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ilsdrufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da« Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen -Bekanntmachungen der Amtshanptmannschast Weitzen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forsttentamts Tharandt, Finanzamts Rosien. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gxjpatteneAaumzcile 20 Goldpfennig, die 4gefpaltcueZeilc der ärmlichen Beklnuurnachungen 40Gold* Pfennig, die 3 gejpnltene Reklamezeile im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Rcchweisungsgedühr 20 Gvldpjennig. Bor- geschriebene Erschcinnngs- rage und Platzvorschristrn werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Ami ÄLilSdrUfs Nr. 6 berücksichtig!. Anzeigen- iinnahme bis vorm.10Uhr — — - — — — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Ra batlanfpruch erlischt, wenn der Betrog durch Klage eingezogen werden mutz oderder Auftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Da« .Wilsdruffer Taaeblatt" erscheint täglich nachm. 5 Uhr für den Tag. Bezugspreis: Bel Abholung in d« Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2WK. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Postdeftellung L Mk. zuzüglich Abtraa- gebühr. Einzelnummern ISPfg. «lle Postanstaltcn Wochenblatt für Wrlsdvufs u. Umgegend Postboten und unsere Aus leger und Geschäftsstellen > — ' — nehmen zu jeder Zeit Be- Aellnngen entgegen ^m Kalle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung «r Zeitung oder Kürzung de« Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beilirgt. Nr 60. 86 Jahrgang T-l°gr.-Adr.: .Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 12 März 1027 Wächter der Menschheit. Was hat der internationale Mädchenhandel mit dem Völkerbund zu tun? wird sich vielleicht mancher gute Mitteleuropäer erstaunt gefragt haben, als er diesen gewiß interessanten Gegenstand plötzlich auf der Tages ordnung der hohen Ratsversammlung an den Gestaden des Genfer Sees auftauchen sah. Dunkel wird er sich wohl der Tatsache erinnert haben, daß schon zu den Zeiten, als noch der Traum eines Völker bundes keinen einzigen Schläfer beunruhigte, ebensowohl von dem schmutzigen Gewerbe des Mädchenhandels wie von seiner internationalen Bekämpfung die Rede war, nur, daß deren Fäden damals von London oder Paris oder Berlin aus geleitet wurden, während sie jetzt, wie man von Herrn Chamberlain belehrt worden ist, an der Stelle zusammenlaufen, die nun einmal offenbar den Ehr geiz hat, sich zum Mittelpunkt allen Weltgeschehens zu entwickeln. Augenzeugen berichten, daß der britische Außenminister ordentlich warm geworden sei, als er über die Fortschritte der Völkerbundarbeit gegen den Mädchen- und das will schon etwas heißen für »"bild eines kühlen und — ohne jede Respekt- ?/lagt sein — reichlich langstieligen Eng- allenfalls beim Tennis- oder Golfspiel elmgermabeil warm werden konnte. Aber Herr Chamber- können, daß das inter- der Nationen den gemein- gesahrlichen Madchenhandlcrn doch schon das Handwerk wesentlich erschwert habe. Wobei er mit nicht geringer ^Wellte, daß früher zumeist noch unschuldige, gänzlich ahnungslose Menschenkinder den internationalen Händlern und Händlerinnen zum Opfer fielen, während ihnen jetzt gewöhnlich nur noch ein Material ins Garn lauft, an dem nicht mehr allzuviel zu verderben ist. ist Der Gegenstand solcher Verhandlungen ist gewiß nicht klein und bedeutungslos und man kann den Propheten des Völkerbundes diesen Triumph von ganzem Kerzen gönnen: aber immerhin, gemessen an den eigentlichen, den wahren und großen Aufgaben der ungeheuren Maschine, die vom Genfer Friedenspalast aus geleitet wird, muß man schon sagen, daß in ihm nicht gerade der Kern des Übels umschlossen ist, von dem Herr Wilson die Mensch heit zu erlösen trachtete. Die Wächter der Menschheit haben wahrscheinlich noch größere Aufgaben zu erfüllen. Ein kleiner Fortschritt in der Frage der Rheinland- räumung, ein außerordentlich mäßiger Erfolg in der Erziehungsarbeit, die den ungebärdigen Polen gegen über geleistet werden muß, wenn sie aufhören sollen, der unleidliche Störenfried der europäischen Politik zu sein — das wäre immerhin schon ein schöner Sieg, des Schweißes der Edelsten aller Völker wert. Hier aber versinkt sowohl die englische wie die französische Diplomatie in tiefstes Schweigen und Herr Chamberlain hüllt sich sofort wieder in abweisendste Undurchdringlichkeit. Hier heißt es mit einem Male, man müsse warten, warten und immer noch warten, bis die „Atmosphäre" reif geworden sei für Lösungen, die allen wohltun und niemand verletzen können. Und so sollen wir von dieser März- wieder bis zur nächsten Junitagung vertröstet, ja sogar — man höre und staune — mit der Aussicht beruhigt werden, daß die hohen Herren sich dann der Abwechslung halber einmal in derdeutschenReichshauptstadt zusammenfindsn würden. Kann ein deutsches Herz so vielem Entgegen kommen widerstehen? Aber schließlich: Mädchenhandel hin, Mädchenhandel her. Mit dieser internationalen Pest find vordem auch reine Privatorganisationen überstaat licher Art fertig geworden. Wenn es aber keine Eile haben sollte, die internationalen Brandherde auszutreten, die im Osten wie rm Westen den Völkerfrieden bedrohen, dann wird n ach h e r memaud mehr seine Hände in Unschuld .naschen können, wenn wieder, einmal -in UngltL geschieht Vielleicht erleben wir cs noch, daß der Völkerw.,^ sich auch für eine andere Frage zu interessieren beainnt die gleichfalls etwas abseits vom Wege seiner eigentlichen Arbeitsgebiete liegen dürfte: für das, was inan in Europa und anderwärts die sogenannte „neue Litt, lichkeit" zu nennen beliebt. Womit gemeint ist die Niederlegung der Schranken und Rücksichten, innerhalb deren sich bis zu dieser aller Einengungen spottenden Gegenwart sich das Verhältnis zwischen Frau und Mann lind das öffentliche Auftreten des sogenannten schwachen Geschlechts zu bewegen Pfleg ten. Einstweilen sieht man gewisse Negierungen am Werk, der von ihnen für unselig gehaltenen Bewegung der Zeit aus eigener Kraft in die Räder zu fallen. Von M u s s o - lini weiß man schon seit Monaten, daß er den Geist seines Volkes wieder mit Selbstgenügsamkeit an Ver gnügungen und Genüssen zu erfüllen sucht. Jetzt hat auch die ungarische Negierung mit harter Hand gegen das zunehmende Unwesen fragwürdiger öffentlicher Schaustellung eingegriffen. Die Budapester Polizei ist nun unausgesetzt mit der Veranstaltung von Razzien be schäftigt, um zweifelhafte Dinge von den Straßen her unterzubringen. , Aber auch die Geistlichkeit regt sich mehr und mehr A' Kampf gegen die Unsitten der Zeit. So haben die o ° reicküschm Bischöfe in einem besonderen Hirtenbriefe «* aeud'j' „ enTän.ze Stellung genommen. MW iiber de» RmMM. ÄMmg der Siruergaransie für die Länder. Anträge der Regierungsparteien zum Finanzausgleich. Der Steuerausschuß des Reichstages beschäftigte sich mit der Frage des vorläufigen Finanzausgleichs, nachdem eingehende interfraktionelle Beratungen der Regierungs parteien vorangegangen waren, in denen sie sich über diese schwierige Materie einigten. Das Ergebnis dieser Einigung trug im Ausschuß namens der Koalitionsparteien der Abg. Dr. Preyer fDLn.) vor. Danach wollen die Koalitionsparteien den vorläufigen Finanzausgleich um zwei Jahre verlängern. Inzwischen sollen Mietsteuer, Realsteucr und Geldent wertungsausgleich bei den bebauten Grundstücken end gültig geregelt werden. Ein Rahmengesetz daz» soll die Reichsregierung noch in dieser» Fahre Vorlegern Die Steuergarantie des Reiches für die Länder soll von 2,4 auf 2,6 Milliarden erhöht werden und die 266 Millionen mehr zur Senkung der Realsteuern dienen. 450 Millionen sollen den leistungsschwachen Ländern als Ausgleich zu gute kommen. Dis Länder sollen gleichfalls die kleineren steuerschwachen Gemeinden besonders berücksichtigen. Die Bedeutung dieser Anträge erhellt aus dem Ver langen der Oppositiogsparteien, die Verhandlungen bis Montag zu vertagen. Die Fraktionen der Opposition müßten Gelegenheit haben, zu den neuen Stnträgen erst Stellung zu nehmen, weil sie eine grundsätzlich neue Finanz- und Steuerpolitik bedeuten würden. Die Regierungsparteien erklärten sich hiermit einverstan den. Die Beratung des Finanzausgleichsentwurfs und der Anträge beginnt Montag vormittag. Erhöhung der Biersteuet anteile Bayerns, Württembergs und Badens? Die Regierungsparteien haben im Steuerausschuß des Reichstages weiterhin einen Antrag eingebracht, der den jährlichen Anteil Bayerns an der Biersteuer von 17,2 auf 45 Millionen, den Anteil Württembergs von 3,3 auf 8,633 und denjenigen Badens von 2,2 auf 5,755 Millionen Reichsmark erhöhen will. Für 1026 soll den drei Ländern ein Viertel des Unterfchiedsbetrages nachgezahlt werden. Ungeklörte Lage in «enl. Eigener Fernfprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Gens, 11. März, In den heutigen Abendstunden findet zwischen den verschiedenen Delegationen ein lebhafter Meinungs austausch über die drei noch offenen Fragen statt, die in der mor gigen letzten Sitzung des Völkerdundsrates zur Verhandlung gelangen werden. Die Lage ist zur Stunde sowohl in der Saar frage als auch in der Oberschlefienfrage und der Frage der deut schen zivilen Lustfchiffohrt völlig ungeklärt. Die größten Schwie rigkeiten bestehen nach wie vor in der Saarfrage. Im Augen blick wird über den Lharäkter des zu schaffenden internationalen Bohnschutzkvlps verhandelt. Grosze Gegensätze bestehen ferner noch über dir Monnschastszahl des Bahnschutzkorps und die Fest setzung des Abzugstermins für die französischen Truppen. Wie verlautet, beabsichtigt der Berichterstatter des Bölkerbundsrates ftir die Saarfrage Scialoja, falls dis heute abend keine Eini gung erfolgen sollte, die gesamte Frage in der öffentlichen Rats sitzung zur Sprache und eventuell zur Abstimmung zu bringen. Sollte es tatsächlich hierzu kommen, so muß mit einer sehr leb haften Debatte innerhalb des Rates gerechnet werden. Man nimm tan, daß m diesem Fall der Reichsaußsnminister eine offi zielle Erklärung über den deutschen Standpunkt in der Saarfrage abgeben wird, doch ist dies von dem Verlauf der augenblicklichen Verhandlung abhängig. Die deulfch-rumänischen Wir tfchaftsver- handlungen — Direkter Meinu-gsaus- taufch über die Frage der Bauea-Gene- rale-Noten Eigener Fernfprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Belgrad, 11. März. Wie hier aus sehr zuverlässiger Genfer Quelle verlautet, ist in den WirtschasLsverharHlrmgrn zwischen Rumänien und Deutschland in den letzten Tagen inso fern eine neue Phase eingetreten, als nunmehr unabhängig von den deutschen Induftrie-Kreditprojeften mit Rumänien ein direkter Mrinungsonstoufch über die Frage der Banca-Gcnerale-Nvten zwischen dem deutschen Außenminister Dr. Stresemann und dem Londoner rumänischen Gesandten Titulescu aus Anlaß ihrer augenblicklichen Anwesenheit in Eens stattgesunden hat. denen sie nachsagen, daß sie Vie Sittlichkeit verletzen. Die I Wiener Tanzmeister wollen daraufhin die hohen Herren durch eine Vorführung von Foxtrott, von Shimmy und Charleston von der Vorzüglichkeit dieser Tänze über zeugen, und der Wiener Kardinalerzbischos wie der öster reichische Bundeskanzler Dr. Seipel, der bekanntlich gleich falls ein hohes kirchliches Amt bekleidet, sollen wirklich ihr Erscheinen zu dieser Veranstaltung zugssagt haben. Aber zweifellos sind es weniger diese Dinge an sich, die abstoßend und entsittlichend wirken, als der Geist, der sich in ihnen vielsach offenbart und auswirkt. Gegen ihn werden staatliche und kirchliche Würdenträger zu Felde ziehen müssen, wenn sie der zunehmenden Verwilde rung der Sitten, namentlich in den Großstädten, erfolg reich entgegentreten wollen. Vielleicht wird ihnen in diesem leider etwas ungleichen Kampf wirklich noch ein mal der helfende Arm des Völkerbundes beispringen — wenn nicht vorher schon der reinere Sinn der Völker selbst wieder zu nüchterneren Lebensgewohnheiten zurück gefunden hat. Dr. Sy. Beileid des Völlerdundes an Japan. Kompromiß in der oberschlesischen Schulfrage. Dr. Stresemann eröffnete die Freitagsitzung mit einer in warmen Worten gehaltenen Beileid skund- gebung im Ramen des Nates, die er anläßlich der jüngsten Erdbebenkatastrophe in Japan an den japanischen Delegierten, Grafen Ishii, richtete. Bei Be handlung der Tagesordnung wurde zunächst der Tätig keitsbericht der Opiumkommission entgegengenommen. Aus einen Vorschlag, den Reichsminister Dr. Stresemann in seiner Eigenschaft als Berichterstatter für wirtschaftliche Angelegenheiten machte, wurde beschlossen, im Spätherbst dieses Jahres in Genf eine diplomatische Konfe renz von Regierungsvertretern zur Ausarbeitung einer internationalen Konvention behufs Abschaffung der Ver bots und Einschränkungen für Aus- und Einfuhr einzu berufen. Das Datum dieser Konferenz, an der auch Richt mitglieder des Völkerbundes teilnehmen sollen, wurde vorlausig auf den 4. November festgesetzt. Gleichzeitig wurde auf Antrag von Dr. Stresemann der Tätigkeits- bericht des Wirtschaftsausschusses genehmigt und grund sätzlich dessen Vorschlägen zügestimmt, im nächsten Jahr eine internationale Konferenz amtlich tätiger Statistiker zwecks Vereinheitlichung der Wirtschaftsstatistik abzu halten. Schließlich stimmte der Völkerbundrat in seiner öffentlichen Sitzung entsprechend einem von Danzig vor- gebrachten Wunsch der Abänderung des Verwendungs- vlanes der Stadtanleibe von 1925 debattelos zu. In Genf sind noch zwei wichtige Fragen zu erledigen, einmal die oberschlesische Schulsrage und schließlich die Saarfrage. Während die Aussichten einer Einigung in der letzten Angelegenheit nach wie vor schlecht sind, scheint man in der oberschlesischen Schulfrage auf eine deutsche Anregung hin zn einem Ausweg kommen zu wollen. Ein schweizerischer Pädagoge soll nach Polirrsch-Oberschlcsien geschickt werden, um zu prüfe», wieweit Polen im Rechte sei, Kinder» polnischer Eltern de» Besuch der deutschen Minderhritsfchule zu verbieten. Der schweizerische Päda goge soll der» Rate Bericht darüber erstatten, ob die pol nische» Kinder in den Minderheitsschulen tatsächlich soweit der deutschen Sprache kundig sind, daß sie dem Unterricht folgen können. Bou dem Ergebnis dieser Untersuchung wird dann die endgültige Entscheidung des Rates ab- himgen. Der belgische Delegierte Vandervelde empfing zwei Abgeordnete der sozialistischen Arbeitergewerkschaft des Saargebietes. Sie erklärten, sie wünschten keinemili- tärische Besetzung, seien aber der Ansicht, daß, wenn ein Schutz für die Verkehrswege notwendig sei, dieser aus den gegenwärtig im Saargebiet stehenden fran zösischen Soldaten ausgewählt werde, an die sie gewöhnt seien, da sie die Einsetzung einer Polizei befürchteten, die möglicherweise aus unruhigen Elementen gebildet würde, wie diejenigen, welche die Separatistenunruhen im Rheinland hervorgerufen hätten. Die Arbeitervertreter beklagten sich ferner darüber, daß mehrere Mitglieder der Regierungskommission nicht deutsch sprechen, und äußerten den Wunsch, daß das Saarmitglied der Kom mission abwechselnd aus den Vertretern der verschiedenen bedeutenden Parteien des Landes gewählt werde. Nach der Unterredung hatte Vandervelde eine Zusammenkunft mit Chamberlain, Briand und von Schubert, denen er die erwähnten Wünsche mitteilte. EniiüLrschlmg am Mem. FortmitderBesatzung! Die Frankfurter Zeitung bringt unter der Überschrift „Cmttmffchnng an, Rhein" den Leitartikel eines ins br setzte Gebiet entsandten Ncdaktionsmitgliedcs. Man er warte dort, daß die Reichsregierung nunmehr mit allem Naiydrukl aus der fühlbaren Herabsetzung der B e s a tz u » g s st L r k e bestehe, die bereits in der Note der Botschaftcrkonfrrenz vom 14. November 1925 ver sprochen sei. Das Versprechen sei unerfüllt geblieben - und das sei seither eine der ganz großen Enttäuschungen ' des besetzte» Gebietes.