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Zweites Blatt. Wochenblatt siir Msbruff TharM DD, Siebenlehn «ab bk UMMden. für die Ugl. Amtshauptmannschaft Meißen^ für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne t Nummern 10 Pf. Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. No. 26. Freitag, den 31. März 18N3. Ofterbitten. (Luc. 24, 29.) Bleibe bei uns, es will Abend werden Und der Tag hat dunkel sich geneigt, Jesu, Licht und Leben uns auf Erden, Der uns Lieb' um Liebe hat erzeigt! Bleibe bei uns! Ach, Herr, irrend gehen Deine Kinder, wenn sie dich nicht sehen! Drum mit heißem Flehn und stillem Weinen Rufen wir: „Ach bleibe bei den Deinen!" Bleibe bei uns! Wie im nächt'gen Grauen Auf den Vater baut ein angstvoll Kind, Also unsre Blicke voll Vertrauen Gläubig nur auf dich gerichtet sind. Und ob wir schon gehn im finstern Thale, Selig brennt von deines Wortes Strahle Unser Herz, es bebt vor keinem Wehe, Denn es fühlt beselgend deine Nähe. Bleibe bei uns! Ach, du kennst die Stunden, Wo das Herz in Angst und Sorge ringt, Wo es, blutend aus manch' tiefen Wunden, Ohne Trost und Kraft zusammensinkt, Wo es mutvoll ringt nach schönen Siegen Und doch todesmüde muß erliegen: Ach, da ruft's zu dir mit stillem Weinen: „Bleibe bei uns! Ach, bleib' bei den Deinen!" Bleibe bei uns, wenn's will Abend werden, Für die Teuren, die du uns verliehn, Die du eng verbunden uns auf Erden, Die all' unser Sehnen nach sich zieh'n. Wenn wir liebe Augen brechen sehen Und am Grabe theurer Todten stehen, Wenn's so einsam wird dem armen Herzen: „Bleibe bei uns, du, Trost aller Schmerzen!" Bleibe bei uns, wenn auch uns sich neiget Unser Tag! — Ach, wann? — weißt du allein! Daß im Todesdunkel sich uns zeiget Hell und herrlich deiner Gnade Schein! Wenn die Lipp' erstarrt, das Herz muß brechen, Dann laß unser Seufzen zu dir sprechen, Unsre Angst und unser letztes Weinen: „Bleibe bei uns! Ach, bleib bei' den Deinen!" Verband -er landwirthschaftlichen Genossen schaften im Königreiche Sachsen. Der Verband der landwirthschaftlichen Genossenschaften im Königreiche Sachsen, welcher im Monat Mai des Jahres 1891 gegründet worden ist und dem anfänglich nur 12 Ge nossenschaften angehörten, hat in der Zwischenzeit wesentlich an Ausdehnung gewonnen. Es gehören demselben bereits 30 Ge nossenschaften an, darunter 14 Darlehnskassenvereine, 2 Cre dit- und Consumvereine, 7 Consumvereine und 7 Molkereige nossenschaften, und der Beitritt weiterer Genossenschaften steht in» naher Aussicht. Der Verband erfreut sich der besonderen Fürsorge der landwirthschaftlichen Creditvereine im Königreich Sachsen zu Dresden und der Landständischcn Bank des königl. sächsischen Markgrafthums Oberlausitz in Bautzen und kann schon jetzt auf eine erfolgreiche Thätigkeit zurückblicken. In , Zeit ,st der Verband mit der Lebensversicherungs- Gesellschaft in Leipzig in ein Vertragsverhältniß getreten behufs Verallgemeinerung der Lebensversicherung unter den Landwirthen. dem verbände angehörenden Genossenschaften werden durch diesen Vertrag zu Nutzen und Frommen ihrer Mitglieder für »den Abschluß von Lebensversicherungen wesentlich- Vortheile gewährt und es ist zu hoffen, daß dieselben dazu beitragen werden, die Landwirthe zu veranlassen, der Lebensversicherung binfort eine größere Aufmerksamkeit zu schenken, als dies bis jetzt der Fall war. Gerade für den Landwirth eignet sich die Lebensversicherung zur Förderung seiner Vermögensverhältnisse und feines Crödilö wie kaum eine zweite volkswirthschaftliche Einrichtung. Insbesondere ist der Abschluß einer sogenannten abgekürzten Lebensversicherung auf das wärmste zu empfehlen, bei der das versicherte Kapital nach Ablauf einer bestimmten Anzahl von Jahren, bei früher erfolgendem Tode des Ver sicherten sofort nach dem Ableben fällig wird. Hierdurch sichert sich der Versicherte ein Kapital einmal für seine Familie im Falle seines Ablebens, das andere mal für sich selbst bei dem Eintritt eines vorher bestimmten Lebensalters. Hieraus geht hervor, daß diese Versicherungsart geeignet ist, dem Landwirthe namentlich bcbilflich zu sein 1.. für die Aussteuer seiner Töckter zu sorgen, wenn er die Versicherung in jüngeren Jahren auf nimmt, wo die Prämien noch niedrig sind, so daß es möglich ist, die Versicherungssumme zu erhöhen und die Fälligkeit des Kapitals auf ein möglichst frühes Lebensjahr zu setzen, 2., sich für das Alter eine bestimmte Rente zu sichern, so daß die Ausbedingung eines oft zu unerträglichen Verhältnissen führenden Auszugs vermieden wird, 3., sich ein Werthobjekt zu schaffen, um sich damit gegebenen Falles aus einer unverschuldeten miß lichen Lage zu helfen. Die Lebensversicherungspolicen können als Unterpfand für ein Darlehn dienen und werden zu diesem § Zwecke von allen Darlehns- und Sparkassenvereinen ange- f nommen, bei welchen sie die Stelle von Bürgschaften zu ver- ! treten geeignet sind, endlich 4., die Möglichkeit zu schaffen, das Besttzthum nach dem Tode ungelheilt in eine Hand übergehen zu lassen und so das Gut der Familie zu erhalten. Hat bei spielsweise ein Landwirth mit 3 Kindern ein Gut im Werthe von 60 000 M., und versichert er sein Leben mit 20 000 M., so sind bei seinem Ableben für den Sohn nur 20 000 M. nöthig, um die Geschwister abzufinden, die leicht durch ein Darlehen bei dem Landwirthschaftlichen Creditverein in Dresden oder bei der Landständischen Bank in Bautzen zu erlangen sind. — Das Interesse au dem Genossenschaftswesen bricht sich in immer weiteren Kreisen Bahn und in den verschiedensten Theilen unseres Königreiches Sachsen treten Männer zusammen, um Genossenschaften zu gründen. In dieser Beziehung ist durch den Direktor des Verbandes, Herrn Oekonomierath v. Langsdorfs, und durch den Geschäftsführer Herrn Direktor Bach vom Land wirthschaftlichen Creditverein jedwede gewünschte Auskunft zu erlangen. Der Verband ist ein Glied des Allgemeinen deutschen Verbandes, der unter der Leitung des Herrn Kreisraths Haas in Offenbach steht, im Gegensatz zu dem Raiffeisenschen Ver band in Neuwied. Letzterer schickt neuerdings Sendboten im Lande umher, um neue Mitglieder anzuwerben. Hier in Sachsen hat Niemand Veranlassung, diesen Lockungen Folge zu leisten, denn der Verband der landwirthschaftlichen Genossenschaften leistet dasselbe wie Neuwied und hat nur noch den Vorzug, daß er eine vaterländische Einrichtung ist. (Sächs. Landw. Zeitschr.) Der letzte Odenstein. Originalroman von Henrik Westerström. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Ich stehe im Begriff, zu verreisen", begann der Frei herr sofort, „der Wagen, welcher mich zum Bahnhof bringen soll, hält vor der Thür. Bitte also, Herr Gerichtsrath um die größtmöglichste Kürze und Eile. Was wünschen Sie von mir?" „Nur einige Antworten auf kurze Fragen, Herr Baron," versetzte der Gerichtsrath artig. „Sie werden jedenfalls von dem Doppelmord in dem Kittschen Keller vernommen haben?" Gräfenreuth zuckte unmerklich zusammen, in seinen Augen flackerte es unruhig aus. Ob der Richter es wahrgenommen hatte? „Ja," erwiderte er dann gleichgültig, „ich hörte davon. Man hat den Mörder wohl schon entdeckt?" „Wenigstens einen Mann auf diesen Verdacht hin ver haftet. Natürlich leugnet er, und man kann sich ja auch ge irrt haben. — Es ist in Erfahrung gebracht worden, Herr Baron, daß der kleine Kitt am letzten Tage vor seiner Er mordung bei Ihnen gewesen ist. Diese Frage hatte keinen anderen Zweck, als eine genaue Feststellung aller Besuche, die der Unglückliche während jenes Tages gemacht oder empfangen hat, da oft die geringfügigste Spur zur Entdeckung wichtiger Thatsachen führt." „Allerdings war der Knirps bei mir im Hotel", erwiderte der Freiherr, welcher sich vollständig beruhigt zu haben schien. „Er wollte mir einige werthvolle Antiken verkaufen, und lud mich ein, nach seinem Keller zu kommen, wozu ich durchaus keine Lust zeigte, zumal ich heute eine größere Reise antreten wollte. Habe früher hin und wieder von ihm gekauft, doch seinen Keller niemals betreten." „Also weiter wollte er Nichts von Ihnen, Herr Baron?" fragte der Gerichtsrath." „Nichts weiter, Sie erlauben wohl, daß ich mich jetzt ent ferne, um meine Fahrt nach dem Bahnhofe sortzusetzen. Ich werde sonst den Zug versäumen." „Sic kommen früh genug, haben noch über eine Viertel stunde Zeit, Herr Baron!" bemerkte der Gerichtsrath, einen Blick auf seine Uhr werfend. „Es sind noch einige wichtige Fragen zu erledigen. — Hat der kleine Kitt Ihnen keine Mittheilungen über ein aufgefundenes Testament gemacht?" Diese Frage kam dem Freiherrn sichtlich überraschend. Schrecken malte sich auf seinem Gesicht, und in den Augen flackerte es noch unruhiger und ängstlicher als vorher. Doch schwanden diese --eichen täber Ueberrasckuna ebenso bliksckmll ' wie sie gekommen waren, und kopfschüttelnd, mit ungeduldigem Achselzucken verneinte er die Frage. „Was sollte denn das für ein Testament gewesen sein?" setzte er hochfahrend hinzu. „Das Odensteinsche", erwiderte der Gerichtsrath lang sam und fest. „Ach, was Sie sagen," rief Gräfenreuth, nervös lachend. „Die Geschichte scheint sich ja ganz romantisch zuzuspitzen. Ein Testament meines seligen Schwagers sollte sich gefunden haben? — Darf ich vielleicht von demselben Einsicht nehmen?" „Vielleicht später, Herr Baron!" sagte Helbig ihn ruhig anblickend. „Und wer hat Ihnen das Märchen aufgebunden?" fuhr der Freiherr hastig fort, „jedenfalls steckt eine kolossale Spitz büberei dahinter. Bitte, nennen Sie mir den Namen des Schwindlers, vielleicht gar der Knirps, der Kitt, mit dem Sie diese absurde Geschichte, wie es scheint, in Verbindung bringen wollen?" „Der kleine Kitt konnte, als man ihn auffand, noch einige wichtige Aussagen machen," versetzte der Gerichtsrath mit Nach druck, wobei sein scharfer Blick den Freiherrn zu magnetisiren schien, da dieser ihn mit dem Ausdruck starren Entsetzens regungslos anblickte. „Dann hat der Schuft gelogen, oder das Testament ge fälscht", rang es sich endlich heiser von seinen Lippen los. — „Das wird sich jedenfalls durch Sachverständige feststellen lassen, Herr Baron!" sagte der Gerichtsrath, noch immer den Blick auf ihn heftend. „Sie haben eine längere Reise vor?" fragte er dann höflich. „Allerdings, es ist die höchste Zeit — ich werde um solcher Lappalie willen am Ende den Zug versäumen. Adieu!" Der Freiherr, welcher diese Worte heftig hervorgestoßen, wandte sich der Thür zu. „Einen Augenblick noch, Herr Baron! — Ich darf es leider nicht gestatten, daß Sie eine längere Reise antreten." „Wie, höre ich recht?" brauste Gräfenreuth auf, „Herr, vergessen Sie, wer ich bin? — Hüten Sie sich, Ihre Befugnisse zu überschreiten, es könnte Ihnen theuer zu stehen kommen." „Ich kenne meine Pflicht", erwiderte der Gerichtsrath kalt, „und werde die Verantwortlichkeit meines Handelns auf mich nehmen. Geben Sie mir Ihr Ehrenwort, Herr Baron, nach Falkenhagen zu reisen und dort bis auf Weiteres zu bleiben." „Und wenn ich dies zu thun mich weigere?" fragte der Freiherr, vor Wuth bebend. „Dann muß ich Sie verhaften", lautete die feste Antwort. Einen Augenblick starrte Gräfenreuth den Richter fassungs los an. Aschfahle Blässe bedeckte sein Antlitz und langsam hob er die geballte Faust, um seinen Beleidiger niederzuschlagen. Der Gerichtsrath stand ihm sehr ruhig gegenüber. Der Mann des Gesetzes wußte genau, wie viel er aufs Spiel setzte, indem er dem vornehmen Besitzer von Falkenhagen eine solche Alternative stellte. — Standen ihm Beweise oder hinreichende Verdachtsgründe zur Seite, um sein Benehmen zu rechtfertigen? Er hätte diese Frage verneinen müssen. Nur auf seine feine Beobachtungsgabe, welche ihn allerdings fast niemals im Stich gelassen, gestützt, hatte sich ihm die feste Ueberzeugung aufge drängt, daß der Winkeladvokat Krause die Wahrheit gesprochen und er die Pflicht habe, sich des Freiherrn v. Gräfenreuth in irgend einer Weise zu versichern. Ebenso langsam sank die zum Schlage erhobene Faust des Edelmannes wieder herab. Seine Gesichtszüge glätteten sich und nahmen die gewohnte vornehme Undurchdringlichkeit wieder an. Er hätte sich mögen selber durchprügeln, sich eine solche Blöße gegeben, auch nur für einen Augenblick so vollständig die Fassung verloren zu haben. „Sie bestehen also wirklich in Ernst auf Ihrer Forderung, Herr Gerichtsrath?" fragte er gelassen. „Ich pflege mit solchen Dingen nicht zu scherzen, Herr Baron", versetzte Helbig ebenso ruhig, „das Gesetz kennt kein Ansehen der Person und würde in diesem Falle selbst einen Fürsten gegenüber keine Rücksicht nehmen können." „Ich verlange aber den Grund dieser unerhörten Maß regel zu kennen, mein Herr!" „Es ist genug, wenn ich als Untersuchungsrichter in dem Kittschen Morde die volle Verantwortlichkeit derselben übernehme", erwiderte Helbig gemessen. „Mir liegt die Pflicht ob, jeden Fingerzeig festzuhalten, welche den Schuldigen entdecken, einen Justizmord verhindern kann. Da nun der Ermordete am letzten Tage bei Ihnen gewesen ist, das Odensteinsche Testament aber —" „Zeigen Sie mir doch dieses Schriftstück", unterbrach ihn Gräfenreuth, mit dem Fuße stampfend. — „Irgend ein Feind scheint sich mit jenem Kitt verbunden zu haben, um ein solches Märcken bebnss Keldervressuna ru ersinnen."