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Wilsdruff, Lh'äraM, Rossen, Giebenlehn und -Le Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche GerrchLsamt Wilsdruff und den SLadtrath daselbst. 12. Freitag den 9. Februar 1872. Tagesgeschichte. In Adorf endete ein gräßliches Geschick die Freuden des in der Nacht vom S. zum 6. d. M. im Schützenhaus abgchaltenen Schützenballes. Gegen Uhr, wo Alles voll Leben und Lust ist, erschallt der Nus: Feuer! Man kann sich die angstvolle Verwirrung, die wilde Hast, hinauszukommen, vorstellen. Sechs Menschen sind ums Leben gekommen, sie sind nicht dem gefräßigen Elemente zum Opfer gefallen, sondern zertreten und erwürgt worden, da sich die Menschen förmlich auf einander thürmten. Etwa Fünfhundert Menschen waren zugegen; im ersten Schrecken sprangen Mehrere zum Fenster hinaus, ein junges hübsches Mädchen ist die Treppe hinab gestürzt und hat sich die Hirnschale zerschmettert. Der Brief meldet von noch anderen ernsten Verletzungen, Bein- und Rippenbrüchen. Die Stimmung in Adorf ist eine tieftraurige, die Nachklänge des Festes sind grabeShohle. Das Schützenhaus selbst ist ganz nieder gebrannt. Ob das Feuer die Folge einer Nachlässigkeit oder gar einer Bosheit gewesen, darüber verlautet im Briese nichts. (Dr.'N.) Der „Vosglländischc Anzeiger" berichtet von einer Petition an den sächsischen Landtag, die untcrm 20. Januar d. I. datirt von Roßbach im bömischcn Voigtlaud ausgehl und dahin gerichtet ist: der Landtag wolle, im Interesse der bahnbcdürftigen LandeStheile von Chemnitz bis Adorf, den Bau durch Privatunternehmer ge nehmigen und dahin wirken, daß der Angriff von Chemnitz-Adorf auch gleichzeitig die Fortsetzung des Baues von Adorf über Elster, Roßbach nach Hof involvire, da die Herren Julius Alexander und Bein u. Co. in Berlin, welche bei der hohen tönigl. facys. Slaats- Regierung um die Ertheilung der Bauconcession für Chemnitz-Adorf rc. eingeschritten sind, sich bereit erklärt haben, nach Erlangung derselben die Baubewilligungcn für Adorf-Elster-Roßbach-Hof sofort nachsuchen zu wollen. Beigcfügt ist ein Rescript des k. k. österreich. Ministeriums des Handels vom 22. December 180!) des Inhalts, daß das Handelsministerium bei der unleugbaren Wichtigkeit, welche die Führring einer Locomottveisenbahn von Adorf in Sachsen über Elster, Rogbach und Kaiserhammer nach Hof für den Aufschwung der Industrie von Roßbach mit sich bringt, keinen Anstand nehmen würde, die Verleihung der allerhöchsten Concejsivn für die Herstellung der auf österreichischem Staatsgebiete gelegenen Theilstrecke zu bean tragen, sobald das Comitee den Nachweis liefert, daß die königlich sächsische Regierung ihrerseits die definitive Cvncessivn zum Baue der sächsischen Bahnstrecke bis an die böhmische Grenze ertheilt hat, und daß die Beschaffung der erforderlichen Geldmittel zur Herstellung der Linie Adorf-Hof in beruhigender und Bürgschaft gewährender Weise sicher gestellt sind. Der Umtausch der älteren Cassenbillcts der Creation vom Jahre 1855 bei der Finanzhanptcasse zu Dresden und derLotterie- Darlehnscasse zu Leipzig bleibt laut neuester Verordnung noch bis mit dem 2S. Juni 1872 gestattet. Zwickau, 3. Fedr. "Das „Zw. W." berichtet: Die Stcigers- ehefrau Göckeritz wurde gestern in ihrer Wohnung von Krämpfen befallen, fiel dabei nist dem Kopfe in einen mit Wasser gefüllten Eimer und erstickte. Seitens des Stadlrathcs wurde sre heute ge richtlich aufgehoben. Waldheim, 4. Fcbr. Am gestrigen Abend fand in den Räumen des sächsischen Hofes nach langer Unterbrechung wieder einmal eine öffentliche Volksversammlung statt. Die Ankündigung derselben war von Liebknecht aus Leipzig, Walster aus Dresden, Most aus Chemnitz, Albert aus Glauchau unterzeichnet. Sämmtliche genannten Apostel der Volksbeglückungslehre, mit Ausnahme des zu letzt Genannten, der sich durch einen Arbeiter, Hartwig aus Glauchau, vertreten ließ, erschienen auch und traten in der außerordentlich zahl reich bezuchlcu Versammlung, welcher die Tagesordnung zu Grunde lag: Die Arbeiterbewegung und die Maßregelung der Social-De- motratie in Sachfen, als Referenten auf. Nach der stürmisch cinge- leitcten, aber schließlich ruhig verlaufenden Wahl eines Präsidenten erhielt zuerst Liebknecht, „der treue Hort der Sozialdemokraten", das Wort. In langer Rede stellte er sich als den Märtyrer der sozialen Principen hin, rechtfertigte die Bestrebungen der Pariser Commune und beleuchtete seine Behandlung seitens der Staatsanwaltschaft und des Leipziger Stadtrathes, die Auflösung des Leipziger sozial-demo kratischen Vereins und die wiederholte Ausweisung seiner Genossen aus verschiedenen Orten. Er verwahrte sich ferner gegen den Vor wurf, als ob er und seine Partei Revolution beabsichtigten: die wahren Nevvlutionsmänner seien auf der Seite dcr Reaction. Ebenso sei es unwahr, daß sie Demagogen seien; demagogische Bestrebungen gingen vielmehr von der Pfaffen-, Bourgeoisie- und Junkcrpartei aus und der Chef aller Parteien sei Fürst Bismarck. Die Furcht und die Anstrengung der Gegner erschienen dem Sprecher als Zeichen der Macht der Sozial-Demokratie, die er als unüberwindlich bezeich nete. Walster aus Dresden sprach vornehmlich über die Ueberwach- ung der politischen Versammlungen seitens der Polizei und versicherte daß er unter jeder beliebigen Tagesordnung von Social-Demvkratie zu sprechen sich getraue. Mit der Weitschweifigkeit der Rede des darauf folgenden Bürger Most wuchs auch die Unruhe in der Ver sammlung und der vierte Redner, Hartwig aus Glauchau, blieb zum großen Theile unverständlich. Erst gegen Mitternacht wurde die Versammlung geschlossen, die übrigens ohne irgend welche Störung verlief. Hunderte von Gästen'auf dem jüngsten Hofballe in München sind Zeugen gewesen, wie fein König Ludwig ohne Worte seinen Ministern für ihren siegreichen Römerzug gedankt hat. Die uralte Etikette, die Bibel des Hofmarschalls und Oberceremonienmeisters, gebietet, daß der König beim Souper im ersten Zimmer nur mit fürstlichen Personen zu Tische sitzt, die Minister gehören in's zweite Zimmer; aber siehe da, diesmal saßen die Minister Hegnenbcrg und Lutz an der Tafel des Königs und ihm zur Rechten und Linken. Manchem alten Hofmann gab's einen Stich in's Herz und dem päpstlichen Nuntius fiel ein bitterer Tropfen in den funkelnden Römer, die Andern aber freuten sich des Königs und tranken ein stilles Glas auf den Münchener Nömerzug. Köln, 2. Februar. Dem „Fr. I." schreibt man: Wie sich die Zeiten doch ändern! Als im Jahre 1789 die Protestanten sich in Köln, der h. Stadt, eine Kirche bauen wollten, wurden die Gemülher arg erregt und am 20. April wurde die üblickje jährliche „Morgenfprache" in Gegenwart dcS ganzen RatHS vor dem Rath- hause öffentlich dem Volke vorgelesen, des Inhalts: „daß die ka tholische Religion die herrschende sein solle." Heute ist cs anders! Heule konnte ein Priester, Hr. Tangermann, der jüngst excommuni- cirt wurde, in einer katholischen Kirche die Messe lesen, ohne im Mindesten gestört zu werden, wiewohl St. Pantaleon bis zum letzten Stehplätze dicht besetzt war, und Tausende, welche nicht in das Gotteshaus konnten, lautlos vor der Kirche fast I'/? Stunden aushielten. Die Predigt fesselte die Zuhörer und zeichnete sich so wohl durch inneren Gehalt, wie auch durch eine abgerundete Sprache aus. Der Gesandte Frankreichs in Berlin wird mit ausgezeich neter Aufmerksamkeit behandelt; alles wetteifert, ihm zu beweisen, daß man mit Frankreich in Frieden leben will. Aus Pars, 1. Februar, wird berichtet: Der „Moniteur" hält mit seinen SubfcriptionSlisten noch zurück, versichert aber, daß der Zuspruch alle Erwartungen übertreffe, und will einstweilen nur zwei Beispiele auführcn: Eine Dame, Frau Lepel-Cointet, die Gemahlin eines reichen Industriellen, hat für sich allein hunderttausend Francs gezcichnet; Baron Thönard, ein bekannter Gelehrter, bietet 60,000 Francs unter folgenden Modalitäten: 10,000 Francs sofort und je 10,000 Francs zu jeder neuen, durch, die öffentlichen Sammlungen aufgebrachten halben Milliarde. — Von anderen Subscripkionen werden folgende Ziffern bekannt: Nonen 40,000 Frcs., Bordeaux 40,000, Compiegne 37,000, Chaumont 25,000, TourS 13,403, Cherbourg 5452, Rheims 4135, die Damen von Rochefort 125,000, die Sammlung dcS „Phare de la Loire" in Nantes 10,635, das 17. Artillerie-Regiment (in la Fcre) 10,000 Frcs. n.. s. w. Das Comite von Nancy fchlägt vor, man solle einstweilen nur Zeichnungen in Form von Beitrittserklärungen entgegen»chmcn, welche