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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt sM Wilsdruff UNd ÜMgtgMd Postscheckkonto Leipzig 28614 Dieses Matt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Etadtrats zu Wilsdruff, -es Forstrentamts Tharandt Verleger m»d Drucker: Arthur Zschunke i» Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 55. Sonntag den 6. März 1921. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil. Das Wirtschaftsministerium hat die Ausgabe von Butter in der Woche vom 7. bis 13. März 1921 untersagt und die Abgabe der dadurch ersparten Butter an dis Landssfettsiells zur Be lieferung der Zuschußkommunalverbände angeordnet. , Im Kommunalverband Meißen-Stadt und -Land werden daher auf die Zeit vom 7. bis 13. März 1921 50 S Schmalz als Brotaufstrich auf den Abschnitt der Landesfettkarte ausgegeden. Die Kcankenbutterkarten sind gleichfalls »mit 50 Schmalz zu beliefern. Der Preis für das Pfund Schmalz beträgt l4 Mark. Der Kommunalverband weist darauf hin, daß weder die Gemeindebehörden noch die Mitglieder der örtlichen Ernährungsausschüsse oder die Verkaufsstelleninhaber das Recht haben, die Ausgabe von Butter anstatt von Schmal; zu veranlassen. Wer un befugt Butter abgibt oder sonst unbefugt über sie verfügt, wird nach Z 35 der Speisefett bekanntmachung vom 20. Juli 1916 mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geld strafe bis zu 10000 Mark oder mit einer dieser Strafen belegt. Diese Erraten treten ein, sofern nicht nach den allgemeinen Vorschriften des Strafgesetzbuchs noch härtere Strafen wegen Nötigung, Bedrohung usw. verhängt werden müssen. Die Verteilungsstellen haben ihren Bedarf an Schmalz unverzüglich der Butter zentrale Meißen, Görnische Gasse, anzumelden Nr. 233 II 0. Meißen, am 3. März 1921. r?>2 srommunalverband Meißen-Stadt und -Land. Kleine Zeitung sür eilige Leser. * Die Antwort Deutschlands auf die Ablehnung seiner Vor- Mäge durch die Alliierten soll am nächsten Montag erfolgen. * In Berlin sind Verhandlungen zur Bildung eines Reichs kabinetts von den Sozialdemokraten bis zu den Deutschnatto- naten mit Rücksicht aus die Londoner Forderungen im Gange. * Die Berliner georgische Gesandtschaft bestätigt, daß russische Sowjettruppen in Georgien eingebrochen sind * Der Reichsparieitag des Zentrums findet vom 10. bis 12. April in Berlin statt. * Zur Sicherung der Abstimmung in Oberschleflen wird das Gebiet unter Belagerungszustand gestellt. * In Stettin ist ein Generalstreik ausgebrochen, dem der Bürgcrbund mit einem Abwehrstreik begegnen will. In Armenien ist die bolschewistische Räteregierung ge stürzt und durch eine Regierung unter dem Präsidium Vraziens ersetzt worden. * In Washington fand die Übernahme der Präsidentschaft durch Lardina unter den üblichen Formen statt. Der Bannstrahl. Was hat sich in der Donnerstagsitzung der Londoner Konferenz eigentlich abgespielt? Wir waren ja Wohl alle auf ziemlich harte Dinge gefaßt, nach der Art, mit der der britische Ministerpräsident in der ersten Sitzung, kaum das Dr. Simons seine Rede beendet hatte, die deutschen Gegenvorschläge behandelte. Aber das Sturzbad von Be schuldigungen, mit denen er, nach achtundvierzigstündiger Bedenkzeit, die deutsche Delegation überschüttete, wirkt trotzdem, und trotzdem man von dieser Seite her im Laufe der Jahre Loch wirklich mancherlei erfahren hat, so ver blüffend, daß man seinen Augen nicht trauen mag beim Lesen dieser neuesten Londoner Berichte. Es kommt hinzu, daß der Draht — zufällig, natürlich ganz zufällig — plötz lich seinen Dienst versagte, daß wir infolgedessen einstwei len nur Bruchstücke von Telegrammen vor uns haben, daß Widersprüche zwischen den amtlichen und privaten Meldungen vorliegen, die noch nicht auszullären sind, kurz, wir befinden uns vorläufig in einem Zustand der Ver wirrung, der einer klaren Stellungnahme nicht gerade förderlich ist. Also muß das endgültige Urteil über die Antwort der Entente Vorbehalten bleiben. Folgen wir bis dahin unserem Gefühl — es wird uns kaum in die Irre führen. Lloyd George hat diesmal gegen Deutschland eine Sprache geführt, die allenfalls im Kriege zu rechtferti gen gewesen wäre. Aber da wir seit Jahr und Tag mit der Entente im Frieden leben, ist diese Art, ein großes Volk vor der ganzen Welt immer wieder wie einen straf würdigen Verbrecher herunterzuputzen, nachgerade uner träglich geworden. Dr. Simons hat gegen sie sofort mit würdigen Worten Verwahrung eingelegt. Es gibt eigent lich nur zwei Möglichkeiten: entweder reden wir eine Sprache, die auf der Gegenseite überhaupt nicht mehr ver standen wird, oder man will uns drüben nicht verstehen, auch wenn wir mit Engelszungen redeten. In dem einen wie im anderen Falle ist es unter unserer Würde, noch länger die Hand dazu zu bieten, daß die Entente- Vertreter den Schein von Konferenzen, den Schein von Verhandlungen ausrechterhalten können, wie sie es nötig zu haben glauben. Was sie uns jetzt wieder androhen, ist ein so himmelschreiender Vertrags bruch, daß ihr Wunsch nur zu begreiflich ist, die moralische Schuld auch für diese Gewalttat abermals den Deutschen aufzubürden. Wie kann man noch von „Verhandeln" sprechen, wenn Revolver und Handgranaten schon bereitge- legt sind, mit denen man seinen Forderungen Nachdruck geben will. „Schießen Sie los, meine Herren", wäre vielleicht die richtige Atwort, „schießen Sie los — aber mftne Unterschrift unter der Erklärung, daß Sie brave an ständige Leute sind, die sozusagen nur das Werkzeug der lummlischen Vorsehung oder, wie Sie wollen, der irdi schen Gerechtigkeit mich hier zu Tode quälen wollen, die bekommen Sie nicht!" Der Tatbestand ist wirklich sehr einfach, und die Redensarten, mit denen Lloyd George uns vorzuerzählen sür gut hält, wie gut er es im Grunde mit dem deutschen Volke meine, er und seine Verbündeten, werden heute keinem Deutschen mehr den Verstand um nebeln. Er soll nur Zuschlägen, wenn es ihm gefällt. Eine andere Antwort als .Nei n" wird er diesmal kaum her- auspresien Dr. Sy. Aus Lloyd Georges Drohrede. Sofort nach Eröffnung der Sitzung, welche die Ablehnung der deutschen Vorschläge durch die Alliier ten brachte, nahm Lloyd George das Wort und führte u. a. aus: Die deutschen Vorschläge stellten einen Angriff gegen den Grundgedanken des Versailler Friedensvertrages dar. Es läge durchaus nicht in der Absicht der Alliierten, Deutschland zu unterdrücken. Im Gegenteil, diese seien davon überzeugt, daß ein freies, zufriedenes und blühendes Deutschland eine not wendige Vorbedingung für den Frieden und das Wohlergehen . Europas sei. Deutschland habe im Friedensvertrag seine Ver antwortlichkeit für den Krieg anerkannt und habe deshalb für die Kriegsschäden Reparation zu leisten. Er sei der Meinung, daß das deutsche Volk noch nicht genügend den Umfang der Zerstörungen würdige, die durch den von dem kaiserlichen Deutschland hcraufbeschworcnen Krieg verursacht seien. In längeren Ausführungen hierzu schilderte Lloyd George die Verwüstungen und Zerstörungen, die in den alliierten Län dern, insbesondere in Frankreich, angerichtet seien, und die nur zum geringen Teile von kriegerischen Operationen herrührten. Die Alliierteil wären durchaus geneigt gewesen, die deutscher seits vorgcbrachten Einwände gegen die Pariser Beschlüsse mit vollem Ernst zu prüfen. Wenn Deutschland zum Beispiel eine Verkürzung der Zahlungsfrist von 42 Jahren gefordert oder anstatt der 12 Prozent Ausfuhrabgabe eine seinen Bedürf nissen entsprechende gleichwertige Maßnahme vorgeschlagcn hätte, so hätte hierüber gesprochen werden können. Demgegen über aber müsse er feststellen, daß die deutschen Gegen vorschläge als Grundlage einer Besprechung I oder Prüfung völlig ungeeignet seien, im Gegen- ! teil eine Beleidigung und Herausforderung der Alliierten bil- ° deten. Man müsse zu der Folgerung kommen, daß die deutsche Negierung ihren Verpflichtungen nicht nachkommen wolle, oder was noch schlimmer sei, die Kraft nicht habe, ihren Willen durch zu setzen. Angesichts dieser Sach lage habe er namens der Alliierten die Deutsche Regierung aus- gefordert, bis Montag Mitteilung zu machen, ob sie die Pariser Beschlüsse annehme oder Gegenvorschläge zu unterbreiten gedenke, die eine gleichwertige Ausführung der aus dem Friedensvertrage Deutschland obliegenden Ver pflichtung sicherstelltew Unsterbliche falsche Behauptungen. Donnerstag abend antwortete Lloyd George im Unterhause auf verschiedene Anfragen über die augenblick liche Situation. Eine der Anfragen laurete, ob die Hal tung Ler deutschen Delegierten auf die Tatsachen zurückzu- s führen sei, daß Asquith erklärt habe, Deutschland könne nicht mehr als zwei Milliarden Pfund (20 Milliarden Goldmark) zahlen. Lloyd George sagte: „Ich habe ost erklärt, daß die Deutschland vorgelsgten Forderungen seiner Zahlungsfähigkeit entsprechen müssen. Die Vorschläge Simons sind unseres Erachtens aber viel ge ringer, bedauerlich geringer, ich kann Wohl sagen, in absurdem ° Maße geringer als die Zahlungsfähigkeit Deutschlands. Deutschland ist, wie ich schon früher bemerkt habe, noch nicht in demselben Grade besteuert wie Frankreich und England, und es ist nicht möglich, daß wir zugeben, daß die Lage der Sieger schwerer ist wie die der Besiegten." Die kürzliche Denkschrift des Neichsfinanzministers - hat gründlich mit der immer wieder, diesmal auch von Lloyd George wiederholten falschen Behauptung, von Ler geringeren Besteuerung Deutschlands aufgeräumt. -ü Me Auffassung der Deutschen in London. Berlin, 4. März. Eine Entspannung der Lage, konstatiert ein Bericht erstatter aus London am heutigen Morgen, hat in keiner Weise stattgcfunden, obwohl dem geistigen Hochdruck der letzten Tage eine gewisse Erschlaffung gefolgt ist. Dr. Simons' Bericht nach Berlin hat den Zweck, neue In struktionen einzuholen. Ausfällig erscheint es, daß noch kein deutscher Sachverständiger nach London gerufen ist. Von einer Nachgiebigkeit auf der andern Seite ist nirgends etwas zu bemerken. Nachgiebigkeit soll nur von deutscher Seite gezeigt werden. Denn die Staatsmänner der En tente legen neben all den Werten, die sie bisher von den verschiedenen Konferenzen nach Hause gebracht haben, noch auf einen Effekt besonderen Wert: Die Sieger zu sein und Deutschland in der demütigenden Pose des immer Nach giebigen zu zeigen. Daß Deutschland Vorschläge machen könnte, die, wie es in dem Ultimatum heißt, den Pariser Vorschlägen gleichwertig sein sollen, mutz als ausgeschlossen bezeichnet werden. Sind weitere Vorschläge möglich? Weitere deutsche Vorschläge scheint im Gegensatz zu fast allen Korrespondenten der Sonderberichterstatter Ler Ger UL Berlin, 4. März. (75. Sitzung.) Die heutige Sitzung stand von Beginn an völlig unter dem Eindruck Ler Vorgänge in London. Das Haus war stark besetzt und es herrschte große Spannung und lebhafte Erre gung. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärte der Präsident Loebe, er habe sich in der Angelegenheit der Londoner Ver handlungen mit der Anfta.w an Lie R-l.ysregierung gewandt, ob sie in der Lage sei, Mitteilungen über den Stand der Ver handlungen zu geben. Die Reichsregierung habe dieses ver neint, Weil die Informationen aus London noch nicht voll ständig seien und der amtliche Text der Erklärung des eng lischen Ministerpräsidenten noch nicht hier wäre. Er hielte sich indessen in ständiger Fühlung mit dem Kabinett und werde dafür Sorge tragen, daß der Wortlaut dem Hause so bald wie möglich mitgeteilt werde. Abg. Lcdebour (Unabh.) verlangt daraus sofortige Bera tung der Mitteilungen der fremden Regierungen, und der Abg. Levi (Komm.) schloß sich diesem Verlangen an. Der Antrag Lcdebour wurde gegen die Stimmen der Unabhängigen und der Kommunisten abgelehnt. Run wandte man sich den auf der Tagesordnung an erster Stelle stehenden kleinen Anfragen zu. Aus eine Anfrage der thüringischen Abgeordneten wegen Benachteiligung Halles und der thüringischen Städte durch Verlegung des Schnellzngvcrkehrs von Bertin nach München über Leipzig-Hos wurde durch die Regierung erwidert, es be stehe nicht die Absicht, den Schnellzugverkehr über Halle einzu- schränken, es solle lediglich der Verkehr über Leipzig ettvaZ Lr« weitert werden. Daraus kam man zu der , Beratung des Reederei-Abfindungsvertrages. Der Abg. Schiffer (Dem.) beantragt die Absetzung dieser Vortage von der Tagesordnung, da augenblicklich nicht die Zeit zn umfangreichen Verhandlungen fei. Abg. Voglhcrr (Unabh.) erklärt dagegen, daß er in diesem Anträge das Bestreben er blicke, nach außen hin eine Einheitlichkeit vorzmänschen, die in Wahrheit nicht bestehe. Seiner Partei werde dadurch die Möglichkeit genommen, die letzten Ereignisse im Reedereige- wcrbe in Flensburg zur Sprache zu bringen. In Stettin sei beute mittag 12 Uhr der Generalstreik ansgcbrochen, weil das Reedereikapital den Wünschen der Arbeiter nicht entspro chen habe. Regierung und Reichstag hätten die Pflicht, hier einzugreiscn. Die im Hause bereits vorhandene Unruhe steigerte sich bei diesen Ausführungen des.Abg. Vog 1 herr immer mehr. Es wurden erregte Zurufe laut, und der Abg. Vogtherr wurde wiederbolt ausaeiorden. Sckluk ru macken mania anzukündigen. Er schreibt dem von ihm vertretenen Blatte: Es erscheint undenkbar, daß die Verhandlungen als ergebnislos abgebrochen werden. Das deutsche Volk und die Öffentlichkeit werden, so schwer es ihnen auch fallen mag, sich angesichts des bitteren Ernstes der Lage daraus ein- ,'teilen mussm, daß seitens Deutschlands noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Ein Beweis dafüp, daß neue Möglichkeiten bereits erwogen werden, ist die Tatsache, daß die nicht offiziellen Fäden zwischen den Deutschen und den Alliierten gestern noch sortbestanden und in privaten Unter redungen ihren Ausdruck sanden. Wenn es sich hier mehr als um eine rein private An sicht handeln sollte, wäre die Nachricht bemerkenswert. Sie stände allerdings in einem scharfen Gegensatz zu den Äuße rungen, die ein Mitglied der deutschen Delegation zu einem Vertreter der Londoner „Central News" getan haben soll, und die das Blatt wie folgt wiedergibt: „Wir werden keine neucnVorschläge machen, denn wir haben bereits alles angeboten, was Deutschland geben kann." Umbildung der Regierung? Berlin, 4. März. Im Reichstag hat heute eine interfraktionelle Sitzung der Vorstände der Koalitionsparteien stattgefunden, in der die Rückwirkung der Londoner Ereignisse aus die innere Politik besprochen wurde. Der Gedanke „einer na tionalen Einheitsfront" stand wieder im Vordergründe. Verhandlungen über die Bildung einer Einheitskoalition schweben. Die Dentsche Volkspartei sucht eine Einheits front von den Deutschnationalen bis zu den Mehrheits- sozialisten zustandezubringen. Indessen scheint man bei den Mehrheitssozialdemokraten wenig oder gar keine Nei gung dafür zu haben. Es bleibt dann also nur noch das Problem einer Hinzuziehung der Mehrheitssozialdemokra ten zur gegenwärtigen Negierung. Ob aus diesem Plan etwas wird, läßt sich noch nicht sagen. Die Verhandlungen zwischen den Parteiführern und dem» Reichskanzler drehten sich um die Frage der Umbildung der Negierung und der Koalition. Deutscher Reichstag.