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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Giebcnlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. .V W. Dienstag den 15. Movemder 1870. Bekanntmachung. Nachdem die Stadt Wilsdruff zu einem eigenen Feuerpolizeicommiffariats-Districte constituirt, und zum Feuerpo lizei-Commiffar für denselben der dasige Feuerlöschdirector Herr Advocat Lrnut Sominer in ^ilsäruLl ernannt worden ist, so wird dies hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, den 7. November 1870. Königliche Amtshauptmannschast. Tagesgeschichte. DaS „Leipz. Tgbl." berichtet aus Leipzig vom 11. Nov.: Heute Vormittag war im Dresdner Bahnhof hier Gelegenheit geboten, sich von der Verfassung der neuerdings von den republikanischen Macht habern Frankreichs gegen die deütscken Truppen aufgcbotencn Streit kräfte zu überzeugen. Es waren am frühen Morgen etwa 150 bei der Erstürmung' von Dijon den Deutschen in die Hände gefallene französische Kriegsgefangene eingetroffen, die Mittags in der Richtung nach Dresden weiter transportirt wurden. Sie bestanden zum größ ten Theit aus Mobilgardisten und FranctircurS; ihr Aeußeres bot das Bild tiefer Jämmerlichkeit dar, das wohl bei Jedem, der zugegen war, das Gefühl des Mitleids rege machte. Neben kaum dem Kna benalter entwachsenen Burschen standen abgezehrte, vor Frost zitternde alte Männer von 50—60 Jahren, die meist dem ländlichen Arbeiter stande angehörcn mochten; die wenigsten waren militärisch gekleidet, sondern die Leute trugen abgeschabte und schmutzige Blvusen, Kittel u. s. w. Von militärischer Eintheilung und Ordnung schienen sie nicht das Geringste zu verstehen, denn die preußischen Begleitmann schaften hatten viele Mühe, sie in Reihe und Glied zu bringen. Ein bei dieser Abthcilung befindlicher, aus dem Elsaß gebürtiger Linien soldat schämte sich förmlich seiner Kameradschaft und wünschte sehn- lichst, davon befreit zu werden. Von mehreren sächsischen Soldaten, die in französische Gefangen schaft gerathen und nach Algier gebracht worden, sind Briefe einge- gangcn, wornach es ihnen dort wohl ergeht und sie an nichts Mangel leiden. Sie dürfen dort frei umher gehen und loben die Behandlung, die ihnen zu Theil wird. Zur Steuer der Wahrheit thcilen wir dies den Franzosen zur Ehre gereichende Factum mit. Von der Festung Königstein sind vor einigen Tagen Nachts drei französische Gefangene entsprungen, die in sehr waghalsiger Weise sich mittelst einer Leine an der separaten Friedrichsburg Heruntergelaffen und dann das Weite gesucht haben. Schon in Max dorf in Böhmen aber wurden sie von einem Gensdarm ergriffen, worauf ihr Weitertransport nach Wien erfolgte. Sie werden von Oesterreich an Frankreich ausgcliefert. Berlin, 11. November. Der „Staatsanzeiger" meldet: Nach zuverlässigen Nachrichten ist der 21. November als der Tag des Zu sammentrittes des Reichstages, dessen Sitzungen in Berlin stattfindcn werden, in Aussicht genommen. Die „Norddeutsche Allgemeine Zei tung" bezeichnet die Mittheilungen mehrerer Blätter anläßlich der Einberufung des Reichstages, daß die Aufnahme einer neuen Bun desanleihe bevorstehe, für^jctzt als unbegründet und fügt hinzu, es würde sich jedenfalls um Eröffnung eines Credites für die Bundes- Verwaltung handeln. Ueber die Modalitäten desselben scheint noch keineswegs Beschluß gefaßt zu sein. Ueber die Verhandlungen in Versailles telegraphirt man der „N. Fr. Pr." aus Berlin: Bayern beharrt in den Versailler Con- ferenzcn dabei, daß ihm die eigene Leitung seiner auswärtigen An gelegenheiten und die selbständige Verwaltung seines Heerwesens belassen und ein Veto in der Verfassungsfrage cingeräumt werde. Die Minister Bray, Prankh und Lutz wollen abreisen und die Sache ia suspenso lassen. Gras Bismarck stellte die Alternative, die bayerischen Minister mögen ihre bisherigen Ansprüche aufgcbcn, oder Bayern sich auf den Ausschluß aus dem neuen Bunde gefaßt machen. In den Jahren von 1806—1813 haben die Franzosen allein der Stadt Leipzig über fünfzehn Millionen Thaler an baarem Gelde abgcpreßt. Die Requisitionen an Proviant und Kriegsmaterial waren außerdem noch ungeheuer. Und dieß Alles geschah, obgleich Leipzig einem zum Rheinbunde zählenden Staate angehörte. Wie würde es gegenwärtig in Deutschland und mit seinen Bewohnern aussehen, wenn den Franzosen vergönnt gewesen wäre, nach Lust und Gefallen hier zu wirthschaften! Die Stadt Luxemburg und das ganze Ländchen haben bei diesem Kriege großartig mitgeholfen für Deutschland. Von den 48 Aerzten haben sich 27 sehr thätig der Verwundeten angen'-men und wurden von milden Sendungen 42,496 Stück Hemden, Betttücher, wollene Decken, Strümpfe rc., 64,800 Pfund Brod, 41,465 Stück Cigarren, 9796 Pfund Fleisch, Schinken, Zucker, Reis, Tabak und Chocolade, 5440 Flaschen und Litre Wein, Branntwein, und Syrup nach Saarbrücken, Metz und Sedan gespendet. Diese reichen Spenden sür ein Land von 200,000 Einwohnern sind gewiß sehr ehrenvoll. Ein großer Theil der Bürger eilte persönlich auf die Schlachtfelder und leistete dort große Dienste in der Pflege der Verwundeten. Frauen und Jungfrauen waren unermüdet thätig im Sammeln der nöthigeu Liebesgaben. Seit dem 1. November weht die preußische Flagge von allen Forts von Metz. Sie sind besetzt mit je zwei Bataillonen, ein Zug einer schweren Batterie ohne Munitionswagen, 100 Mann Artillerie mit zahlreichen Offizieren und einem Pionierdetachcment. Durch Zufall oder Absicht hat es so getroffen, daß die jetzige Besatzung der einzelnen Forts stets aus Truppcnabtheilungen besteht, die eS bis dahin speciell belagert hatten. Der Gesammtwerth des in Metz er oberten Kriegsmaterials wird auf 100 Millionen Frks. geschätzt. Aus Straßburg berichtet man: Aus guter Quelle verlautet, daß die Ingenieure einen Plan auSgcarbeitet haben, der sowohl den mi litärischen als städtischen Verhältnissen in ausgiebigster Weise Rech nung trägt. Nach dem Rhein hin wird die Stadt offen gelegt, oder vielmehr erweitert. Straßburg liegt nämlich 2 Kilometer Mei len) vom Rhein, das ganze dazwischen liegende Territorium wird nun demselben cinvcrleibt, indem die Festungswerke von beiden Sei ten der Stadt in fast gerader Linie znm Rhein fortgcführt und Kehl in das Festungssystem hineingczogcn wird. Straßburg kann sich dann auf 400,000 Seelen vermehren sind behält doch noch seinen präch tigen Park innerhalb der Mauern. Bei der Capitulation von Verdun wurden zu Gefangenen ge macht: 2 Generale, 11 Stabsoffiziere, 150 Offiziere und etwa 4000 Mann. An Geschützen wurden vorgefundcn: 136 verschiedene Kali bers, außerdem etwa 23,000 Infanterie-Gewehre, sowie bedeutende Bestände an verschiedenem Kriegsmaterial. Von den deutschen Truppen sind bis jetzt 12 Festungen und Forts erobert worden^ und zwar Straßburg, Schlettstadt, Fort Mor tier, Lützelstein, Marsal, Metz, Toul, Verdun, Sedan, Laon, Soisions und Neubreisach. Unter den noch belagerten Festungen wird zunächst wohl Thionville folgen. Die Vorbereitungen zum Angriff auf Paris sind über alle Begriffe großartig. Nach dem „Staats-Anzeiger" wären dieselben nunmehr beendet, so daß das Bombardement nur des Kommando wortes warte, nach der „National-Zeitung" dagegen würde die Vollendung erst diese Woche erfolgen. Das Letztere scheint wohl