen und sogar zu verschärfen. Der Pariser Gesandte der abessinischen Regierung, Wolde Mariam, hatte am Mittwochvormittag dem Generalsekretär des Völkerbundes, Avenol, die Ant wort der abessinischen Regierung auf die Pariser Friedens vorschläge überreicht. Im Generalsekretariat des Völker bundes wurde die Antwort geprüft und zum Gegenstand der zunächst vertraulichen Verhandlungen des Völker bundsrates gemacht. Die Antwort enthält eine ausführliche Darlegung des abessinischen Standpunktes, vermeidet jedoch aus taktischen Gründen eine ausdrückliche Ableh nung der englisch-französischen Anregungen. An einer kurzen Ratssitzung am Vormittag, die sich mit den Angelegenheiten des Irak beschäftigte, nahm ein Vertreter Italiens überhaupt nicht teil. Von italienischer Seite wurde diese Abwesenheit damit be gründet, daß man erst die endgültige Entscheidung Musso linis in der Sitzung des italienischen Senats abwarten müsse. Ratssitzung ohne Zislien Am Mittwochabend trat der Rat des Völkerbundes zu einer öffentlichen Beratung zusammen. Zu der Ver handlung waren alle Mitglieder des Rates mit Aus nahme des Vertreters von Italien er schienen. Bevor die Verhandlung begann, nahm der Präsident das Wort, um dem neugewählten tschechischen Staatspräsidenten Dr. Benesch Glückwünsche auszu sprechen. Den Glückwünschen des Präsidenten schlossen sich Laval, Eden und fast alle übrigen Mitglieder dc^ Völkerbundes an. Der öffentlichen Sitzung des Rates ging eine ver trauliche Verhandlung voraus. Außerdem haben Laval und Eden eine fast zweistündige Unterhaltung gehabt, an die sich Beratungen von Eden mit Vertretern der Kleinen Entente und der Balkan- Entente und eine Aussprache von Laval mit dem polni schen Außenminister Beck sowie Verhandlungen von Laval und Eden mit dem spanischen Botschafter Mada- riaga anschlossen. Man nimmt an, daß die Beratungen auf die Bildung eines besonderen Aus - schuss es des Völkerbundsrates hinausliefen. Abessinien hofft auf Ablehnung des pariser planes. Vor der Sitzung gab das Generalsekretariat de« Wortlaut der außerordentlich umfangreichen Note bekannt, die die abessinische Regierung dem Völkerbund hat überreichen lassen. Diese Note gibt zunächst eine langwierige historische Darstellung der gesamten bis herigen Verhandlungen, wobei zum Ausdruck gebracht wird, daß die abessinische Regierung davon überzeugt ge wesen sei, daß niemand außer dem Völkerbundsrat das Recht haben würde, ihr irgendwelche Vorschläge oder gar Bedingungen für einen Frieden zu übermitteln. Die Note beklagt sich weiter darüber, daß der ganze Ton der englisch französischen Vorschläge einseitig gegen Abessinien gerichtet sei, und daß immer wieder von Bedingungen in wechsÄ«- dem Zusammenhang mit dem Wort Anregung gesprochen werde. Es wird dann besonders hervorgehoben, daß nach Auffassung der abessinischen Regierung niemand das Recht habe, dem Kaiser von Abessinien einen Berater aufzu zwingen, daß die Unterstützung, die man Abessinien zuteil werden lassen wolle, von fünf zu fünf Jahren in ihren Grundsätzen und in ihrem Aufbau nachqeprüft werden müsse. Der Völkerbund habe kein Recht, irgendwelche territorialen Veränderungen vorzuschlagen oder durchzusetzen, insbesondere nicht, nachdem Abessinien angegriffen worden sei. Es wider spreche auch den Grundsätzen des Völkerbundes, wenn man gewaltsam von Abessinien die Überlassung irgend welcher wirtschaftlichen Konzessionen an Italien verlangen würde. Es würde weiter im Gegen satz zur Völkerbundssatzung stehen, wenn man Abessinien irgendeine Zwangsaufsicht des Völkerbundes auferlegen würde. Die Überlassung eines Hafens durch Italien sei keine Entschädigung für irgendeinen so genannten Landausgleich, weil der Hafen und das damit verbundene Landgebiet jederzeit von Italien wieder weg- genommen werden könnten und stark unter dem machtpoli tischen Einfluß Italiens stehen würden. Zum Schluß ver- zichtet die Note auf eine genaue Bekanntgabe des abessi nischen Standpunktes, insbesondere zu der Frage, ob Abes sinien nun endgültig ablchnt oder zu Verhandlungen bereit ist. Es wird nur festgestcllt, daß Abessinien das Vertrauen habe, daß der Völker bund die sogenannten Anregungen von Paris als nicht mit der Völkerbundssatzung übereinstimmend bezeichnen und damit zurttckweisen würde. Nach der Verlesung der Note gab der Präsident alle dem Rat zugegangenen Schriftstücke zur Frage des italie nisch-abessinischen Krieges bekannt einschließlich eines Hin weises auf die Pariser Vorschläge Englands und Frank reichs. Darauf bat der englische Völkerbundsminister Eden sofort um das Wort, um folgende Erklärung abzugeben: Sine Erklärung Edens. „Wie meine Kollegen sich erinnern werden, sind wir, als wir uns im November auf einige jetzt in Kraft befind liche Sanktionen einigten, darin übereingekommen, daß es notwendig wäre, Anstrengungen zu machen, um eine Grundlage für eine Einigung zu finden. Die Sanktionskonferenz billigte diesen Versuch, zwischen zwei Parteien den Streit zu schlichten, und es wurde auf Vor schlag des belgischen Ministerpräsidenten als willkommen angesehen, daß die englische und französische Regierung eine Grundlage für Verhandlungen suchen wollten. Es war dabei immer, als selbstverständlich angesehen, daß jeder Vorschlag, welchen diese beiden Regierungen aus arbeiten würden, fürdiebeidenin Streit befindlichen Parteien und fürden Völkerbund annehm bar sein müsse." über die Absichten der beiden Regierungen über eine grundsätzliche Bedingung für ihre Maßnahmen erklärte der Redner, daß vor einer endgültigen Verhandlung mit beiden Parteien zunächst die Vorschläge durch den Völker bund gebilligt sein müßten. Alle Verhandlungen seien mit den guten Wünschen der Sanktionskonferenz geführt worden. Wenn aber dieser Versuch ohne Erfolg bleiben sollte, dürfte doch der Grundsatz der Verständi gung Zurückbleiben, wie ihn der Völkerbund mehrfach als notwendig bezeichnet habe. Eden erklärte zum Schluß wörtlich: „Wenn es sich nun ergeben sollte, daß die dem Rat vorgclcgten Vorschläge nicht als ausreichende Grund- lagen für eine Verständigung zwischen den drei Teilen