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Vor- w-rd«n nach Mö°snMt Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 annahme bisoorn!l.1O Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fcrnruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Aadatlansprv ch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß odcr drr Auftraggcberin Konkurs gerat. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts ¬ gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Rr 188 — 86. Jahrgang Telegr.-Bdr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 13. August 1927 Um ein Haar. Gefahr für die Londoner Börse — Das letzte Stünd lein? — Justiztragödie. — Das Wcltgcwissen. Viel hätte nicht gefehlt, und die Welt wäre in diesen Tagen von der niederschmetternden Nachricht überrascht worden, daß die Londoner Börse vom Erd boden verschwunden sei. In ihrer nächster Nach- barschaft war ein großes Burau- und Geschäftshaus, an scheinend infolge von Bauarbeiten in dessen unmittel barer Umgebung, auseinandergeborsten und zur Hälft« zusammengestürzt, und mißtrauische Beobachter wollten bereits in den Mauerm des Börsengebäudes gefahr- drohende Risse und Sprünge entdeckt haben. Um ein Haar wäre es von den Gewalten der Tiefe verschlungen worden. Jetzt sind wohl schon wieder fleißige Hände an der Arbeit, um zu halten, was noch zu halten ist. Aber die Sorge der Londoner City um das Schicksal dieses Hauses, in dem ihre gewaltige, die ganze Welt umfassende Geldwirtschaft um sichtbarsten zum Ausdruck kommt, ist damit natürlich noch lange nicht überwunden. * Kein Zweifel, wäre der Londoner Börsenpalast plötz lich, über Nacht, vom Erdboden verschlungen worden, die ganze Welt wäre bereit gewesen, dieser Katastrophe, wenn dabei auch nicht ein einziges Menschenleben zugrunde ge gangen wäre, ungeheure sinnbildliche Bedeutung beizu messen. Denn bis vor wenigen Jahren verkörperte die Londoner Börse wie kein andere- Gebäude der Welt die alles bezwingende Macht des Kapitals, und wenn sie diese ihre überragende Stellung seit den Wirtschafts- und han delspolitischen Auswirkungen des Weltkrieges auch an die eigentliche Börsenstadt von Newyork, die Wallstreet, abtreten mußte, so ist sie immerhin doch auch jetzt noch namentlich für die europäischen Feinde der kapitalistischen Entwicklung so ziemlich der Jnbegrifs aller der Kräfte, denen sie Kampf bis zum Weißbluten geschworen haben. Man braucht sich nur des Ingrimms zu erinnern, mit dem die führenden Männer der Moskauer Sowjetherr, schäft aus den Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch England geantwortet haben, um sich einen Begriff machen zu können von dem ungeheuren Triumphgeschrei, das die Vernichtung des Londoner Börsenhauses an der Newa und an der Wolga unfehlbar ausgelöst hätte. Man weiß ia, daß die sozialen Umwälzungen, die dem Welt krieg allenchalben auf dem Fuße gefolgt sind, bei weitem nicht alle Blutentraume reifen ließen, die sich im Sturm und Drang dieser Zeiten mit ihnen verknüpft hatten. Im Gegenteil, aus der kapitalistischen Wirtschaft rückten wir in die von dem damaligen Reichskanzler Dr. Wirth soge nannte hochkaprtalistische Entwicklung auf, mit der Wirkung, da dre Macht der großen Weltbörsen, und damit in erster Reihe der Londoner Börse, sich ins Unge messene steigerte. Hatte sich jetzt plötzlich die Erde aufge tan und dieses eine Wahrzeichen der britischen Weltmacht- stellung — es gibt natürlich noch andere neben ihm — in ihren unergründlichen Schlund herabgezogen, der Laus der Weltgeschichte hatte wirklich für einen kurzen Atemzug wenigstens stillgestanden, und gewiß wären die öffent lichen Zeichendeuter alsbald auf den Markt gesprungen, um der Menschheit zu verkünden, daß nun das letzte Stündlein des Kapitalismus geschlagen und daß so von jetzt und von hier ab eine neue Wende in der Mensch, heitsentwicklung begonnen habe. * Um ein Haar hätte auch in einer dieser heißen Augustnächte eine I u st i z t r a g ö d i e ihr Ende ge funden, die wohl zu den merkwürdigsten der ganzen Menschheitsgeschichte gezählt werden kann. Oder wo hätte man sonst schon davon gehört, daß zwei rechtskräftig zum Tode Verurteilte sechs Jahre lang für die ihnen be stimmte Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl ausge spart werden, um schließlich, knapp anderthalb Stunden vor dem endgültig sestgesctzten Vollstreckungsakt, aber mals auf zwölf Tage dem Henker entzogen zu werden? Und das noch dazu gerade in dem Lande, das der Ver menschlichung des Strafvollzugs sehr wertvolle Dienste geleistet hat. Die Staats- und Gerichtsbehörden der Ver einigten Staaten haben sich in diesen Tagen von der öffentlichen Meinung fo ziemlich der ganzen Welt aller- Hand schlimme Dinge nachsagen lassen müssen, und nicht einmal den anarchistischen Bombenschmeißern in den ver schiedensten Ländern ist es gelungen, den gewaltigen Strom von Sympathiekundgebungen für die beiden Todeskandidaten wesentlich einzudämmen. Sogar Mus so l i n i, der doch sonst für Leute dieser Art gewiß nichts weniger als menschliche Rührung empfindet, hat sich tele- graphisch für die Aufhebung der Todesstrafe gegen Sacco uud Vanzetti ins Zeug gelegt, und mit einigem Recht darf man nun wohl aus der abermaligen Hinausschiebung der Hinrichtung den Schluß ziehen, daß die amerikanische Justiz es nun zu diesem Äußersten doch nicht mehr kom- ^en lassen will Wie sie diesen Rückzug zu maskieren ge- ,".kt, ist ihre Sache Als undenkbar muß es aber, merchviel, ob man den Urteilsspruch für begründet halten M oder nicht, bezeichnet werden, das; der elektrische ?tuhl letzt in diesem Fall zur Anwendung kommt, ° eine Tat zu büßen ist, die durch die s e ch s j ä h r i g e „Das junge Deutschland" Eröffnung der ZmOmWand- Aussteffung. Im Schloß Bellevue zu Berlin. Die neuerrichtete Festhalle im Park des Schlosses Bellevue sah Freitag in ihren Räumen die Eröffnung der Ausstellung „Das junge Deutschland". Unter den Ehren gästen sah man zahlreiche Vertreter de: Reichs-, Staats- und Gemeindebehörden und sonstige hervorragende Per- sönlichkeiten, so Reichskanzler Marx, Reichsinnen minister von Keudell, Reichsminister a. D. Külz, Ministerpräsident Deist von Anhalt, Dr. Deit- mer, Weihbischof von Berlin. Der Vorsitzende des Reichsausschnsses der deutschen Jugendverbände, Ollen- Hauer, wies in seinen Eingangsworten auf den Zweck der Ausstellung hin. Die Ausstellung soll nicht nur für den Gedanken der Freizeit der Jugend werben, sondern darüber hinaus die Leistung der deutschen Jugend im Rahmen der allgemeinen Volksentwicklung aufzeigen. Mit einem Gelöbnis, daß das „Volk von morgen" an de: Herbeiführung wahrer Volksgemeinschaft Mit arbeiten wolle, schloß Ollenhauer seine Rede. Reichskanzler Dr. Mark erklärte im Auftrag des Reichspräsidenten, daß dieser durch fein Dringendes Urlaubsbedürfnis zu seinem größten Bedauern verhindert sei, die Ausstellung selbst zu eröffnen. Der Reichskanzler knüpfte dann an die Ver fassungsfeier an und fuhr darauf fort: Seit Jahren sehen wir mit Freuden, wie die Kraft der deutschen Jugend sich erneuert, wie ein neuer Geist in ihr erwacht, der nach kultureller Geltung strebt, ein II! l! «II Nichtvollstreckung der zuerkannten Strafe ganz gewiß schon mehr als reichlich von den Verurteilten abgebüßt worden ist. Hier darf man wohl einmal mit Recht von dem Weltgewissen sprechen, das bei dem Gedanken, der Henker könnte jetzt noch, das Seinige zu tun, beauf tragt werden, nicht ss leicht zur Ruhe kommen würde. Dr. Sv. Letzte Vorbereitungen in Dessau. Begleitung der Flieger bis Irland geplant. Der Freitag war der letzte Tag der Vorbereitungen für den Ozeanflug. Die Maschinen sind nunmehr, nach dem sie noch einmal gründlich überholt wurden, wieder zusammengesetzt und machen die letzten Probeflüge, um neben der allgemeinen Prüfung namentlich das Funk gerät auszuprobieren, übrigens sind die in den letzten Tagen von anderer Seite verbreiteten Nachrichten, daß die Flugzeuge auch Sender an Bord führen, falsch; sie führen vielmehr nur Empfangsgerät mit. Am Sonnabend werden sich wohl die Flieger vor allen Dingen ausruhen. In Kreisen der Leitung der Junkers-Werke rechnet man für Sonnabend abend mit dem Start, wenn nicht außergewöhnliche Verschiebungen der Wetterlage eintreten. Der Start soll aber noch bei Tageslicht erfolgen. Nach dem Aufstieg eines der beiden Flugzeuge wird zunächst ein lichtlofes Flugzeug starten, und zwar die größte Junkers-Maschine, die 15 Passa giere faßt. Vor allem aber soll diese Maschine, die dann bis zum Aufstieg des zweiten Flugzeuges in der Luft kreist, die „Europa" und die „Bremen" bis nach Irland begleiten, um den Besatzungen der beiden Ozeanmaschinen während dieses ersten Teiles des langen Fluges die Arbeit der Orientierung während der Nacht bis zum Morgengrauen abzunehmen. Deshalb wird das lichtlose Flugzeug mit großen Scheinwerfern ausgerüstet, die den Ozeanmaschinen den Weg weisen. Auf diese Weise soll die Kraft der Ozeanflieger zunächst geschont werden, da die Schwierigkeiten des Fluges ohne hin so groß sind, daß sie ihre Nerven bis zum letzten brauchen werden. Auch die lichtlose Maschine hat kein Sendegerät an Bord. Die Route des ersten Teiles des Fluges geht über Magdeburg, Hannover, Amsterdam. Wie sie über den Ozean verläuft, hängt von den Wetterverhält- nissen ab. Der amerikanische Botschafter Schurman emp fing den Ozeanflieger Könnecke und dessen Begleiter, Gras Solms. Der Botschafter erkundigte sich mit großem Inter esse nach den von Könnecke getroffenen Vorbereitungen für den Flug und erklärte, er beabsichtige, dem Start des Flugzeuges von Berlin beizuwohnen, um den Fliegern persönlich Lebewohl zu sagen und seine besten Wünsche für ein Gelingen des Fluges auszusprechen. Könnecke wird aber voraussichtlich später über den Ozean fliegen als seine Dessauer Kollegen. Die „Miß Columbia" wartet in Paris nur noch auf günstige Wettervoraussagen, die den Flug über den Ozean erlauben. Drouhin Hai indessen erklärt, daß er nicht Geist der Gerechtigkeit und Gcmeinschschaft, der zusammen- führt und Zusammenhalt. Der deutschen Jugend die Staats- und Wirtschaftsordnung zu bereiten, die dem jungen Volke Recht, Freiheit und Wohlfahrt gibt, ist der Führer des Reichs schwerste und höchste Pflicht. Möge die Ausstellung dem hohen Ziele dienen, ein Stück wissenschaftlicher und praktischer Arbeit für die Jugend zu leisten, möge sie ein Auftakt sein zu gemein samer Arbeit der Jugend aller Bolkskreise. Nun erklärte der Reichskanzler die Ausstellung für eröffnet und es folgte ein allgemeiner Rundgang durch die Ausstellungsräume. Dabei nahm das Wort Aeichsmnenminister von Keudeil, der u. a. sagte: Dem, was der Herr Reichskanzler vorhin gesagt hat, möchte ich einige persönliche Gedanken hinzu- sügen, die sich aufdrängen, wenn man sich mit den Pro blemen der Jugendbewegung befaßt. Unwillkürlich hat man das Empfinden, daß die Jugend vor 30, 40 Jahren viel harmloser, naiver und vielleicht auch freudvoller war. Die heutige Jugend ist viel weiter, die Arbeit unserer Jugendbewegung viel positiver im Vergleich zu den Zeiten, die wir Älteren durchlebt haben. Zweifellos spielt in dieser Struktur der Jugendbewegung die Not und Qua! unseres gesamten Volkes mit, die wir durchlebt haben und die ihren stärksten Ausdruck in der für Pres sionen empsänglichen Jugend gesunden hat." Die Neve des Reichsiunenministers klang aus in der Aufforderung zur Duldung und Toleranz unter Wahrung aller natio nalen Interessen. Zu Beginn der Feier und bei ihrem Beschluß sangen Studenten vierstimmige Sätze alter Musik. Während des Verlaufs der Arisstellung sollen Ausführungen und fest, iiche Veranstaltungen der Jugendverbände vor sich gehen. die Absicht habe, kn Philadelphia zu landen, wie Levine cs gewünscht haben soll. Er sei zu einem Fluge Varis— Newport verpflichtet Warden und er wolle diesen Flug ausführen. — über dem Militärflugplatz von Versailles stürzte Leutnant Guilbaut mit seinem Jagdflugzeug ab und war sofort tot. Giftlbaut, der als einer der besten französischen Flieger galt, sollte im September einen Flug Paris—Peking über Moskau ausführen. Heute kein Start der Ozeanflieger. Dessau, 1". Augrrst. Die Wetternachrichten, die heute früh in Dessau eingetrosfen sind, sind sehr ungünstig, so daß an einen Start im Laufe des heutigen Tages nicht zu denken ist. Der Tief druck über den Bermuda-Inseln, der ursprünglich nach Osten zog, hat sich inzwischen ncch Norden hin entwickelt. Die Windstärke ist wenig zurückgegangen, sie beträgt 5V Stundenkilometer, Zurzeit herrscht nebliges Regenwetter über dem Ozean. EGM U WMc BkMWMLttMS. Paris, 12. August. Die Agentur Havas bringt aus Lon don folgende Meldung über die Frage der Verminderung der rheinischen Besatzungetruppen: In britischen mcszgebenden Kreisen wird bestätigt, dass im Laufe des zwischen Paris und London ge führten EedankenAistausches die französische und englische Regie rung grundsätzlich einer Verminderung der Bestände der alliierten Besatzungstruppen des Rheinlandes zugestimmt haben. Immer hin ist jedoch verfrüht zu sagen, daß ein Abkommen bereits zustande gekommen ist. Man möchte von der französischen Regierung er reichen, das; sie einer möglichst fühlbaren Verminderung der Trup pen zustimme. In diesem Falle würde die englische Regierung ihrerseits im Verhältnis von 10 Prozent die englische Truppen stärke im Rheinland vermindern. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die englische Regierung für den Fall, daß eine Uebereinstimmung nickt erzielt werden sollte, unabhängig von der französischen Re gierung vorgehen und eine teilweise Zurückziehung der englischen OKupationetruppen vornehmen würde. Ems Botschaft der Kirchen. Von der Lausanner Kirchenkonferenz. Zum Schluß des Lausanner Weltkonzils wurde eine gemeinsame Entschließung angenommen. Im Gegensatz zur Stockholmer Botschaft stellt sie die zentralen Grund sätze des christlichen Glaubens in den Mittelpunkt. Die Botschaft des Evangeliums sei mehr „als eine philo sophische Theorie, mehr als eine theologische Lehre, mehr als ein Programm irdischer Wohlfahrt". Die Botschaft demonstriert dann in 13 Sätzen das Festhalten der Kon ferenz an dem Evangelium als der zentralen Kraftquelle und der Gabe Gottes an die heutige Zeit. Sie bezeichnet das Evangelium als den einzigen Weg, „auf welchem die Menschheit Befreiung von dem sie jetzt verwüstenden Klasscnhas, und Rassenhaß finden kann, wie auch die Ver-