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, für Wilsdruff, Tharandt, Rvffcn, Mcbcnlehn und die Umgcgciidciu AmlsUatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 87. Ireitag den 4. Uovenröer 1878. Tagesgeschichte. Von dem 12. (kgl. sächs.) Armeecorps vor Paris bringt das „Dresdn. Journal" die Nachricht, daß am 22. die erste Loco- motive von Soissons in Sevran (letzte Station vor St. Denis auf der Linie Soissons-Paris) angckommen, die Eisenbahn aus dieser Strecke also vollständig betriebsfähig ist. Andrerseits ist die Eisen bahnverbindung zwischen Soissons und Chalons snr Marne herge stellt, so daß also alle Armeevorräthe aus dem Marnethale jetzt auf dieser Linie in die unmittelbare Umgebung von Paris (St. Denis) gelangen können. Es wird hiernach auch ferner das schwere Be- lagerungSgescyütz nicht mehr bei dem zerstörten Tunnel von Nanteuil abgcladen werden müssen, um den Weg nach Paris per Axe zurück zulegen. Zum ersten Mal seit dem Bestehen der preußisch-norddeutschen Wehrvcrfafsung wird, wie verlautet, mit Ablauf des gegenwärtigen Krieges die Ersatz-Reserve entsprechend ihrer Bestimmung zur Aus füllung der in den einzelnen Mannschafts-Jahrgängen durch Tod, Invalidität und zeitige Unbrauchbarkeit entstandenen Lücken im um fassenden Maaße in Verwendung gezogen werden. Dem Vernehmen nach liegt die Absicht vor, den so in den Mannschafts-Jahrgängen der activen Armee veranlaßten Ausfall ausschließlich aus der ersten Classe der Ersatz-Reserve zu decken, deren Angehörige im genauen Vcrhältniß der einzelnen Deckungsquoten ebenfalls aus den gleichen Altersclassen herangezogcn, ausgerüstet und später in den Mann schaftslisten geführt werden sollen. Wahrscheinlich werden, um dies Verfahren mit dem Militär-Budget in Einklang zu bringen und die Friedensstärke der Armee inne zu halten, eine der Zahl der so neu einzustellenden Ersatz-Reservisten entsprechende Zahl der aus dem Felde heimkehrenden Soldaten vor Ablauf ihrer activen Dienstzeit auf Königsurlaub entlassen und durch jene Ersatz-Rekruten ersetzt werden, wie ja ähnlich auch bereits nach dem Feldzuge von 1866 verfahren worden ist. Thcilweise soll sich, namentlich in den er worbenen Provinzen, die Ersatz-Reserve auch schon zur Ausfüllung der Landwehr-Cadres mit hcrangezogen finden. Die deutschen Heere, welche Frankreich besetzt halten, um fassen gegenwärtig an streitbaren Kräften ca. 690,000 Mann mit 160,000 Pferden. Der Unterhalt dieser Armee erfordert an Lebens mitteln täglich 225,000 Brode, 185 Stück Rindvieh, 400 Centner Speck u. s. w., 540 Ctr. Reis, 160,000 Quart Branntwein, 10 Ctr. Kaffee, 3400 Mispel Hafer, 6800 Centner Heu und 1000 Schock Stroh. In der letzten, der 16. Nummer des „Feld-Soldatcnsreundcs" vom 17. v. M. war in einer übersichtlichen Zusammenstellung der in den Monaten August und September von den deutschen Armeen ge machten Gefangenen und eroberten Kriegstrophäen die Totalsumme, inclusive der Capitulation von Straßburg; annähernd in folgender Weise angegeben: Gefangene: 1 Marschall, 50 Generale, 4000 Offiziere und 150,000 Mann, incl. der verwundeten Gefangenen. Danach würde sich daher nach der Capitulation von Metz die Zahl der Gefangenen auf 4 Marschälle, ca. 140 Generale, 10,000 Offiziere und 323,000 Man» herausstellen, wo hingegen, gleichfalls nach einer Angabe des „Feld-Soldatenfreundes", die Zahl der von den Fran zosen gefangen genommenen deutschen Soldaten nur etwa 2100 betrügt. Mann kann wohl annehmen, daß auch dem ärmsten deutschen Soldaten im Felde von seinen Angehörigen von Zeit zu Zeit etwas geschickt wird. Der Werth der gesendeten Gegenstände entzieht sich jeder Berechnung, aber über die declarirten Geldsendungen wird Buch geführt und diese sollen sich seit Beginn des Krieges durch schnittlich täglich auf 50,000 Thaler belaufen. Nimmt man bis jetzt die Dauer des Krieges auf 3 Monate an, so würde bis jetzt die privatim an die Armee gesandte Geldsumme sich aus 4'/« Mill. Thlr. belaufen. Der „K. Z." wird aus Wilhelms höhe berichtet: Der vor letzte Act des deutsch-französischen Krieges ist beendet. Metz hat ca- Pitulirt. Schon seit drei Tagen wußte es der Kaiser und ging düster und traurig herum. Am 26. October kam weder Speise noch Ärank über seine Lippen. Die Offiziere seiner Umgebung waren kalt, gefaßt — sie haben begriffen, daß der französische Waffenruhm auf lange Jahre verblichen ist. Was in Paris, Lille und Tours noch geschehen mag, interessirt nur die Patrioten — der französische Soldat hat seine Rolle mit der Capitulation von Metz ausgespielt! — Das haben die Herren Alle begriffen. Ein anderes Unheil zieht sich über das kaiserliche Geschick zusammen; man hat hier die Gewiß heit erlangt, daß die gefangenen französischen Offiziere in den ihnen angewiesenen Städten systematisch von orleanistischen Agenten be arbeitet werden, und daß die natürliche, ihrer Niederlage folgende Mißstimmung treffllich gegen das Kaiserreich ausgebeutet wird. Aus München vom 27. October wird berichtet: Bis 1. No vember wird wieder ein Nachschub neuexercirter Ersatzmannschaft in der Gesammtstärke von etwa 6000 Mann nach Frankreich abgehen. Um den hierdurch und durch weiter noch in Aussicht stehenden Nach schub sich ergebenden Bedarf an Winterkleidung zu decken, hat das Kriegsministerium neuerlich um 20,000 Flanellhemden und 15,000 warme Unterhosen mehr, als neulich ausgeschrieben war, zur Sub mission ausgesetzt; Angebote sind bis zum 31. October einzureichen. Der König von Bayern tclegraphirte an den König von Preußen auf Anzeige der Kapitulation von Metz zurück nach Versailles: „Die für die Entscheidung deS Krieges so bedeutsame Ucbergabc habe ich mit innigster Freude begrüßt und sende Ihnen für Ihr freundliches Telegramm den beste» Dank. Wenn einst die Nachwelt die glänzenden Erfolge überblickt, welche die deutschen Heere unter Ihrer Führung unaufhaltsam erfochten, so wird sie Ihnen mit Recht den Namen „Wilhelm der Siegreiche" beilegen." Moltke ist an seinem 70sten Geburtstag von dem König in den Grafenstand erhoben worden. Der für Anfang dieser Woche von verschiedenen Berliner Blät tern angekündigte Artillerieangriff auf die Befestigungswerke von Pa ris hat »och immer nicht begonnen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Thiers, welcher am vorgestrigen Tage aus der belagerten Hauptstadt nach Versailles zurückkehlte, den in Paris befindlichen Mitgliedern der französischen Regierung das Hoffnungslose der weiteren Verlhci- diglmgsversuche vorgestellt hat und diescrhalb einen Aufschub des Bombardements von dem deutschen Hauptquartier beschlossen wurde. Die fertige Aufstellung der Geschütze darf jetzt wohl mit Sicherheit angenommen werden und ebenso die nahe Erfüllung der schon öfter verkündeten Nachricht von dem Anfang der Artillerie-Action, da ThierS schwerlich irgend welche friedliche Resultate seiner Besprechung aus Paris mitbringcn wird, denn die maßlose Eitelkeit der Franzosen läßt sie noch immer nicht zur richtigen Erkenntniß ihrer Lage kommen. Nicht eher steht eine Bekehrung Frankreichs zum Frieden zu erwarten, als bis die deutschen Truppen alle größereil Plätze in den Händen haben und so das ganze Land beherrschen. Ist es wirklich eine unnölhige Härte der Deutschen, den Frieden nur in Pars zu dictiren? Hören wir darüber einen Engländer, der bis zu dieser Stunde in Paris lebt. „Ich verabscheue den Krieg und die Preußen, bin aber der Ucberzeugung, daß die Pariser aus diesem Kriege noch nichts gelernt habe». Von Tag zu Tag über zeuge ich mich mehr, daß ein dauernder Friede nur in Paris unterzeichnet werden kann. Wenn die Belagerung morgen aufgehoben würde, dann würde diese eitle frivole Bevölkerung nach einem halben Jahre nicht mehr glauben wolle», daß Elsaß und Lothringen je von einem Feinde besetzt waren. Und wenn die deutsche Armee nicht gradezu die Boulevards entlang defilirt, sollte cs mich nicht wundern, wenn man uns sofort nach ihrem Abzüge sagte, daß sie nie da- gewesen seien. In dieser Stadt mit ihren Einwohnern eingeschlossen, bin ich mit meinen Sympathien ganz auf ihrer Seite, aber meine Vernunft sagt mir, daß Bismarck recht daran thut, nur in Paris Frieden zu machen." Das Wiener „N. Fdbl." schreibt: „Mit der Kapitulation von Metz ist der Friede gesichert, für den Preußen gestern noch Bürgschaften verlangen konnte; denn Preußen ist ohne weiteren Schwertstreich in der Lage den Frieden zu dictiren. Frankreich ist außer Stande, irgend etwas zu verweigern, da schließlich der Sieger Alles, was ihm gutdünkt, selbst zu nehmen vermag. Die Be-