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W«MrÄiMa« Fernsprecher Wilsdruff Ar. 6 Wochenblatt fÜs WUsdmff UNd ilMgegLNd Postscheckkonto Leipzig 28644 Diese- Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Skadtrats zu Wilsdruff, de- Forstrentamts Tharandt »«leger mrd Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr 228. Donnerstag den 29. September 1921. 8V. Jahrgang. Kleine Heilung mr eilige Leser. * In der Reichskanzlei fand eine Besprechung mit Vertre tern der Landwirtschaft über eine Beteiligung an der Kredit beschaffung für die Zahlungen an die Alliierten stati. * Nach einer Denkschrift des Rcichsschatzministers über die bis Ende März 1921 aufgelaufenen Kosten der Nheinlandsbe- satzung betrugen die Ausgaben der Besatzungsmächte 3936954 542 Goldmark, Deutschlands Ausgaben 7 313 911829 Papiermark. * Im freien Verkehr stieg der Dollar an der Berliner Börte Dienstag aus 127 Mark. * Dr. Benesch, der bisherige Außenminister, ist zum tschecho slowakischen Ministerpräsidenten berufen worden. * Zwischen tschecho-slowakischcn Truppen und ungarischen Banden sanden Feuergefechte an der Grenze statt. Drangsalierung. Nicht wenige Leute in Deutschland werden den Köpf geschüttelt Haben, als sie davon lasen, daß General Rol let, der Vorsitzende der Interalliierten Kontrollkom mission in Berlin, jetzt plötzlich wieder auf die alten Aus einandersetzungen mit der deutschen Reichsregierung in der Frage der Stärke, der Zusammensetzung, der Ausbil dung und der Unterbringung unserer Schutzpolizei zurückgekommen ist. Man hatte diese Dinge, diese wirklich „ollen Kamellen", längst aus dem Gedächtnis verloren und ist nun höchlichst erstaunt zu vernehmen, daß General Rollet ihnen nach wie vor mit scharfer Kritik gegenüber steht. Man hat nur noch dunkel in Erinnerung, daß es auch ob diesem Streitgegenstand Tage äußerster Span nung gegeben hat, daß auch hier von unserer Seite erst mühsam alle Hebel in Bewegung gefetzt werden mußten, ehe ein nur einigermaßen erträglicher Zustand vereinbart werden konnte. Nun kommt Herr Rollet und hält der deutschen Regierung vor, daß sie nicht nur die am 12. Mai vereinbarten Fristen nicht innegehalten, sondern sich auch sonst mancherlei leichte und schwere Verstöße gegen die da maligen Abmachungen habe zuschulden kommen lassen. Die Kontrollorgane der Interalliierten Kommission haben nämlich „Feststellungen" getroffen, und so hat er zu bemängeln, daß die Schutzpolizei immer noch eine zen trale Organisation aufweise, obwohl diese durch die Pa riser Note vom 12. Mai „auf irgend einer Stufe oder in irgend einer Weise" untersagt worden ist. Auch findet er, daß die Schutzpolizei in taktischen Einheiten organisiert sei, die militärisch eingeteilt, instruiert, ausgerüstet, kaser niert und im Überfluß — man höre und staune: im Über fluß! — mit technischem Gerät und Material ausgestattet sei. Ja, noch mehr als das, sie habe sogar den Charak ter einer mobilen Streitkraft gewahrt und werde von einem Ort des Reichsgebietes nach einem andern in eigens auf gestellten Einheiten und mit feldmäßigem Material, ganz wie die Reichswehr, verlegt. Also, folgert Herr Rollet, habe die gegenwärtige Polizei aus dem von der Entente zurzeit gemachten Zugeständnissen Vorteile ge zogen, ohne sich den Verpflichtungen unterworfen zu haben, an deren Erfüllung diese Vergünstigungen geknüpft wurden. Jeder militärische Charakter der Polizeiforma tion sei damals ausdrücklich ausgeschlossen worden, und ob die festgesetzte Verteilung der Polizeikräste auf die ein zelnen deutschen Länder in Wirklichkeit innegehalten wurde, das zu erkennen, sei die Kontrollkommission nicht in der Lage gewesen, infolge der Schwierigkeiten, die ihren Er mittlungen in den Weg gelegt wurden. Auch hinsichtlich der Polizeischulen vermißt der französische General die Ausführung der damals getroffenen Vereinbarungen. In folgedessen fordert er, daß ohne neuenVerzug die notwendigen Veränderungen vorgenommen werden, um die Organisationen der Polizei im Einklang mit den Be stimmungen des Friedensvertrages und den ergänzenden Entscheidungen der alliierten Regierungen zu bringen. Vor allem aber müsse er auch Maßnahmen verlangen, um der Kontrolle der Polizei völlig freie Ausübung zu er möglichen. Es ist schwer, über diese Vorhaltungen mit der Ruhe zu sprechen, die in unserer Lage unerläßlich ist. Die frem den Beobachter, die wir zu Hellen Haufen im Lande haben, können in unserer Schutzpolizei irgend einen militärischen Charakter nur entdecken, wenn sie von vornherein dazu entschlossen sind. In Wirklichkeit handelt es sich hier nm eine Sicherheitseinrichtung, die selbst im Kampfe mit den mancherlei Verbrecherbanden, die sich jetzt in Deutschland breitmachen, nur zu oft den kürzeren gezogen haben. Allenfalls dort, wo sie, um augenblickliche Aufstandsbil- dungen nicderzuringen, in größerer Zahl zusammenge zogen wurden, konnte ihr Vorgehen vielleicht auf unge schulte Augen einen „militärischen" Eindruck machen, wo bei aber immerhin zu bemerken ist, daß hier, wie zum Bei spiel bei dem Bürgerkrieg in Mitteldeutschland, niemals eine größere „Streitmacht" als rund taufend Mann an einem Fleck versammelt worden ist. Wenn aber nicht ein mal diese Zahl von wehrhaften Männern hätte zusammen gezogen und einheitlich hätte eingesetzt werden können, so wäre entweder die Staatsautorität damals zum Erliegen gekommen, oder man hätte sich letzten Endes doch zum Aufgebot von Reichswehrformattonen entschließen müfsen, was sicher sehr weittragende und sehr böse Folgen nach sich gezogen hätte. Unbegreiflich, warum man die deutsche Regierung auch dieser letzten Möglichkeiten zur Aufrecht erhaltung von Ruhe und Ordnung tm Lande berauben will — unbegreiflich wenigstens für denjenigen, der sich gegen die Annahme sträubt, daß der Entente an dieser Auf rechterhaltung von Ruhe und Ordnung in Deutschland ernstlich gelegen sei. Nur wer sich zu der Überzeugung bekennt, daß die Entente, oder wenigstens die Franzosen, am liebsten jede Ordnung in unserer Mitte zerstört sehen möchten, der allenfalls kann in dem, was General Rollet tut und treibt, noch sozusagen einigen Sinn und Verstand finden. Wissen möchten wir nur, mit welchen Empfindungen man zum Beispiel in London auf dieses Treiben blickt. Die englische Regierung erfährt jetzt gerade wieder am eigenen Leibe, was es bedeutet, einem „inneren" Feinde gegenüber nicht genügend militärisch gerüstet zu sein, und daraus mag sich zum Teil auch das lange Hinzögcrn der endgültigen Entscheidung in der irischen Frage erklären. Daß Deutschland nicht nur gegen seine äußeren Feinde entwaffnet, fondern auch außerstande gesetzt werden soll, sich gegen die inneren Bedroher seines Daseins, wenn es fein muß, mit den Waffen in der Hand, zu behaupten, das ist eine Zumutung, von dem berühmten ehrlichen Spiel so abgrundtief entfernt, daß Männer, wie Lloyd George, da für nur ein Achselzucken übrig haben dürsten. Dann wird es aber auch Zeit, daß sie ihren starken Einfluß gegen Ge- neral Rollet in die Wagschale werfen. 0er EnLschsSürmg über Oberfchlssie n England gegen die Teilung des Jndustriereviers. Nachdem die Oberschlcsische Frage eiriige Wochen in den Hintergrund der politischen Ereignisse getreten war, dürfte sie jetzt bald wieder den wichtigsten Gegenstand der internationalen Auseinandersetzungen bilden. Man hat Grund zu der Annahme, daß die Entscheidung, die seinerzeit in Paris dem Völkerbundsrat übertragen wurde, alsbald fallen wird. Nach einer Havas-Msldung aus Genf haben die Mitglieder des Völkerbundsrates be schlossen, nach Schluß der Vollversammlungen, die Ende dieser Woche zu erwarten sind, in Genf zu bleiben. Dies lasse voraussehen, daß der Völkerbundsrat baldigst seine Arbeiten über dis Oberschlesische Frage beenden und sich anschicken werde, das Urteil bekanntzugeben. Von be sonderer Wichtigkeit ist dabei die Frage, ob die im Völker bundsrat vertretenen Großmächte ihre Zustimmung zu dem Völkerbundsurteil einstimmig geben werden, oder ob ein Mehrheitsbeschluß Zustandekommen wird. Die Gegensätze zwischen der Auffassung Frankreichs einerseits und Englands sowie der meisten andern Staaten ander seits sind inzwischen anscheinend noch nicht ausgeglichen worden. Dftrauf deutet ein Gerücht hin, welches in Genf verbreitet ist und wonach England entschlossen sei, jede Lösung der OSerschlesischen Frage zu verhindern, welche Polen einen Teil des Jndustriebeckens znspr »en würde. Vielmehr könnte die englische Regierung mit keiner weiteren Teilung Oberschlesiens als der Abtrennung der Kreise Rybmk und Pleß zugunsten Polens einverstanden sein. Die Engländer sind in ihrer schon früher geäußerten Ansicht inzwischen durch Studien an Ort und Stelle bestärkt worden. Eine drei gliedrige Koinmission des Völkerbundsrates holte beson ders über die oberschlesische Wasserversorgung Informationen ein und hat ein reiches Kartenmaterial mitgenommen. Bekanntlich ist gerade die in Oberschlesien besonders schwierige Wasserversorgung neben vielen an derem ein besonders schlagender Beweis für die Unteil barkeit des Gebietes, weil sonst einzelne Teile von ihrer Wasserversorgung abgeschnitten würden. Auch die Bevölkerung Oberschlesiens soll, wie verlautet, selbst bei der Entscheidung gehört werden. Nachdem die Gewerk schaften ihren Standpunkt in mehreren Denkschriften nieder gelegt haben, sind zwei Arbeiterführer nach Genf berufen worden. Von einer den Polen nahestehenden Seite wird dagegen mit größter Beharrlichkeit behauptet, daß die Lösung nur in einer Variante der Sforza-Linie be stehen könne. Dem Rat sei es unmöglich, eine völlig französische, oder völlig englische, wie auch eine einseitig polnische oder deutsche Lösung vorzuschlageu. Vom deut schen Standpunkt aus ist dazu zu bemerken, daß die Sforza-Linie selbst schon eine viel zu stark vom polnischen Interesse beeinflußte Grenze darstellen würde, und auch die Abtrennung von Pleß und Rybnik würde besonders angesichts der neueren zahlreichen Proteste, die aus diesen Kreisen gerade von polnischer Seite gegen die Lostrennung erhoben werden, keine gerechte Lösung darstellen. Neue oberschlcsische Sorgen. In Oberschlesien, wo in letzter Zeit eine erfreuliche Ruhe herrschte, ist neuerdings in doppelter Hinsicht Anlaß zu Be sorgnissen gegeben. Einerseits macht sich die F r e i st a a t b e - wegung wieder stärker geltend. Obwohl diese m erster Linie das Ziel verfolgt, einer Zuteilung an Polen zu entgehen, wird dadurch doch vor allem das Interesse des kleinen, zu selbständiger Existenz unfähigen Abstimmungsgebietes schwer aeschädigt, dann aber auch Deutschland in unwägbarer Werse >n seinen nationalen und wirtschaftlichen Kraftquellen ge schmälert, so daß ein solcher, übrigens im Augenblick sehr un wahrscheinlicher Ausweg die einschneidendsten Folgen für Vie internationale Politik haben müßte. Neben dieser unvermi.- wortlichen Propaganda beobachtete man eine zuneymense Gärung unter der Arbeiterschaft, die mit bol schewistischen Wühlereien im Zusammenhang steht. Auf einer Grube bei Gleiwitz kam es zu schweren Ausschreitungen der Belegschaft gegen die Werkleitung, so daß die interalliierte Kommission hier und an anderen Otten militärische Vorsichts maßregeln ergreifen mußte. Die ZwMrgsmttLei des BZttsrhmLSco Eine Blockadedebattc in Genf. Der Völkerbund, der dazu helfen soll, den Krieg aus der Welt zu verbannen, ist selbst nicht in der Lage, ganz auf alle Mittel der Gewalt zu verzichten, und einen nich: unwesentlichen Teil seiner Rechtseinrichtungen bilden dis Bestimmungen darüber, wie er widerspenstige Staaten da zu zwingen kann, die Urteile, die von Genf ausgehen, an- znerkennen. Man wird sich dazu rein kriegsmäßiger Mittel bedienen, in erster Linie u. a. der Blockade, über deren Anwendung hat die Völkerbundsverfammlung jetzt eine eingehende Beratung abgehaften. Diese Sitzung war zweifellos eine der wichtigsten der bisherigen Ta gung, besonders weil das schwierige in Artikel 16 des s Paktes aufgeworfene Problem der Völkerbundaktton gegen paktbrüchige Staaten, des eventuellen Kriegszu standes und der wirtschaftlichen Sanktionen ; verhandelt wurde. Man will den Zustand, in dem sich : nach Artikel 16 der Völkerbund einem paktbrüchigen Staat gegenüber befindet, nicht sogleich eintreten lassen und mög- > lichst durch die ausgiebige Verwendung der wirtschaftlichen - Waffen ersetzen. Der Abbruch der wirtschaftlichen und - anderen Beziehungen soll sich nur auf die Bewohner des > betreffenden Landes, nicht aber auf seine Staatsangehöri- S geu in der ganzen Welt beziehen. Auch soll die Aus hungerung der Zivilbevölkerung nur in den äußersten Fällen angewendet werden. Aus der Debatte über dieses Problem ist hervorzu- hebeii, daß ein Vertreter Griechenlands die nicht unbe gründete Besorgnis aussprach, daß die Blockademaßnab- men zu Racheakten werden und ebenso wie die Regie rungen auch unschuldige Frauen und Kinder treffen könnten. Er verlangte, daß sie daher mit allen Garantten umgeben werden möchten. 422 Mark für 4 Dollar! Unerhörtes Tieffchrauben unserer Währung. Berlin, 27. September. Die heutige Börse brachte eine weitere Verschlechte rung des Markstandes. Gestern schon war der Dollar mit 117 Mark bewertet worden und heute setzte sich das Sinken der Mark fort. Devisen — Zahlungsanweisungen auf das Ausland — wurden stürmisch verlangt. Obwohl aus Newyork Meldungen Vorlagen, daß die Mark dort eine wenn auch kleine Besserung erfahren hatte, ging hier die Bewegung nach unten weiter. Schon vormittags wurde die Bewertung des Dollars auf 122)4 Mark gesteigert, ein Vorgang, der um so unbe gründeter ist, als in Newyork der Dollar nur mit 114)4 Mark bezahlt wurde. Das ist ein Beweis dafür, daß die nnaufhörliche Verschlechterung der Mark deutschem Speku- lantentum zu verdanken ist. Im freien Verkehr wurde der Dollar sogar mit 127 Mark gewertet. In gleichem Maßstabe, wie die Mark fällt, steigen alle Auslandswerte und ebenfalls inländische Sach-, Jndustrie- uud andere Spckulationspapiere. Die Kurse für Devisen erklommen nie erreichte Höhen. Um die Mittagsstunde zahlte man bereits für 100 holländische Gulden 3800 Mark, für ein englisches Pfund 442 Mark, für 100 französisch- Frank 840 Mark und für 100 schweizerische Frank 2035 Mark. Ein Abflauen dieses durch keine sachlichen Gründe gerechtfertigten Profittauniels auf Kosten der deutschen Wirtschaft ist noch nicht abzusehen. Die rücksichtslose Schädigung des eigenen Staatswesens zugunsten eines schäbigen Augenblicksgewinns scheint von einem Teil unserer Volksgeirossen zum Lebensprinzip erhoben zu fein. Fast möchte man die Gefahr eines Rückschlags-, der ja unbedingt kommen muß und kommen wird, schneller herbeiwünschen, wenn man sich der ersten Entrüstung überließe und nicht bedenken müßte, daß ein überraschen de- Umschlag, ein Krach, soviel Unheil sowohl im deut schen Wirtschaftsleben Hervorrufen, wie Arbeitslosigkeit, Unglück und Verzweiflung über unzählbare Unschuldige und Verführte im Gefolge haben wird. Sind denn die öffentlichen Gewalten dieser selbstmörderischen Entwick lung gegenüber ganz machlos? Gefahr ist dock wirklich im Verzüge, allerhöchste Gefahr. * Englische Bestrebungen für Gesundung der Währung. Das starke Fallen der deutschen Mark auf der Börse findet in der Londoner Presse besondere Beachtung. „Daily Mail" meldet, daß eine internationale Konferenz für Geldfragen, die vom „Verband für gesunde Währun gen" organisiert ist, Anfang Dezember in Loudon statt finden wird, um ein Programm der Maßnahmen zu ent werfen» die notwendig sind, um die Währung der verschie denen Länder und den Goldstandard wiederherzustellem An der Konferenz werdan u. s. Earl Beauchamp, Sir Felix Shuster, Sir Hugh Bell, Sir George Paish und Sir ! D. M. Stevenson teilnehmen.