Volltext Seite (XML)
MsdmsferÄWM Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Leipzig 286^4 Dieses Matt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 135. Sonntag den 12. Juni 1921. 80 Jahrgang. Amtlicher Teil. 3m KommlverbM Meißen-Land Nährmittelkarten, Abschnitt 14 350 Gramm amerikanisches Weizenmehl, Pfun-preis 3,75 Mk. zur Verteilung. ' Nr. 294a 11^. Meißen, am 10. Juni 1921. 43W Die Amtshauptmanuschaft. Berkans guter Sveisekartaffeln»«L 45 Mark. — Abgabe in Mmg?n ins zu einem halben Zentner — B zugsmarken und Bezahlung am 14. Juni 8 bis 1 Uhr in Zimmer Nr. 2. Wilsdruff, am IO. Juni 1921. Der Stadtrat. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Aus Koblenz verlautet, daß das Ein- und Ausfuhrgeneh- migungsvcrfahrcn zwar nicht ausgehoben wird, daß aber eine wesentliche Erleichterung der sogenannten „Freiliste" zu er warten ist. * In München wurde der unabhängige Landtagsabgeordnete Gareis auf offener Straße erschossen. Man vermutet ein poli tisches Attentat. * Nach einer französischen Meldung wird die nächste Sitzung des Völkerbundrates am 17. Juni in Genf eröffnet werden. Aus der Tagesordnung stehen die Proteste Deutschlands bezüg lich des Ruhrgebietes. * Zwischen der Tschechoslowakei und Rumänien ist ein Ab kommen abgeschlossen worden, in dem die beiden Staaten sich gegenseitige Hilfe zusichern für den Fall eines Angriffs durch Ungarn. * Die Bevölkerung von Konstantinopel hat mit der Boy kottierung der griechischen Produkte und der griechischen Kaus- leute begonnen. Dreibun-träumereien. Es mutz sehr schlecht bestellt sein um die vernünftige Ordnung der Dinge in Europa, wenn ein Mann wie Churchill, der englische Kriegsminister, eine Art eng lisch-französisch-deutschen Dreibund ernsthaft zur Erörte rung stellen kann. Herr Churchill galt als ein Mann, bei dem man jeden Augenblick auf politische Seitensprünge gefaßt sein mußte. Er hat aber inzwischen sich doch schon die Hörner abgestoßen und sucht nicht mehr wie einst sei nen Ehrgeiz darin, sich durch rednerische Entgleisungen Hervorzulun. Also wird es Wohl in der Tat seiner Über zeugung entsprechen, daß nur durch ein verständiges auf Recht und vernünftigen Interessenausgleich gegründetes Zusammenarbeiten der drei größten europäischen Länder der bis in den Grund erschütterte natürliche Zusammen hang der Dinge wiederhergestellt werden könne. Aber mehr als einen ganz vorübergehenden Sturm im Glase Wasser wird diese neueste englische Ministerrede schwerlich zur Folge haben. Im Unterhaus ist sofort von der Regierungsbank her offiziell festgestellt worden, daß irgendwelche Verhandlungen über ein britisch-französi sches Bündnis nicht stattfänden — geschweige denn also über die Einbeziehung Deutschlands in einen solchen Bündnisvertrag. Es wurde mit nicht mißzuverstehender Geflisientlichkeit hinzugefügt, daß man ohne Beteiligung Amerikas über derartige grundlegende politische Fragen nicht verhandeln würde. Ein kleiner, aber sehr bezeich nender Zwischenfall, der ungefähr erkennen läßt, wie man in London zurzeit den Kurs der auswärtigen Politik zu steuern gedenkt. Aber auch in Paris sind die Anregungen Churchills sehr kühler Aufnahme begegnet. Die Franzo sen denken im Augenblick nicht daran, trotz der freund lichen Worte, die sie der neuen deutschen Regierung ge legentlich gönnen, Deutschland als einen irgendwie gleich berechtigten Faktor der europäischen Politik anzuerkennen. Die Sträslingsrolle, die sie uns auserlegt haben, gedenken sie uns erst dann zu erlassen, wenn, wie die stets wieder kehrende Redewendung lautet, wir unsern „guten Willen" bewiesen haben. Zu bestimmen, wann dieser Zeitpunkt ge kommen sei, ist natürlich das ausschließliche Vorrecht der Pariser Herren. Wir können uns anstrengen bis zu völ liger Erschöpfung, es braucht nur ein geringfügiger Zwischenfall zu passieren, wie jetzt zum Beispiel der kleine Zusammenstoß mit französischen Soldaten in der Nähe von Groß-Strehlitz, und schon furcht Herr Briand seine Denkerstirn und schreibt Noten und erhebt Vorstellungen, um uns die ganze Schwere dieser dem unschuldigen Frankreich zugesügt^n Kränkung fühlen zu lassen. Oder England braucht in dieser oder jener europäischen Frage nur etwas anderer Meinung zu s in als die französische Negierung, und schon sieht diese die europäische Gesamt lage wieder so sehr von schwerem Gewölk umdüstert, daß sie unmöglich auch nur das geringste Machtmittel aus der Hand geben kann, über das sie zu verfügen hat. Im übrigen kann Churchill oder fönst ei« britischer Staats mann heute reden, so viel er will, die Franzosen beziehen alles, was gesagt wird, wie alles, was sie zwischen den Zeilen vermuten, auf Oberschlesien und nur auf Ober schlesien. Mit aller Spitzfindigkeit, mit allen Künsten der Diplomatie suche« ste der endgültigen Entscheidung über das Schicksal des Landes aus dem Wege zu gehen, um die Rückgängigmachung des unerhörten Friedensbruches, den Herr Korsanty auf dem Gewissen hat, mehr und mehr zu vereiteln. Und in dem Gedanken einer gleichberechtig ten Mitarbeit Deutschlands am Bunde mit England und Frankreich zur Anpahnung eines wahrhaftigen Wieder aufbaues der zerstörten Wen feyen sie nicht viel mehr als eine Falle, die ihnen gestellt wird, um sie von der fran zösischen Lösung der politischen Probleme des Augen blicks abzubringen. Sie haben um so weniger Lust, sich auf diesen Weg drängen zu lassen, als ja das deutsch-eng lische Schwergewicht in diesem Dreibünde durch den ame rikanischen Einfluß zweifellos verstärkt werden würde, denn ohne Frage sind sich die beiden angelsächsischen Na tionen in der letzten Zeit, gerade unter der Einwirkung der französischen Zerstörungspolitik, merklich näher gerückt. Und in der Auffassung, daß man zu Rußland endlich wie der in geordnete Beziehungen treten müsse, begegnen Eng land und Amerika sich gleichfalls ungleich mehr mit den Bestrebungen, die zurzeit in Deutschland die Oberherr schaft gewonnen haben, als mit den Tendenzen, die in Frankreich immer noch gang und gäbe sind. Ein Grund mehr für die Republik, sich allen anderen als rein franzö sische^ Kombinationen gegenüber so mißtrauisch wie nur möglich zu verhalten. Frankreich hält es heutzutage für das klügste, Real politik und nichts als Realpolitik zu treiben. Daher sein Bündnis mit Polen, dem England im Augenblick kaum etwas Gleichwertiges entgegenzustellen hat. Die Sirenen klänge des Herrn Churchill werden französische Ohren nicht zu betören vermögen. Oie Ermordung -es Abg. Gareis. Politisches Attentat inMünchen. München, 10. Juri. Die Erscl/ießung des Abgeordneten Gareis aus offener Straße, die allgemein als Mord aus politischen Gründen angesehen wird, hat hier große Erregung aus gelöst. Er war der geistige Führer der Landtagsfraktion der bayerischen Unabhängigen. Gareis begab sich nachts von einer Versammlung, in der er über „drohende Verkirchlichung der Schule" ge sprochen hatte, nach Hause, als ein Revolverattentat aus ihn verübt wurde. Der Abgeordnete wurde durch vier Schüsse in den Kopf verletzt und mußte ins Krankenhaus gebracht werden, wo er inzwischen gestorben ist. Der Täter ist unbekannt. Der Ermordete war Gymnasiallehrer und verstand, sich an die Spitze der Unabhängigen Partei zu setzen. Seinerzeit wurde sein Name besonders bekannt durch die von ihm angeblich entdeckte „Mörderzentrale". Organe der Münchener Polizei sollten sich an Tötungsplänen gegen einen früheren Reichswehrsoldaten beteiligt haben, weil er sich angeboten habe, geheime Wassenlager der Entente zu verraten. Ein Untersuchungsausschuß konnte indes keinerlei Bestätigung für die Behauptungen des Abg. Gareis entdecken. In der letzten Zeit ist Gareis in scharfer Opposition gegen die Regierung Kahr für die schleunige Entwaffnung der Orgesch eingetreten. Die bayerische Staatsregierung gibt der schärfsten Ent rüstung Ausdruck über die Freveltat, welcher der Land tagsabgeordnete Gareis zum Opfer gefallen ist. Die Staatsregierung bedauert aufrichtig, daß dieser durch hohe Geistesgaben ausgezeichnete Mann durch die ruch lose Tat eines gewissenlosen oder sanatischen Menschen so plötzlich aus dem Leben gerissen worden ist, und spricht dem Landtag und den Hinterbliebenen ihre wärmste Teil nahme aus. Die Staatsregierung wird alles aufbietsn, den Täter ausfindig zu machen und die Motive seiner Tat aufzuklären. Zu diesem Zweck hat die Polizeiverwaltung bereits alle Maßnahmen getroffen und eine Belohnung von 5000 Mark für die Ermittlung des Täters ausgesetzt. Der Präsident Königsbauer des bayerische» Landtages hat der Fraktion der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei ein Schreiben zugesandt, in dem die tiefste Ent rüstung über die Freveltat ausgedrückt wird. Exkaiser Karls Hintermänner. Wer das Geld für das ungarische Abenteuer ausbrachte. Briand, der sranzösische Ministerpräsident, bestritt vor wenigen Tagen energisch die verbreiteten Gerüchte, als ob von irgend einer maßgebenden Seite in Frankreich die Pläne Karl von Habsburgs zur Wiedererlangung der Macht zunächst in Ungarn begünstigt worden seien. Wenn man Briand den guten Glauben zubilligt, so gewinnt die Sachlage doch jetzt ein ganz anderes Bild durch Enthül lungen, nach denen starke sranzösische Finanzinteressen und große französische Zeitungen in unmittelbarer Be ziehung zu dem Wiedererscheinen Karls in Ungarn um die Ostcrzeit herum standen. Das Londoner Blatt „Sunday Expreß" macht die fen- sntinnell? Entbülluua. dass das lebte Abenteuer Karl Habsburgs von Sir "Basil Zaharoff finanziert worden ist, einem der einflußreichsten Mitglieder der Hochfinanz. Za haroff, ein Mann von fabelhaftem Reichtum, ist russisch- griechischer Abstammung und hat enorme Finanzinteressen in England und Frankreich. Ihm gehört halb Monte Carlo, er ist Hauptaktionär der englischen Vickers A. G. uud der Hauptbeteiligte bei der Gründung der englisch- französischen Sl-Jntercssengemeinschaft, gleichzeitig kon trolliert er eine Anzahl Banken. Zaharoff ist in Paris sehr angesehen und erfreut sich der Freundschaft zahlreicher Politiker von Einfluß, wie Eingeweihte behaupten. Er ist ein Mann in vorgerücktem Alter, kam vor etwa zwölf Jahren nach Paris, wo er gro ßen Aufwand trieb, und gründete das große Pariser Blatt „Exzelsior". Im Kriege schuf er als Freund Frankreichs die Depeschenagentur „Radio". Es wird weiterhin noch behauptet, daß er einen großen Teil der Aktien des „Figaro" in seinen Besitz gebracht habe. Die Ententestaaten erkannten seine Verdienste an, er wurde Grotzossizier der französischen Ehren legion. Von britischer Seite erhielt er mit der Ritterschaft des Bathordens den Titel „Sir". Bestätigt sich die Nachricht des „Sunday Expreß", so kann das vollständige Unterrichtetsein Briands über die Machenschaften Zaharoffs zugunsten Karls von Habs burgs wohl nur erklärt werden durch die angestrengte In anspruchnahme des französischen Ministerpräsidenten zur Erfindung und Aussühung von Zwangsmaßnahmen gegen Deutschland. Beginn -es polnischen Rückzuges. KeineneutraleZone. Da der Plan der Alliierten, in Oberschlesien zwischen den Deutschen und den polnischen Aufständischen eine neu trale Zone zu errichten, als unausführbar erkannt ist, säu bern die alliierten Truppen jetzt das strittige Gebiet von den Banden. So wurde zum Beispiel zu den Polen in Rosenberg ein englischer Offizier mit der Mitteilung ge sandt, daß die Engländer das Gebiet zu einem gewissen Zeitpunkte besetzen würden. Die Aufständischen zogen sich darauf zurück, ehe die Engländer ankamen. Die Notwendigkeit einer fofortigen Zusammenkunft des Obersten Rates wird von englischer Seite weiterhin betont. Man meint, daß die Hauptfrage nicht anders als durch eine Konferenz der ersten Minister gelöst werden könne, und daß eine Zusammenkunft des Rates notwendi gerweise die Einrichtung der vorgeschlagenen Kommission von Sachverständigen ausführen würde. Reuter weist darauf hin, daß ein englischer Militärzug in der Nähe von Gleiwitz von Insurgenten aufgehalten wurde und erst weiterfahren konnte, nachdem die Erlaubnis Korfan tys eingeholt war. Die Unerträglichkeit solcher Verspot tungen der Kommission wird allgemein anerkannt, und man glaubt, daß die Beschränkungen bezüglich des Ge brauchs der Streitkräfte gegen die Insurgenten in Kürze auf gehoben werden, um eine vollkommene Zusammenarbeit unter den Alliierte» in Oberschlesien zu erreichen. Eine in diesem Sinne abgefaßte Note ist nach Paris und Rom abgesandt worden. Als ein würdiges Seitenstück zu dieser Operetten-Krieg- führung verdient angemerkt zu werden, daß jetzt die deutsche Regierung sich in Paris wegen des sogenannten Zwischen- fallesvonKolinow oder Groß-Strehlitz entschuldigt hat. Dabei untersteht offiziell der deutsche Selbstschutz zuerst der deutschen Regierung. Botschafter Meyer hat Briand erklärt, es liege ein Mißverständnis vor, das daraus zurückznführen sei, daß die französischen Soldaten wegen des hohen Grases nicht als solche erkannt und irrtümlich für Polen gehalten wur den. Dr. Mayer fügte hinzu, daß General Hoefer sich persön lich bei der Jnterallüerten Kommission in Oppeln entschuldigt habe. Die Italiener in Natibor. Ein festes Auftreten, diesmal der Italiener, hat auch die polnischen Banden in Ratibor schleunigst zur Ruhe gebracht. In der Sitzung des Zwölfer-Ausschusses zu Ober glogau versprachen Hoefer und der anwesende Oberst Sal- vioni, bei der Interalliierten Kommission vorstellig zu werden, daß dem rücksichtslosen Treiben der polnischen Insurgenten entschieden entgegengetreten werde. Wie der iialienische Kreisksntrolleur, Major Jnorea mitteilt, hat Oberstleutnant Miglio, der Kommandant der italieni schen Truppen Ratibors, den Insurgenten durch Parla mentäre mitgeteilt, daß, falls die Stadt Natibor weiterhin von polnischer Artillerie beschossen werde, die italienische Artillerie die polnischen Stellungen in Hohenbirken, Lu- bon, Siryn und anderen Orten vor Ratibor ebenfalls unter Feuer nehme» werde. Die Insurgenten gaben dar auf das Versprechen, Ratibsr nicht mehr mit Artillerie zu beschiLßen.