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Fernsprecher Wilsdruff Rr. 6 Wochenblass fÜs Wilsdruff UNd llMgegLNd Postscheckkonto Leipzig 28644 Dieses Blatt enchält die amtlichen Bekanntmachungen der -Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. 80. Jahrgang. Sonnabend den 27. August 1921. Nr. 200. Amtlicher Teil. Bei uns sind eingegangen vom Sächsischen Gesetzblatt das 11. bis 18. Stück vom Jahre 1921, vom Reichs-Gesetzblatt Nr. 59 bis 86 vom Jahre 1921. Diese Eingänge, deren Jnhait aus dem Anschläge in der Hausflur des Ver waltungsgebäudes ersichtlich ist, liegen l4 Tage lang in der hiesigen Ratskanzlei zu jeder manns Einsicht aus. Wilsdruff, am 25. August I92l. s«,s Der Stadtrat. Montag den 29. August vormittags 9—1 Uhr Ausgabe der neuen Kohlengrundkarten. Die Kohlenkarlen sind sofort bei dem auf der Grundkarte angegebenen Händler zur An meldung vorzulegem Wilsdruff, am 25. August 1921 S10Z Der Stadtrat. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der deutsch-amerikanische Friedensvertrag ist am 25. August nachmittags in Berlin unterzeichnet worden. * Die Einigung der Reichsregierung mit den Beamten und Arbeitern über die Lohn- und Gehaltsforderungen steht bevor. * Auch die polnische Gesandtschaft in Paris dementiert die Nachricht von direkten Besprechungen über ObersOesisn zwischen Deutschland und Polen. * Der Flieger Borges hat in Montevideo den Höhenrekord für den Flug mit zwei Passagieren geschlagen, indem er eure Höhe von 8700 Meter erreichte. * Havasmeldungen bestätigen die Nachricht von einem Miß erfolg der Griechen nach der fünftägigen Schlacht am Flusse Sakharia. Rattenfänger. Nachdem die Blechbläser des Entente-Orchesters tu Paris reichlich viel Atem auf schmetternde Kriegsfanfaren verschwendet haben, versuchen sie sich jetzt mit sanften Tönen auf der Rattenfängerflöte. Es ist den französischen Vertretern im Obersten Rate nicht gelungen, ihren Stand punkt in der oberschlesischen Frage durchzusetzen, obwohl sie sich von allem Anfang an sehr als die starken Männer aufspielten, die unter Umständen auch allein fertig bringen würden, was in Gemeinschaft mit den andern nicht zu erreichen war. Dieser Rausch ist schnell verflogen. Man sieht in Paris ein, daß man gegen den Willen fast aller anderen Verbündeten doch nicht fo große Stücke von Oberschlesien den Warschauer Freunden zuschieben kann, wie man es im polnischen (d. h. im französischen) Inter esse gern getan hätte. Man sieht jetzt sogar, daß die Über weisung der ganzen Frage an den Völkerbund, die wegen der damit verbundenen Verschleppung zunächst als Erfolg Briands angesehen wurde, doch auch manches Bedenkliche für Frankreich hat, denn die Mehrhettsverhältnisse liegen im Völkerbund für die Pariser Diplomaten womöglich noch ungünstiger als im Obersten Rat. Man sieht ferner, daß man mit Lärm und gewaltsamen Gesten nicht weiter kommt, und da faßt man einmal das ganze Problem vom andern Ende an. Warum, so fragt man, sollen sich Deutschland und Polen nicht unter sich friedlich über Ober schlesien einigen? Warum soll nicht in direkter Ver handlung zwischen Berliner und Warschauer Vertre tern vor dem Völkerbundsrat die Lösung gefunden werden, die man in Paris nicht fand, und die man, wie man schon jetzt befürchtet, wohl auch in Genf nicht finden wird? Man „weiß" sogar in Paris bereits—und das ist das Leitmotiv der schönen Rattenfängermelodie —, daß Polen und Deutschland beide entschlossen feien, für den Preis einer friedlichen Einigung bedeutende Opfer zu bringen! Man „weiß", was man wünscht, und stellt die un sinnigsten Behauptungen als einfache Selbstverständlich keiten hin. In Deutschland aber fragt man erstaunt, was für „Opfer" denn gemeint sein könnten. Was soll Polen von einem Lande „opfern", von dem ihm noch kein Zipfel chen gehört? Und was soll Deutschland gutwillig von einer deutschen Provinz aufgeben, die nach Recht und Gerechtig keit unbedingt ohne jede Kürzung bei Deutschland bleiben müßte? Glaubt man ernstlich, man könne unter dem süßen Wort von der friedlichen direkten Verständigung den scham losen Betrug verbergen, den ein solcher Vorschlag beider seitiger „Opfer" in sich schließt? Während in Wirklichkeit allmählich immer deutlicher die Erkenntnis durchdringt, daß die polnischen Ansprüche auf sehr schwachen Füßen stehen, tut man in Paris so, als ob eine Teilung des Ab stimmungsgebietes von vornherein beschlossene Sache sei und als ob Deutschland und Polen ungefähr mit dem glei chen Recht jeder ein Stück der Provinz verlangen könnten. Das ist die Methode des Räubers, der sich als gerechter Mann vorkommt, wenn er seinem Opfer eine Teilung des Raubes vorschlägt. Zum Schaden fügt er Spott und Hohn hinzu. Wenn der Gedanke direkter Verhandlungen zwischen Deutschland und Polen auf der Grundlage beiderseitiger Opfer von vornherein eine Unmöglichkeit ist, denn keine deutsche Regierung könnte die Verantwortung tragen, einen Fußbreit deutschen Landes dem Polen auszuliefern, so darf nicht vergessen werden, daß Verhandlungen an sich sehr wohl penkbar sind, aber auf ganz anderer Basis. Wir haben schon früher den Polen angeboten, daß wir ihnen beim Aufbau ihrer zerrütteten Industrie, bei der Nutzbar machung ihrer riesigen, bisher noch wenig erschlossenen eigenen Kohlenlager behilflich sein wollen und ihnen auch andere wirtschaftliche Unterstützungen gewähren wollen, wenn uns unser deutsches Oberschlesien unverstümmelt ae- lassen wird. Das wären die nicht zu unterschätzenden An gebote, die ein deutscher Unterhändler in Genf Vorbringen könnte. Darüber hinaus aber können wir nicht gehen, und niemals können wir von dem Standpunkt abgehen, daß nur die Gewalt, nie aber das Recht ein Stück deutscher Erde vom Reiche losreißen wird. Um wieviel weniger können wir selbst etwas davon „opfern"! Die Veranlassung zu dem französischen Rattenfänger spiel findet man bei näherem Zusehen gan zeinfach in der peinlichen Verlegenheit, in die man durch die jüngste Ent wicklung der oberschlesischen Frage gekommen ist. Der spanische Botschafter, der franzosenfreundlich gesinnt ist, hat es abgelehnt, die Berichterstattung über Oberschlesien vor dem Völkerbund zu übernehmen, ebenso haben die Belgier sich dazu nicht bereitgefunden. Die Enttäuschung darüber kommt in der französischen Presse laut zum Aus druck. Der Bericht ist zwar nicht das Entscheidende, aber er ist doch von großem Einfluß auf den Verlaus der Ver handlungen, mW nachdem nun der japanische Delegierte und Vorsitzende des Völkerbundsrates, Baron Ishii selbst diese Berichterstattung übernimmt, ist zu erwarten, daß die notwendige Neutralität (wenigstens soweit das bei den Alliierten überhaupt vorausgesetzt werden kann) gewahrt wird. Gerade das aber geht den Franzosen sehr gegen den Strich. Ebenso müssen sie beobachten, daß in Ober schlesien selbst auch bei der polnischen Bevölkerung die Sympathien für den Anschluß an Polen immer geringer werden. Damit schwinden aber auch die Aussichten, der polnischen Republik, die im französischen Solde das ge haßte und gefürchtete Deutsche Reich von Osten her be wachen und bedrohen soll, durch einen so fetten Bissen, wie es die oberschlesischen Jndustriekreise sind, wieder auf die Beine zu helfen — ganz abgesehen davon, daß in Polen selbst neuerdings vernünftige Stimmen laut werden, die offen zugeben, daß bei einer Fortsetzung der ungeheuer lichen inneren Mißwirtschaft in Polen auch der Raub Oberschlestens keine Hilfe, sondern nur einen kurzen Auf schub des sicheren Verfalls bringen könnte. Und angesichts dieser veränderten Lage sollen wir jetzt freiwillig hergeben, was man uns vermutlich doch nicht gewaltsam nehmen kann und wird?! Sollen selbst die Hand zu einem Vergleich bieten, der unser Recht in Unrecht verkehren würde? Nein, die Pariser Rattenfänger werden keine deutsche Regierung finden, Lie sich von ihnen blind ins Unglück führen läßt. —m. * Vor der Aufhebung des Belagerungszustandes. Die Oberschlesische Volksstimme in Gleiwitz meldet mit Genehmigung der Zensur, daß ihr von einer der Interalliierten Kommission nahestehenden Seite mitgeteilt worden ist, daß die Aufhebung des Belagerungszustandes über Oberschlesien in den nächsten Tagen bevorsteht. Die letzten Wochen hatten die Interalliierte Kommission Op peln davon überzeugt, daß die Beruhigung Ober schlesiens so weit wieder eingetreten ist, daß die Aufrecht erhaltung der Maßnahme des Ausnahmezustandes zweck los erscheint. Eine der hauptsächlichsten Ursachen dieser Beruhigung ist der Sti m mung s um s ch w u n g in der oberschlesi schen Bevölkerung. Sehr oft kann man heute von polnisch gesinnten Oberschlesiern den Ausspruch hören: „Ja, wenn es jetzt eine zweite Abstimmung gäbe, wir würden alle für Deutschland stimmen." Die Kosten der Besatzungsarmee. Nach einer Meldung der Interalliierten Kommission betragen bis 1. August die Kosten sür die Besatzungs armee in Oberschlesien 9^ Milliarden Mark. Nach dem Versailler Vertrag fallen die Kosten der Besatzung bekannt lich demjenigen Staat zur Last, dem das Abstimmungs gebiet zugesprochen wird. Friede mit Amerika. Der Vertrag in Berlin unterzeichnet. Berlin, 25. August. Der Friedensvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ist heute nachmittag vom deutschen Außenminister und dem amerikanischen Ge schäftsträger Dresel in Berlin unterzeichnet worden. Die Ratifikation des Vertrages ist Ende September nach dem Wiederzusammentritt des deutschen Reichstags und des amerikanischen Senats zu erwarten. Nach dem Aus tausch der Ratifikationen wird sofort die Ernennung eines Botschafters und konsularen Vertreters erfolgen. Die erste Aufgabe des neuen amerikanischen Botschafters in Berlin wird der Abschluß eines Handelsvertrages mit Deutschland sein. Der Vertrag ist im Gegensatz zu dem sehr umfang reichen Versailler Friedensinstrument nur ein kurzes Do kument von etwa 1200 Worten. Seine Veröffentlichung steht unmittelbar bevor. Der Vertrag unterscheidet sich in wichtigen Punkten von dem Versailler Friedensvertrag. Im Versailler Vertrag ist von der traditionellen Form ab gegangen worden, die ausdrückte, daß die bisher krieg führenden Mächte, „von dem Wunsche geleitet, wieder in Frieden und Freundschaft zu leben, den Vertrag ab schließen". Im Versailler Vertrag ist diese Formel mit Willen und betont fortgelassen worden, in dem Friedens- Verträge zwischen den Vereinigten Staaten und Deutsch land kehrt sie wieder. Die Bestimmungen über den Völkerbund, die Straft Lud Auslieferungsbedingungen und die politischen Bestimmungen über Europa, die im Versailler Vertrag stehen, schien im deutsch-amerika- pischen Vertrag, ebenso wie im österreichisch-amerika nischen Frieden, der zwei Tage vorher unterzeichnet wurde. Zu der am meisten interessierenden Frage des deutschen Eigentums in Amerika ist zu beachten, daß die Vereinigten Staaten sich alle aus dem Versailler Vertrag hervorgehenden Rechte Vorbehalten. In einer amtlichen Erklärung des Weißen Haufes wird im übrigen betont, daß der Vertrag nur ein vorläufiger Friedensver trag sei, auf dessen Ratifikation ein Freundschafts- und Handelsvertrag folgen werde. Oie Lohn- und Gehalisforderungen. Einigung bevorstehend. Berlin, 25. August. In der Reichskanzlei fanden Besprechungen des Reichskanzlers mit den Parteiführern über die von den Beamten und Arbeitern erhobenen Teuerungsforderungen statt. Von allen anwesenden Führern sowohl der Koali- tions- wie der Oppositionsparteien wurde erklärt, daß bei weiterem Fortschritt der Teuerung notwendigerweise eine allgemeine Steigung der Löhne unausbleiblich sei. In einer gemeinsamen Beratung mit den Veamten- und Gewerkschaftsführern machten die Regierungsver treter weitere Vorschläge, die bei den einzelnen Organi sationen beraten werden. Man hofft auf Zustande kommen einer Vereinbarung in den nächsten Stunden. Die Beamtenorganisationen, deren Vertreter den guten Willen zeigen, die Situation nicht unnütz zu verschärfen, haben die Forderung nach einer Mindestgararttie fallen lassen, nachdem sie über ihre finanzielle Tragweite aufge klärt worden waren. Dagegen hat die Regierung sich be reit erklärt, über den ursprünglichen Prozentsatz der Er höhung hinauszugehen. Ein Spekulanten-Gesetz. Die Sucht nach mühelosem Gewinn. In einer Konferenz von Berliner und Frankfurter Börsenvorständen mit dem Handelsminister sind Börsen-. Verhältnisse erörtert worden, u. a. auch Maßnahmen gegen! die Auswüchse der Spekulation. Es ist hauptsächlich unsere unglückliche Valuta, welche eine solche Unsicherheit in alle Geschäfte bringt. Vor dem Kriege hatten wir auch Börsenspekulationen, aber wir be saßen doch in dem Gelds eine im allgemeinen zuverlässige Wertmasse. Das' deutsche Zwanzigmarkstück oder das Wertpapier, das es ersetzte, war in der ganzen Welt be kannt und hatte seinen festen Wert. Jetzt ist unsere Gold währung in die Brüche gegangen, wir arbeiten mit Pa pier in fürchterlichen Mengen und der Kurs schwankt unausgesetzt, gerade infolge der Spekulation. Inländer und Ausländer sind daran beteiligt. Wir haben in diesen Tagen wieder erleben müssen, wie mit einer fieberhaften Leidenschaft darauf spekuliert wurde, Devisen aufzu kaufen, um sie dem Deutschen Reiche möglichst teuer zum Kauf anzubieten und dadurch möglichst hohe Spekulati onsgewinne zu erzielen. An diesen Spekulationen ist das deutsche Volk selbst in ganz hervorragendem Maße be teiligt, und wenn bisher darauf verzichtet wurde, das Devisengeschäft steuerlich zu erfassen, so wurde durch diesen Umstand die Spekulationswut noch künstlich ge hoben. c Ob es'durch eine Besteuerung gelingen wird, mehr