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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.10.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101011028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910101102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910101102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-11
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
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Bezugs-Preis na >m» «»»»«, d»rch »W» lrtg« »l> Kv«dl»e»r« >»«l »äiktch In« Han« ,«beacht: VH ch ««ua>., K.70 vierteljährl vel unfern YUlalra ». Tn» »»-»»eftellen «dqebalt! 71 ch »>»»,U„ ».»» ,Ie«-tt«»rl. D»rch btr V»O, innerhalb Lenychlund« in» der deaUche» Volon len »iertelfädrl. 8.1V ^ss, »onall ILS »»«Ichl. PoMxsleNaeld sterner >n Belgien, Dänemark, den Donanftaatr», Iialien, Lnremburg, Niederlande, xc»r- n>»aen, Oevrrrmih-Ungarn, Nnßland. Schmede», Schwel, ». Spanien. An »IIen übrigen Staate» onr dtrev durch die »«IchtstlKell« »«« vlatte« erhältlich. Da« Leipziger D^eblatt erfcheini 7 »al täglich, Sann- n Ket-rraa« mir »«»«ich. «ldeamuirnixTinabme. «»»»«»»platz 8, d« mäere» Drägern, Filialen, Spediteure» end Innahwevellrn. imnie Pavtmrrrn and Briel träger». It,,,l»,rr,n»«,r«l» der «argen» «nägab» >v ch, der Obendanägabe o Redaktion ,»» Gesch«ft»<ietz«, Jahannilgaile U. Sernlprecheri 140UL >4«». »4«ä. Abeud-Ausgabe. KiMcr Tagtblaü Handelszeitung. Ämtsblatt des Rates und des Rolizeianttes der LLadt Leipzig. Auzeiqrn» Preis Mr Scher»« an« Leivzi« »ad Uwg«»«, d» Ilgeipalten« SO mm breit» Petit^a, 2ü ch, di« 74 au» breit« bleva ine,eil« l »an »»«wärt« iil) ch, «ieLawe» i-L) I»1er»te van Be-ärde, iw «wttlche» DeS di» 74 «o» brrit» Vevtzetl« 40 »eichL>t«an,eigen mit V a»»«r1chr1str» n»d l» der Nbendantgad« im Prelle «rhäht. «abatl nach Lari». Beilagegebühr d ». Taulend exkl. Postgebühr. Fester» eil re Aulträg« können mcht zurück- »«zogen werden, fltr da» itrlchelne» an deuimmten lagen und Plätze» wir» kein» iöaranti« üdernanuoe». Anzeigen-Annahme i Angnstnapl^ bet lämtliche» Filiale» ». »Ile» Annonce»- itppeditionen de« In- und Antlande«. Hanvr-Filiale Berlin i Tsrl »unlter. Herwgi. o-pr. Hchtz»»^ Handlung, Lützonostrah« KL lLelephon Vl, ätr. 4dllö). Hailpt<8Utal« vrräde« Seeltrahe 4, l (Lelephan 4SU»Zz Nr. 28». DIenswg, ücn ll. Gümder ISIS. »04. Jahrgang. Sie Mhtt ües „p. VI" von Plauen nutz Litterielü. Das „Parseval"-Lustschiff VI ist heule morgen in Plauen ausgestiegen und 12 Uhr 25 Min. in Bitterfeld gelandet. Die Lustreise bedeutet für den Ballon einen grotzen Erfolg. Der Führer Ober leutnant Stelling hat zwar mit dem Wetter Glück gehabt, aber es ist eben sein Verdienst, auf das Glück gewartet und an sein Luftschiff nicht zu hoch ge spannte Erwartungen gestellt zu haben. Die Auf gaben, die man nach dem jetzigen Stande der Flug- luftschifflurt an einen Lenkballon stellen mutz, hat „P. VI" glänzend erfüllt. Besonders interessant ist es, mit welcher grotzen Geschwindigkeit der Lenkballon geflogen ist. Die Entfernung Plauen—Bitterfeld be trägt in der Luftlinie etwa 120 Kilometer, also hat „P. VI", allerdings unterstützt von günstigen Winden, bei der Hahrzeit von 2 Stunden 45 Minuten eine Durchschmttsgeschwindigkeit von etwa 44 Kilometer in der Stunde gehabt. Die einzelnen Berichte über die Fahrt lauten: „p. VI." in plsuen. Plauen i. B., 10. Oktober. „Parseval VI" traf hier viel früher als erwartet ein. Da seine An kunst in Plauen aber erst für 5 Uhr in Aussicht gestellt war, waren auf dem Ankerplätze noch keinerlei Vor bereitungen getroffen, auch noch kein Militär zur Stelle. Während der Lenkballon über der Stadt kreuzte, rückten aber die Absperrungs- und Hilfsmann schaften aus der Kaserne im Laufschritt an, gerade noch rechtzeitig, um den gelben, dickköpfigen Kolotz in Empfang zu nehmen. Er hatte, wie man später er fuhr, erst geraume Zeit nach dem Landungsplätze suchen müssen, da seinen Insassen dessen Lage nicht genau bekannt war. 145 Uhr traf der Ballon aus dem Ankerplätze, dem grotzen Exerzierplätze unserer Garnison bei Kobitzschwalde, 6 Kilometer westlich der Stadt, ein, umkreiste den Platz dreimal in Spiralen und senkte sich dabei tiefer und tiefer herab. Dann wurde das Schleppseil ausgeworfen, und bald war der Kolotz gefesselt. Begrüßt wurden seine Insassen von Vertretern der städtischen Kollegien mit Ober bürgermeister Dr. Schmid an der Spitze, dem Re gimentskommandeur Graf Vitzthum v. Eckstädt und dem Vorsitzenden des Vogtländischen Vereins für Luftschiffahrt. Fabrikant Sieler. Nutzer den beiden Führern Oberleutnant Stelling und Regierungs baumeister Hack st etter hatten noch drei Mon teure an der Fahrt teilgenommen, die nach Aussage der Luftschiffer herrliche Eindrücke gewährte. Sie führte durchschnittlich in etwa 700 Meter Höhe über dem Meere, also in 200 Meter über dem Erdboden. Der Weg war diesmal etwas anders gewählt worden als bei der Fahrt nach dem Süden: er führte zuletzt in Bayern an der Bahnlinie entlang. In den Abend stunden statteten Tausende von Menschen dem ver ankerten, von Militär abgesperrten Lenkballon einen Besuch ab. Beleuchtet wurde der Platz durch eine Trockenbatterie in der Gondel, die elektrisches Licht lieferte. Während der Nacht trafen aus Bitterfeld 100 Flaschen Wasserstoffaas zur Nachstillung ein, die in den ersten Moraenstunden vorgenommen wurde. Die Fahrt von München nach Plauen ist bei schönstem Wetter in Stunden zurückgelegt worden. Plauen, 11. Oktober. „P. VI" ist 9 Uhr 40 Min. auf dem Landungsplatz aufgc st regen und hat !>1l0 Uhr in glatter, sicherer Fahrt die Stadt in nördlicher Richtung über flogen. Das Wetter ist günstig, nur etwas neblig. In Bitterfeld ist eine Landung vorgesehen. Altenburg, 11. Oktober. „P. VI" passierte 10 Uhr 50 Min. unsere Stadt. „p. VI." über Leipzig. Aus dem Rathausturm. Umfassend war der Ausblick vom Ratbausturm heute nicht. Ringsum nichts als Nebel — Nebel und wieder Nebel, man konnte kaum bis an das Reichs gericht sehen. Trotz des guten Glases war der Nebel nicht zu durchdringen und man mutzte fast daran zweifeln, überhaupt etwas vom „P. VI" sehen zu können. Die Sonne machte die verzweifeltsten An strengungen, den Nebel zu durchdringen, aber es wollte und wollte ihr nicht gelingen. Da, es war kurz vor 1412 Uhr, durchbrach sie das Nebelmeer. In dem Moment schlug es vom Rathausturme 1^12 Uhr, und wie aus der Pistole geschossen stand auf einmal der Ballon in etwa 50 Meter Entfernung vor dem Rathause, mit dem Kurs direkt auf dieses zu. Es war ein prächtiger Anblick und man konnte mit dem Glase sogar die Personen in de« Gondel unterscheiden. Der Ballon schwenkte darauf in Höhe des Königs platzes nach dem Augustusplatz zu und machte dann eine scharfe Schwenkung nach Norden zu, direkt die Richtung nach Berlin nehmend. Etwa 10 Minuten lang konnte man den Ballon noch beobachten, dann tauchte er im Nebel unter und verschwand den Blicken. Aus dem Augustusplatz. lieber die Fahrt des Luftschiffes von Plauen nach Leipzig wurden wir durch fortlaufende Depeschen unserer Korrespondenten so gut unterrichtet, datz wir über die Stunde der Ankunft des „P. VI" in Leipzig nicht im Zweifel waren. Einer unserer Mitarbeiter begab sich also kurz nach 11 Uhr nach dem Turm des Rathauses, um von dort aus den Flug des Luft schiffes über Leipzig zu beobachten. In der Redak tion selbst kam inzwischen das Telephon nicht zur Ruhe. Von allen Seiten liefen Anfragen ein: „Wo befindet sich Parseval?" Und während der stereotypischen Antwort: „Er mutz jeden Augen blick über Leipzig erscheinen", tönt vom Hofe herauf das kraftvolle Organ des Hausmannes: „Parseval!" Und was sonst wohl selten möglich ist, „Parseval" bringt es fertig: der Redaktionsbetrieb stockt für einige Minuten. " über Lev Gebäuden de» Tageblattes fährt „P. VI." in stolzer Fahrt dahin. Alles stürzt ohne Hut und im Bureaujackett — Chef redakteur, Politik und wie die Ressorts heißen — auf den Hof, auf die Straße, nach dem Augustusplatz. Hunderte von Menschen waren hier schon versammelt, lebhaft gestikulierend und die Blicke nach dem Neuen Theater richtend, über dem „P. schwebte. Immer neue Menschenmengen eilten herbei, aus den Ge schäften und Läden, alle vergessend, daß sie bei anderer Gelegenheit nicht gerne ohne Hut auf dem Augustus- platz stehen. In ruhigem, sicherem Fluge, fast greifbar nahe, überstiegt der Ballon den Augustusplatz. Dte Sonne beleuchtet den gelben Ballonkörper, und aus der glänzenden Aluminiumgondel grüßen die In sassen herab zu den dichten Menschenmengen, die dem Lenkballon bewundernde Blicke nachsenden. Bald ist ..Parseval" im Nebel verschwunden. — Zurück zur Arbeit! mit dem Gefühle, wieder einmal eine staunenswerte Errungenschaft menschlichen Geistes beobachtet zu haben. Die Landung in Bitterfeld. Bitterfeld, 11. Oktober. Das Luftschiff ist nach einer Schleifenfahrt über der Stadt 12 Uhr 25 Min. vor der Ballonhalle glatt ge tan de t. Die Wcitersahrt hängt von der Fertigstellung der Berliner Ballon- Hal le ab. Gssenbahnerssreik in Frankreich Die Arbeiter der französischen Nordbahn haben wieder einmal eine umfangreiche Streikbewegung in szeniert. Es steht zu befürchten, datz der ganze Bahn verkehr mit Deutschland und England Unter brechungen erleidet, und datz der Streik auch aus andere Bahnlinien übcrgreift. Die öffentliche Mei nung von Paris nimmt bereits energisch gegen die Streikenden Partei. Alle Pariser Blätter erörtern eingehend, zumeist recht abfällig, den Nordbahnstreik. Der „Figaro" meint, ein Eiscnbahnerausstand würde im Lande solche Unordnung und solchen Schaden ver ursachen und so viel öffentliche und private Interessen in Mitleidenschaft ziehen, datz die gesamte öffentliche Meinung sich in unwiderstehlicher Weise gegen die Streikenden wenden werde. Die Eisenbahner mögen sich in acht nehmen: sie spielen ein gefährliches Spiel. Paris, 11. Oktober. Das nationale Syndikat der Eisenbahner hielt gestern abend in später Stunde in der Arbcitsbörse eine Versammlung ab, worin der Generalstreik ans der Nordbahn beschlossen wurde. Gegen Mitternacht zogen etwa 2000 Aus ständige nach dem Nordbahnhof, um die noch Arbeitswilligen zur Niederlegung der Arbeit zu ver anlassen. Um tt>2 Uhr nachts wurde berichtet, datz die Regierung alle erforderlichen Matznahmen getroffen > habe. Der Nordbahnhof ist von Militär besetzt. Auch die Garnison von Lille erhielt Befehl, sämtliche Truppen zusammenzuziehen, um die gesamte Bahnlinie zu überwachen. Die Streikenden haben bereits eine Anzahl Gewalttätigkeiten be gangen. In Lens streiken die Eisenbahner teil weise. Heute früh soll der Ausstand auf der ganzen Nordbahn seinen Anfang nehmen. Der Polizeipräfekt hat persönlich den Sicherheitsdienst übernommen. Die Denkmäler und sonstige öffentliche Kunstgegenstände werden ebenfalls von Militär bewacht. Lebhafte Unr uhr macht llch 'uch bei den Angestellten der westlichen Dahngesellschaften bemerkbar. Das Personal hielt abends ebenfalls ein Meeting ab, in dem für den Streik Stimmung gemacht wurde. Man befürchtet, datz der Ausstand auf der Nordbahn einen allgemeinen Ausstand auf sämtlichen Bahnen zur Folge haben wird. Paris, 11. Oktober. (Tel.) Die Blätter ver breiten durch Extrablätter die Nachricht, daß der Streik der Angestellten der Nordbahn einen derartigen Umfang angenommen habe, daß der Pariser Nordbahnhos geschlossen werden mußte und Tisenbahnzüge nicht abgehen. Als um 4 Uhr 24 Min. heute der erste Zug abgehen sollte, wurde den Reisenden erklärt, daß man aus dem Ma schinendepot die Nachricht erhalten habe, daß keine Lokomotive da» Depot verlassen würde. Der Zug konnte infolgedessen nicht abgelassen werden und wahrscheinlich auch der nächste nicht. Um 5 Uhr morgens wurde darauf der Bahnhof geschlossen. Der Postdienst mit England und Deutsch land wird durch Automobile ausrechterhalten. Sie Frsu im Spiegel. Bon G. W. A p p l e t o n. lAutorisierie Uebersetzung.) Dreiundzwanzig st es Kapitel. Nicht nur in Gestalt und Gesichtszügen, sondern selbst in der Kleidung glich mir der Mensch wie ein Ei dem anderen. Sein Hut, seine Krawatte, selbst der Stoff seines Anzugs bis zu den Knöpfen schienen eine Kopie der meinigen zu sein. Za sogar seine Schube hatten dieselbe braune Nuance, wie die meinigen. Nichts hätte erstaunlicher sein können, wenigstens für mich, denn er trug deutlich eine große Verlegenheit zur Schau, als er an mir voriibereilte und durch die Tür des Vestibüls verschwand. Tausend gegen eins zu wetten, dachte ich, ist das der Mann, der die gestohlenen Papiere präsentiert und das Geld dafür in Empfang genommen hat. Er hat sich genau nach mir gekleidet, um mir zu gleichen. Kein Wunder, datz der Kassierer in Parrs mich als den Schuldigen bezeichnet hat. Jetzt allmählich begann ich die Fäden des Kom plottes zu entwirren. Im Falle des Mißlingens wäre diese Aehnlichkeit benützt worden, um die Schuld auf mich zu schieben, und ich verdankte es nur einem günstigen Zufall, datz ich bis jetzt noch heil und unversehrt aus der Affäre hervorgegangen war. Jetzt hegte ich nicht den geringsten Zweifel mehr, datz ich in eine gigantische Verschwörung ver wickelt war, die von einem genialen Geiste aus geheckt worden war und deren Verlauf zu meinem Ruin führen konnte. Bis jetzt hatte ich indes Glück gehabt. Es war ein auf- und anregendes Spiel, und ich wollte meinem guten Sterne vertrauen und die Sache durch fechten, wie st« sich auch gestalten mochte. So war ich, in Gedanken versunken, bis zum Diccadill-Zirkus hinuntergeschlendert, als mir eine Inhaltstasel der Abendzeitungen in die Augen fiel. Ich la» «. a. darauf die Worte: „Pariser Iuwelendiebstahl. Tine neue Ver haftung." Ich kaufte mir sofort eine Zeitung und fand darin di« Nachricht, daß ein Amerikaner, der Goddington zu heißen vorgab, «in Gast de« Hotels Tontinental, von einem Zimmermädchen beobachtet worden war, wie er um die Zeit, wo der Iuwelendiebstabl statt- sand, au» dem Schlafzimmer der Großfürstin Alexina herausgekommen war. Er gab die Erklärung ab, datz er den Gang mit dem darüberliegenden ver wechselt habe, wo er sein Zimmer hatte, und be teuerte bei seiner Verhaftung energisch seine Un schuld. Diese Nachricht brachte mir keine Aufklärung. Daher steckte ich die Zeitung in die Tasche und schlenderte zum Strande. Hier fiel mir wieder Richards Auftrag und Geschenk ein, und ich beschloß, da ich ohnehin in der Stadt nichts mehr zu tun hatte, wieder nach St. Johns Wood zurückzukehren. Als ich das Haus betrat, begegnete ich keiner Seele. Es machte einen unnatürlich ruhigen Ein druck aus mich. Ich begab mich auf mein Zimmer und klingelte. Nach wenigen Minuten erschien Maile mit strahlendem Gesichte. „Schon so frühzeitig zurück, Herr Lart?" sagte sie, „ich dachte, Sie würden heute abend ins Theater oder in eine Musikhalle gehen." „Das ist schon noch möglich, Marie", erwiderte ich. „Ist Herr Goliby zu Hause?" „Ich weitz nicht, wo er ist. Ich habe ihn seit heute morgen nicht mehr gesehen." „Und Sawkins? Ich bin ihm drunten nicht be gegnet." „O der! Der hat heute Ausgang, und die Köchin auch, und der Diener. Ein sauberer Kerl ist er, nie bat er sich mit uns unterhalten, und wozu er eigent lich da ist, weiß ich auch nicht. Den ganzen Tag sitzt er da und dreht die Daumen und ißt sich voll, als sei er am Verhungern. Solch ein Haus hab ich mein Lebtag nicht gesehen, nie ein Besuch, keine Seele zum Essen, seit ich im Dienste bin." „Es ist allerdings etwas still hier. So sind Sie heute allein im Hause, Marie?" „Jawohl, Herr Lart. außer Jenkins, dem Haus meister, und der ist beduselt. Er ist fast immer be- duselt. Wie er sagt, hat er sonst nichts zu tun. Als ich heraufkam, hörte ich ihn in seinem Zimmer schnarchen, als wolle er Tot« erwecken." Ein Seufzer der Erleichterung entrang sich meiner Brust. „Somit haben wir, wie es scheint, das ganz« Haus zu unserer Verfügung", bemerkte ich, „nicht Marie?" Sie lachte. „Ja, Herr Lart", erwiderte st«, „das ganze Haus." Dieser Gedanke brachte sie so wenig in Derle^en- heit, datz ich etwas nervös wurde. Marie w«, wie ich schon erwähnt«, ein sehr nette» und anziehendes Wesen, und in unserem Tete-a-tete lag ein gefähr liches Element, besonders im Hinblick auf die Ver- vflichtungen, dre ily auf mich geladen hatte, Richards Anordnungen auszuführen. Ich nahm indes einen Anlauf. „Marie", sagte ich, „Sie sind sehr lieb mit mir ge wesen." „Ich!" erwiderte sie erstaunt. „Wie meinen Sie das?" „Wie ich das meine? Nun, Sie haben mir immer so gutes Frühstück heraufgebracht und waren immer so gefällig und nett und zuvorkommend." Ich machte eine kleine Pause und schaute sie an. Sie war beinahe starr vor Verwunderung. „Daher", fuhr ich fort und griff mit der Hand in die Tasä-e, um Richards Geichent herauszuholen, „dachte ich mir, datz ich Ihnen ein kleines Zeichen meiner Wertschätzung schenken sollte." Ich faltete das Seidenpapier auseinander und stellte das goldene Verführungsmittel zur Schau. Dann sagte ich, mich räuspernd: „Wenn Sie — hm — dieses kleine Schmuckstück von mir annehmen wollten, so — hm — würde es mich — hm — sehr freuen, Marie." Nunmehr war ihre Verblüffung auf dem Höhe punkt angelangt, als ich meinen Spruch glücklich herausgebracht hatte. Ihre Gesichtsfarbe wechselte in rascher Folge, den Mund hatte sie vor Staunen zu schlietzen vergessen, ihre Augen waren unverwandt auf das glänzende Schmuckstück geheftet. „Oh, Herr Lart", stammelte sie, aber sie kam nicht weiter. „Darf ich es an Ihrem Arme befestigen, Marie?" fragte ich, um der peinlichen Pause ein Ende zu machen. ,?OH, Herr Lart", wiederholte sie, indem sie mir den Arm prompt hinhielt. Ein leiser Seufzer des Entzückens kam über ihre Lippen, als sie die Feder zuspringen hörte und ihr Eigentum strahlend be trachtete. Dann, bevor ich mir recht klar über den Vorfall wurde, ereignete fich etwas, das mich nicht wenig in Verlegenheit setzt«. Eie sprang mir mit einem Male um den Hals, näherte ihre blühenden Lippen blitz schnell meiner Wange, und ein schallender Kutz saß darauf. ,^)h, Herr Lart", sagte sie noch verwirrter al» zuvor, „wie sind Sie nur dazu gekommen, mir so was Schönes zu kaufen? Oh. ist das reizend!" Ich wußte wohl, datz die Sache sich so entwickelt Ilm 5 Uhr verließ bereits eine Anzahl Automobil« das Hauptpostamt in der Richtung nach Ealai» »ad nm 7 Uhr folgte eine zweite Etappe nach der belgische« Grenze. Neue Unruhen in Lissabon. Die Verfolgungen der Mönche und Kleriker nehmen in Lissabon ihren blutigen Fortgang. Neuere Meldungen besagen darüber: Lissabon, 11. Oktober. (Tel.) Das Amtsblatt der neuen Regierung veröffentlicht heute den auf den alten portugiesischen Gesetzen beruhenden Erlaß über die Austreibung der Mitglieder derGescllschaftIesu und aller Mitglieder der religiösen Kongregationen fremder Nationalität. Die portugiesischen Mitglieder der Orden werden zu ihren Familien zurückkehren, die übrigen Portugal verlassen. London, 11. Oktober. »Tel.) Die provisorische Regierung in Lissabon veröffentlicht eine Prokla mation mit der Drohung, das Kloster Quelhas innerhalb 24 Stunden zu beschießen, falls die Insassen sich nicht sämtlich ergeben. L i s s a b o n , 11. Oktober. (Tel.) Di« Negierung beabsichtigt, sämtliche unterirdischen Gänge in Lissabon zu blockieren und die Jesuiten auf diese Weise gefangen zu nehmen. Der Dik tator Franco soll in einem Automobil nach Spanien entkommen sein, um so der Verhaftung zu entgehen. Paris, 11. Oktober. (Tel.) Aus London kommt die Meldung nach Paris, ein englisches Kriegsschiff habe über Lissabon gestern abend eine große Rauchwolke wahrgenommen. Man glaubt, daß entweder Klösterund KircheninBrandge- steckt worden oder daß neuerdings Straßen kämpfe stattgefunden haben und dabei Häuser in Brand geraten sind. Von republikanischer Seite werden dagegen fort gesetzt Nachrichten in die Öffentlichkeit lanciert, die von der Wiederherstellung der Ordnung reden. Lissabon, 11, Oktober. (Tel.) Ganz Portugal hat gestern in begeisterten Demonstrationen die Gründung der Republik gefeiert. Es herrscht nunmehr vollkommene Ruhe. Der Handels verkehr wickelt sich in normalen Grenzen ab. Drei portugiesische Kreuzer, die auf dem Tajo ankern, stehen unter Bewachung: es ist verboten, sich ihnen zu nähern. Man hat beschlossen, ein Denk mal für dre Opfer der Revolution zu er richten. Die Leichenfeierlichkeiten für den Admiral Reis und den Abgeordneten Bombarda sind für den 16. Oktober festgesetzt worden. Lissabon, 11. Oktober. (Tel.) Allen anders lautenden Gerüchten zum Trotz mutz immer wieder betont werden, daß die Ruhe und Ordnung in der Stadt vollständig wiederhergestellt worden sind. Es wird sich ja bald zeigen, auf welcher Seite die Wahrheit zu suchen ist. PMtssche Nachrichten. Herr Kunze. Die „Chemn. N. Nachr." veröffentlichen einen längeren Aufsatz, der sich mit der Person des General sekretärs des Konservativen Landesocreins in hatte, wie Richard es im Sinne gehabt, ich müßte auch lügen, wenn ich ableugnen wollte, datz mir die Situation keineswegs unangenehm vorkam, aber ich hatte das Gefühl, daß ich einer weiteren Entwicke lung vorbeugen mutzte, und daher sagte ich, in dem kühlsten Tone, der mir unter diesen Umständen zur Verfügung stand: „Schon recht, Marie, schon recht, Sie brauchen mir nicht zu danken. Ich wollte Ihnen nur als Ihr Freund ein kleines Andenken bringen. Es hat — hm — wirklich weiter nichts zu bedeuten, Marie, verstehen Sie?" Sie starrte einen Augenblick mich etwas verblüfft an, als habe sie den Sinn meiner Rede nicht ganz verstanden. „Ach so", sagte sie schließlich und wurde puterrot dabei, „wie wenn Sie nicht ein Herr wären, und ich es nicht wüßte! Ich habe es nicht so gemeint, und mutz Sie vielmals um Verzeihung bitten, daß ich so frech war!" Sie sagte das in einer so niedlichen und kindlich unschuldigen Weise, datz ich in die grüßte Versuchung geriet, sie meinerseits abzuküssen. Es kostete mich keine geringe Ueberwindung, dieser Derfuchung zu widerstehen, aber es gelang mir noch rechtzeitig, mich zu beherrschen, und so sagte ich lachend: „Unsinn, Marie. Ich meinte nur, Sie sollen wegen der Kleinigkeit nicht so viele Worte machen!" „Das nennen Sie eine Kleinigkeit?" versetzte sie und hielt ihren runden Arm stolz in die Höhe. Ent zückt betrachtete sie das Armband und fuhr fort: „Das ist schuld daran. Herr Lart. Ich habe mich darüber ganz vergessen, entschuldigen Sie nochmals!" „Schon recht, Marie. Und nun, sind Sie ganz sicher, datz Sie in diesem Zimmer eine Dame gesehen haben?" „So sicher, als ich hier stehe", erwidert« sie in über zeugtem Tone, „oder war es ein Geist, trotzdem Mutter mir immer gesagt hat, datz es keine Geister gibt, denn als ich hereinkam, schien sie — ich glaube, ich habe e» Ihnen schon gesagt — geradenwegs durch die Wand hindurch verschwunden zu sein." „Können Sie mir sagen, wie sie ausgesehen hat?" fragte ich. „Nun, Herr Lart, sie war sehr hübsch, mit Augen und Haaren so schwarz, wie dte Nacht. Ich würde sie sofort wiedererkennen." „So? Das ist immerhin etwas. Und nun, Marie, da wir so gut wie allein im Hause sind, wür-
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