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Serosprecher Wü-dnrff 7!r. 6 Wochenblükt sÜk DWösUff UNd ^Mgtgend postscheckko«t. Leipzig LS 614 Dieses Matt enthält die Etlichen Bekanntmachungen -er Amtshauptmannschast Meißen, -es Amtsgerichts Wilsdruff, -es Stadtrats zu Wilsdruff, -es Forstrentamts Tharan-t u»P Drmker: Arthur Aschuute i» Wilsdruff. Vrra«t»»rtN«her Schriftleiter: Herma«« Lässig, sür de« Inserat ent eil: Arthur Zsch « » de, Heide i« Wiladruff. Nr. 104. Donnerstag den 5. Mai 1921. 8V. Jahrgang. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die amerikanische Regierung hat die deutschen Vorschläge als ungeeignet abgelchnt. * Die preußische Regierung hat das neue Lohnabkommen im Ruhrrevier genehmigt. * Die Bewirtschaftung von Milch und Butter wird ab 1. Juni ausgehoben. * Der polnische Provokationsstreik in Oberschlesien dauert an. Es streiken im ganzen 190 000 Arbeiter. * Die interalliierte Kommission dementiert die Nachricht, daß über Oberschlesien schon eine Entscheidung gefallen sei. * In England wurde ein revolutionäres Komplott der Kommunisten aufgedeckt. * Die belgischen Sozialisten haben sich für die Sanktionen ausgesprochen. * Der ehemalige Reichskanzler Fürst Bülow feierte am 3. Mai in Rom seinen 72. Geburtstag in voller geistiger und körperlicher Frische. Mobilmachung. Der Mai ist gekommen — und die Franzosen sind glücklich, ihn damit begrüßen zu können, daß sie den Jahr gang 1919 unter die Waffen rufen. Noch am Montag abend hat Briand von London aus telephonisch die er forderlichen Anweisungen gegeben; er ist also wieder ein mal Sieger geblieben über alle zur Schau getragenen Be denklichkeiten feines britischen Ministerkollegen. Vielleicht allerdings nur halber Sieger. Denn das Zugeständnis der militärischen Maßnahme hat er durch Einwilligung in eine letzte Überlegungsfrist erkaufen müssen, die Deutsch land gestellt werden soll, eine „Milde", um deretwillen ihm schon jetzt von Paris her die lebhaftesten Vorwürfe entgegenschallen. Dafür kann er aber die neue Kriegs erklärung, die mit der Mobilmachung eingeleitet wird, vor der Welt als eine von allen Alliierten anerkannte und gutgeheitzene Sicherungsmaßnahme ausgeben, was schließ lich auch eine kleine Pariser Messe wert ist. Und hat Lloyd George erst einmal A gesagt, so wird Herr Briand ihm schon wieder das B und das C im gegebenen Augenblick abzunötigen wissen. Die Belgier und Japaner und Italiener dürfen sich auch fernerhin auf ihre wahrhaft im ponierende Statistenrolle beschränken. Den Wahnsinn, der sich hier vor unseren Augen aus tobt, muß man nachgerade sich selbst überlassen; zu heilen oder auch nur zu mildern ist er offenbar nicht mehr. Man bedenke: Frankreich verfügt zurzeit über die größte Land macht der Erde. An zweiter Stelle rangiert sein Kriegs- und Bundesgenosse, das Polenreich, das uns im Osten jeden Augenblick überfallen kann. Und trotzdem ruft es, um die Besetzung des Ruhrgebtetes durchzuführen, aber mals hunderttausend junge Leute zu den Waffen, die da mit vorzeitig der produktiven Arbeit entzogen werden. Und das tut es in demselben Augenblick, da es der deut schen Regierung schlechten Willen und Saumseligkeit in der Entwaffnung zum Vorwurf macht! Wir haben noch ganze hunderttausend Mann als Reichswehr übrig behalten, dürfen sie nur im allernotwendigsten Umfang mit Waffen versehen, haben ungezählte Geschütze und Geschosse, Ge wehre und Granaten abgeliefert, haben die Festungen wehrlos gemacht — und kein Turn- und kein Schülerverein darf Heuzutage Bewegungen ausführen, die auch nur ganz von weitem an „militärische Übungen" erinnern. Damit sollte der Anfang mit der allgemeinen Abrüstung gemacht sein. Sowie aber Frankreich neue „Sanktionen" ausgeheckt hat, entnimmt es die dazu erforderlichen Mannschaften nicht den vorhandenen Beständen seiner weißen oder farbigen Divisionen, sondern erläßt einen großartigen Mobilmachungsbefehl, damit das Säbelgeklirr nur ja auch allenthalben ganz unmißverständlich gehört wird. Es hat ja schon so lange keinen Krieg geführt, dieses friedliche Frankreich, das immer nur durch feine bösen Nachbarn aus menschheitsbealückender Tätigkeit am stillen Herd auf geschreckt wurde: durch die Spanier in diesem, die Gug- länder in jenem Jahrhundert, und das sich mit den Deut schen schon seit Urväters Zeiten herumschlagen mußte, weil diese Barbaren durchaus die ganze europäische Welt zu ihren Füßen niederzwingen wollten. Französische Welt herrschaft? Nie hat es eine blödere Verleumdung gegeben. Das Ruhrgebiet will man ja „nur" auf vierzig oder sechzig Jahre in die Hand bekommen, wie man sich das Saar gebiet „nur" auf fünfzehn Jahre in Versailles hat ver schreiben lasten. Nachher können diese Länder wieder zu Deutschland zurückkehren, wenn sie es wünschen sollten, was natürlich abzuwarten bleibt. Im Augenblick aber muß Frankreich sich selber schützen — wenn Deutschland auch darüber zugrunde geht! Dafür „demobilisiert" Polen rastlos und unentwegt, seit Wochen und Monaten. Mit dem Erfolg allerdings, daß über die Hälfte seiner auf sechsmalhunderttaufend Mann berechneten aktiven Militärmacht an der deutschen Grenze versammelt ist, und daß die von der deutschen Re gierung angerufene Botschafterkonferenz eingestehen mußte, daß Deutschland allerhand Grund zu Besorgnissen wegen der Zustände an der Ostgrenze habe. Und wie um diese Feststellung noch nachdrücklichst zu unterstreichen, hat so eben der in Posen kommandierende General dem Staats chef Pilsudski, nach. Besichtigung der Posener Regimenter, den Wunsch zu Füßen gelegt, diese Truppen dem Obersten Heerführer im Kriege vorführcn zu können. Aber der Krieg sei ja noch nicht zu Ende, denn noch gehöre Ober schlesien nicht zu Polen. So unbedenklich, so skrupellos setzt sich also ein polnischer General über alle Bindungen des Friedensvertrages hinweg, der die Entscheidung für Oberschlesien nicht den Spitzen der polnischen Ba jonette, sondern der Selbstbestimmung des oberschle sischen Volkes und der Entscheidung des Obersten Rates anvertraut. Er ist eben ein gelehriger Schüler seiner französischen Verbündeten, die demselben Friedens vertrag jede wächserne Nase drehen, deren sie bedürfen, um das eine Ziel, das ihnen heute wie gestern vorschwebt und immer vorgeschwebt hat, zu erreichen: die Zerreißung Deutschlands, seine Vernichtung sür Zeit und Ewigkeit. Dazu wird hier mobilisiert, dort demobilisiert. Dazu be dient man sich genau wie im Kriege jedes erreichbaren Mittels und jeder Hilfe, von wo sie auch kommen möge. Die Uneinigkeit der Deutschen hat den Franzosen noch nie mals so unbezahlbare Dienste geleistet wie in den Jahren seit der Beendigung des Krieges. Wenn sie nur fortdau ert, dann wird sich der kleine Rest, der noch zu tun bleibt, auch noch finden. Wir Deutschen aber dürfen wieder einmal einem Ulti matum entgegensehen. Amerika lehnt ab! Nsue deutsche Vorschläge gefordert. Der Schleier, der bisher über der Haltung der Ver einigten Staaten in der Vermittlungsfrage gelegen hat, ist nun gelüftet worden. Und zwar kommt über England dazu folgende Meldung. London, 3. Mai. Reuter meldet aus Washington: Staatssekretär Hughes teilte dem Reichsminister Dr. Simons in einer am Montag abend abgesandten Rote mit, die deutschen Gegenvorschläge könnten als Grundlage für die Erörterung der Rcparations- frage nicht angenommen werden. Er fordert Deutschland auf, weitere Vorschläge unmittelbar den Alliierten zu unterbreiten. Zugleich äußert er wiederholt den aufrichtigen Wunsch der amerikanischen Regierung sür eine rasche Regelung „dieser vitalen Frage". > Berlin, 3. Mai. Der amerikanische Geschäftsträger, Herr Dresel, über reichte heute mittag um 12 Uhr dem Minister des Auswär tigen die amerikanische Antwort. Sie hat folgenden Wort laut: „Die Negierung der Vereinigten Staaten hat das Me morandum betreffend der Reparationen erhalten, das Dr. Simons dem Kommissar der Vereinigten Staaten am 24. April übergeben hat. Zur Antwort erklärt die ameri kanische Regierung, daß sie sich außerstande findet, zu dem Schluß zu gelangen, daß diese Vorschläge eine für die alli ierten Regierungen annehmbare Grundlage der Erörte rung bilden. Indem die amerikanische Regierung daher wiederholt ihren ernsten Versuch nach einer raschen Rege- lmrg dieser Lebensfrage ausdrückt, legt sie der deutschen Regierung dringend nahe, sofort den alliierten Regierun gen unmittelbar Kare, bestimmte, zweckentsprechende Vor schläge zu machen, die in jeder Beziehung ihren angemesse nen Verpflichtungen gerecht werden." Die von Ententeseite verbreitete Meldung, daß die Ncichsregierung eine zweite Note über unsere Reparations vorschläge nach London gerichtet habe, ist falsch. Dem Ge rücht dürfte der Umstand zugrunde liegen, daß der ameri kanische Geschäftsträger in Berlin, Dresel, vor einigen Tagen eine Unterredung mit Minister Simons hatte, die sich auf die Frage der Annuitäten, bes Zinsfußes usw. bezog. Vielleicht hat Herr Dresel über diese Unterredung einen Drahtbericht nach Washington geschickt, aus dem daun das Gerücht eine deutsche Rote gemacht hat. Tatsächlich ist außer der Richtigstellung und Erläuterung des ersten Artikels unserer Reparationsnote, die klarstellte, daß unser Angebot von 50 bzw. 200 Milliarden ein Alternativ angebot sei, keinerlei deutsche Note oder sonstige deutsche Mitteilung nach Washington gesandt worden. Das Londoner Ultimatum. Much die Nachrichten, die sonst aus London kommen, sind für uns höchst unerfreulicher Natur. So meldet das französische Havas-Bureau: Man ist einig geworden. Der angenommene Entwurf soll Frankreich ermächtigen, sofort die militärischen Maß regeln für die Nuhrbesetzung zu ergreifen. Dis Schaden vergütungskommission soll innerhalb vier Tagen an Deutschland die Art und Weise der Bürgschaft und der Be zahlung mittcile«. Die Weigerung Deutschlands würde die unmittelbare Besetzung des Ruhrgebietes zur Folge haben. Die deutsche Regierung soll innerhalb fünf oder sechs Tagen nach dem Ultimatum ihre Antwort mitteilen. Betreffs der Zahlungsweise heißt es, daß Deutschland seine Schuld in 36 Jahresraten, die gleich groß sind und 6 Prozent des Schuldbettages ausmachen, begleichen soll. Bis 1926 würde der Zinsfuß 2)4 Prozent betragen, da nach 5 Prozent, Amortisation inbegriffen. Die Schaden vergütungskommission soll drei verschiedene Sorten Bons ausgeben, die erste in einem Betrage von zwölf Milliar den Goldmark nach einem Jahre zu bezahlen, die zweite in Höhe von 38 Milliarden auszugeben ab 1. November 1921, die dritte in Höhe von 80 Milliarden nach der Kauf kraft des internationalen Marktes und Deutschlands Zah lungsvermögen. Wie „Evening Standard" erfährt, werden Deutsch land 12 Tage zugestanden werden, innerhalb deren es sich zu entscheiden hat, ob es die Bedingungen der Alliierten ablehnen oder annehmen will. Wenn Deutschland ablehnt, werden die Alliierten sofort handeln. Deutschland wird aufgefordert werden, den von der Reparationskommission festgesetzten Betrag in über 37 Jahre verteilten Raten zu bezahlen. Der Gesamtbetrag der Zahlungen wird die in den Pariser Vorschlägen niedergelegte Summe von Elf- tausenddreihnndert Millionen Pfund Sterling um ein Ge ringes übersteigen. polnischer putsch in Oberschlesien. Streik und Terror. Die Nachricht von der angeblichen Teilung Ober schlesiens, bei der die Kreise Rybnik und Pleß an Polen fallen sollten, hat den polnischen Widerstand gegen die Abstimmungsresultate zu Hellem Brand aufflammen lassen. Obwohl die Interalliierte Kommission in aller Form erklären ließ, daß die Nachricht vorläufig jeder Grundlage entbehre und überhaupt noch keine Entschei dung getroffen sei, gehen die von polnischem Winde ange triebenen Wellen augenblicklich wieder über Dämme hinweg. Seit Dienstag nacht ist Oberschlesien von jeder Tele- r graphenveröindnng abgeschloffen. Im Laufe des Tages gelang j es, wenigstens mit Bcnthcn Verbindung zu erlangen. Wie z gemeldet wurde, sind in Kattowitz Stadt und Land, Beuthen Stadt und Land und in dem östlichen Teil des Landkreises Glciwitz polnische stark bewaffnete Zivilistenbanden eingerückt. Kattowjtz wurde von den Polen wieder geräumt. Beuthen ist besetzt. Schulen und Geschäfte find geschloffen, die Straßcn- bahiidrähte durchschnitten, der Eisenbahnverkehr unterbunden. Bus den Straßen patrouillieren polnische bewaffnete Zivilisten. Vewachungstruppeu sind noch nicht eingeschritten. Die ganze Nacht ^hindurch hörte man in der Umgegend der Stadt leb Haftes Gewehrfener. Im Kreise Rybnik kam es zu schweren Tumulten. In Czucha wurden 12 Deutsche niedergemctzelt. In Zalenze sitzen polnische Insurgenten, ebenso ist ganz Südoberschlesien mit Ausnahme der Städte Sorau, Pleß und Rybnik in der Gewalt polnischer Banden. Die Eisenbahnbrücken bei Oberglogau und Oppeln sind ge sprengt. In Hindenburg kam es zu schweren Kämp fen zwischen den Beamten der deutschen Apo und den be waffneten Polen. Es gelang den Deutschen, die polnischen Banden zu zersprengen. Die Redaktion des sozialdemo kratischen Volkswillen in Kattowitz wurde durch Hand granaten gesprengt. Ernsthafte Bekämpfung des Auf standes durch die französischen Besatzungstruppen zeigte sich kaum. Belagerungszustand. Die Interalliierte Kommission teilt mit: Die Interalli ierte Regierungskommission ist fest entschlossen, die Ord nung unbedingt aufrecht zu erhalten. Sie hat infolge dessen iu voriger Nacht den Belagerungszustand über die Kreise Beuthen (Stadt und Land), Pleß, Kattowitz (Stadt und Land), Rybnik, Hindenburg, Tarnowitz und Ratibor (Stadt und Land) verhängt. Ausdehnung des Streiks. Der von polnischen Agitatoren entfesselte Streik auf den Kohlengruben ergriff bis Dienstag fast alle Anlagen. Etwa 80 Prozent aller Gruben im oberschlesischen Jndu- striebezirk befanden sich im Streik, ebenso liegen die Hüt ten und Jndustriporte still. Es wurde festgestellt, daß ein großer Teil der Streikenden den Grund des Streikes über haupt nicht kannte. Zahlreiche Bergarbeiter, die zum Fei ern gezwungen waren, äußertcn.ihre lebhafte Mißbilligung über den Streik. Die Aktion bezweckt offenbar, durch Pro vokation auf die bevorstehende Beschlußfassung des Ober sten Rates in der oberschlesischen Frage entscheidenden Einfluß auszuübsn. Zahlreiche deutsche Arbeitswillige wurden mit Gewalt, an einigen Stellen sogar mit der Waffe in der Hand an der Einfahrt gehindert, und die jenigen, die bereits zur Frühschicht eingcfahren waren, wurden durch Drohungen polnischer Streikkräfte, die För derseile zu durchschneiden, zur Ausfahrt gezwungen. Die oberschlesischen Vertreter des Allgemeinen Deut- scheu Gewerkschaftsbundes, der Hirsch-Dunüersck>en Ge- werkscbaftMreine und der Christlichen Gewerkschaften baben ein Telegramm an das Generalsekretariat des Jnternationslen Gewerkschaftsbundes in Amsterdam und an den Präsidenten des Internationalen Gewerkschafts bundes gerichtet, in dem sie feststellen, daß der Streik gegen den Willen des größten Teiles der Arbeiter unter Vorschiebung unwesentlicher wirtschaftlicher Forderungen und nur unter Anwendung von brutaler Gewalt möglich gewesen ist. Die Gewerkschaften eryeben entschieden Pro test gegen die polnischen Treibereien. Deutscher Reichstag. (100. Sitzung.! cL. Berlin. 3. Mai. Die Einleitung der heutigen Sitzung bildete die Erledi gung kurzer Anfragen. Frau Abg. Wurm (UnabhO sragte, wann der versprochene Gesetzentwurf über die Zu lassung der Frauen zum Schössen- und Gekmworenenamt dem