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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »Wilsdruff«« Ta,«blau- erschrini an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in bar DrschSsl,stelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch di« Boten 2,30 AM., bet Postbestellung r AM. zuzüglich Abtrag. ,, gebühr. Linzelnummern IbRpsg.All-Postanftalt-n Wochenblatt für Wirsdruff u. Umgegend Postboten und unsereAus. trügerund tScschäftsftelleu nehmen zu jeder Zeit Be« stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteh! kein Anspruch auf Lieserung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung cingcsandter Schriftstücke erfolgt nur, wcnu Porto beilicgt. für Sürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzelle 20 Stpfg., die 4 gespaltene Aeile der amtlichen Bekanntmachungen 40Uetchs- Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. VO»- geschriebene Erscheinung-. tage und Platzvorschrift« werden nach Möglichkeit »VLf P kL ch L V ! Amt 6 berücksichtigt. Anzei^«- annahmebis vorm.lOUHr. — —— — Für die Richtigkeit d« durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingczogen werden muß oderderAuftraggeberinKonkurs gerat. Anzeigcnnchmen alleVermittlungsstellenentgegeu. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 129. — 86. Jahrgang. Telegr.-Adr.: .Amtsblatt- Wilsdruff. Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 4. Juni 1927 «««»» » WI 1^ M I«! NW ÜW pfingstgeist. Mehr als ein rein kirchliches Fest ist gerade Pfingsten den Deutschen immer gewesen. Es war ihnen das F e st der Frühlingsfreude, das „liebliche Fest, es grünten und blühten Felder und Au'n," wie Goethes sonnendurchstrahltes Ticrcpos „Reineke Fuchs- anhebt. Da sammelten stch zum Hochfest im Mittelalter um ihren Kaper die Fürsten mit ihren Rittern und Mannen u'allen Dörferndie Jungburschcn und Müd- chen um den Maienbaum. Sie sprachen alle in einer ein zigen Sprache, der Sprache der Freude. sie zu sprechen haben wir Menschen, vor allem wir Deutsche der Jetztzeit, verlernt —, verlernen müssen unter dem Drucke des Schicksals, das finster und drückend über uns waltet und die Freude aus unseren Herzen herausgepreßt hat. Mißtönend sind die Klänge und in den verschiedensten Sprachen sprechen wir. Nicht mehr fassen wir einander die Hände zur Feier gemeinsamer Freude, weil uns die Sonne fehlt, unter deren Strahlen allein diese Freude Hervorbrechen kann wie ein Keim aus dem Schoße der Erde. Aber diesen Keim befruchtet ja auch nicht wie ein Frühlingsregen der Geist gemeinsamen Fühlens, Den kens und Hoffens. Wir reden ja nicht in gemeinsamer Sprache, sondern ballen in feindseligem Haß gegenein ander die Fäuste. „Komm, heil' ger Geist..." Die Worte dieses Pfingstliedes mit ihrem tiefen Sinn blieben für uns Deutsche immer nur ein Wunsch, und noch nie ist es mit feurigen Zungen herabgekommen über uns. Nicht wie ein Pfingstfest zu Jerusalem, da als Aus fluß dieses Geistes die dort zusammengeströmten Völ kermassen die Künder des Pfingstwunders zu verstehen vermochten, ist es bei uns, sondern allzu viele verstopfen die Ohren und wollen nicht hören, verhärten die Herzen, um sich dem feuerzüngigen Geist zu verschließen. Immer noch schleicht der unheilige Geist der Zwietracht durch die Straßen der Städte und Dörfer; er kennt keinen Feiertag und verhaßt ist ihm jede natürliche Freude. Er bläst in die Köpfe der deutschen Menschen immer aufs neue Geist von seinem Geiste, der Ungeist, Frevel ist. Und doch Witt und soll unser Wünschen nicht vergehen, wird dereinst nicht vergebens sein: „Komm, Hcil'ger Geist. der jenen Widersacher vertreiben wird. Dort, Wo die grüne Mosel sich mit dem Rhein ver mählt, am deutschen Eck, da steht am Fuße des Denkmals dessen, der Deutschland einigte, das mahnende Wort: „Nimmer wird das Reich vergehen, Wenn ihr einig seid und treu- — Dieser Geist der Einigkeit und der Treue in unserem Volke und zu unserem Volke — das ist der heilige Geist am deutschen Pfingsten. Jahre gab es, da schien er ganz geschwunden zu sein, da stand im lodern den Haß Deutscher gegen Deutschen, da schlich Untreue durch die Straßen und verkaufte sich trotz tiefster Not unseres Volkes an unsere Bedrücker und Bedränger. Und wenn wir jetzt zurückdenken an jene Tage, da dieser Un geist über uns waltete, so können wir dessen froh werden, daß doch so manches besser geworden ist und daß dieser unheilige Geist doch aus weiten Kreisen der damals von ihm Betörten gewichen ist. Ströme besten deutschen Blutes freilich mußten erst fließen und Deutsch land ging den schweren Leidensweg. „Komm, heil'ger Geist. . .- — aber es darf nicht beim Sehnen und Wünschen bleiben. Wichtiger, allein nur wirklich zur Erfüllung des Sehnens und Wünschens führend ist die Tat. Weil wir uneins waren und untreu dem Geiste deutschen Volkstums, darum schien es, als ob die Weltgeschichte über uns hinwegschreiten wollte. Vieles tat die Not der Jetztzeit, um uns wieder zurBe - sinnung zu bringen, aber nicht Äußeres ent scheidet letzten Endes, sondern nur innere Umkehr vom falschen Wege. Nur auf die Willigen steigt der heilige Geist hernieder, nur auf solche, die offenen Herzens sich nach diesem Geiste sehnen, weil sie diese ihre Herzen ge reinigt haben von jedem unheiligen Geist. Wir fühlen, daß in Deutschland doch dieses Sehnen, diese Bereit willigkeit immer stärker wird, und darum sind wir der festen Hoffnung, daß dereinst wieder für uns Deutsche Pfingsten das Heft der Freude sem wird, weil wir alle einig sind und treu. Gesetzentwurf über die SchankMen. Kein Gemeindebestimmungsrecht. Dem Reichstag ist soeben der Entwurf eines Schank- stättengesctzes durch den Rcichswirtschaftsministsr zu gegangen, nachdem der Reichsrat seine Zustimmung ge geben hatte. Der Gescüentwurs enthält das Gemeindc- bcstimmungsrecht nicht, über das seinerzeit so grostc Er regung im Lande entstand, als der allerdings vergebliche Versuch gemacht wurde, cs durch einen Volksentscheid zur Einführung zu bringen. In der dem jetzigen Entwurf beigegebencn Be gründung wird gesagt, es sei Aufgabe des Strafrechts, dem Mißbrauch geistiger Getränke und den daraus ent stehenden verbrecherischen Folgen cntgegenzuwirken. Eine Übersicht über die Bestimmungen in anderen Ländern, die Um die Inspektion der VMeltungen. Sie Kontrolle der Zerstörungen im Osten. Vor der Genfer Völkerbundratstagung Die am 13. Juni in Genf beginnende Völkerbundrats tagung findet in der französischen Presse besonders in der letzten Tagen die größte Aufmerksamkeit. Die französischer Zeitungsredaktionen zerbrechen sich vor allen Dingen dar über den Kopf, ob der deutsche Außenminister Dr. Strese mann auf der Genfer Ratstagung auch die Räumungs frage anschneiden wird. Einige Pariser Blätter glauben melden zu können, daß die Rheinlandfrage zwar nicht offi ziell in Genf zur Beratung stehen wird, daß aber Briand, Chamberlain und Stresemann ihren gemeinsamen Auf enthalt in Genf dazu benutzen werden, um in einen Ge dankenaustausch über die Frage der Rheinlandräumung zu treten. Die zweite Frage, die die Pariser Presse gegenwärtig beherrscht, ist die Angelegenheit der Ostfestungen. Schein bar auf einen Wink von französischer offizieller Seite hin hat die Pariser Presse hier ein Trommelfeuer gegen die Reichsregierung eröffnet, da diese nach wie vor auf dem Standpunkt steht, daß eine Inspek tion der Zerstörungen im deutschen Ostfcstungsgebiet nach Beendigung der interalliierten Militärkontrolle nicht mehr zulässig ist, während Frankreich eine solche Kontrolle unter allen Umständen durchführen möchte. Die französischen Zeitungen machen daher die größten Anstrengungen, um die Öffentlichkeit der anderen Länder in ihrem Sinne zu beeinflussen. Wie es heißt, soll Deutschland in der Frage der Ostfestungen einen Vermittlungsvorschlag gemacht haben, der zurzeit noch den Beratungen der beteiligten Negierungen unterliegt. Tschitscherins Berliner Besuch. Große Beachtung findet in politischen Kreisen die Berliner Reise des russischen Außenkommissars Tschi tscherin, der etwa Mitte der Woche in der Reichshaupt stadt eintreffcn wird. Zu Ehren der Reichsregicrung, ins besondere des Reichskanzlers und des Reichsaußen ministers, wird Tschitscherin in der russischen Botschaft in Berlin ein Frühstück geben. In politischen Kreisen rechnet man damit, daß der russische Außenkommissar mit Dr. Stresemann vor dessen Abreise nach Genf eine Aus sprache über die politisch e Lage haben wird. Der deutsche Außenminister wird bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen, nochmals die unbedingte Neutralität Deutschlands im englisch-russischen Konflikt zu betone». Dr. Stresemann ist in Baden-Baden eingetroffen. Der Außenminister will sich dort über die Pfingsttage vor dey Genfer Arbeiten noch etwas erholen. Meise der Russen aus London. Die Arcos Mitglieder in Deutschland. Die russische Handelsdelegation in einer Stärke von 75 Personen hat England nunmehr verlassen. Eine An zahl englischer Arbeiterführer gab den Abreiscnden das Geleit. Die Zahl der Russen, die in England verbleiben dürfen, ist sehr gering. Mitglieder der russischen Handels delegation erhielten keine Erlaubnis. Die Arcosmitglieder haben inzwischen die Einreise erlaubnis nach Deutschland erhalten. Nach den zuletzt vor- liegenden Nachrichten sind bisher nicht über 30 Pässe an gefordert worden. Die Russen werden bekanntlich zum Teil in Hamburg bleiben, zum Teil werden sie nach Ber lin kommen. zum Teil ein völliges Verbot der Herstellung und des Vertriebes alkoholischer Getränke besitzen, leitet binüber zur Darstellung der Verhältnisse in Deutschland. Vor dem Kriege beschränkte man sich darauf, das Gast- und Schank gewerbe und den Kleinhandel mit Branntwein einer ge- werbepolizeilichcn Erlaubnispflicht zu unterwerfen. Nach dem Kriege ist der Alkoholgenuß, der während des Feld zuges eingeschränkt worden war, wieder gestiegen. Der Reichstag forderte 1922 ein Gesetz gegen den Alkoholmiß brauch. Der nunmehr vorliegende Entwurf will diesem Verlangen Rechnung tragen und wünscht vor allem, die Jugend zu schützen. Abgelehnt wird das Gemeindebestimmungsrecht als dem deutschen Rechtsempfinden fremd. Es handelt sich bei dieser Materie um ein Hoheitsrecht desStaates. Die Beteiligung der Wahlberechtigten an Staatshoheits akten vollzog sich bisher in Deutschland in den Wahlen zu den gesetzgebenden und kommunalen Körperschaften und auf dem Gebiete der Gesetzgebung, außerdem in der Mitwirkung beim Volksbegehren und Volksentscheid. Nun zeige sich, daß man nicht allein über den Alkoholausschank, sondern auch über die P o l i z e i st u n d e, über Schul- fragen und andere Zweige des öffentlichen Lebens ab stimmen wolle. Dadurch würden die Verwaltungs- k behörden nach und nach ausgeschaltet werden. Ähnlich wie ' in Amerika würde man beim Gemeindebestimmungsrechi zu einer völligen Trockenlegung Deutschlands kom men. Die Trockenlegung würde die schwersten wirt schaftlichen Schäden herbeiführen. Nach den Er fahrungen aus der Zwangswirtschaft sei es unwahrschein lich, daß sich die Trockenlegung in Deutschland überhaupt durchführen ließe. Die Erzeugung an Branntwein würde gesteigert werden. Die Mängel, die sich bei den Erlaubnis- erteilüngen durch die Behörden gezeigt hätten, könnten durch andere entsprechende Abhilfemaßnahmen besser be seitigt werden als durch eine wesensfremde und doch nicht ausführbare Trockenlegung. Die dsuösch-polm'schs Grenze. Neue Bestimmungen ab 16. Juni. Nach mehrjährigen Verhandlungen zwischen Deutsch land und Polen kam Anfang dieses Jahres eine Verein barung über die Regelung der beiderseitigen Grenzver hältnisse zustande. Am 19. Mai wurden in Warschau die Ratifikationsurkunden über den geschlossenen Vertrag ausgetauscht und am 16. Juni 1927 sollen die Bestim mungen in Kraft treten. Der Vertrag behandelt die Festsetzung und Unterhal tung der deutsch-polnischen Grenze, die Grenzüöergänge, die Benutzung der Grenzwasserläufe und Grenzgewässer, die Zuleitung von Wasser und elektrischer Kraft, die Ab gabenfreiheit bei der Veräußerung grenzdurchschnittener Grundstücke. Zu dem Vertrag gehören vier Anlagen, näm lich ein Schlußprotokoll über die Grenzfestsetzung, ein Zu satzprotokoll, ein Protokoll über die grenzdurchschnittenen Brücken und Schleusen sowie ein Verzeichnis der außer rem Vertrag in Kraft befindlichen deutsch-polnischen ^lrenzabkommen, endlich ein Schlußprotokoll zu dem Ver- rag selbst. Die von den bisherigen Spannungen an der Grenze -art betroffene Bevölkerung unserer Ostmarken, besonders mch die Handelskreise, erhoffen von diesem wie von jedem llbbau der bisherigen unerwünschten Zustände Erleichte- ung der schweren Lage, unter der sie nun schon seit Zähren leiden. Deutschland und Llngarn. Die deutsch-ungarischen Handelsbeziehungen. Bei Verhandlung des Gesetzentwurfs, durch den die ungarische Regierung zur provisorischen Regelung der Handels- und Verkehrsverhültnisse mit den Auslands- staatcn ermächtigt werden soll, wies Baron Joseph Szte- renni im Obcrhausc darauf hin, daß Ungarn kein Tarifabkommen mit Deutschland habe. Deutschland sei abermals zu einer führenden Nolle ge langt und Ungarn wäre dnrch festeFädenandieses Land geknüpft, das in der Vergangenheit sein größter Absatzmarkt gewesen ist. Auch heute sei dieser Markt von größtem Werte für Ungarn. Im Laufe der an- zuüahncndcn Verhandlungen werde Ungarn einen schweren Stand haben, denn Deutschland schütze seine Agrarproduktion, besonders aber seine Wein produktion auf das nachdrücklichste. Dennoch unterliegt cs keinem Zweifel, daß Deutschland zum Abschluß eines entsprechenden Vertrages bereit sein werde, da es ein Znteressc daran habe, daß es im Donautale ein wirtschaft- ich und politisch starkes Ungarn gebe. Der Minister des Äußern, Walko, erwiderte, die Re- sicrung sei sich klar über die wirtschaftlichen Schwierig sten gegenüber Deutschland. Trotzdem würde sie es lern sehen, wenn die Verhandlungen noch im Laufe dieses Zahres ausgenommen würden. Ein Meistbegünstigungs- icrtrag mit Deutschland stehe noch heute in Kraft, doch zäbe es noch zahlreiche Fragen, deren Regelung nur im Wege einer Tarifratifizierung möglich wäre. WnzöflscherSMeßzug schwerverungliicki Zunächst neun Tote gemeldet. Der bekannte Expreßzug Paris—Lyon—Mediterrane« fuhr in der Nähe von Nimes ans einen Güterzug in vollste, Geschwindigkeit auf, wobei sämtliche Wagen des Güter- zugcs umgeworfcn wurden und die ersten Wagen des Exprcßzngcs ebenfalls entgleisten. Neun Personen wurden sofort getötet, eine große Anzahl ist schwer verletzt worden. Noch ist es nicht erwiesen, ob nicht auch Deutsche sich in diesem Zuge befunden haben, der gern von Reisenden aus Deutschland benutzt wird, da er die Verbindung der französischen Hauptstadt mit dem sonnigen Mittelmeer in wenigen Stunden herstellt. Um so tragischer wird die Eiscnbahnkatastrophe für die Mitfahrenden und ihre An gehörigen in der Heimat sein, da sie in der Hoffnung fuhren, sich an der Riviera von den Strapazen des Alltags erholen zu können.