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MsdmfferTageblati Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »WU»»N>A« r«,^»E erschaut ,« W«r»t«g«u »«chmitta,, 6 Uhr. «ei «bhol«», i» »» Aschistrftelle «d »rn ««»»»»estellen 2 «M. im Monat, bei Zuftelln», durch di« Boten 2,ZV RM., bei Poftbeftellnn, , '"^Ulich Abte»«« . aebühr. Einzelnummern l«k,i,.«ll-P^!anft.lte>> Wochenblatt für Wilsdruff v. Umgegend Postboten und unsere«»-. d»,eru»d»eschSst»stelleu — ! nehmen ,u jeder geil Be. ftelluugen entgegen. I» Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigen»«^: 8gespaltene Ramnzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reich«, Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachwrisungrgebühr 2V Reichspfennige. Bs»» mrrden nach Ms,uchAt Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 bnü-ksichAt^LuAA annahmebiovorm.lvUhr. — -2 — 1 ll—- Für die Richti,KM durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattansprnch erlischt, wenn derBetrag dmech Klage eingezogen werden muß oder derAuftraggeber in Konkurs gerät. Antigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannsch^ft Meißen, des Amts, gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 150. — 86. Jahrgang Tel gr Adr .Amtsblatt' Wilsdruff-Dresden Postscheck Dresden 2649 Donnerstag, den 30 Juni 1927 Auf falschen Wegen. In eine entsetzliche Untiefe lätzt die Schüler- tragödie blicken, die sich in Steglitz bei Berlin ab gespielt hat. Die Abwesenheit de: Eltern wird von den Kindern dazu benutzt, um Orgien zu feiern. Im Verein mit einem gleich„wertigen" Schulkameraden wird die ganze Nacht hindurch ein Trinkgelage veranstaltet, bis sinnloseste Trunkenheit zur Mordtat treibt. Der Primaner zieht „seinen" Revolver und knallt los auf den jugend lichen „Liebhaber", den sich die Sechzehnjährige für die Nacht ins Haus lud. Widernatürliche Unzucht treibt die beiden jungen, noch nicht dem Knabenalter ganz entwach senen Schüler zusammen — und das Ende sind die beiden Schüsse. Auch anderswo knallen sie und fordern aus parteipolitischem Haß das Leben Andersgesinnter. Fast täglich tauchen überall in Deutschlands Zeitungen die Nachrichten auf von schweren parteipolitischen Streitigkeiten, die fast immer zu Verwundungen führen, oft genug aber auch einen tödlichen Ausgang haben. Leider sind es immer wieder gerade die jugend lichen Elemente, die dabei im Vordergrund wirken. Schreitet die Polizei ein, so wird auch sie fast immer das Ziel wütendster Angriffe und muß sich dann mühsam genug der eigenen Haut wehren. Halbe Kinder — früher pflegte man das bezeichnende Wort „Halbstarke" anzuwenden —, unreife Jugend, die sich aber die Rechte der Erwachsenen anmaßt! Ist das wirklich das kommende Geschlecht, auf dem unsere Zukunft beruht? Oder ist die Furcht, daß alle diese Vorkommnisse nicht etwa vereinzelte Erscheinungen, sondern Spiegelbild, Symptome sind, denn doch übertrieben? Man wünscht es im Innersten seines Herzens, man hofft es —, aber die zweite Frage taucht gleich daneben aus: Wo blieben die Eltern? Ist ihre Schuld nicht viel größer? Den Nachrichten zufolge sollen die Eltern des Mörders in der W-nirn n gewußt ürrhen, wis^s^MLralijch öder viel ¬ mehr unmoralisch um ihren Sohn stand; aber sie ver- schlossen die Augen gegen alles, ließen ihn ruhig gewähren. Und ist es denn dort, wo im mörderischen Streit der parteipolitisch Verhetzten Messer und Schlagring, Knüppel oder gar Revolver gezückt wird, eigentlich viel anders? Niemandem von uns Älteren, die wir durch die harte Schule des Lebens und zum großen Teil durch die noch härtere des Krieges gegangen sind, wird es einfallen, nun unbedingt den Lobredner der früheren Zeit abzugeben; aber leider ist an dem moralischen Ver-> fall großer Teile des jetzt im halbflüggen Alter stehenden Geschlechts nichts wegzudeuteln. Verständige Väter klagen ja genug; die soziale Not macht die Jugend freilich — das muß zugegeben werden — häufig genug zu Frühreifen, die keck und alle Mah nungen verlachend nach den Früchten des Lebens greifen. Man weiß ja aber auch, daß das Wort „Wie die Alten jungen, so zwitscherten die Jungen" seine manchmal sehr verhängnisvolle Wahrheit noch längst nicht eingebüßt hat, leider zwitschert die Jugend heute viel öfter die schlechten Weisen der Alten nach. In jeder Volksversammlung kann man es ja erleben! Die Hauptkrakeeler sind fast immer jugendliche Elemente, denen es nur auf den Radau an- kommt. Und die sich gewiß von ihren Eltern nicht mehr bändigen lassen, sondern sehr selbstbewußt auf den Geld beutel schlagen, den ihnen ein früher Verdienst füllt. Und ebenso fern liegt es den. Verständigen, der diese Dinge besorgten Auges sehen muß, nun etwa nur die so genannten unteren sozialen Schichten als mit solchen Ver fallserscheinungen behaftet erklären zu wollen. Vor kur zem wurde bei einer Revision der Schultaschen in einem Mädchenlyzeum festgestellt, daß mehr als die Hälfte der Fünfzehn- bis Sechzehnjährigen Puder und Schminke, Spiegel und Lippenstift mit sich führte. Und man weiß auch nur allzu genau, daß gerade dieses Alter die besten Kunden für diese Artikel abgibt. Also auch in den „höhe ren" Schichten kriselt es; auch jene Sechzehnjährige, die sich den „Liebhaber" ins Haus bestellte, war Besucherin eines Lyzeums und mag dort vielleicht oft genug im Kreise Gleichgesinnter mit ihren „Erfahrungen" geprahlt haben. Es ist allerhöchste Zeit, daß unsere Jugend etwas straffer an die Zügel genommen wird. Und das trotz alles Geschreies über „Freiheit" oder „Selbstbe- stimmnngsrecht". Wehe dem Volke, das sich nicht seiner höchsten und letzten, seiner wichtigsten Pflichten gegen feine Jugend erinnert! Das ZWensperrgesch im Rechtsausschuß. Keine Zweidrittelmehrheit für die Verlängerung. Der Rechtsausschutz Reichstages beriet die sozial- vcmokratischcn und den,akratischen Anträge zum Sperr- aesetz für Fürstenprozesse. Nach den Anträgen soll die Prozetzsperre bis zum 31. Dezember verlängert werden. Die Länder sollen ermächtigt werden, inzwischen auch über strittige Vermögensobjekte eine Sperre zu verhangen. Nach längerer Aussprache wurde der demokratisch-sozial demokratische Antrag mit 15 gegen 11 Stimmen angenom men, darunter mit den Stimmen der Zentrumsmitglieder des Ausschusses. Eine praktische Folge hat dieser Beschluß nicht, da nach der eigenen Forderung der Antragsteller Ämeidrittelmekrbeit für den Antraa erforderlich ist. Diese veuttchlancks?rieckenspoIiM. Stresemanns Aobelvortrag in Oslo. Ein großes gesellschaftliches Ereignis. Reichsaußenminister Dr. Stresemann hielt am Mitt woch in Oslo seinen Vortrag, zu dem er als Träger des Friedensnobelpreises vom Nobelkomitee eingeladen wor den ist. Die große Halle der Osloer Universität war bis auf den letzten Platz gefüllt. Unter den Zuhörern waren der Storthingpräfident Dr. Hambros, Storthingvizepräsident Movinckel, Staatsminister Lykke mit den meisten Mit gliedern seines Kabinetts, der deutsche, englische, fran zösische, amerikanische, schwedische, finnische und dänische Gesandte, der kommandierende General und komman dierende Admiral, der Vorsitzende der Osloer Stadlbe hörde, der Bürgermeister von Oslo, der Präsident der Nobelkomitees und Rektor der Universität, Stang, Pro fessor Frithjof Nansen, die Spitzen der deutschen Kolonie und viele andere. Präzise um zwei Uhr kam der König mit Gefolge. Der Präsident des Nobelkomitees begrüßte Dr. Strese mann. Er unterstrich, daß Stresemann gewiß gefühlt hätte, daß sich nicht nur das Nobelkomitee, sondern die ganze Stadt für seinen Besuch und seinen Vortrag interessierte. Dann begann Dr. Stresemann seinen Vortrag. ZusmmenkNft Chmberlain-VriM. Eigener Fernsprechdienst -des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 30. Juni, (tu.) Chamberlain hat sich zu einem lurzen Aufenthalte nach Peris zum Besuche Briands begeben. Chan-brrlsin hat seinen Erholungsurlaub auf kurze Zeit unter brochen. Die beiden Staatsmänner werben sich über die inter- naüonole politische Lage austauschen. Außenminister Dr. Stresemann mit dem deutschen Gesandten Dr. Rhomberg. Die Rede Stresemanns. In der Rede in der Aula der Universität in Oslo wleS Dr. Stresemann daraus hin, daß der Gedanke des Stifters des Friedensnobelpreises der war, den von ihm selbst mit dem genialen Ersinderblick entsesselten Naturkräften die Macht des Menschengeistes entgegenzusetzen. Die deutsche Friedenspolitik wäre nicht möglich gewesen, wenn sie nicht einem tiefen Sehnen der deutschen Volksseele entsprochen hätte. Dem deutschen Volke ist es nach dem militärischen Zusammenbruch nicht leicht gemacht worden, die nationale Idee in diesem Sinne zu vertreten und aus dem Wege zum Frieden mit fühlend zu sei». Dr. Stresemann ging sodann aus die einzelnen politischen Phasen ein, die dem militärischen Zusammenbruch folgten, er innerte an den Ruhreinbruch, den Dawesplan, um sich dann längere Zeit mit der Konferenz von Locarno zu be schäftigen. Er betonte hierbei, datz es eine Unwahrheit wäre, zu sagen, datz diese Politik sreudigcr und herzlicher Zustim mung begegnet wäre. Dr. Stresemann kam dann auf die Völkerbundtagung zu sprechen, in der Deutschland in den Völkerbund ausgenommen wurde, und erinnerte an die Rede Briands, in der dieser daraus hinwics, datz die Zeit der Kanonen vorbei sein müsse und datz über diesem Jahrhundert die Worte stehen mützten, datz die beiden großen Böller, Deutsche und Franzosen, die soviel Lorbeeren im Krieg auf den Schlachtfeldern errungen hätten, ihre Zukunft nunmehr nur den großen idealen Zielen der Menschheit widmen sollten. Heute könne gesagt werden, daß in dem Willen nach Frieden und Verständigung die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes sich einig sei. Wenn ein Volk, dessen soziale Umschichtung so gewaltig war, des Bolschewismus Herr ge worden ist, so zeigt dies den Sieg des Realpolitischen über das Imaginäre und über den Illusionismus. Alle Parteien arbeiten heute im neuen Deutschland mit, denn schließlich ha» über alle Verschiedenheit der Anschauung doch der Gedanke gesiegt, datz alle Hände notwendig wären zum Aufbau. Die Söhne und Enkel werden nur denen die Palme der Anerkennung reichen, die in dieser Ehrcnzcil nicht beseite standen, sondern mit Hand anlcgtcn, um das zusam- mengcbrochene Haus wieder aufzubauen. Der Minister ge dachte in diesem Zusammenhänge in ehrenden Worten des Reichspräsidenten. Dr. Stresemann bedankte sich schließlich für die Ehre, die ihm durch die Verleihung des Friedensnobelpreises zuteilge- worden ist und schloß seine Ausführungen mit folgenden Worten: Wir bekennen uns zu dem Geschlecht, das aus dem Dunkel ins Helle strebt. — Nach Beendigung seines Vortrages erntete der Minister anhaltenden stürmischen Beifall. Der König drückte Dr. Stresemann die .Hand Zweidrittelmehrheit ist nicht erreicht worden. Die An gelegenheit wird noch im Reichstag zur Sprache kommen. Staatssekretär Zweigert teilte mit. das; Abfindun gen früher regierender Fürsten noch nicht erledigt sind in Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg, Schwarzburg, Gotha, Mecklenburg-Schwerin, Lippe-Detmold und Mecklenburg- Strelitz. Die Vermittlungstätigkeit des Neichsinnen- ministeriums sei sehr intensiv gewesen. Alle Fürstenhäuser hätten eine schriftliche Erklärung abgegeben, worin sie sich bereit erklären, die Wirkung des Sperrgesetzes bis zum 1. Dezember d. I. vertragsmäßig gegen sich gelten zu lassen. ' Von den VertreternderLänder erklärten stck - die Vertreter von Thüringen, Mecklenburg-Schwerin uni Hessen für eine Verlängerung der Sperrfrist durch das Reich. Der preußische Vertreter erklärte, an einer solcher Verlängerung kein Interesse zu haben. Preußen habe nm noch an den standesherrlichen Ansprüchen Interesse. Reichsjustizminister Hergt legte dar, daß der Reichs tag seinerzeit nicht zugunsten einer Partei habe entscheide! wollen. Er habe deshalb ein unparteiischei Sperrgesetz gemacht. Er hätte eine Vermittlungs tätiakeit in Auge gehabt. Er bedauert, datz jetzt eineinhali Jahic verflossen seien, ohne daß eine Einigung erziel wurde. eine gewisse Anzahl metallurgischer und chemischer Pro dukte zugestanden, die in den bisherigen Vereinbarungen nicht aufgeführt seien. Seinerseits mache auch Deutschland " Frankreich neue Zugeständnisse über die Einfuhr von Weinen und Gemüsen und bewillige im allgemeinen die Meistbegünstignngsklausel. Beratungen über das Reichsschulgesetz. Reichskanzler und Regierungsparteien. Im Reichstag hatten der Reichskanzler und der Reichsinneuminister eine Besprechung über das Reichs schulgesetz mit den Regierungsparteien und den Sachver ständigen der Fraktionen. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Man will dainit bis zu der am Ende dieser Woche erfolgenden Rückkehr des Reichsaußenministers Dr. Stresemann aus Oslo warten. Es liegt die Absicht vor, im Notfälle durch die Regierungsparteien einen Antrag gleichen Inhalts wie der Regierungsentwurf im Reichs tage einbringen zu lassen an dem Tage, an dem der Ent wurf dem Reichsrat zugeht. Unter Umständen könnte so die erste Lesung im Reichstag noch vor der Sommerpause erledigt werden. Deutsch-französisches Handetsprovisorium Verlängerung um ein Jahr? Der Leiter der deutschen Handelsdelegation, Ministe rialdirektor Posse, ist-von Berlin nach Paris zurück- gekehrt und hatte dort eine Besprechung mit dem französi schen HandelZminister Bokanowski. Dabei legte er den Standpunkt der deutschen Negierung zu den letzten fran zösischen Vorschlägen dar. Nach Pariser Angaben handelt es sich angeblich um eine Verlängerung des gegenwärtigen Provisoriums um ein Jahr, und zwar werde Deutschland in dem Abkommen die Meistbegünsiigungsklausel, d. h., der Minimaltarif für Haussuchung bei der „Action Araneaise". Daudet noch nicht gefunden. Der französischen Regierung und noch mehr der Polizei bleibt es ein Rätsel, wo sich der aus dem Gefäng nis befreite Führer der Königspartei, Löon Daudet, auf- hatteu kann. Die Vermutung, daß er bei seinen Freunden in Lausanne weilt, hat sich nicht bestätigt. Eher glaubt man, daß er noch in Paris sein wird. Um ihm auf die Spur zu kommen, hat man jetzt den Chefredakteur der „Action Franeaise", des bekannten Organs der Königs partei, verhaftet. Bei der Zeitung selbst wurde eine gründliche Durchsuchung vorgenommen und dabei fest-