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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt fÜk WWdsUsf UNd ^Mgegend ' Postscheckkonto Leipzig 28644 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Iorstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr 170 Sonnabend den 23. Juli 1921. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil. Krüppel-, Mütter- ud TMKlllpseu-BerMWstelle. Nächste Sprechstunde Sonnadrud den 23. Juli 1921 nachm. 5 Uhr im Sprechzimmer des Herrn Sannäis-Rar Dr. Baricky. Wilsdruff, am 2t. Iuii 1921 E Der Stadtrat. Wnr-ureigen haben im „Wilsdruffer Tage blatt", das einen weitver zweigten u. kaufkräftigen Leser kreis besitzt, große Wirkung. Meine Zeitung für eilige Leser. * Im Rheinland findet eine verschärfte Zollkontrolle aller beim besetzten Gebiet aus- und einfahrenden Züge statt. * Nach Londoner Meldungen tritt England dafür ein, den Obersten Rat zur Entscheidung in der oberschleflfchen Frage spätestens Ende Juli nach Boulogne einzuberufen. * Die italienische Regierung soll die Absicht haben, zwei Regimenter zur Verstärkung nach Oberschlesien zu entsenden. * Der englische Gesandte in London soll die Anweisung be kommen haben, die französische Regierung zu warnen, in Ober schlesien selbständig eine Entscheidung zu treffen. * Vom Orient-Kriegsschauplatz lausen wie üblich Sieges meldungen von beiden Teilen ein. Die Griechen wollen nicht weniger als 30 000 Türken gefangen, die Türken die Griechen an mehreren Stellen zurückaedränat haben. Enttäuschte Hoffnungen. In den letzten Lagen ist in der Presse mehrfach da von die Rede gewesen, daß der Reichskanzler sich mit Ge danken des Rücktrittes trage. Von amtlicher Seite ist eine Richtigstellung in nicht sehr geschickter Form erfolgt, denn nachdem Herr Dr. Wirth dem englischen Botschafter gegen über mehrfach erklärt hatte, daß von dem Ausfall der Entscheidung über Obcrschlesien die Existenz jedes deut schen Kabinetts und damit selbstverständlich auch des gegenwärtigen abhängig sei. war es nicht gerade nötig, den guten Eindruck, den eine so klare Feststellung beson ders im Auslande erzielen mutzte, nur wegen einiger un passender Erörterungen, die in einzelnen Blättern daran geknüpft wurden, durch ein amtliches Dementi wieder abzuschwächcn. Daß der Grundgedanke der Meldungen von der Möglichkeit eines Rücktrittes der Regierung trotz dem durchaus richtig war, hat der Kanzler jetzt selbst in einer Unterredung mit einem amerikanischen Pressever treter bestätigt. Darin hat Herr Dr. Wirth erklärt, daß durch die Haltung, die Frankreich in der oberschlesischen Frage einnimmt und durch den Fortbestand der Sanktio nen tatsächlich der Sturz des Kabinetts drohe, weil unter diesen Umständen nicht damit zu rechnen sei, daß der Reichstag das bekannte große Steuerprogramm der Re gierung annehmen würde, wenn der Kanzler im Herbst dem Reichstage gestehen müsse, daß er in außenpolitischer Beziehung keine Erfolge gehabt habe und gewissermaßen mit ganz leeren Händen vor das Parlament komme. Der Kanzler betonte dabei nochmals nachdrücklich, daß er, wie ja alle Welt weiß, bei der Übernahme der Regierung nicht nur zum Scheine den Versuch gemacht habe, das Ulti matum zu erfüllen, sondern daß er an diese Riescnaufgabe mit dem besten ehrlichsten Willen, sie auch wirklich durchzu führen, heranging. Zum Beweise dafür konnte er daraus Hinweisen, daß wir bisher nicht nur die uns auferlcgten Zahlungen pünktlich, ja sogar noch vor den von uns ver langten Terminen in die Wege geleitet, sondern daß wir auch die Entwaffnung gründlich durchgeführt haben, so daß wir heute buchstäblich ein Volk ohne Massen sind. Wenn der Kanzler im Anschluß daran sagte, daß es natürlich nicht genüge, daß nur von unserer Seite aus guter Wille bewiesen wird, und daß die besten Absichten für den Wiederaufbau und für ein Zusammenarbeiten der Völker scheitern müssen, wenn die Gegenseite übelwollen Zeige, so hat er damit den Kernpunkt der ganzen Krists berührt, in der sich das deutsche Kabinett wieder einmal befindet. Der Streit um den deutschen Kanzler geht dies mal eigentümlicherweise nicht von den deutschen Parteien aus, sondern vom Auslande. Die Wurzel dieses Kon- sliktes liegt noch in den Tagen der Neubildung der jetzt- gen Regierung, die bekanntlich mit der Annahme des Ulti matums zusammenfiel. In rechtsstehenden Kreisen neigte man damals der Auffassung zu, daß die Annahme des Ultimatums nur unter der Bedingung möglich sei, daß Man von der Entente ganz bestimmte Garantien für das zukünftige Verbleiben Oberschlesiens beim Deutschen Reiche bekäme. Nachdem sich herausstellte, daß diese Garantien nicht zu haben waren, mußten diese Kreise folgerichtig auf der Ablehnung des Ultimatums bestehen, und auf die Teilnahme an der Regierung verzichten. Der damalige Finanzminister Wirth, der alsdann mit Unter stützung des Zentrums, der Demokraten und der Sozial demokraten die Leitung der neuen Regierung übernahm, glaubte jedoch, daß ein Beschluß auf Annahme des Ulti matums auch ohne derartige Garantien zu verantworten sei. Er gab allerdings in seiner Antrittsrede der starken Hoffnung Ausdruck, daß die Entente künftig jede weitere Beeinträchtigung des deutschen politischen und wirtschaft lichen Lebens unterlassen werde, wenn sie auf die genaue Durchführung der von uns versprochenen Leittunaen rech nen wolle. Diese Hoffnung, die leider durch keine bindenden Zu sagen von der Gegenseite gestützt war, sondern eben nur eine Hoffnung war, hat inzwischen schwer enttäuscht. Die En tente, besonders Frankreich, hat uns weder im Hinblick aus Oberschlesien noch auf die Sanktionen die geringsten Er leichterungen gewährt, und der Kanzler und seine Regie rung kommen dadurch in die größten Schwierigkeiten. Wenn der Kanzler jetzt sagt, daß der Reichstag unter solchen Umständen natürlich das Steuerprogramm nicht bewilligen könne, so hat er dabei mit vollem Recht nicht von einzelnen Parteien, sondern vom Reichstag als gan zem gesprochen, denn es kann ja auch für die Regierungs parteien und für die Regierung selbst keinem Zweifel unterliegen, daß jede Fortsetzung des Versuchs zur Er füllung des Ultimatums sinnlos wird, wenn uns Ober schlesien genommen und die Sanktionen nicht aufgehoben werden. Dann hat es aber auch keinen Zweck, das riesige Steuerprogramm zu bewilligen, welches in erster Linie eben gerade der Durchführung des Ultimatums dienen soll. Parteipolitische Gegensätze innerhalb des Reichs tages dürften sich in dieser Frage kaum geltend machen. Es liegt also einzig und allein in der Hand des Obersten Rates, ob Deutschland jetzt von neuem in eine Kanzler krise gestürzt werden soll oder ob man uns durch die Er füllung der selbstverständlichen Voraussetzungen für unsere Leistungen die Möglichkeit verschaffen will, auf dem nun ttnmal betretenen Wege der Wiedergutmachungsleistungen weiter fortzuschreiten. BnanSs Verschzeppmißsversuche. Englisch-französischer Notenwechsel. Der Streit zwischen der englischen und der franzö sischen Negierung um den Zeitpunkt, an dem der Oberste Rat zu feiner entscheidenden Sitzung in der oberschlesischen Grenzsrnge Zusammenireten soll, ist immer noch nicht ge klärt. Briand versucht noch immer, seinen Standpunkt zu behaupten, wonach es angeblich notwendig sei. die Entscheidung noch weiter hinauszuschicben, während Eng land immer energischer auf eine baldige Zusammenkunft des Obersten Rates drängt. Eine neue englische Note betont wiederum die Notwendigkeit, eine Tagung des Obersten " lates in Boulogne in der Zeit vom 27. b i s 30. Juli einzuberufen. Die englische Regierung hält die Lage in Obepschlesien für gefährlich und erklärt, daß zu jeder Zeit emste Unruhen sowohl von polnischer >vie von deutscher Seite ausbrcchen könnten, und daß diese Unruhen um so gefährlicher sein könnten, je länger die jetzige Lage andauere. Da die Zeit kurz bemessen ist, werde es nicht möglich sein, vorher Beratungen von Sach verständigen stattsinden zu lassen, wie die französische Re gierung dies wünscht. Der Oberste Rat müsse sich zunächst mit der Frage von Truppenverstärkungen nach Ober schlesien befassen, sodann das oberschlesische Problem selbst prüfen. Die Note erklärt schließlich, falls Lloyd George durch die irländische Frage zurückgehalten sei, so würde Lord Curzon zusammen mit Balfour die englische Regie rung vertreten. Die französische Antwortnote ist sofort nach dem Eintreffen der englischen Note in Paris abgesandt worden. Darin wird gesagt, daß die französische Negierung auf ihrem Standpunkt verharrt und die Not wendigkeit aufrechterhält, daß einerseits vor jeder neuen Konferenz des Obersten Rates Verstärkungen nach Ober schlesien entsandt werden und daß andererseits ein Sach- verständigcn-Ausschuß damit beauftragt wird, die Lage für die Teilung des Abstimmungsgebiets zuvor zu klären. Es kann, so heißt es weiter, in Frankreich nicht vergessen wer den, daß von den 19 500 Mann, die die alliierten Truppen in Oberschlesien darstellen, 12 000 Mann Franzosen sind, während Italien nur 1500 Soldaten und Großbritannien im Höchstfalle3200 Mann stellen. Daher hätte Frankreich nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, sich mit den Ereignissen zu beschäftigen, die die Gefahr in sich schließen, daß eine zu schnelle und schlecht vorbereitete Entscheidung getroffen wird. Infolgedessen verlangt die französische Negierung erneut von dem Kabinett in London, es möge der sofortigen Entsendung der verlangten Verstärkungen zustimmen und weiter ohne Verzug technische Sachverständige bezeichnen, die während der Zeit, wo die Truppen auf dem Wege nach Oberschlesien sind, sich über die zukünftige deutfch-polnische Grenzführung einigen können. In diesem Falle werde dann nichts mehr einem baldigen Zusammentritt des Ober- sten Rates entgegenstehen. Eine englische Warnung Für die Zuspitzung des Konflikts ist es kennzeichnend, naß der englische Botschafter in Paris angewiesen wurde, die französische Negierung nicht darüber im Zweifel zu lassen, daß London sich einen Versuch, in Oberschlcsicn „voll endete Tatsachen" zu schaffen, nicht gefallen lassen werde. Der amerikanische Botschafter in London wurde gebe ten, zu erklären, ob er oder ein anderer Vertreter der Ver einigten Staaten an der Sitzung des Obersten Nates teil nehmen würde. Der Botschafter erklärte, er werde wahr scheinlich selbst der Konferenz beiwohnen. Manche englischen Politiker denken schon daran, die Vermittlung der Vereinigten Staaten anzurufen. Lloyd George befürchtet von der Zuspitzung der Lage eine ernstliche Be° drohung des Weltfriedens und, um ein selbstän diges Vorgehen der Franzosen zu vermeiden, habe er aus rascheste Einberufung der Konferenz des Obersten Rates gedrängt. Oie Sachleistungen für den Wiederaufbau Öffentlich-rechtlicher Leistungszwang. Die neue Reichsverordnung über Sachleistungen für den Wiederaufbau geht von der Grundbestimmung aus, daß die für den Wiederaufbau erforderlichen Waren lieferungen und Wertleistungen nach Möglichkeit auf dem Wege freier Vereinbarung aufzubringen sind. Nur soweit sie auf diesem Wege nicht in geeigneter Weise beschafft werden können, sollen sie von Leistungsverbän den oder von den Inhabern der einzelnen Betriebe an gefordert werden. Leistungsverbände sind in erster Linie die Länder. Sie können ihrerseits die Leistungen, die sie aufzubringen haben, von rechtsfähigen Unterverbänden oder von den Inhabern der Betriebe anfordern; sie haben anch das Recht der Beschlagnahme und Enteignung. Die Verteilung der anzufordernden Leistungen auf dte Länder nimmt der Wiederaufbauminister vor. Er kann j auch für die Anforderungen und für die Durchführung ; einzelner Arten von Leistungen Verbände bilden und sie ! neben den Ländern zu Leistungsverbändcn bestimmen. Die i Anforderung der Leistungen erfolgt durch die Anforde- l rungsbehörde. Diese wendet sich zunächst an die Lcistungs- ; verbände, falls aber von den letzteren die Leistung nicht ! bewirkt wird, unmittelbar an die Inhaber der Betriebe, i Die Leistungsverbände haben für eine angemessene Ver- > teilung der aufzubringenden Leistungen innerhalb ichres Bereiches zu sorgen. Den Anforderungen ist unverzüglich Folge zu leisten. Die Anforderungsbehörde kann die Durchführung der An forderungen sowohl gegenüber den Leistungsverbänden als auch gegenüber d--n Inhabern einzelner Betriebe durch Ordnungsstrafen bis zum Beilage von 100000 Mark für jeden Fall erzwingen. Ihre Durchführung er folgt im Wege des Verwaltungszwanges nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften, über die Bez ah- lung der Leistungen wird bestimmt, daß neben einer an gemessenen Vergütung für den Wert der Leistungen die in diesem Werte nicht eingeschlossenen notwendigen Kosten zu erstatten sind, die den Leistungspflichtigen durch die Leistung entstehen. Gegen die Festsetzung der Vergütung durch die Anforderungsbehörde kann binnen 6 Monaten an das Reichswirtschaftsgericht appelliert werden, das endgültig entscheidet. Dte Anforderungsbehörde gewährt den Leistungsverbänden und de« Inhabern der einzelnen Betriebe angemessene Vorschüsse. Kronprinz Kupprschts geheime L-enlsHrift Die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs. Soeben wird eine ausführliche geheime Denkschrift des früheren Kronprinzen Rupprecht von Bayern bekannt, die an den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und spä teren Reichskanzler Freiherrn v. Hertling gerichtet und vom 19. Juli 1917 datiert ist. Der Kronprinz seyi zunächst auseinander, weshalb schon damals aus eine militärische Entscheidung in der Westjront zu unseren Gunsten und aus eine durchgreifende Wirkung des U-Boot-Krieges nicht mehr zu rechnen sei. Er verwirft die Bombenangriffe „aus die sogenannte Festung Londonk, mit denen nur das Gegenteil des Gewollten erreicht werde. Ein Frie densschluß »n Rußland bis zum Herbst ohne Annexionen und Entschädigu: ,j unter Verzicht aus die Angliederung Kurlands, ist ihm von ausschlaggebender Wichtigkeit. Er rät für die Zeit spanne bis zum vollen Einsatz der amerikanischen Hilsskräste, vor dessen Unterschätzung er warnt, Verhandlungen mit dem Gegner auf der Basis des Standes vor dem Kriege nnter Ver zicht auflEntschädigungen und nötigenfalls unter Verzicht auf die Rückgabe der Kolonien an, während Österreich zu Gebiets abtretungen an Italien bewogen werden mutz. Die innerdeutschen Verhältnisse steht der Prinz durch die nach seiner Meinung be sonders von Berlin aus um sich greisendc wilde Jagd nach dem Mammon bedroht. Der Mittelstand werde dabei einsach vernicklet.