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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königl. Serichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Frettn^ den 7. Iutl l865. 27. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lorenz. Bon dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für den Bi ertelj abrg an g beträgt 10 Ngr. und ist jedesmal vorauszubezahlen. SämmtUche Königl. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl <in der Redaclion), als auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bis längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. Hie Redaktion. Umschau. Herr v. Bismark hat in De st erreich eine große Freude erlebt; Oesterreich befolgt seinen Rath vom vorigen Jahr und verlegt seinen Schwerpunkt nach Ungarn. Damit haben sammtliche Minister, namentlich Schmerling, der sich Vater der Ver fassung nennen ließ, ihren Schwerpunkt verloren und sind — gefallen; sie verwalten ihre Aemter nur noch so lange, bis neue Minister gefunden sind, denn ohne Minister kann kein Kaiser und König regieren. Der Ministerfall in Wien bedeu tet Aussöhnung mit Ungarn, der Kaiser halt es für durchaus nöthig, mit den Ungarn Frieden zu machen. Ein bischen hat vielleicht auch die Fi- nanznoth schieben helfen; sie ist ungeheuer und be darf keines Schönpflasterchens mehr; man steht vor einem Abgrund. Fürst Colloredo u. a. sagte im Herrenhaus: Es hilft nichts mehr als Wahrheit; im ganzen Reich herrscht der bitterste Geldmangel, Handel und Verkehr stocken, die Erzeugnisse fin den keinen Absatz und die Verarmung der arbei tenden Volksklassen droht nicht mehr, sondern hat begonnen. Für die Ministerppsten bewerben sich eine große Zahl hervorragender Manner, nur Finanzminister will Niemand werden. — In Wien haben sich die Steuerrückstände im letztens Vierteljahr auf 7 Millionen Gulden belau fen; in Prag (160,000 Einw.) sind in 1 Monat 26,000 Steuerexekutionen vorgenommen worden; in Brünn hat die Verzehrungssteuer um 200,000 si, abgenommen. Das sind österreichische Finanz bilder. — Aus Wien wird ein großer Diebstahl in der Rennwegkaserne berichtet: „Als am 20. d. M. die betreffenden drei Ofsiciere, welche die Schlüssel zu den drei verschiedenen Schlössern der Kasse des zweiten Felvartillerieregimems besitzen, dieselben öffneten, um den Unterabkbeilungen die nöthigen Gelder zu verabfolgen, waren sie nicht wenig entsetzt, die Kasse, ohne irgend eine Spur einer Verletzung von außen, geleert zu finden. Dieselbe halte nicht weniger als 25,400 Fl. ent halten. In Anbetracht, daß diese Kasse in der Kaserne steht und durch drei verschiedenartige Schlösser stark verwahrt ist, und mit Hinblick auf den gänz lichen Mangel irgend einer sichtbaren Beschädigung derselben, liegt die Vermuthung nahe, daß die Gauner sich mittels Nachschlüssels und in einem unbewachten Augenblick mit erstaunlicher Geschwin digkeit des Geldes bemächtigt haben. Die Kaffe wurde das letzte mal am 10. d. M. geöffnet. Die umfassendsten Nachforschungen, welche von selten der Polizei gepflogen werden, sind bis jetzt resultat los geblieben." — Den Feudalen Preußens würde es wohl er wünscht sein, wenn auch in Oesterreich ein Streit über das Budgetrecht zwischen Regierung und Reichs tag ausbräche und auch dort das kaum begonnene verfassungsmäßige Leben in seiner Entwicklung ge hemmt würde. Aber die Dinge liegen in Wien anders als in Berlin. Dort wird die Regierung durch die Finanznoth gezwungen werden, mit der Volksvertretung sich zu einigen. Ju Wien giebt es keinen gefüllten Staatsschatz, dessen Vorrath eine Zeit lang zu unvorhergesehenen Ausgaben hinreicht, die österreichischen Staatsmänner können das Geld nicht nehmen, wo sie es finden, denn sie finden keinS, und ohne Volksvertretung bekommen sie auch kein- geborgt. Wären die Finanzen Preußens nicht so gut geordnet und flössen die Erträge nicht so reichlich,