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MMufferTageblatl 157 — 88 Jahrgang Wilsdruff-Dresden Dienstag, den 9 Juli 1929 Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" TMWtig bis i« -ar fönste Med Paul Reusch-Oberhausen, ver bekannte Großindustrielle. ks- eln im tsch der Oie )en zen er- ren sch- en- cen Iler ssel us- iro- nen die tark den er- t in )eu :cht ist reu Ie- en, ber mg zu eckt hm ath den tge fer ird er- en. er las nn sen do, ger :rn zen det ast cse- rn- ;en che Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts- grrichrs und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Paris bleibt hartnäckig Paris, 8. Juli. Lieber den Inhalt der neuen sranzösischen Antwortsnote an London verlautet noch, daß sie die Rheinland räumung vor allem von der Mobilisierung der deutschen Schuld abhängig machen werde. In französischen Kreisen versichert man, daß, wenn die Eng länder Wiesbaden räumen würden, die englischen Truppen durch französische ersetzt werden dürften. Mit besonderem Nachdruck werde in der französischen Antwortnote darauf hingewiesen wer den, daß der einzusetzende Feststellungs- und Verjöhnungsausschutz unter allen Umständen bis zum Jahre 1935 im Rheinland zu ver bleiben hätte. Die Behandlung der Saarfrage auf der kommenden politischen Kcnferenz werde mit der Begründung abgelehnt, das diese Frage nur Deutschland und Frankreich angehc. KaW und Böglers Beden in Düsseldorf. Ein besseres Ergebnis war in Paris nicht zu erreichen. Im Verlauf der Tagung der großen Organisationen Ver Schwerindustrie die in Düsseldorf stattfand und sie sich mit der Pariser Reparationskonfe- renz beschäftigte, erregten besondere Aufmerksamkeit die Reden des Geheimrats Kastl und des Generaldirektors V ö g l e r. Geheimrat K a st l der bekanntlich bis zuletzt zur deutschen Delegation gehörte erklärte, daß durch die Annahme des Boung-PlaneS Deutschland vor ganz andere Verhältnisse gestellt werde die ein Höchst maß an Leistung und zielsicherer politischer Rührung be dingen. Man müsse eine Bilanz der bisherigen Wirt schafts- und Staatspolitik aufstellen, um Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen. Zum Schluß sprach VSgler, um seine Haltung in Paris zu rechtfertigen. Er erkannte an, daß ein besseres Ergebnis in Paris nicht zu er reichen g e w esen set. Er habe von dem Augenblick an, als 1650 Millionen voll geschützt angeboten wurden, nur noch darauf hingewirkt. daß keine höhere Summe be willigt werde, und sich geweigert, eine höhere Summe zu unterzeichnen, nachdem er die Übereinstimmung seiner Auffassung mit der seiner Mandataeber festgestellt habe. Nachdem Vögler dann auf die Gefahren des Doung- Planes hingewiefen hatte, sagte er, daß er an eine Revision glaube, nicht weil sie im Doung- Plan verankert sei, sondern weil sie kommen müsse, wenn Deutschland zum Krisenzentrum Europas geworden sein werde. Die Entschließung. Einstimmig nahm dann der Vorstand des „Langnam- Vereins" folgende Entschließung an: „Der Noung-Plan stellt eine politische und keine wirt schaftliche Lösung der Reparationsfrage dar. Die im Langnam-Verein zusammengeschloflenen rheinisch-west fälischen Wirtschaftskreise lehnen daher die Verantwor tung für die Möglichkeit der Erfüllung des Planes ab." für Äürgerlum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die «gespaltene RsvUMile 2VRpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reichs pfennig, die «gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweifungsgebühr 20 Reichspfennige. Dor- gesckriebeneLrscheinungs- tage und PlatzvnHchcifte« werden nach Möglichkeit 5K sv kS w Sk I ANN WilSdvUN Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen- annakdiebis norm.10Ubr. - — - -- Für die Richtigkeit der durch Fernruf übernntteltenAnzeigen Übernehmen wir keine Garantie. Jeder Radatlansprr cd er ifcht, wenn der Betrag durch Klage eingezo g eu werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen eutgeoen. rä - die -zen oer- »Ehrliche Arbeitsgemeinschaft" Die Programmrede des neuen englischen Minister präsidenten Macdonald hat mit dem, was sie — nicht sagte oder nur sehr zurückhaltend andeutete, wieder ein mal bewiesen, welch ein Abgrund klafft zwischen Partei programm und Wirklichkeit. Nicht einmal so weit will man in England gehen, wie das in Deutschland bereits seit langen Jahren durchgesührt ist: die Kontrolle der Preispolitik im Bergbau durch ein öffentlich-rechtliches Institut, wie es der Deutsche Reichskohlenrat ist. Seine Wirksamkeit stellt eine starke Einschränkung des Unter nehmertums dar, hat Parallelen in der Kali- und der Eisenindustrie und bedeutet außerdem den Anfang einer gegensätzlichen Entwicklung zu dem, was sich in den anderen großen Industriestaaten der Welt abspielt. Doktor Pönsgen, der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes für den Bezirk der nordwestlichen Gruppe des Vereins Deut scher Eisen- und Stahlindustrieller, hat vor kurzem auf der Jubiläumstagung dieses Verbandes so manches ge sagt über die Stellung des Unternehmers im heutigen Staat, über das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, was vielfach auf Ablehnung, andererseits aber auch wieder auf Billigung weiter Kreise gestoßen ist. Man erinnert sich ja kaum noch daran, daß wir vor zehn Jahren die Zcntralarbeitsgemeinschaft der Arbeitgeber und Arbeit nehmer besaßen, und daß der verstorbene Hugo Stinnes und der gleichfalls nicht mehr am Leben befindliche Karl Legien, einst Vorsitzender des Verbandes der Freien Ge werkschaften, es waren, die diese Zentralarbeitsgemein- schast im November 1918 zusammenzubringen vermochten. Davon ist nicht mehr viel übriggeblieben; der Gegen satz zwischen Arbeit und Kapital oder zwischen Arbeiter- und Unternehmerschaft hat sich zu wachsender Schärfe zugespitzt, wobei es Dr. Pönsgen ganz besonders beklagt, daß sich das Unternehmertum politisch fast völlig zurückgezogen hat. Alles das, was vor zehn Jahren eingeleilet worden ist und unzweifelhaft auch viel dazu beitrug, die Wirtschafts- und sozialpolitischen Folgen der Revolution, der beginnenden Inflation und all der sonstigen damaligen Schwierigkeiten zu mildern, scheint jetzt vergessen zu sein, und es ist leider nur eine Hoffnung, wenn Dr. Pönsgen die Überbrückung der Kluft zwischen Arbeit und Kapital dann erst für möglich hält, wenn „der Geist ehrlicher Arbeitsgemeinschaft, wie schon einmal in Zeiten tiefster Not, wieder zu freier Ver ständigung zwischen den Parteien der Arbeit führt". An die Stelle jener Zentralarbeitsgemeinschaft ist eine „Entfremdung der Parteien" getreten, wie Dr. Pönsgen das noch sehr vorsichtig bezeichnet. Streitig keiten zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft werden befriedet nicht durch ein Übereinkommen, sondern durch einen Schiedsspruch des Staates, der hinter die Entscheidung die Staatsgewalt stellt. Nur der Macht kampf hat Platz gegriffen, nicht aber die Einsicht, daß Unternehmertum und Arbeiterschaft letzten Endes doch gemeinsame Interessen um so mehr haben, als der deutschen Gesamtwirtschaft jetzt wieder durch den Noung-Plan gewaltige Lasten auferlegt worden sind. Nicht etwa aus dem Munde Dr. Pönsgens, sondern aus dem des auch in Deutschland sehr bekannten englischen Wirtschaftlers Keynes stammt das Wort, daß Deutschland nur dann in der Lage sei, die ihm auferlegten Lasten zu tragen, wenn es „die Löhne für Spezialarbeiter im Ver hältnis zu den im Ausland herrschenden Speziallöhnen wird herabdrücken können". Man spricht von einer Entwicklung zum Hochkapitalis mus, den die Jahre der Nachkriegszeit herbeigeführt haben. Kaum mit Unrecht; all die .Hoffnungen auf Sozialisierung und dergleichen sind gescheitert und außer halb Deutschlands haben Unternehmer größten Stils — gleichgültig, ob man dabei an Amerika, England, Schweden oder Frankreich denkt — maßgebenden Einfluß "langt auf den Gang der internationalen Politik. In FWfchland hingegen, wo an die Stelle der Einzelpersön- iini die Macht der Organisation trat, haben wir diesen ", !"siehmeriyp kaum noch zu verzeichnen. Wir sind aber "'Nt so weit wie etwa in England, wo Arbeitgeber- """ -irdeitnehmerschaft durch ein freiwilliges Schlich- ^"gslhstem das Jntercssiertsein beider Seiten, sowohl der :"deltgeber wie der Arbeitnehmer, am Ertrage der Wirt- ichaft zum Ausdruck bringen. In Deutschland wirkt statt derartiger Übereinkunft, die von gemeinsamem Interesse dUnert ist, ausgleichend lediglich die Staatsgewalt, — ein Zustand, der durchaus nicht als erfreulich zu bezeichnen ist. Dr. Pönsgen erinnert noch an ein zweites Wort von Keynes: Deutschlands Leistungsfähigkeit bei der Er- fullung des Aoung-Plans wird auch dadurch bestimmt, ob die übrige Welt bereit ist, deutsche Waren an zunehmen. Leider ist diese Bereitwilligkeit überaus genug entwickelt, ist vielmehr festzustellen, daß gerade die wichtigsten Gläubiger Deutschlands sich durch immer höhere Zollmauern gegen die deutsche Wareneinfuhr ab- tperren. Trotzdem ist die Streitfrage um die Richtung, die der Ertrag der deutschen Wirtschaft zu nehmen hat, durch unsere Stellung als tributzahlender Staat schon entschieden. Es liegt im gemeinsamen Interesse der Unternehmer und der Arbeiter, die Konkurrenz fäh i g k ei t d e r d e u t s ch c n Wirtschaft im Aus lande durch eure „ehrliche Arbeitsgemeinschaft" zu stützen sie in mancher Beziehung überhaupt erst möglich zu :m- der itzt, üro bei Herr >or- uch :em icht Dre ute ich. reu das Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tageblatt" erscheint an allen Werklacen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, det ^ustckun- durch die Boten 2,3» RM., der Postbesteliung trag- gebühr. Tinzelnumn-cru WoÄenblvltl für Wi'sdrufs u. Umgehend Postboten und unsereAns- ^"undweichäftsneken ! 2: nehmen zu jeder Zeit Be- entgegen. Im Falt höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht tzt'N Anspruch auf Lieferung er Fettung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto deiliegt. Vor einem Ausverkauf -er deutschen Wirtschaft? Die rheinisch-westfälische Wirtschaft zum Uoung-Plan. Die Spitzenorganisation der rheinisch-westfälischen Wirtschaft, der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen, hatte seine Mitglieder und Freunde zu einer außer ordentlichen Mitgliederversammlung nach Düsseldorf ein geladen, um sie über die Ergebnisse der Pariser Re parationskonferenz zu unterrichten und zu die sen Stellung zu nehmen. Zu der Tagung fanden sich etwa 1200 Teilnehmer ein. Die führenden Männer der Wirtschaft waren fast ausnahmslos versammelt. Die Tagung erhielt ihre besondere Prägung durch die An wesenheit der deutschen Sachverständigen aus der Pariser Reparationskonferenz, der Herren Dr. Vögler, Ge heimrat Kastl und Dr. Melchior. Die Tagung wurde eingeleitet mit der Eröffnungsansprache von Paul Reusch-Oberhausen, der u. a. folgendes ausführte: „Mit der im Noung-Plan vorgeschriebenen Fest legung der Tributpflicht auf weitere 59 Jahre kann und wird sich nach meiner Ansicht das deutsche Volk nicht ab finden. Wer — wie ich — Enkelkinder hat, welche bereits die Schulbank drücken, muß bei Durchführung des Abkommens mit der geradezu erschütternden Tatsache rechnen, daß seine Nachkommen bis in die fünfte Generation tributpflichtig bleiben. Daß die Höhe der vorgesehenen Annuitäten für die deutsche Wirtschaft untragbar ist, haben sämtliche Sachverständigen zum Ausdruck gebracht. Kein ver ständiger Mensch glaubt daran, daß diese Annuitäten aus Ausfuhrüberschuß aufgebracht werden können. Die Folge wird sein, daß, wenn der Noung-Plan in Kraft treten sollte, cinerschreckenderAusverkauf der deutschen Wirtschaft cinsetzen wird. Von diesem Ausverkauf, der bereits begonnen hat, wird ins besondere die deutsche Industrie betroffen werden. Aus länder werden einen erheblichen Teil der deutschen In dustrie beherrschen. Bei konsequenter Durchführung des Noung-Plancs würde das deutsche Volk bald auf hören, eine Nation zu sein; Deutschland würde zu einem geographischen Begriff herabsinken. Nach Generaldirektor Reusch sprach Geheimrat Pro fessor Dr. Weber-München über das Ergebnis der Pariser Konferenz und führte u. a. folgendes aus: Allgemein ist die Erkenntnis vorgedrungcn, daß letzten Endes die breiten Massen der Bevölke rung die Last der Tribute zahlen müssen. Suchen sich die Arbeiter durch künstliche Hochhaltung der Löhne zu wehren, dann werden sie dafür Minderung des Kapitals und damit vergrößerte Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen müssen. Die davon ausgehende soziale Beunruhigung muß der Ausbreitung des bolschewistischen Giftes Vorschub leisten. Auch aus diesem Grunde be deuten die Kriegsentschädigungen eine ernste Gefahr für Europa. Deutschland hätte auf Grund seiner gewaltigen bis herigen Leistungen — unsere Bar- und Sachliefcrungen machen bis jetzt allein mindestens 40 bis 50 Milliarden Mark aus —, namentlich aber deshalb, weil das Funda ment der Kriegsentschädigungen, die Kricgsschuld- lüge, nicht mehr zu halten ist, theoretisch das beste Recht aus seiner Seite, wenn es weitere Tribute verweigern würde. Aber cs gibt keinen Gerichtshofaufd er Welt, vor dem Deutschland seinen Fall anhängig machen könnte. Die Länder der Welt dürfen nicht Übersechen, daß, wenn Deutschland untergeyt, wenn man den Bogen zu straff gespannt hat, unser Untergang gleichbedeutend wäre mit dem Untergang der ganzen europäischen Herrlichkeit, und das würde auch für den amerikanischen Geldbeutel eine äußerst empfindliche Einbuße bedeuten. Der Herr Reichsinnenminister hat in Kiel gesagt: „Verbilligung der Produktion und Erhöhung der Kaufkraft der Massen sind unsere Ziele!" Mit diesen Zielen können auch wir uns einverstanden erklären. Die bisherigen Maßnahmen unserer Regierung haben jedoch das erstere Ziel in keiner Weise erreicht. Erfolgt im Rahmen unserer gesamten Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht bald eine grundlegende Umkehr, so muß ein Teil unserer Wirtschaft verküm mern. Ich habe diese Ausführungen nicht gemacht, um die Arbeitnehmer anzugreifcn, für deren Bestreben nach besserer Lebenshaltung im Rahmen des Möglichen jeder sozial denkende Mensch Ver ständnis haben mutz, sondern aus dem Bedürfnis heraus, Regierung und gesetzgebende Körper schaften zu warnen, auf dem in den letzten Jahren beschrittenen Wege fortzufahren, ein Weg, der auf die Dauer das Ziel einer besseren Lebenshaltung nicht er reichen kann, sondern zur Verelendung des Volkes führen muß. Ich glaube nicht an die Möglichkeit der Durch führung des Aoung-Plans. Ich kann nicht glauben an » eine Versklavung des deutschen Volkes für den Rest dieses Jahrhunderts. Ich glaube an eine aöttlicke Gerecktiakeit."