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WschcMM für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Dienstag, den 18. Januar 187N. Bekanntmachung. Die Local-Jmposteinnahmcn und diejenigen Bezirkssteucreinnahmen, welche den Detailvcrkauf von Steinpelmarken haben, sind er mächtigt worden, etwaigen Anträgen auf Ersatzleistung für noch nicht verwendete und in unverdorbenem Zustande befindliche Stempel- marken zu 1 und 2 Neugroscken stattzugeben und für die bei ihnen eingehenden dergleichen Marken entweder andere gültige Stempel marken hinauszugeben, oder auf Wunsch den Kaufpreis zurückzuerstatten. Dieser Umtausch findet jedoch nur bis zum 1. April dieses Jahres statt. Dresden, am 13. Januar 1870. F i n a n z - M i n i st e r i u m. Frhr. v. Friesen. Wolf. Tag esgeschichte. Wilsdruff, den'17. Januar 1870. Nachträglich sei erwähnt, daß am 19. v. M. im Gasthofe zum Weißen Adler hier von Seiten des hiesigen Frauenvereins eine öffent liche Christbescyeerung an einige 50 hilfsbedürftige und würdige Kin der und Alte stattfand, wobei der Schriftführer Herr Diaconus Ficker eine ernst- und würdevolle Ansprache hielt. Auch hatte sich abermals der hiesige Stadtgutsbesitzer und Bau meister Herr Aurich, gegenwärtig in Dresden wohnhaft, nicht unbe zeugt gelassen und sowohl au mehrere würdige Alte und Kinder werthvolle Geschenke verlheilen lassen und zu diesem Zwecke eine namhafte Summe Geld übergeben. Erfreulich endlich ist zu berichten, daß dem hiesigen Frauen vereine von I. K. H. der Prinzessin Amalie 15 Thlr. zu mildthäti- gen Zwecken huldvollst zugewiesen wenden sind — Durch höhere Verordnung ist entschieden worden, daß in An sehung der Agenten von Privat- und Feuerversicherungsanstalten ein tretende Personalveränderungen nicht mehr öffentlich bekannt zu ma chen sind, daß aber sowohl die Uebernahme einer Agentur, als auch die Wiederaufgabe des Agenturgeschäfts, sowie die Wicdercinziehung des Auftrags innerhalb der nächsten acht Tage der Wohnortsbehörde anzuzeigen ist. In Dresden soll die 6. allgemeine Geflügelausstellung in der Zeit vom 17. bis mit 22. Februar, verbunden mit Prämiirung und Verloosung, im Gewandhaus abgehalten werden. Die Anmeldungen sind bis spätestens den 5. Februar zu bewirken. Die „Dr. N." hören, daß der Verkauf der Hartmannschen Ma schinenfabrik in Chemnitz an ein Conscrtium nunmehr fest abge schlossen ist und zwar zu dem Preise von 2,600,000 Thlrn. Einen Selbstmord beging in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag in Dresden ein Soldat, ein Fahrer der ersten Batterie des Fcldartillerie-Regiments. Er hatte sich im Gesträuche des Großen Gartens erhängt und zwar in voller Uniform, den Säbel um den Leib geschnallt. Ein wegen Betrugs in Wiesbaden verhafteter und von dort nach Dresden trarsportirter Baron v. M., hat, als er in Privatangelegen heiten ausgeführt wurde, in der Wohnung von Verwandten die.Auf- merksamkeit des ihn begleitenden Gerichlsdieners zu täuschen und durch ein Nebenzimmer ;u entweichen gewußt. Die ihm zur Last fallenden Betrügereien sollen sich bis zur Höhe von 4000 Thalern belaufen. Wie die S. Z. aus Leipzig berichtet, ist es in letzter,Zeit wie derholt vorgckommcn, daß Theilnehmer an Diners in Folge des Ge nusses von „Eis" starke Erbrechungen erlitten. Auch vor einigen Tagen ist dort wiederholt ein gleicher Fall vorgekommen, wo bei mehreren Personen sich Erbrechungen im hohen Grade einstellten. Wie man sagt, soll bei dem Conditor-Eis jetzt vielfach das durch sei nen Mandelgeschmack bekannte Nitrobenzin angewendet werden; mög lich, daß darin die Ursache genannter Erscheinung zu suchen ist. Berlin, 13. Januar. Wie man der „N. Fr. Pr." aus Berlin meldet, unterliegt cs keinem Zweifel mehr, daß der Bruder des Kaisers von Oesterreich, Erzherzog Karl Ludwig, sich, und zwar in kürzester Frist, an den preußischen Hof begeben'wird, den Bestich zu erwiedern, den der preußische Kronprinz vor seiner Orientfahrt im Octvber v. I. in Wien abgestatlet. Einer guten, freundschaftlichen Aufnahme kann der Erzherzog mit Gewißheit entgegensetzen. Nicht blvs aus Rücksichten der Cvurtoisie, auch politische Erwägungen, durch die ganze gegenwärtige Constellation bedingt, werden ihm den herzlichsten Empfang bereiten. In merkwürdiger Jllustrirung des Wortes: „Wer die Wahrheit treibt, der kommt an das Licht, denn es ist in Gott gethan" geschieht das Sitzen der Bischöfe in Nom hinter Schloß und Riegel von mehr als einer Thür. Die Außenwelt ist aber so verderbt wißbegierig, z. B. die Correspondenten der Köln. Ztg. und der englischen Times, daß dennoch manche interessante Einzelheit „an das^Licht" der Oeffent- lichkeit kommt. In der 5. Sitzung (28. Dec. v. I.), als über die Verdammung des Rationalismus in Religion und Kirche verhandelt wurde, liefen die Gefäße des Zorns der Opposition über. Der un garische Bischof Strohmeyer erhob sich zu einer flammenden Rede gegen die Jesuiten. Sie sind es, rief er, die alles auf diesem Eoncil zurechtschneideu, verarbeiten, abfassen, alle unsere Arbeiten sind durchtränkt von den Einflüssen der Jesuiten und tragen den Stempel ihrer fiLehre. — Da erhob sich der Cardinal Capalti, der Legat des Papstes, und rief den Bischof mit dem ^Bemerken, daß eine solche Sprache ungeziemend sei, zur Ordnung. In höchster Be wegung antwortete Bischof Strohmeyer: „Ein Bischof hat nur auf die Stimme seines Gewissens zu hören. Die Kirche Gottes ist von den Jesuiten bedroht und ich habe mich erhoben, sie zu Verthseidigen. Nicht gegen die Kirche, sondern gegen die Ge sellschaft Jefu richte ich meine Worte in meiner Eigenschaft als ei ner der Hirten der Heerde unseres Erlösers und als Mitglied dieser Versammlung, durch welche der h. Geist unmittelbar sich kundgiebt. Der h. Vater hat uns die Freiheit unserer Verathungeu versichert und diese Freiheit nehme ich für mich in Anspruch." Und ohne sich wieder unterbrechen zu lassen, setzte Bischof Stroßmeyer seine nieder schmetternde Rede fort. Die Versammlung wurde von den Sätzen des Bischofs bewegt, wie das Meer, das vom Sturme erfaßt wird. ,Jch beschuldige die Jesuiten, dieLehre und den Unterricht der Kirche verderbt und gefälscht zu haben," rief Stroßmeyer, und ähnliche Beschuldigungen, denen die Beweise folgten, fielen auf den Orden wie ein dichter und schwerer Hagclschlag nieder. DieJe- suilenpartei war gereizt und endlich wülhend, aber unter der Wucht der mächtigen Anklagen mußte sie die Stirn senken. Da richten sich alle Blicke auf den Pater Beckx, den Ordensgeneral der Jesuiten, der seinen Sitz auf einer der vorderen Bänke, gegenüber der Nednerbühne inne hat. Pater Beckx saß unbeweglich da gleich einer Statue, nur um den Mund spielte ein leises Lächeln. Aber viele Bischöfe um drängten den Ungar beglückwünschend und machten ihm Complimente über sein Talent. Was wollen Sie? sagte nach der Sitzung der Jesuiten-General zu einem Bischof, Stroßmeyer hat Recht. Ich wußte, daß das maß lose Auftreten der CiviltL onttolicÄ (der Jesuitenzeitung) unserem Orden Haß eintragcn müsse, ich bat um Mäßigung; ich aber mußte schweigen und sie reden; denn sie werden von einem höheren Willen als dem meinigen angetrieben. Bischof Stroßmeyer schilderte das Leben Jesu und zeigte, daß der Heiland überall in Lehre und That, Milde, Sanstmnth und Ver gebung walten ließ. Er zeigte, daß der gleiche Charakter, daß die Liebe auch die Grundeigenschast seiner Kirche sein müsse. „Was thun dem gegenüber wir? Was wird uns angesonnen, zu thun?" fragte er mit erhöhter Stimme. —- „Wir verdammen, wir ercommnniciren.