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Kernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt fÜr Wll^dsUff UNd ^MgegMd Postscheckkonto Dresden 264» Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. A«rl«,er ««d Px«»er: Arthur Dschunke iu Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Herman« Lässig, für de« Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide i« WUsdrnff. Nr. 304 Freitag den 30. Dezember 1921. 80. Jahrgang InsriHon«p<^« Ml. für dir S gcsp«tten« KorpuqeUe »der der«« R«um, Reklamen, die r sp-Itige K-rp-ezetie M. Sri Wiederholung und Zahre«oustrag entsprechender prei«nachl«ß. SekannNnachungen im amtlichrn Teil l»ur »»« SehSrdens die 2 gespaltene Korpuhrilr Mk. Rachweisungo-Sebühr so pfg. ttlnzeig-nannahme dl« «»rmittag« 10 Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keim «grantle. Zeder Rabatt- anspruch erlischt, wenn drr Srtrag durch Klage eingezogen werde« muß oder drr Auftraggeber in Kontur« ^r«. Amtlicher Teil. Auf Blatt 123 des hiesigen Handelsregisters, die Trsünungsgesellschaft mit be schränkter Haftung in Burkhardswalde betr., ist heute eingetragen worden, daß die Gesellschaft aufgelöst ist und die Geschäftsführer — Gutsbesitzer Harald Döring und Bernhard Hamann, beide in Burkhardswalde — sowie der Dr. phil. Walter Zumpe in Muuzig als Liquidatoren bestellt sind. 209/21 Amtsgericht Wilsdruff, den 22. Dezember 1921. issr Grumbach^ Freitag den 30. Dezember 1921 abends 6 Uhr im Gasthof, oberes Zimmer öIIenMck>e Semeinckeratssitzung. Tagesordnung an der Bekanntmachungstafel. i3bs Grumbach, am 28. Dezember 1921. Gemeindevorstand Schulze. Die Eltern und Erziehungspflichtigen werden darauf hingewiesen, daß zur Aufrecht erhaltung der Schulzuchl und -ordnung unentschuldigte und ungerechtfertigte Ver säumnisse in der Volks- und Fortbildungsschule unnachsichtlich der Gemeindebehörde zur Bestrafung angezeigt werden müssen. Die Entschuldigungen sind rechtzeitig schrift lich einzureichen. is«» Grumbach, am 27. Dezember 1921. Der Schulvorstand, Schulze, Vors. Die Schulleitung, Göckritz. rq» Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die Eisenbahner im Rheinlands haben in einem Ulti matum Vorschüsse von der Rcgieruna gefordert. Es besteht die Gefahr eines Estenbahnerstrciks für das ganze Reich. * Wie verlautet, soll in Cannes über die Frage verbandelt werden: Verschärfung der Finanzmaßnahmen mit Erleich terung des militärischen Druckes oder Beibehaltung der mili tärischen Sicherungen mit größerer Handelsfreiheit der deut schen Wirtschaft. * Wie aus Koblenz verlautet, soll in den nächsten Tagen die Zahl der amerikanischen Bcsatzungstruppen auf 5000 Offiziere und Mannschaften herabgesetzt werden. * Die Reparationskommission hat in Paris mehrere deutsche Vertreter zur mündlichen Aussprache über die nächsten deut schen Zahlungen empfangen. * Dia französische Kammer hat dem Ministerpräsidenten Briand mit W gegen 117 Stimmen ein neues Vertrauens votum erteilt. * Die Unruhen in Ägypten dauern an. Die Engländer wollen Flugzeuge gegen die Aufständischen einsetzen. Freiheitskämpfe. Die irische Sorge ist Lloyd George, dank seinem weit herzigen Entgegenkommen, losgeworden — oder auch nickst losgeworden,' die letzte Entscheidung ist noch nicht ge fallen. Im Dubliner Parlament stehen sich noch immer zwei oder drei gegnerische Auffassungen über die Trag weite dieses Abkommens gegenüber, und im Lande selbst wird noch heftig gerungen um das Ja oder Nein, mit dem ein jahrhundertelanger Kampf um Freiheit und Selbstbe stimmung abgeschlossen oder vertagt wird. Aber auch werm die Entscheidung gegen den Vertrag fallen sollte, so wäre die moralische Machtposition der Londoner Negierung doch erheblich gewachsen, und sie könnte den weiteten Er eignissen auf der „Grünen Insel" wohl mit leichterem Herzen wie zuvor entgegensehen. Dafür lodert das Feuer der Empörung um so un gestümer auf den fernen Außen posten des britischen Weltreiches wieder empor. Man erinnert sich noch der seltsamen Vorgänge, die aus Bombay gemeldet wur den, als der britische Thronfolger dort seinen feierlichen Einzug hielt, oder richtiger muß man Wohl sagen: halten wollte. Denn statt des Einzuges entwickelten sich regel rechte Straßenkämpse, und statt der programmäßigen Freudenschüsse wurde mit Maschinengewehren gearbeitet, vor denen die armen Eingeborenen selbstverständlich rasch in alle Winde auseinanderstoben. Mittlerweile ist es in Indien, soweit die englischen Meldungen ein Urteil zu lassen, wieder „ruhig" geworden. Aber man darf sicher sein, daß es nur eine Zwangsruhe ist, die den Herren des Landes nichts weniger als Freude bereiten kann. Denn was in Indien unruhig geworden ist, das ist der Geist des in schmählicher Unterdrückung gehaltenen Volkes, der Geist seiner führenden Schichten, die gerade aus dem so genannten „Freiheitskampf", den England im Weltkriege gegen Deutschland geführt haben will, sehr lehrreiche Nutz anwendungen für ihre eigene Sackfe gezogen haben. Mit diesen geistigen Schichten der indischen Natton verbinden sich mehr und mehr die einflußreichsten Kaufleute des Landes, die einen regelrechten Boykott englischer Waren und Rohstoffe in die Wege zu letten suchen. Auf diesem Gebiete sollen schon reckst empfindliche Wirkungen erzielt worden sein, und die gebildeten Frauen Indiens werden hier zu tatkräftiger Mitwirkung geworben. Nattirlich suchen auch Einflüsse von russisch-bolschewistischer Seite her diese Freiheitsbewegung dauernd wachzuhalten, was die Londoner Regierung trotz aller Abmachungen mit den Moskauer Gewalthabern nicht zu hindern vermochte. Noch größeren Kummer müssen den Engländern die augenblicklichen Vorgänge in Ägypten bereiten. Es ist noch gar nicht lange her, daß sie mit führenden Männern der Eingeborenen einen Staatsvertrag abgeschlossen haben, der auch hier eine gewisse Beteiligung des so lange unterdrückten Volkes an der Verwaltung des Landes ge währleistete. Die Selbständigkettsbewegung nahm aber gerade seit dem Abschluß jener Verhandlungen ein rasche res Tempo an. Es kam bald vereinzelt in den großen Stödten, aber auch hier und da in den entfernteren Teilen des Landes zu Unruhen, denen zahlreiche Menschenleben zum Opfer sielen. Auch hier greift eine starke Boykott bewegung um sich, und es scheint, als wenn bereits ein Teil der Arbeiterschaft durch Streik in die Bewegung mit eingreift. Sogar in der deutschen Reichshauptstadt ist es aus diesem Anlaß zu einer Art von Straßenkundgebung gekommen, indem die Mitglieder der ägyptischen Kolonie in Berlin in etwa 30 Droschken vor dem Gebäude der eng lischen Botschaft auf und ab fuhren und in lauten Rufen, mit Halbmondfahnen geschmückt, die Befreiung Ägyptens vom englischen Joch forderten. Auf diese Weise soll auch die Aufmerksamkeit der nicht-britischen Welt auf die Kämpfe in Ägypten hingelenkt werden. Unter den heutigen Verhältnissen kann den Ägyptern von der Außenwelt selbstverständlich nur geringe Unter stützung zuteil werden. Die Türkei hat vergebens danach getrachtet, mit den Mitteln des Krieges den Ägyptern zu Hilfe zu kommen; auch sie werden ihr Ziel erst erreichen können, wenn ^>ie geistigen Triebkräfte, deren sie sich be dienen, Gemeingut ihres Volkes geworden sind. Erst dann werden die Engländer, die solche Ausstände wie die jetzigen aus längerer Erfahrung hinreichend zu behandeln wissen, um ihren Besitzstand am Noten Meer zu zittern haben. Gireikgefahr bei der Eisenbahn. Ein Ultimatum im Rheinland. Die Bezirksorganisationen der Eifcnbahnerverbände der Direktionen Elberfeld, Essen und Köln haben der Re gierung ein Ultimatum gestellt, in dem für jeden Unver heirateten ein Vorschuß von 75V Mark und für jeden Ver heirateten ein Vorschuß von 1VVV Mark auf die nächsten Lohnerhöhungen gefordert wird. An dieser Bewegung sollen sich, wie versichert wird, sämtliche Organisationen der Eisenbahnarbeiter und -Beamten beteiligen. An ver schiedenen Stellen der westdeutschen Direktionsbezirke ist es bereits zu Arbeitsniederlegungen gekommen. Die Aus- ständischen haben sich den Vorstellungen ihrer Bezirkslei tung gegenüber geweigert, die Betriebe wieder zu betreten, bevor ihre Vorschußforderungen bewilligt sind. Der Deutsche Eisenbahnerverband betrachtet die augenblickliche Situation im Westen als äußerst ernst und beabsichtigt, die Leitung der Streikbewegung zu über nehmen, falls der Ausstand im Westen vollzogen wird. Inzwischen haben aber bereits im Reichsverkehrsministe rium neue Verhandlungen mit den Organisationen der Eisenbahner begonnen, Man hofft, noch in letzter Stunde zu einer Einigung zu kommen. In den Kreisen der Eifen- bahnerorganisattonen rechnet man jedoch damit, daß sich der Streik aufdasgauzeReichausdehnen wird. Denn in dem Augenblick, wo in einem Bezirk des Rhein landes gestreikt wird, ist die Kohlenzufuhv nach Mittel deutschland, vollständig gesperrt. Die Zanuarzahtungen. Mündliche Verhandlungen in Paris. Alle Kabinettsberatungen in Berlin haben in der die gesamte politische Lage beherrschenden Frage, wie wir die nächsten Zahlungen an die Entente ausbringen, noch nicht zu einer Klärung geführt. Man befürchtet vor allem immer noch, daß es sich vielleicht nicht vermeiden läßt, den Goldbestand der 3teichsbank anzugreifen, ein Schritt, gegen den nicht nur vom Reichsbankpräsidenten Havenstein, son dern auch von anderen Wirtschaftspolitikern schwere Be denken geltend gemacht werden. Ein Beschluß über die noch ausstehende Antwort auf die letzten Rückfragen der Reparationskommission konnte noch nicht gefaßt werden, weil wir dazu noch einiger Aufklärungen bedürfen. Dazu sind mündliche Verhandlungen mit der Neparationskommission unerläßlich, und die Kommission hat auf einen deutschen Antrag hin beschlossen, unsere Vertreter am 29. Dezember in Paris zu empfangen. Man glaubt, daß der nach Paris entsandte deutsche Delegierte, Staatssekretär Fischer, den Verbündeten ein Memorandum überreichen wird, das die von der Wiedergulmachungskommission gewünschten Ein zelheiten über die neuen Steuerpläne der Regierung und deren voraussichtliches Erträgnis enthält und daß er außerdem Vorschläge über die Art vorlegen wird, wie Deutschland seine Verpflichtungen am 15. Januar und 15. Februar zu erfüllen gedenke. Ob dann noch eine schrift liche Antwort auf die letzte Pariser Note erforderlich ist, bleibt dahingestellt. Pariser Vermutungen gehen dahin, daß Deutschland die als ä oonto-Zahlung zuletzt ange botene Summe beträchtlich erhöhen werde. Geld- oder Sachleistungen. Die Absichten der Engländer werden in Berlin dahin beurteilt, daß Lloyd George an Stelle der deutschen Geld leistungen Sachleistungen in gleichem Werte fordern werde. Befürchtungen maßgebender Kreise gehen jedoch in diesem Falle dahin, daß England nicht beabsichtige, diese deutschen Sachleistungen für seinen Jnnenbedarf zu verwenden, sondern für seine beabsichtigten neuen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Rußland. Dann würde der englische Exporteur deutsche Waren nach Rußland liefern und der deutsche Exporthandel mit Rußland völlig ausge schattet werden. Also hat auch der Rathenausche Sach- leistungsplan in seiner Anwendung auf England schwere Bedenken. * Wer Deutschland hilft, Hilst allen. Während die Franzosen nach wie vor einer Zahlungs erleichterung für Deutschland die größten Hindernisse zu be reiten suchen und es für nötig halten, am Vorabend von Cannes aus Anlaß einiger Rückstände der deutschen Koksliese- rungen recht nachdrücklich den angeblichen „bösen Willen" Deutschlairds in die Wett hinauszuschreien, kommen aus Ost und West gerade jetzt wieder mehrere Zeugnisse dafür, daß eine Revision des Zahlungsplanes durchaus im allgemeinen europäischen Interesse gelegen ist. Der tschechische Minister präsident Dr. Benesch schrieb dieser Tage in einem Artikel: Die Verweigerung des Zahlungsaufschubs hätte für Deutsch land eine schwere wirtschaftliche Katastrophe zur Folge, von der auch das Wirtschaftsleben der Nachbarländer hart betroffen werden würde. Dieses Wort findet sofort seine Bestätigung in Holland, wo mehrere Fabrikantenverbände den Handelsminister um dringende Maßnahmen gegen die Einfuhr von Waren aus Ländern mit ungünstiger Valuta er- suchen, denn die Lage der holländischen Industrie sei tröst- los. Auch in Amerika spürt man den Wirtschastsrück- schritt und stellt fest, daß die diesjährigen Geschäfte mit Europa um 50 Prozent hinter denen des Jahres 1920 zurückge blieben sind. Rußland und die Wesistaaien. Das Problem der internationalen Zusammenarbeit. Es geht wieder einmal nicht so schnell, wie man an fangs glaubte. Die aufsehenerregende Nachricht, Tschi tscherin und Litwinow seienvon Lloyd George und Briand zum 8. Februar zu einer Wirtschastskonferenz nach London eingelanden worden, wird in Paris für falsch erklärt. Nie mals, so betont man mit Nachdruck, sei eine derartige Ent scheidung getroffen worden. Auch in England bläst man in dasselbe Dementierhorn, aber die „Times" bemerkt zu dieser Frage immerhin, die englische Regierung sei doch für die Einberufung einer europäischen Konferenz in den letzten Tagen des Februar, zu der auch die Ver treter Sowjetrußlands, Deutschlands, Amerikas und Ja pans eingeladen werden könnten. Bis dahin würden Tschitscherin und Litwinow in London gewesen sein. Die „Times" benutzt diese Gelegenheit, um die eng lischen Bedingungen für die Wiederaufnahme des inter nationalen Handels zu unterstreichen, und in merkwürdiger Übereinstimmung damit wird aus Washington gemeldet, daß die vor kurzemvorgenommencn bzw. die bevorstehenden Änderungen in der Politik der Sowjetregierung vielleicht die Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten herbei führen könnten. Die politischen Voraussetzungen sind für London und Washington die gleichen und zugleich im Augenblick der wichtigste Punkt des Problems. Lenin kommt den Weststaaten darin geschickt entgegen. Er hielt bei der Eröffnung des neunten Sowjetkon gresses eine von den 2000 Delegierten begeistert ausge nommene Rede, in der er mit bitterem Sarkasmus die Kommunisten wegen ihrer Ansicht angriff, daß es noch möglich sei, das Wirtschaftsproblem durch die Methode des Bürgerkrieges und kommunistischer Abgeschlossenheit zu lösen.