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KibdmfferNgebla« Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt fÜk Wlssdmff UNd ÜNMgeNd Postscheckkonto Leipzig 28614 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, -es Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke i« Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, sür den Inseratenteil: Arthnr Zschnnke, beide in Wilsdruff. Nr. 143. Mittwoch den 22. Juni 1921. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil. Mittwoch den 29. Juni 1921 vormittags /,9Uhr wird im Verhandlungssaale des amtshauptmannschaftlichen Dienstgebäudes öffentliche Sitzung des Bezirksausschusses adgehalten werden. Die Tagesordnung ist vom 25. Juni 1921 ab im Aushangkasten des amtshaupt mannschaftlichen Dienstgebäudes angeschlagen. Meißen, am 20. Juni 1921. Nr. 361 18. Die Amtshauptmaunschaft. Vir bitten UW, DzeM bis 1V Ur miuiÜG achügM. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Reichskanzler Dr. Wirth hielt in Esten eine Rede, in der er die Opferwilligkeit aller Bevölkerungsschichten für den Wie deraufbau forderte. * In London soll man entschlossen sein, das Industriegebiet Oberschlesten bei Deutschland zu belasten und Polen durch Wilna abzufinden. * Das ehemalige deutsche Unterseeboot „U 111", jetzt in ame rikanischem Besitz, ist bei Cap Henry gesunken. * Lenin soll sich geäußert haben, die Einberufung einer ver fassunggebenden Nationalversammlung für Rußland sei not wendig. * Japanische Streitkräfte haben die Stadt Nikolajewsk und andere Punkte in Oftflbirien besetzt. , Verständigungen? Seit drei Tagen tagt im Reichsfinanzministerium zu Berlin die interalliierte Garantiekommis sion, jene Kommission, die festzustellen hat, welche Ein nahmen des Reiches der deutschen Entschädigungszahlung dienstbar gemacht werden sollen. Es ist in der Tat — das erwähnte auch der Reichskanzler in seiner Essener Rede — ein Ereignis, was von der Öffentlichkeit kaum be merkt worden ist und doch über Wohl und Wehe Deutsch lands auf Jahre hinaus entscheiden kann. Denn diese Kommission hat Einspruchsrechte in die deutsche Finanz verwaltung. Jene Brüsseler Konferenz der Finanzsach verständige, die unter der Regierung Fehrenbachs statt fand, brachte eine scharfe Kritik der Ententefinanzleute über das deutsche Steuersystem. War aber diese Kritik damals eine Art Privatarbeit und hatte keine unmittelbaren Fol gen für Deutschland, so reichen die Machtbefugnisse der I Garantiekommission aus, alle Veränderungen des Steuer^ Meins, die damals vorgeschlagen waren, auch durchzu setzen. Und wie aus die Einnahmen des Reiches, so hat sie auch auf Lie Ausgaben maßgebenden Einfluß. Sie kann Einschränkung der Ausgabeposten aller Ministerien verlangen und Abstriche an den vom Reichstag bewilligten Geldmitteln vornehmen, um diese Geldmittel dann dem Reparationskonlo zuzuführen. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben, die auf internatio nalem, nicht nur deutschem Gebiet liegt, wird auch die Lösung der Frage sein, in welcher Form künftig Deutsch land seine Zahlungen entrichten soll, und auch hierüber wird in Berlin beraten werden. Es war bei der ersten Reparatiousrate Zahlung in Dollar verlangt worden und die Dollarankäufe, die Deutschland daraufhin vornehmen mußte, hatten ein Sinken des Kurses der französischen, englischen und italienischen Währung zur Folge, also eine Schädigung der Entente. Das soll künftig vermieden wer den — in welcher Weise aber, das scheint vorläufig noch -en Alliierten selbst nicht klar zu sein. Schließlich wird auch darüber verhandelt werden, ob die Ausfuhrabgabe von 26 Prozent beibehalten oder an ihre Stelle ein anderer Wertmesser gesetzt werden soll. Wenige Tage nach der Garantiekommission sind zwei französische Sachverständige für Wiedergutmachungs fragen Lefevre und Cheysson, in Berlin angekommen, um mit dem Wiederaufbauministerium über die Arbeiten im zerstörten Frankreich zu beraten. Diese Beratungen sollten ursprünglich am 24. Juni in Paris beginnen, und es war vorgesehen, Staatssekretär Bergmann und den neuen Reichskommissar Guggenheim er zur Führung der Verhandlungen zu entsenden. Jetzt hat der französische Schritt ihre Reise wahrscheinlich überflüssig gemacht und die Beratungen können schon einige Tage früher beginnen. Es zeigt das, mit welcher Eile man in Paris jetzt bemüht ist, die Frage des Wiederaufbaus der zerstörten Gebiete zu lösen. Insofern haben die Wiesbadener Besprechungen der beiden Wiederaufbauminister zweifellos einen nachhal tigen Erfolg zu verzeichnen. Denn bisher schienen zwar die Reden der französischen Staatsmänner Eile zu ver raten, aber ihre Handlungen wiesen eine häufig unver ständliche Ruhe und Beschaulichkeit auf. Das deutsche Wie deraufbauministerium konnte immerhin mitteilen, daß die seit Jahren Frankreich angebotenen Lieferungen nicht in Anspruch genommen würden. Und man kann von dem jetzigen schnellen Fortschreiten der Wiederaufbauarbeiten auch Rückwirkungen auf die internationale Lage erhoffen. Aber man darf aus dieser Beschleunigung des Tempos und aus dem anscheinend geregelten und planmäßigen Verlauf der Vorverhandlungen keine allzu hoffnungs vollen Rückschlüsse ziehen. Man darf nicht vergessen, daß Minister Rathenau in seiner großen Rede im Reichswirt schaftsrat ausdrücklich erklärte, er habe von Loucheur den Eindruck gewonnen, einen Verhandlungsgegner zu haben, der nicht gewillt sei, irgend etwas von den Rechten seines Landes an Deutschlands Leistungsfähigkeit preiszugeben. Voreilig wäre es also, zu glauben, daß die -Verständi ¬ gung" über die Wiedergutmachungsfrage, die sich zwischen Deutschland und Frankreich anzubahnen scheint, irgend Ine Verbesserung der Vertragsbestimmungen zur Folge haben könnte. Verständigen wird man sich über die Form, in der die deutschen Leistungen stattfinden sollen — ihren Umfang wird nach wie vor allein der Wille der Pariser Staatsmänner bestimmen. Lord Curzon für das deutsche Recht. Die oberschlesischen Fragen in Paris. Die Besprechung zwischen dem französischen Minister präsidenten Briand und dem englischen Außenminister Lord Curzon hat, wie zu erwarten, keine Klärung ge bracht. Der Engländer hatte, wie manchmal auch sein Minister Lloyd George, die besten Absichten, aber wir kennen die französische Art, solche Dinge dilatorisch zu behandeln und dann ins Gegenteil umzukehren. Wenn England nicht konsequenter handelt, als es bisher die Regel war, wird die eine Schwalbe auch diesmal keinen Sommer machen. Die Ideen, die Lord Curzon hinsichtlich Oberschlesiens äußerte, sind nach Mitteilung Pariser Blät ter so verständig geworden, daß sie gar nicht besser aus fallen konnten. Indessen erfahren wir nichts Genaues da rüber, was Briand geantwortet hat, abgesehen von eini gen nichtssagenden Redensarten. Lord Curzon erklärte, daß nach Ansicht der englischen Regierung das Industriegebiet von Oberschlesien unteilbar sei und angesichts der von Deutschland erhaltenen Mehr heit im Industriegebiet dessen Zuteilung an das Deutsche Reich nicht vermieden werden könnte. Lord Curzon wandte sich scharf gegen General Le Rond und gab die Anregung, daß an Stelle Le Ronds eine hohe Persönlich keit eingesetzt werde, die außerhalb der Armee zu wählen wäre. Indem England Harald Stuart ernannt habe, wurde Frankreich der Weg gewiesen, den es beschreiten wolle. Es wurde beschlossen, den Kommissaren in Oppeln Tele gramme zu senden. Sie sollen eingeladen werden, das Problem der deutsch-polnischen Grenzlinie Oberschlesiens zu studieren und neue Vorschläge zu unterbreiten. Die neuesten Ereignisse, die in Oberschlesien stattfinden, die Er setzung des Obersten Percival durch Harald Stuart, machten es vielelicht heute möglich, zu einer gemeinsamen Ent schließung zu kommen. Wenn nach einer gewissen Zett die Kommissare erklären, daß sie die Einstimmigkeit nicht erreichen können, wird die Sachverständigen kommission, die Briand seinerzeit vorgeschlagen hatte, ins Leben gerufen werden, und sie wird entweder nach Oppeln gehen (Vorschlag Lloyd George) oder sie wird in London oder Paris fungieren (Vorschlag Briand). Das „Echo de Paris" erklärt aber, da es sich bei Ober schlesien um eine Frage der allgemeinen Politik handle, könne man gewiß sein, daß die Regierungschefs sie lösen müssen. Was man gestern beschlossen habe, diene nur dazu, Zeit zu gewinnen! Es wurde ferner gestern beschlossen, eine gemeinsame Aktion in Berlin und Warschau zu unternehmen, damit die von den Kommissaren in Oppeln getroffenen Entscheidungen von der Berliner und polnischen Regierung durchgeführt werden. Das scheint uns sehr überflüssig, wenn es sich eben nicht um eine Verschleppungstaktik handelt. Hs stimmt dazu ganz prächtig, daß die Pariser Presse schon heute an kündigt, die „eventuell" zu berufende Sachverstündigen- Kommission werde Mitte Juli zusammentreten. Das heißt also: 4 Wochen weitere Unruhe, wo es so leicht wäre, etwas Endgültiges zu schaffen. Korfanty wiegelt ab. Auch Korfanty ist bestens instruiert: In einer Unterredung, die der „Times"-Korrespondent in Oppeln mit Korfanty hatte, verwies dieser zunächst aus gewisse Anzeichen, die den Glauben erwecken, daß die Deutschen „ihre unnachgiebige Haltung aus geben wollen", und daß sie sich auf die Linie zurückziehen wer den, die ihnen die Interalliierte Kommission vorschrieb. Wenn dies wirklich geschieht, dann wird Oberschlesien Ende dieses Monats von den Insurgenten vollkommen befreit sein. Kor fanty hat die Absicht, seine Truppen zu entlassen und diese Aus sicht wird von diesen mit Genugtuung ausgenommen. Alle Jn- lurgenten sind ungeduldig, Wiede, in ihre normalen Lebens verhältnisse zurückzukehren. (Bis zum nächsten Male.) „Entschädigung" sür Polen. Wie die „Narodni Listy" (Prag) melden, ist in Lon don das Gerücht verbreitet, daß über das Schicksal Ober- ichlesiens bereits endgültig entschieden ist. Danach sollen Deutschland alle wichtigen Grubenzent- ren Oberschlesiens zugesprochen werden, während Polen durch Erfüllung seiner „Ansprüche" aus Wilna entschä- § digt werden soll. Diese Nachricht bewegt sich in derselben Richtung wie die bereits mitgeteilten Meldungen aus Paris. Bestäti gung bleibt abzuwarten. L)r. Wirth über deutsche Aufgaben, n. Essen, 20. Juni. Reichskanzler Dr. Wirth besichtigte die Elektro- ausstellung und äußerte seine größte Bewunderung für die Leistungen der deutschen Wirtschaftskraft, die in dieser Ausstellung zum Ausdruck kommen. In einer Versammlung des Deutschen Gewerkschafts bundes hielt dann Dr. Wirth vor einer tausendköpfigen Versammlung eine Rede über das Londoner Ultimatum und die Möglichkeiten zur Erfüllung der Schuldverpflich tungen. Der Kanzler führte u. a. aus: Die Abgabe der Waffen und die Auflösung der Wehren müssen wir zunächst vornehmen. Wir haben das Ja ge sprochen der deutschen Einheit wegen und der deutschen Freiheit wegen. Wir in Süddeutschland denken nicht daran, uns von unseren norddeutschen Brüdern zu trennen. Wer es ernst mit der Entwicklung Europas, mit dem Ge danken der Demokratie, mit dem Gedanken der Freiheit meint, der muß die Abstimmung in Oberschle sien achten, sonst bereitet er wieder eine neue Katastrophe in Europa vor. Es war eine Verletzung des Friedens- Vertrages, daß die alliierten Mächte nicht imstande waren, Freiheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Ich komme zu dem schwierigsten Kapitel der Erfüllung des Ultima tums. Wir sollen 1. zwei Milliarden in Annuitäten be zahlen, 2. 26 Prozent von der Ausfuhr abliesern und 3. die Besatzungskosten tragen. Wer in Europa Frieden und Aufbau für alle Lande will, der müßte dem Gedanken schnell nähertreten, die unproduktiven Ausgaben des Mili tarismus auf ein Mindestmaß herabzusetzen. Dieser Ruf geht hinaus an alle Länder. Ich bin in der glücklichen Lage, Ihnen mitteilen zu können, daß die Einnahmen des Reiches mehr als 45 Milliarden betragen haben. Es ist keine Demagogie, wenn ich erkläre, daß bei dem gewalti gen Aufbringen der Neichseinkommensteuer die Lohn- und Gehaltsempfänger für die Leistungen des Reiches an erster Stelle stehen. Wenn wir so weiter arbeiten, dann bin ich überzeugt, daß der innere Haushalt unseres Vaterlandes im nächsten Jahre mit einem gewissen Überschuß abschlic- ßen wird. Zu dem Fehlbeträge von 20 Milliarden bei der Post und Eisenbahn bemerkte der Kanzler, daß er schon in diesem Jahre mit einer bedeutenden Reduzierung des Defizits rechne unter der Voraussetzung, daß die inneren politischen Unruhen in Deutschland aufhören. Betreffs der neuen Steuervorlage wies der Kanzler auf die Körperschastssteuer, die Erfassung der Vorzugsaktien und aus die Notwendigkeit hin, Branntwein und Tabak mindestens in dem Maße der Friedensgoldbelastung zu belasten. Die zwei Millarden Jahreszahlungen werden wir aufbringen. Das schwerste sei die Aufbringung der 26prozentigen Ausfuhrabgabe. Allein man sehe in Eng land bereits, daß die Kontrolle dieser Abgabe so riesige Organisationskosten verursachen würde, daß von der Ab gabe für produktive Zwecke der geringste Teil zur Ver- süaung stehen würde. Das Reichsnototzfer war gedacht als ein ' Opfer der Goldwerte. Da liegt der Gedanke nahe, wenn der kleine Rentner vom bescheidenen Vermögen beisteuern muß, daß dann auch die Besitzer der Goldwerte in Deutschland nicht un berührt hervorgehen können. Große Vorlagen sind in Vorbereitung. Ich bin überzeugt, wenn der deutsche Ar beiter und der Beamte sieht, daß alle Kreise unseres Volkes, auch die, die mit den großen Diamanten in den Bade orten spazieren gehen, erfaßt werden, dann werden auch sie zu dem unumgänglich notwendigen Opfer bereit sein. Es darf keine Reparationsgewinnler geben, wie es Kriegs- und Revolutionsgewinnler gab. Sollen auch Reparati onsgewinnler noch Europa unglücklich machen? Der Kanzler teilte dann mit, daß die jetzige Kohlenstener wie der verlängert, wahrscheinlich erhöht werden müßte. Der Kanzler kündigte an, daß er die großen Steuervorlagen Schlag auf Schlag jetzt unterbreiten würde und bezeich nete als die Voraussetzung wieder zu Wohlfahrt zu kommen: Unser Volk zu ernähren, es zu kleiden und es zu behausen. Der Wiederaufbau sei das Werk der ganzen gesitteten Welt. Dr. Wirth schloß: Wir vertrauen auf unser Recht, wir wollen auf den Gräbern unlerer Gefallenen im Gebet niedersinken, aber dann wieder mufstehen und vorwärts und aufwärts gehen einer Zett der Freiheit des oemo- kratifchcn Deutschlands entgegen.