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MM« s>, MW Warandt, Aossen, Siebenteln und die Umgegenden. Ersch eint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Poft bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro viergespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst- s S8. Jahrg No. «» Sonnabend, den 2. Juni iSbb Amtsblatt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Milsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Älttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Hcrzogswalde mit Landberg. Hühndorf, Kausbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Munzig, Neukirchen, Neu« tanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kefselsdorf, Steinbach b. Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. „Sie ist doch nicht etwa gestorben? Nein! Können Sie mir denn sagen, wo sie jetzt wohnt?" „So wissen Sie nicht, weich' schwerer Schlag die gute Frau getroffen hat?" entgegnete der Bediente, einen mit leidigen Blick aus das junge Mädchen werfend, das zitternd vor ihm stand. Dann fügte er leise, mit bewegter Stimme hinzu: „Sie hat durch den Krach eines großen Bankhauses fast ihr ganzes Vermögen verloren und lebt nun einsam und verlassen im Norden der Stadt." Wie betäubt wankte Hertha aus dem Hause. Als sie aber auf der Straße stand, kam ihr die ganze Be deutung dessen, was sie soeben erfahren, deutlich zum Bewußtsein. Was hatte sie gethan? Während sie im Groll von den Ihrigen geschieden war und Jahre lang nur an sich und das ihr zugefügte Leid gedacht hatte, war ihre Mutter falschen Freunden preisgegeben gewesen, die ihr Vertrauen mißbrauchten und sie um ihr Vermögen brachten. Was mußte die arme Frau gelitten haben, die nach dem Verluste ihres einzigen Kindes auch diesen Schicksalsschlag noch standhaft trug! Mit riürHi Schlage hatte sich die Situation geändert. Nicht Hertha war es mehr, die Vergebung brachte, sondern sie mußte froh sein, wenn die schwergeprüfte Frau ihr Kind wieder aufnahm, das sie aus selbstsüchtigen Gründen verlassen und nie mehr nach ihr gefragt hatte! Aber sie wollte sühnen, was sie gefehlt, sie wollte ihre Mutter nie mehr verlassen und für sie sorgen, so lange sie lebte. Dieser heilige Entschluß reifte in der Seele Herthas empor, als sie in einer Droschke der neuen Wohnung ihrer Blutter entgegen fuhr. Es kam etwas über sie von dem Geiste der Pfingsten, von dem Geiste der Liebe und Versöhnung, der an diesem Tage den Menschen näher ist als sonst. Endlich, nach langer Fahrt hielt der Wagen vor einem der großen Miethshäuser des Nordens der Stadt. Klopfenden Herzens stieg Hertha die schier endlosen Stufen empor und stand einen Moment überlegend auf dem Korridor, der ihrer Mutter Wohnung abschloß. Dann drückte sie auf den Knopf der Klingel, ein blutjunges Dienstmädchen öffnete und führte die junge Dame in das Wohnzimmer. Einen Augenblick stand Hertha auf der Schwelle des Zimmers still und starrte auf die bleiche,, gealterte Frau mit dem schneeweiße« Haar, die sinnend' am Fenster saß. Dann stürzte sie mit einem wilden Auf schrei: „Mutter, Mutter, vergieb mir!" auf das Fenster zu und barg aufschluchzend das Haupt in der Blutter Schooß. „Mein Kind, meine Hertha!' war Alles, was die überraschte Frau hervorbringen konnte, dann sank sie neben ihrem Kinde nieder und beide hielten sich lange innig umschlungen. Sie hatten sich gefunden nach jahrelanger Trennung und in dieser seligen Minute des Wiedersehens war alles Leid und aller Schmerz der vergangenen Tage vergessen. Durch das offene Fenster aber drang die eherne Stimme der Kirchenglocken, die am Tage der Pfingsten mahnten zur Liebe und Versöhnung. — Aber noch eine große Ueberraschung blieb Hertha Vorbehalten. Während sich Mutter und Tochter gegen seitig die Erlebnisse der letzten Jahre erzählten, ertönte plötzlich im Flur die Klingel und eine Minute später trat Bruno von Hanstein in das Zimmer. Als Hertha seiner ansichtig wurde, wich alles Blut aus ihren Wangen, während über das Gesicht des jungen Offiziers ein Leuchten seliger Freude glitt. Mit ausgebreiteteu Armen stürzte er auf die Geliebte zu, drückie die nicht Widerstrebende stürmisch au sein Herz und beoeckte ihren Mund mit heißen Küssen. „Ja," sagte Frau Freiberg, als sich Hertha hocher- rötheud aus den Armen Brunos los machte und fragend ihre Mutter ansah, „er ist der einzige Freund, der mir nicht untreu wurde und der auch meinen kleinen Trotzkopf Gesühnte Schuld Eine Pfingstgeschichte von Hans Schack. (Nachdruck verboten.) Brausend fuhr der Schnellzug in den Potsdamer Bahnhof in Berlin ein. Das gewohnte lebhafte Treiben, das bei der Ankunft eines jeden Durchgangszuges in der Reich shauptstadt Herrscht, entwickelte sich. Ander geöffneten Thür eines Frauenabtheils stand eine junge Dame und schaute einen Moment mit schwermüthigem Blick hinaus in das Gewoge und Gedränge, als suche auch sie Jemand, der ihr zu herzlichem Willkommen die Hand entgegenstrecke. Dann, wie aus tiefem Sinnen auffahrend, nahm sie den Resteplaid aus dem Netz und verließ den Wagen. Sie war eine stattliche Erscheinung. Das eng an liegende, Helle Reisekleid ließ ihre schlanke und doch volle Figur ganz zur Geltung kommen, auf dem üppigen Blond haar saß ein einfacher Hut. Ein unendlicher Liebreiz sprach aus den reinen Zügen der jungen Dame, denen der sinnende, schwermüthige Blick der schönen blauen Augen noch etwas besonders Anziehendes verlieh. Hastig schritt sie durch die Hallen dem Ausgang des Bahnhofs zu und ließ sich von einem der dort harrenden Wagen nach einem nahen großen Hotel fahren. Doch nicht lange litt es sie auf ihrem Zimmer. Sie vertauschte das einfache Neisekleid mit einer eleganten Promenadentoilette und verließ das Hotel. Die scheidende Sonne umfluthete mit ihren goldenen Strahlen das Häu sermeer der Riesenstadt, linde Frühlingslüfte wehten in den Straßen und öffneten die Fenster und die Herzen. Ein eigen wehmüthiges Gefühl beschlich die langsam da- hinschreiteude junge Dame, aber je mehr sie sich dem Thier gartenviertel näherte, desto stärker pochte ihr Herz. Nun stand sie, einen Augenblick nur, an dem Garteuthor einer großen, eleganten Villa still und ließ den Blick über die stattliche Facade des Gebäudes gleiten, in dessen hohen Fenstern die Sonnenstrahlen golden sich wiederspiegelten. „Hier wohnt sie, die mir das Liebste war auf Erden lange Jahre hindurch," sprach das junge Mädchen leise vor sich hin, „die ich verehrt habe wie eine Heilige und die mich mit ihrer schweren Schuld hinaus trieb in den Kampf des Lebens, in dem ich zum Glück siegreich bestand. Noch einmal will ich sie sehen, meine Mutter, bevor ich mein schönes Heimathland verlasse, um in dem sonnigen Italien meine Ausbildung zu vollenden." Wie gern wäre sie heute schon eingetreten in die ihr wohlbekannten Räume, aber die Erinnerungen an ver gangene, schwere Tage stürmten so mächtig auf sie ein, sie fühlte sich nicht ruhig und gefaßt genug, um jetzt schon der Mutter gegenüber stehen zu können, und so wandte sie sich dann wieder ihrem Hotel zu. Sie bemerkte nicht die frohen Gesichter der Große» und Kleinen, die an ihr vorübereilten,sie vergaß, ganz mit ihren Gedanken beschäftigt, daß heute der Vorabend des Pfingstfestes war, das^zubel und Freude in alle Herzen trägt. Und nun saß sie an dem großen Balkonfenster ihres Zim mers und sann und sann. Allmählich senkte sich der Abend nieder; draußen erglänzten die Straßen in einem wahren Lichtermeer, das hastige Leben am Vorabend eines großen Festes wogte unter ihr vorüber, aber Hertha Freiberg sah und merkte von Allem nichts. Ihre Gedanken führten sie weit zurück in die Vergangenheit und ließen mit er schreckender Deutlichkeit ihr ganzes Leben noch einmal an ihrem geistigen Auge vorüberziehen. Heiter und sonnig waren ihr die Tage der Kindheit verflossen. Als einziges Kind eines reichen und angesehenen Fabrikanten hatte sie die Noth und den Ernst des Lebens nie kennen gelernt. Der Vater war ihr früh entrissen worden, sie ahnte damals kaum, was dieser Verlust für sie bedeutete, und so schloß sie sich an ihr gutes, schönes Mütterchen mit um so innigerer Liebe an. Daß rhre Gefühle nicht mit der gleichen Liebe erwidert wurden, kam ihr wohl hier und da zum Bewußtsein, aber sie grübelte darüber nicht nach. Dann kam die Trennung; sie mußte, weil ihre Mutter es so wünschte, in ein Schweizer Pen sionat eintreten, und verlebte an den Ufern des Genfer Sees einige glückliche Jahre. Hier war es, wo das Schicksal ihres Lebens sich entschied. Bei einer Bootfahrt, die ohne Erlaubniß unter nommen, wurde sie vom Sturm überrascht und hätte ihren Tod in den Wellen des Sees gefunden, wenn sie nicht ein auf Urlaub dort weilender junger preußischer Garde offizier gerettet hätte. Die liebreizende, eben zur Jung frau herangereifte Hertha machte ans Bruno von Hanstein einen tiefen Eindruck, und was Wunder, wenn die Dank barkeit Hertha's für ihren Lebensretter sich bald in innige, heiße Liebe verwandelte. In Berlin sahen sie sich wieder und wurden ein glückliches Brautpaar. Da nahte das Verhängnis;. Ein Schauer durchrieselte Hertha, als sie jener schrecklichen Tage vor drei Jahren gedachte. Wie selig hatte sie sich damals mit ihren 17 Jahren als die Braut des schönen und edlen Mannes gefühlt! Und nun! Mit furchtbarer Deutlichkeit traten die Ereignisse jener Zeit in ihre Erinnerung. Auch in jenem Jahre verkehrte, wie jedesmal im Sommer, ein berühmter Schauspieler eiues süddeutschen Hoftheaters viel in dem gastlichen Hause ihrer Mutter und ein unbekanntes Gefühl zog Hertha mächtig zu ihm hin. Nur zu bald und schrecklich sollte sich ihr die Wahrheit enthüllen. Ohne es zu wollen, wurde sie Zeugin eines Gesprächs zwischen jenen Beiden und erfuhr, daß der Schauspieler ihr wirklicher Vater war. Auf Drängen ihrer Eltern hatte Herthas Blutter, mit der Liebe zu ihrem Jugendfreund im Herzen, den reichen Fabrikanten Freiberg geheirathet. Als sich aber die Liebenden im Sommer des folgenden Jahres wieder sahen, war das Unglück geschehen. Diese Entdeckung vernichtete mit einem Schlage alle Träume vom zukünftigen Glück in Herthas Seele. Na türlich durfte sie nun nicht mehr die Frau eines ehrlichen Mannes werden, sie war ausgestoßen aus der Gesellschaft und mußte aus eigner Kraft sich ein neues Leben schaffen. Das war das Ergebniß ihres Nachdenkens in jener Nacht, die dem für sie so verhängnißvollem Tage folgte. Ohne ihrer Mutter Lebewohl zu sagen, hatte sie Berlin ver lassen und war mit geringen Mitteln nach München über gesiedelt, wo sie, auf ihr schönes Zeichentalent gestützt, sich dem Malerberuf widmete. Und wieder zogen all' die Kämpfe und Entbehrungen, die sie während dieser Jahre erduldete, an ihrem Geist vorüber, aber auch die Erfolge, die sie nach rastlosen Studien errang. Aus der Heimath, von Mutter und Bräutigam, drang keine Kunde zu ihr, Niemand wußte, wo sie weilte. Nun, nachdem sie eine geachtete Stellung in der Kunstgemeinde der schönen Jsarstadt sich errungen und die Mittel erworben hatte, eine Studienreise nach Italien zu machen, war auch der Groll gegen ihre Mutter aus dem Herzen Hertha's gewichen, sie wollte all das Leid, das man ihr zugefügt, vergessen und ihren Frieden schließen mit der, die ihr das Leben geschenkt. — Als ain kommenden Morgen die Pfingstglockcn die Gläubigen zur Kirche riefen, 'trat sie den Weg in das Thiergartenviertel an. Mit hochklopfendem Herzen näh- erte sie sich der bekannten Villa; wie staunte sie aber, als ein völlig fremder Mann ihr das Thor öffnete. „Ich möchte Frau Freiberg sprechen," führte Hertha sich ein, „ich bin eine Verwandte und hoffe, der Dame willkommen zu sein." „Aber, gnädiges Fräulein," erwiderte zögernd der Portier, „Fran Freiberg wohnt schon lange nicht mehr hier, sie ist " „Nicht mehr hier? Warum hat sie ihre Villa ver lassen?" fragte Hertha, von bösen Ahnungen gequält.