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WenM für Wsdmff ThmA. DD. Menlehn md die UmgegtM Imtsölall Dienstag, den 23. Juli 1893 No. 39 MM« Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonncmentspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post ' bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne 1 Nummern 10 Pf. Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Bekanntmachung, die Benutzung fliehender Gewässer betreffend. Bei der Königlichen Amtshauptmannschaft ist zur Anzeige gelangt, wie anläßlich der Trockenheit im laufenden Sommer vielfach und insbesondere zur Wässerung der Wiesen die Wasserläufe von den anliegenden Grundstücksbesitzern durch Anbringung von Wehren oder sonstigen Stauvorrichtungen aufgestaut oder durch anderweite Vorkehrungen abgeleitet und in der Zuführung des Wassers nack den tiefer liegenden Grundstücken sowie nach den, auf das Wasser der betreffenden Wasserläufe angewiesenen Mühlen gehindert worden sind. Derartige Aenderungen des Wasserlaufes zum Nachtheile der Nachbargrundstücke, soweit nicht eine besondere Berechtigung dazu begründet ist, oder soweit nicht eine veränderte, wirthschaftliche Benutzung des anliegenden Grundstückes die Ursache der Veränderung des Wasserlaufes bildet, sind nach § 355 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unstatthaft und würden daher privatrechtliche Schadenersatzansprüche der geschädigten Anlieger des geänderten Wasserlaufes begründen. Ueberdies aber unterliegen dergleichen unbefugte Aenderungen und Unterbrechungen der Wasserläufe der in Artikel 12 des Forststrafgesetzes vom 30. April 1873 angedrohten Bestrafung mit Gefängniß bis zu 6 Wochen oder Geldstrafe bis 450 M. Was nun insbesondere die Anlage von Wehren oder Stauvorrichtungen anlangt, so hängt die Befugniß dazu nicht nur betreffs der gewerblichen Stauanlagen für Wassertrieb- werkc und der unter Benutzung fremder Grundstücke errichteten Bewässerungsanlagen, sondern überhaupt in allen Fällen von der vorgängigen Genehmigung der Königlichen Amtshauptmannschaft als Flußpolizeibehörde ab. Wie daher die unbefugte Abdämmung oder Aenderung des Laufes fließender Gewässer hiermit auf das Strengste untersagt wird, so wird zugleich angeordnet, alle etwa unbe fugter Weise errichteten dortigen Anlagen ungesäumt wieder zu beseitigen, und wird — unbeschadet der strafgerichtlichen Verfolgung der unbefugten Herstellung des Abflußhindernisses — für die Unterlassung der alsbaldigen Beseitigung des letzteren hierdurch eine Geldstrafe bis zu 100 Mk. angedroht. Meißen, am 18. Juli 1893. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Rirchbach. Bekanntmachung. Vom 1. bis spätestens den 14. nächsten Monats ist der 2. Termin Grundsteuer unv -er 3. Termin städtische Anlagen an die Stadtkämmerei zu entrichten. Hierbei werden alle diejenigen hiesigen Einwohner, welche mit Pachtgeldern für Lsmmnnländerei, Schulgeld und sonstigen Gefällen noch in Rest stehen, aufgefordert, bei Vermeidung von Weiterungen nunmehr ebenfalls bis spätestens den 14. nächsten Monats Zahlung an vorgenannter Cassenstelle zu leisten. Wilsdruff, am 24. Juli 1893. Der Stadtrath. Ficker, Brgmstr. Holzversteigerung. Im Richterschen Gasthefe zu Naundsrf sollen Donnerstag, Sen 3. August d. I., von Vormittag 9 Uhr au 5 harte Stämme und Klötzer, 1415 w. Stämme, 68 w. Klötzer, 170 w. Stangen-Klötzer, 1125 Stück ficht. Stangen, 111 Rm. w. Rutzknüppel, 942 Rm. w. Brennhölzer sowie 539 Rm. w. Stöcke vom Raundsrstr Revier versteigert werden. Speciellere Angaben enthalten die in Schankstätten und bei den Ortsbehörden der umliegenden Orte aushängenden Plakate. Königliche Forflrevierverwaltung Naundorf und Königliches Forstrentamt Tharandt, am 22. Juli 1893. Tagesgeschichte. Berlin. Die Berathungen des Bundcsrathes sind am Sonnabend bis zum Herbst vertagt worden. Noch nie haben die Ferien der Bevollmächtigten so spät ihren Anfang genommen, wie in diesem Jahre. Wie verlautet, tritt der BundeSrath Ende September wieder zusammen. Wie man hört, hat sich der Kaiser mit aller Entschieden heit dahin ausgesprochen, caß auf die großen Manöver, die ja auch ihm eine weitere Schulung in der höheren Truppenführung sind, zu verzichten ist, wenn nicht auf das Sicherste dargethan werden kann, daß die betr. Landstriche bei Abhaltung der Monö- ver in folgenschwerer Weise nicht leiden. Dahin sind auch seine Befehle ergangen, und alles Weitere werden die eingehendsten Untersuchungen ergeben. Die Zusammenkunft der einzelstaatlichen deutschen Finanz- mimfler hat den Gerüchten über die zu erwartenden Reichs - "l agen neue Nahrung gegeben. Einstweilen schweben in- U ^'5 angeblichen Prospekte, welche gegenwärtig in ver- Erörterungen unterzogen werden, noch völlig ^aüt w^ bisher weder Beschlüsse irgend welcher Art gesatzi worven, noch ,,t außer der Börsenbestcuerung von zu- "" B°rschlag zur öffentlichen Diskussion gestellt speziell die Tabakssteuer anbetrifft, so scheinen die betreffenden Gerüchte von den linksstehenden Parteien mit großem Fleiße ausgestrcut zu werden. Man muß doch für die bevor- stehenden Landtagswah en m Preußen ein Agitationsmittel haben. Da nun nach der bestimmten Erklärung des Reichskanzlers das Bier und der Branntwein nicht mehr bluten" sollen so muü „ach der Auffassung de^ naturgemäß der Tabak herhalten. Man warte aber ruhig den Verlauf der finanzi ellen Berathungen ab. Daß der Tabak noch mehr „bluten^ kann ist keine Frage, allerdings nicht der einheimischeTabak und der ein heimische Tabakbau, wohl aber die feineren und theueren Import- Cigarren, deren Besteuerung ebenso wie die des Champagners doch wohl zu den Luxussteuern zu rechnen ist und außerdem der einheimischen Produktion noch Nutzen bringen würde. Die angebliche Erklärung des preußischen Justizministers, betreffend die Anstellung jüdischer Richter, dürfte, wie man der Staatsbürqerztg." schreibt, auf nachstehenden Vorfall zurück- zuführcn sein, welchen ein jüdischer Assessor in einer Gesellschaft von Juristen mittheilte. Danach habe er, dessen Dienstolter ibn zur Anstellung bei einem Berliner Gerichte berechtigt haben würde, auf eine Bewerbung um eine der in Berlin zu besetzenden Nicklerstellen von dem Minister den Bescheid erhalten, er be rufe grundsätzlich nur Richter von außerhalb nack Berlin und stelle "bloß ausnahmsweise Assessoren dahin an. Auf die Frage des Assessors, ob er auf eine Versetzung nach Berlin rechnen könne, wenn er eine Anstellung in der Provinz annehme, sei ihm geantwortet worden: Er, der Minister könne eine dahin gehende Zusage nicht machen, und zwar deshalb nicht, weil er ja nicht wissen könne 1. ob der Landgerichts-, beziehungsweise Oberlandesgerichtspräsident ihn, den Bewerber zur Zeit auf Grund seiner Leistungen für diese Beförderung geeignet befür worten könne; 2. ob er, der Minister dann überhaupt noch im Amte sein und über den Antrag entscheiden werde; 3. ob die antisemitische Strömung nicht inzwischen so weit Einfluß er halten habe, um ihn selbst bezw. seinen Amtsnachfolger zu hindern, nach dieser Richtung hin eine freie Entschließung zu treffen. Daß bei den Sozialdemokraten die „Freiheit" nur „ein leerer Schall" ist, haben die Ereignisse der letzten Zeit genugsam bewiesen. Mit Recht bemerken dazu die Züricher „Zeitstimmen": Wer die Vorgänge der letzten Zeit, welche sich innerhalb der sozialdemokratischen Partei hier und in Deutsch land abgespielt haben, aufmerksam beobachtet hat, wird in der Auflehnung der Unabhängigen gegen ihre alten bewährten Führer wemger eine mächtig wirkende Verschiedenheit der Meinungen als ein trotziges Äufbäumen gegen einen ganz un glaublichen Despotismus erblicken. Die Parteileiter, gleichviel ob groß oder klein, unterdrücken jede, auch die leiseste Regung der Selbstständigkeit, das Parteiinteresse und das Parteidogma ist allein ihre Richtschnur. Die Beamten der Partei üben in ihren gut bezahlten Stellen einen maßlosen Terrorismus und nützen vermöge der straffen Parteidisziplin alle ihnen ver bundenen Arbeiter-Organisationen für ihre politischen Zwecke rücksichtslos aus. Nicht die Freiheit und Unabhängigkeit des Individuums herbeizuführen, ist das Ziel der Sozialdemokratie. Man spiegelt dem Arbeiter vor, das Kapital knechte ihn, die bürgerliche Gesellschaft halte ihn in Sklaverei. Die Social demokratie wird ein absoluteres Regiment führen als der Kaiser von Rußland; wenn der Arbeiter sich jetzt mit Ruthen ge züchtigt glaubt, so wird er im sozialdemokratischen Staate mit Skorpionen gepeinigt werden. Das ist sozialdemokratische Freih eit! Vielfach rühmen sich die Sozialdemokraten, daß bei den letzten Wahlen Handwerker und Kleinhändler für sozial demokratische Kandidaten gestimmt hätten. Es ist auch nicht daran zu zweifeln, daß es unter den erwähnten Berufen wirklich auch noch so unklare Leute giebt, die einen „Genossen" als den geeignetsten Volksvertreter ansehen. Solchen Leuten ist freilich, sofern sie bei ihrem Jrrthum verharren, ebensowenig zu helfen, wie denjenigen Handwerkern und Kleingewerbetreibende, die heute noch dem jämmerlich zerzausten Manchester-Liberalismus nach laufen. Die immer größeren Umfang annehmende Großmagazin- und Consumvereinswirthschaft ruinirt Kleinhandel und Handwerk, das ist unbestritten. Der Freisinn begünstigt gleichwohl diese Entwickelung und die Sozialdemokratie hilft ihm dabei. Der „Vorwärts" schreibt in Nr. 166 geradezu: „Es ist uns nicht eingefallen, die fortschreitende Entwickelung des Großbetriebs, auch im Waarenverkehr, und die allmähliche Vernichtung des Kleinbetriebts durch den Großbetrieb als bekämpfenswerth hinzu stellen. Es ist im Gegentheil zu wünschen, daß dieser Ent wicklungsprozeß sich möglich rasch vollende." Das sind recht zuverlässige Freunde der Kleinbetriebe, die deren möglichst schnellen Ruin wünschen, während es feststeht, daß der Nieder gang derselben durch rasche und energische Maßregeln gegen den fortschreitenden Aufsaugungsvrozeß verhindert werden kann. Petersburger Berichte bestätigen, daß voraussichtlich schon in nächster Zeit die Entscheidung darüber fallen wird, ob von russischer Seite die deutsche Einfuhr fortan dem neuen Maximaltarif unterworfen werden soll oder ob Rußland zunächst den deutschen Forderungen entsprechende Zollgegen leistungen gewährt. Die wesentlichste Schwierigkeit für eine beide Theile befriedigende Verständigung glauben wir vor allem darin zu erblicken, daß der russische Finanzminister es für nahezu selbstverständlich findet, daß Deutschland für die russische Getreideeinfuhr den Zoll auf 3 M. ermäßigt, während um gekehrt Deutschland in dieser Ermäßigung einen so großen Schritt des Entgegenkommens zu thun glaubt, daß es dafür von Rußland in anderen Zollsätzen eine vollwerthige Gegen leistung verlangt. Russischerseits will man nicht zugeben, daß die jetzt eingetretene Differenzialbehandlung deutscherseits eine nothwendige und unvermeidliche Folge des Ueberganges vom bisherigen selbstständigen Zolltarif zum Vertragstarif ist und daß diese Differentialbehanblung nur dadurch beseitigt werden kann, daß Rußland über einen ähnlichen, das heißt mit voll- werthigen Gegenleistungen ausgestatteten Vertragstarif sich mit Deutschland verständigt. Wer auch nur einigermaßen unsere jetzigen Fraktionsverhältnisse im neuen deutschen Reichstag über sieht, kann darüber nicht im mindesten im Zweifel sein, daß Graf Caprivi dort nicht eine Mehrheit für einen russisch deutschen Handelsvertrag erzielen wird, sofern er nicht sehr vollwerthige russische Zollermäßigungen und Gegenleistungen einzubringen hat. Soweit bisher über die russischen Aner bietungen zuverlässigere Nachrichten in die Oeffentlichkeit ge drungen sind, hat der russische Finanzminister sich nicht zu dem Anerbieten entschließen können, ausreichende Zollherabsetzungen für die deutsche Einfuhr nach Rußland eintreten zu lassen.