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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Aebculclm und die Nmzcgcudcn. Umtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff nnd den Dtadtrath daselbst. 54. Dienstag, den 13. Zuü 1869. Taq esgeschich te. Wilsdruff, am 12. Juli 1869. Wie die Dr. N. melden, ist Ihre K. H. die Frau Prinzessin Georg vorgestern, Nachts, 10 Minuten vor 12 Uhr von einem Prin zen glücklich entbunden worden. Sonntag, den 11. Juli früh um 5 Uhr verkündeten 101 Kanonenschüsse auf der Stallwiese den Bewohnern der Residenz und Umgegend das freudige Ereignis;. Mit tags wurden die Majestäten aus Pillnitz erwartet. lieber das Be finden der hohen Wöchnerin und des neugeborenen Prinzen lauten die seit gestern Nachmittag 1 Uhr in den Vildersälen des Königl. Schloßes ausgelegten Bulletins äußerst günstig. Als das eben erwähnte freudige Ereigniß gestern in Riesa, wo selbst der Meißner Sängerbund sein Gesangfest abhielt, bekannt wurde, konnte es der Festausschuß nicht über sich gewinnen, sofort und zwar während des Festzugs ein Beglückwünschungstelcgramm an Se. K. Hoheit den Prinzen Georg abzuscndcn, worauf nach Ver lauf einiger Stunden eine dankende Rückantwort Sr. K. Hoheit auf dem Festplatze eintraf, welche vom Hrn. Musikdirector Hartmann aus Meißen den Festgenonen bekannt gegeben wurde und an die sich noch ein harmonisches Sängerhoch auf den neugeborenen Prinzen und dessen erlauchte Eltern anreihke. Vom Justizministerium ist für die Jnsvectorcn, Wachtmeister und Gcrichtsboten im ganzen Lande eine neue Dienstmütze ange ordnet. Der „S. Ztg." berichtet man aus Dresden: Dem Landtage, welcher, wie nunmehr feststeht, am 28. September eröffnet werden soll, wird gleich zu Beginn das neue Budget für die Periode 1870/71 vvrgclegt werden. Mit der Aufstellung desselben ist man jetzt im Fi nanzministerium eifrigst beschäftigt. Besonderes Interesse dürfte das Capilel der Steuern erregen. — Das Preßgesetz, welches dem Lan- tag vorgelegt werden soll, wird von einem Mitglied der Leipziger Kreisdircction ausgearbeitet. Es heißt, daß dasselbe sehr freisinnig gestaltet werden soll. Tie Cantienen sollen aufs Minimum reducirt werden, für politische Wochenschriften auf 200 Thlr., für täglich er scheinende Blätter auf 800 Thlr. Wie die „Dr. N." hören, soll die wegen Verdachts der Ermor' düng ihres Evemanns, des Winzers Krause in Zadel bei Meißew gefänglich eingezogne Ehefrau desselben vor dem Untersuchungsgericht bereits das Bekenntniß abgelegt haben, daß sie ihren Gatten mit dem Beil erschlagen und selbst mittels Schicbebocks an die Stelle gefahren habe, wo sein Leichnam ausgefnnden worden ist. Der Z. 12 der Bahn-BetricbS-Polizei-Ordnung hat dieser Tage während der Fahrt Nr. 12 auf der Freiberger Bahn nach langer Ruhe einmal eme sehr schnelle Thätigkeit entwick.lt und zwar in Be zug auf eine tragikomische Situation, in welche eine junge Israelitin cius eigner Verschuldung gerathcn. Das Mädchen, eine Berlinerin, deren Mutter sich im Zuge befand, hatte den Abgang derselben vom Bahnhof Freiberg verfehlt und versuchte dies durch einen sonderba ren, aber gefährlichen Sprung wieder gut zu machen, was ihr auch in ihrem Heroismus gelang. Als der Zug schon in ziemlich lebhaf ter Bewegung war, sprang die schöne 16jährige mit aller Virtuosität auf das Trittbret an dem Coupe, in welchem die Mutter saß und kroch mit Hilfe der Letzteren unter kuriosen Schraubenwindungen in den Wagen durchs Fenster. In Chemnitz angekommcn, bestrafte das ki Bahnamt die junge Akrobatin im Sinne des oben genannten Pa ragraphen mit einem Thaler Geldbuße. Chemnitz, 9. Juli. Heute früh 6 Uhr wurde beim Räumen einer Düngergrube eines Hauses der äußern Johannisstraße der Leichnam eines neugeborenen Kindes ausgefnnden. Der Leichnam wurde ins Armenhaus gebracht, während Recherchen zur Ermittlung der Mutter bereits zu dem Resultate geführt haben, daß die Arbei terin Lindner aus Göppersdorf wegen dringenden Verdachts zur Haft gebracht werden konnte. Die Lindner soll auch schon geständig gewesen sein, das von ihr geborene Kind an den oben bezeichneten Ort gebracht zu habcu. In Wittgensdorf bei Chemnitz ereignete sich am 6. Juli in der Mittagsstunde ein merkwürdiger Unglücksfall. Das 2 Jahr alte Kind des Strumpfwirkers Moritz Böhme spielte im Beisein der Mutter auf der Diele der Wohnstube. Während die Mutter auf gau; kurze Zeit das Kind unbeachtet ließ, zog sich vermuthlich dasselbe an der in der Stube befindlichen Badewanne, welche zur Hälfte mit Wasser gefüllt war, empor, stürzte mit dem Oberkörper nach innen und wurde so, mir dem Leib auf der Kante der Wanne hängend, zum furchtbaren Schrecken der Mutter todt aufgefunden. Alle Wiederbe lebungsversuche waren erfolglos. Der geprüfte Vater des verun glückten Kindes kehrte, nickts ahnend, erst in den später» Nachmit- tagsstunden von seinen Geschäftswegen aus Chemnitz zurück. Brand, 7. Juli. Gestern Nachmittag gegen 2'/r Uhr zog ein Gewitter über unsere Stadt, wie sich di« ältesten Leute eines solchen nicht erinnern können. Die Wolken schienen sich zur Erde senken zu wollen; der Regen floß in Strömen und ward vom Sturm so ge peitscht, daß das Welter einem gewaltigen Schneesturm glich. Zum Glück war es nur mit wenigen Schloßen vermischt, jdie wohl einige Fensterscheiben zerschlugen, im Ganzen aber Schaden nicht angerichtet haben. Das hochstehende Getreide nur ist bedeutend niedergepcitscht worden und wo die Felder bergab liegen, hat das Wasser geschwemmt. Einem Fuhrmann gingen während und infolge dieses Wetters auf der Straße von „Himmelsfürst" nach hier die Pferde durch, retteten sich, Wagen und Führer aber dadurch, daß sie sich an einen Baum festfuhren. Das Wettter wüthete etwa V4 Stunde. In Freiberg soll eS außerhalb der Stadt eingeschlagen und der Blitz eine Scheune eingeäschert haben. An dem Fcstzuge der Schützengesellschaft in Zwickau zur 400- jährigen Jubelfeier am 5. Juli haben gegen 1400 auswärtige Schützen Theil genommen. Der Zug war sehr imposant durch viele Costüm- figuren aus den vergangenen Jahrhunderten. Bei dem zweitmaligen Passiren des Zuges wurde auf dem Markle Sr. Majestät dem König ein Hoch ausgebracht und folgende telegraphische Depesche Allerhöchst- demselben zugesandi: „Ew. K^ Maj. sammt dem ganzen königlichen Hause bringet in diesem Augenblick die privilegirte Schützengesellschaft zu Zwickau mit ihren zur 400jährigen Jubelfeier herbeigezogenen ca. 1400 Mann zählenden Gästen ein dreifaches herzliches Lebehoch auf langes Leben und Gesundheit." Noch während der nach dem Zuge stättsindenden Festtafel, die sich auch der Anwesenheit der Herren Kreisdirector Uhde, Bürgermeister Streit und Oberst von Elterlein erfreute, gelangte folgende mit allgemeiner Begeistrung aufgenommene Antwort von Sr. Maj. dem König an: „Meinen herzlichsten Dank für das ansgebrachte Hoch und Glückwunsch zu dem seltenen Feste. Johann." Sehr bezeichnend für die Verhältnisse Ostpreußens ist die traurige Thatsache, daß in einem einzigen der vom letzten Nolhstand heimgc- sucht gewesenen Kreise nicht weniger als 271 Bauernhöfe gegenwär tig unter dem Hammer des Auclionators stehen. Lemberg, 2. Juli. ES ist beschlossen worden, die irdischen Neberreste des vor 500 Jahren verstorbenen Königs Casimir von Polen im Krakauer Dom in einem kostbaren, womöglich silbernen Sarge feierlich wieder beizusetzen und der am 8. d. M. stattfinden den kirchlichen Feier den Charactcr einer allgemeinen und großartigen Nativnal-Fcier zu geben. Zur offiziellen Betheiligung an derselben sind von dem Festcomitee eingeladen: ans Galizien die Mitglieder des Landes-Ausschusses und des Landtags und Deputationen der Kreise und städtischen Gemeinden; aus der Provinz Posen und West preußen die Mitglieder der polnischen Land- und Reichstagsfraction und Deputationen des Adels, des Bürger- und Bauernstandes; aus der Emigration die hervorragenden Parteiführer. Die Studenten der Universität Krakau haben durch einen in allen polnischen Blättern veröffentlichten schwungvollen Aufruf die Jugend aller ehemals pol nischen Laudcstheile und aller Stände und Bernfsklassen zu zahlrei- reicher Betheilignng an der Feierlichkeit der Beisetzung der Gebeine des Königs Casimir eingeladen. Napoleon wird wohl oder übel sein Ministerium wechseln müssen, wenn die Opposition ihm nicht über den Kopf wachsen soll. Er hat deßhalb auch bereits den Depmirten Buffet rufen lassen, um seine Ansichten zu hören. Die Kammer fordert die Widerher stellung der Adresse, Ausdehnung und leichtere Handhabung des Jn- terpellationsrechtes, Erweiterung des Amendirungsrechtes und Er wählung deS Präsidenten rc. durch den gesetzgebenden Körper selbst.