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Wochenblatt Wilsdruff, Tharandt, Nvffen, Siebentel,» und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. ^ 72. Freitag den 13. September IH72. Anher erstatteter Anzeige zufolge sind in der Nacht vom 30. zum 3 t. August d. I. mittelst Entsteigens I., aus der Werkstelle eines Stellmaches allhier 2 Stemmeisen, deren Hefte aus Eichenholz bestanden und eine Länge von 10—12Centi- meter hatten, und von denen das Eisen des einen 8 Centimeter lang und 3 Zentimeter breit, das des andern tO Centimcter lang und 2V, Centimeter breit war, sodann 2., aus der Niederlage eines Kaufmanns allhier ein Paar rindlederne Halbstiefel mit Doppelsohlen spurlos entwendet worden, was behufs Ermittelung der Thater und Wiedererlangung des Gestohlenen hier mit zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird. Königliches Gerichtsamt Wilsdruff, am 10. September 1872. Leonhardi. Tagesgeschichte. Das „Meißner Tageblatt" berichtet aus Meißen, 7. September: Ein eigenes Verhängniß schwebte am gestrigen Tage über Meißen und Umgebung. Nachmittags halb 3 Uhr bereits riefen der Telegraph und die Rauchsäulen eines zu Niederau ausgcbrochenen starken Scha denfeuers die Meißner Turnfeuerwehr und Löschmannschaft mit Spritze zur Hülfe. Im sogenannten Klosterhofe nahe der Kirche ausgebrochen, brannten 4 Bauerngüter, eine kleinere Wirthschaft, zusammen 7 Ge bäude, total nieder. Auch die schöne starke Linde bei der Kirche fiel den Flammen zum Opfer. Den aus dein Heimwege nach der Stadt begriffenen Rettungsmannschaften tönten bereits wieder die Sturm glocken von Meißen Abends halb IO Uhr entgegen, wo in der obern Burggasse das stark bewohnte Hinterhaus des Sattlermeisters Hühn- dorf brannte und sogar Menschenleben inGefahr standen. Der Wind stille und der schnellen Hülfe war es zu danken, daß daS Feuer trotz den ungünstigen engen Localverhältnisseu keine weitere Ausbreitung gewinnen konnte. Als um Mitternacht nur noch die Wachtspritze und Wachtmannschaft zum weitern Dienste disponibel blieben, erhellte plötzlich znm dritten Male ein mächtiger Feuerschein die Stadt und Umgegend und erforderte abermals Abgang der Rettungsmannschaften. Cs brannte die Oeconomiewirtbschaft des ehemaligen Chausseehauses zwischen Zscheila und Bohnitzsch in himmelhohen Flammen und mit solcher rapiden Schnelligkeit nieder, daß an Hülfe nicht zu denken war. DaS Klaggeschrei zweier mitverbrannten Pferde war weithin erschütternd anzuhören. Ein aus dem Fenster gesprungener Knecht, welcher sich an Kopf, Gesicht und Brust und durch nachstürzende brennende Dachbalken auch am Rücken starke Verletzungen zugezogen hatte, mußte nach dem Krankenhaus geschafft werden. — Auf Tanben- beimer Flur war ebenfalls gestern ein Feuer sichtbar, das aber nur von einem großen Haufen brennender Rapsschalen hcrrührtc. Waldheim, IO. September. Unsere Umgegend ist in den ver gangenen Tagen wiederholt von Schadenfeuern heimgesncht worden. Am Sonntag Abend von Uhr an brannte die große Scheune des Ritterguts Klostergcringswalde mit sämmtlichen Erntevorrüthen nieder und die Flamme röthcte weithin den nächtlichen Himmel. Zu gleicher Stunde bemerkte man einen Feuerschein in der Richtung nach Lersnig, der von einem Brande in Naubain herrührcn sollte. Am gestrigen Nachmittage brannten im nahen Dorfe Grünlichtenberg zwei Häuser uicder, welche bei gegenwärtiger Trockenheit und großem Wassermangel trotz hcrbcigeciller Hülfe nicht gerettet werden konnten. Ueber die Entstehungsursache verlautet Nichts. Gegend von Freiberg, 8. September. Letzte Nacht kurz vor I Uhr wurde von Reisenden, welche mit dem letzten Znge von Dres den gekommen und auf dem Heimwege begriffen waren, in der soge nannten Branddellc ein Phänomen beobachtet. Etwa 2 Häuser hoch über der Erde zeigte sich eine Feuerkugel von ziemlich großem Umfange. In dieser Höhe zog sie sich einige Sekunden lang hin, bis sie vor den Augen der Beobachtenden zersprang und in Funken, ähnlich kleinen Sternen, sich auflöste. In der 9. Stunde ist mehr südwestlich eine ähnliche Erscheinung von Anderen gesehen worden. — In einem zum Rittergut Niedcrlangenau gebörigen Beigute ist gestern früh eine Kammer ausgebrannt. Das Feuer wurde, ehe es weiter greifen konnte, zwar noch gelöscht, hat aber immer ein Menschenleben gekostet. Ein 7jähriges Mädchen, das schlafend in dieser Kammer im Bette gelegen batte, ward todt berausgebracht. Vater und Mutter des Kindes waren frühzeitig auf Arbeit gegangen. Wie daS Feuer ent standen sein könnte, weiß Niemand. Zwickau, 9. September. Gestern früh fand hier die feierliche Beerdigung der beiden, am ersten Mannövertage (5. September) in Folge der großen Hitze und zn großer Anstrengung plötzlich verstor benen Soldaten statt. Der eine dieser höchst bedauerlichen Todes fälle berührt unser Publikum um so lebhafter und erweckt die allge meinste Theilnahme, als er die Familie des geschätzten Braumeisters Manitz allhier betrifft, welche erst vor wenigen Jahren einen hoffnungs vollen, erwachsenen Sohn verlor und der sächsischen Armee bereits mehrere Söhne als einjährige Freiwillige zugeführt hat. Der andere Unglückliche soll aus Preußen stammen. Berlin war in diesen Tagen ein großer Guckkasten, an dem die glänzenden Bilder im Nu vorübcrzieheu. Die Berliner haben ein durch Uebung geschärftes Äuge, im Fluge zu schauen und festzuhalten, und sie Habens namentlich gebraucht, um die drei Kaiser nicht zu ver wechseln; denn da cs zur höflichen Courtoisie gehört, daß der Haus herr seine Gäste in deren Uniform empfängt, ffo mußte Kaiser Wil helm abwechselnd die russische und österreichische Uniform anzichen und die beiden anderen Kaiser trugen preußische Uniform und Ordens bänder. Vor allem scharf beobachteten die Berliner die Begrüßungen mit Oesterreich. Zwischen Preußen und Rußland liegt seit Jahren kein Stein des Anstoßes, im Gegentheil; zwischen Preußen und Oester reich aber liegt — 1866, eine geschichtliche Nothwendigkeit zwar, aber doch etwas, was alle gern wie gut machen möchten. Hatte man doch aus den Schlößern manches große Bild aus 1866 von der Wand genom men und in die Ecke gestellt. Der Empfang war aber äußerst herz lich und natürlich auf beiden Seilen; Kaiser Franz Joseph trat so fort nach Umarmung dcS Kaisers Wilhelm auf die beiden Haupt figuren des Jahres 1866, auf Bismarck und Moltke, zu und schüttelte ihnen die Hände. (M. Diese ächt Preuß. Figuren trugen jetzt öster reichische Namen.) Die Berliner sind der Chor, der sich um die drei Helden des Schauspiels bewegt, bald als Zuschauer, bald als Mit spieler, und beiderlei Rollen sind interessant genug. Auch ohne zu sehen, hätte Jeder an dem Anschwellcn und Abschwellen der Hurrahs merken müssen, wer bei dem vieltauscndstimmigen Chor mehr oder weniger in Gunst siebt. Das Volk zeigte sich als feinfühlender Kri tiker. Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Joseph in einem Wagen wurden mit lautem, herzlichsten Jubel begrüßt, eS war die aufrich tigste Freude, daß sic sich wieder gesunden halten, auch die Straßen, durch die sie fuhren, waren weit schöner und allgemeiner geschmückt, als am vorhergehenden Tage; Graf Andrassv, der österreichische Mi nister in ungarischer Magnatentracht, wurde mit achtungsvollem Schweigen begrüßt, als wolle man abwarten, ob er sich in Berlin freudigen Zuruf verdienen werde. Donncrähnlstber Zuruf empfing und geleitete den Fürsten Bismarck von Straße zu Straße, der allein in seinem Wage» saß. Tie große Parade auf dem Tempelhofer Felde über die Garde und Leibregimcnter dauerte 2 Stunden. Kaiser Wilhelm führte seinen hohe» Gästen die Truppe» zweimal vorüber und diese traten dann an die Front ihrer Regimenter und führten dieselben ebenfalls zwei mal an dem Kaiser vorüber. Die Kaiserin, die Kronprinzessin, sämmtliche Prinzessinen und sämmtliche Gäste dcSHofcS wohnten dem Schauspiel bei, das zuletzt von einem undurchdringlichen Staubschleicr bedeckt wurde. Der weite Platz und alle Zugänge waren von Hun- dcrttausendcn gefüllt. Berichterstatter Has Wien 36, London 30. Paris 10—12, Petersburg 15, Amerika 21 geschickt; die Amerikaner benutzen zu jedem Bericht de» Kabel, den überseeischen Telegraphen. Der Monst re-Zapfenstreich vor dem k. Schlöffe in Berlin am 7. September Abends verlief glänzend. Die Musikchöre sämmt-